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Waldmüller, Ferdinand Georg

Bildnis einer alten Frau in schwarzem Kleid und weißer Rüschenhaube mit roten Bändern [Brustbild einer alten Frau mit weißer Haube]

Entstehungsjahr 1856
Technik Öl auf Leinwand
Maße 58 x 46 cm
Münchener-Nr. 11238
Linz-Nr. 1697
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) war ein österreichischer Maler und bedeutender Vertreter der Kunst des Biedermeiers.[1] Waldmüller studierte zwischen 1807 und 1814 mit Unterbrechungen an der Wiener Akademie, wo er mehrere Preise gewann. Seinen Lebensunterhalt verdiente er zunächst durch das Kolorieren von Kupferstichen. 1811 erfolgte eine Anstellung als privater Zeichenlehrer für die Familie von Ignaz Graf Gyulai von Maros-Németh und Nádaska in Agram (Zagreb). Im Jahre 1817 kehrte Waldmüller nach Wien zurück und nahm Unterricht in Ölmalerei unter Joseph Lange (1751–1831). Neben der Porträtmalerei widmete sich der Künstler vermehrt der Landschaftsmalerei. Zwischen 1825 und 1844 erfolgten Reisen nach Dresden, Italien und Paris, wo er mit seinen Arbeiten auf der Weltausstellung vertreten war. Waldmüller war seit 1835 Mitglied im ordentlichen Rat der Wiener Akademie, wurde jedoch 1857 von seinem Amt suspendiert, da er im Zuge der „Belebung der väterländischen Kunst“ die Abschaffung der Akademie und der von ihm selbst geleiteten Galerie forderte. 1862 erfolgte seine Rehabilitierung und Begnadigung.

Bei dem Gemälde handelt es sich um das Brustbild einer alten Frau en face. Die Dargestellte trägt ein schwarzes Kleid mit roten, um den Hals geschlungenen Bändern. Ihr Haar ist mittig gescheitelt, darüber sitzt eine weiße Spitzenhaube. Als Werktitel sind „Bildnis einer alten Frau in schwarzem Kleid und weißer Rüschenhaube mit roten Bändern“[2], „Bildnis einer alten Frau“[3] sowie „Brustbild einer alten Frau mit weißer Haube“[4] überliefert.

Das Werk ist signiert und datiert „Waldmüller / 1856“.

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Grimschitz (1957) enthalten.[5]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „11238“ (Mü-Nr.); Stempel, zwei Mal „Zollamt Salzburg“; auf dem Keilrahmen, Etikett „Waldmüller Ausstellung Salzburg Nr. 16, Mü.Nr. 11238“; auf dem Rahmen, Stempel „Hauptzollamt Lands[…]“, Etikett „1697/944“ (Linz-Nr.).

[1] Für das Folgende vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon 1815–1950, Bd. 13, Wien 2018, S. 444ff. URL: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_W/Waldmueller_Ferdinand-Georg_1793_1865.xml [Abruf: 05.12.2018].

[2] Vgl. Bruno Grimschitz, Ferdinand Georg Waldmüller, Salzburg 1957, S. 354, Kat. 846.

[3] Vgl. Ausst.kat.  Ferdinand Georg Waldmüller, Neue Galerie, Wien, Januar–März 1930, S. 28, Nr. 78.

[4] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 11238.

[5] Vgl. Grimschitz 1957, S. 354, Kat. 846, „unbekannter Besitz“.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Spätestens 1930–mindestens 1938Felix Stransky (1871–1945), Wien
(…) 
Bis 24.04.1941Galerie Neumann, Wien
24.04.1941–Mai 1941Galerie Almas, München
Ab Mai 1941Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
22.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2006Bundesvermögen
2006Restitution

Spätestens ab 1930 war das Gemälde Teil der Sammlung von Felix Stransky (1871–1945).[1] Stransky war als Bankdirektor in Wien tätig und verheiratet mit Rosa Stransky (1875–?), geborene Hochmann.[2] Das Ehepaar hatte zwei Kinder. Als Jude zählte Stransky zum Personenkreis der rassisch Verfolgten des NS-Regimes. Er war von Mai 1943 im Konzentrationslager Theresienstadt interniert, kehrte jedoch Anfang Juli 1945 nach Wien zurück, wo er im Jahre 1950 verstarb.

Wann und auf welchem Wege das Gemälde in sein Eigentum gelangte ist nicht bekannt. Zwar war Stransky im Zuge der „Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden“ vom 26. April 1938 gezwungen, sein gesamtes Vermögen den Behörden zu melden, darunter auch Kunstgegenstände. Allerdings erscheint das Werk in seinem Vermögensverzeichnis vom Juli 1938 nicht namentlich.[3] Als Eigentumsnachweis dient jedoch die „Reichsliste national wertvollen Kulturguts“ aus dem Jahre 1938. Hier ist das Gemälde als Eigentum Stranskys gelistet.[4]

Bis zum 24. April befand sich das Werk bei der Wiener Galerie Neumann.[5] Laut einer Aussage von August Eymer (1894–1978), dem ehemaligen Gesellschafter der Galerie Neumann,[6] vom 25. Mai 1951 hatte diese das Gemälde „vermutlich von Baron von Geymüller, Hollenburg a. d. Donau“ erworben.[7] Diese Aussage konnte im Rahmen weiterer Recherchen nicht verifiziert werden. Zur Person Baron von Geymüller liegen derzeit keine weiteren Informationen vor. Vermutlich handelt es sich um einen Angehörigen der Familie von Geymüller, die ihren Sitz seit 1822 auf Schloss Hollenburg an der Donau hatte.[8]

Laut Unterlagen im Archiv des Bundesdenkmalamtes in Wien erwarb die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) das Gemälde am 24. April 1941 von der Wiener Galerie Neumann.[9] Bereits im Mai 1939 hatte Almas-Dietrich drei Werke direkt von Stransky für insgesamt RM 10.000,-. angekauft.[10]

Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[11] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[12]

Im Mai 1941 erwarb der „Sonderauftrag Linz“ das Gemälde von der Galerie Almas-Dietrich für RM 7.000,-. Es erhielt dort die Linz-Nr. 1697.[13]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 22. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[14] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wurde ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt. 

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Ausst.kat.  Neue Galerie, Wien, 1930, S. 28, Nr. 78.

[2] Für das Folgende vgl. Österreichisches Biographisches Lexikon, 1815–1950, Bd. 13, Wien 2004, S. 357f. URL: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_S/Stransky_Felix_1871_1950.xml [Abruf: 19.11.2018] und Auskunft der Erben nach Felix Stransky vom 23.12.2002.

[3] Vgl. Verzeichnis über das Vermögen von Juden, Felix Stransky, Juli 1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[4] Vgl. Auskunft der Österreichischen Kommission für Provenienzforschung, Wien vom 07.03.2002 inklusive Kopie der „Reichsliste national wertvollen Kulturguts“ aus dem Archiv des Bundesdenkmalamtes Wien. Hier erscheint das Gemälde unter Nr. 4: Waldmüller, Porträt einer blinden Dame (fälschlicherweise datiert 1836), Öl auf Leinwand, 56,5 x 44,0 cm.

[5] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 11238.

[6] Vgl. Pia Schölnberger, August Eymer, in: Lexikon der österreichischen Provenienzforschung, 07.01.2019. URL: www.lexikon-provenienzforschung.org/eymer-august-friedrich [Abruf: 20.05.2020].

[7] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 11238.

[8] Vgl. Schloss Hollenburg, Über uns. URL: https://hochzeitsschloss-hollenburg.at/uber-uns/ [Abruf: 06.04.2020].

[9] Vgl. Archiv des Bundesdenkmalamtes Wien, Liste Galerie Neumann, Wien I., Kohlmarkt vom 02.03.1951 (Abschrift), als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes und Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 11238.

[10] Vgl. Schreiben von Felix Stransky, Wien, an die Abteilung Vermögensanmeldung der Vermögensverkehrsstelle, Wien vom 27.05.1939, als Kopie im Archiv der der Kunstverwaltung des Bundes.

[11] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[12] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[13] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 11238.

[14] Vgl. ebd.

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