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Spitzweg, Carl

Die Sonne bringt es an den Tag (Beim Wäscheaufhängen; Die Wäscherin)

Entstehungsjahr um 1875
Technik Öl auf Holz (Mahagoni)
Maße 25 x 16,5 cm
Münchener-Nr. 10517
Linz-Nr. 339
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Maler und Illustrator Carl Spitzweg (1808–1885) gelangte auf dem Umweg des Pharmaziestudiums zu seiner künstlerischen Berufung.[1] Während eines Italienaufenthaltes 1832/33 kam Spitzweg mit einem kleinen Kreis von Künstlern zusammen, darunter Christian Heinrich Hanson (1790–1863), die ihn nachdrücklich prägten. Er entschloss sich, Maler zu werden, hielt sich aber zu alt für ein Akademiestudium. Stattdessen studierte und kopierte er alte Meister und berühmte Zeitgenossen. Im Jahre 1844 kam es zu einer Mitarbeit an dem humoristisch-satirischen und reich illustrierten Wochenblatt „Fliegende Blätter“. Die letzten 34 Lebensjahre verbrachte Spitzweg in beschaulicher Ruhe als Junggeselle in München und malte überwiegend kleinformatige Genrebilder, die Menschen in ihrem bürgerlichen Milieu darstellen. Abgelehnt vom offiziellen Münchener Kunstbetrieb erfreute sich seine Kunst bereits zu seinen Lebzeiten in Sammlerkreisen einiger Beliebtheit. Spitzweg hinterließ ein umfangreiches Œuvre.

Das Gemälde zeigt eine dörfliche Umgebung an einem sonnigen Tag. Im Bildvordergrund hängt eine bäuerlich gekleidete Frau auf einem von Mauern umgebenen Platz Wäsche auf. Hinter einem der weißen Leinentücher zeichnet sich der Schatten eines sich küssenden Liebespaares ab.

Das Werk ist unten links mit dem Nachlassstempel bezeichnet. Eine Entstehungszeit um 1875 wird angenommen.[2]

Das Gemälde ist in den Werkverzeichnissen von Roennefahrt (1960)[3] und Wichmann (2002)[4] enthalten.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „339“ (Linz-Nr.); in blauer Fettkreide „10517“ (Mü-Nr.); Nachlassstempel Spitzweg; Aufschriften, Etiketten und Stempel ehemaliger Leihnehmer (nach 1945); Stempel „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“ (Provenienzmerkmal nach 1945).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 31/32, Leipzig 1999, S. 394f.

[2] Vgl. Siegfried Wichmann, Carl Spitzweg. Verzeichnis der Werke, Stuttgart 2002, S. 475, Nr. 1255.

[3] Vgl. Günther Roennefahrt, Carl Spitzweg. Beschreibendes Verzeichnis seiner Gemälde, Ölstudien und Aquarelle, München 1960, S. 251, Nr. 1051. 

[4] Vgl. Wichmann 2002, S. 475, Nr. 1255.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
1888–1935Martin Flersheim (1856–1935), Frankfurt am Main, erworben über Frankfurter Kunstverein
1935–1938Florence Flersheim (1864–1950), Frankfurt am Main, erworben durch Erbgang
1938Galerie Almas, München
1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
18.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2010Bundesvermögen
2010Restitution

Das Gemälde war einst Teil der Sammlung von Martin Flersheim (1856–1935), Frankfurt am Main. Er erwarb es 1888 vom Frankfurter Kunstverein.[1]

Das Ehepaar Flersheim besaß eine umfangreiche Kunstsammlung sowie Bibliothek, die nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1935 in das alleinige Eigentum von Florence Flersheim (1864–1950), geborene Livingston, überging.[2] Da sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt wurde, verließ Florence Flersheim spätestens im Juni 1938 das Deutsche Reich und emigrierte über die Niederlande in die USA. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Auswanderung wurden Teile ihrer Kunstsammlung als national wertvolles Kulturgut deklariert und durften folglich nicht ausgeführt werden.[3] Die restlichen Kunstwerke gelangten als Umzugsgut nach Amsterdam, wo sie nach dem Einmarsch der deutschen Truppen auf Veranlassung des Reichsleiters Rosenberg im Juli 1944 beschlagnahmt wurden.[4] Um 1938 verließ das Gemälde „Die Wäscherin“ unter unbekannten Umständen die Sammlung Flersheim.

Der „Sonderauftrag Linz“ erwarb das Werk zu einem ebenfalls unklaren Zeitpunkt über die Galerie Almas, München.[5] Es erhielt dort die Linz-Nr. 339. Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor Juli 1938 hin.[6] Laut einer Aussage der Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) vom 12. März 1949 hatte sie es zuvor „aus deutschem Besitz“ erworben.[7]

Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[8] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[9]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 18. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Am 16. Dezember 1957 meldeten die Erben nach Florence Flersheim Schadenersatzansprüche nach dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) wegen der Entziehung der Kunstsammlung und anderer Wertgegenstände durch das Deutsche Reich an. Hinsichtlich der entzogenen Gegenstände bezog sich der Rechtsanwalt der Antragsteller auf die im vorausgegangenen Rückerstattungsverfahren vorgelegten Unterlagen. Dazu zählte der Katalog der Sammlung Flersheim aus den Jahren 1910/1911. Dem Antrag der Erben wurde in vollem Umfang stattgegeben. Für das fragliche Gemälde ist auf diese Weise Schadenersatz geleistet worden.

Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wurde ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt. Im Gegenzug wurde die früher gezahlte Schadenersatzleistung anteilig zurückgezahlt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Sammlungskatalog, Galerie. Martin und Florence Flersheim, 1910/1911, S. 27f., Nr. 39, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[2] Für das Folgende vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, Meldung/Suche, Martin und Florence Flersheim. URL: www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/MeldungVerlust.html?cms_param=menu%3Dinfo%26INST_ID%3D11537#id52146 [Abruf: 08.04.2020].

[3] Vgl. Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Archiv, Akte 731, Ergänzung zur Liste der national wertvollen Kunstwerke Hessens, [1938], hier unter dem Titel „Wäscherin“ und Schreiben Städtische Galerie Frankfurt a.M. an Polizeipräsidenten, Frankfurt a.M., 12.05.1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[4] Vgl. Eidesstattliche Versicherung von Frederick G. Flersheim, dem Sohn von Martin und Florence Flersheim, vom 28.06.1953 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[5] Für Folgendes vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10517. 

[6] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14.

[7] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10517. 

[8] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[9] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

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