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Waldmüller, Ferdinand Georg

Wildbach Strubb [Der Wildbach Strubb bei Ischl]

Entstehungsjahr 1831
Technik Öl auf Holz
Maße 31,2 x 25,3 cm
Münchener-Nr. 9531
Linz-Nr. 733
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) war ein österreichischer Genre- und Landschaftsmaler.[1] Der Künstler studierte an der Wiener Akademie. Ab 1829 wurde er sowohl zum Professor als auch Kustos der Gemäldegalerie an der Kunstakademie in Wien berufen. Der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens manifestierte sich ab 1830. Ausgiebige Reisen führten Waldmüller nach Italien und in zahlreiche Adels- und Königshäuser in West- und Mitteleuropa. Neben Napoleon III (1808–1873) besaß das englische Königshaus einige seiner Bilder. Sowohl Wilhelm I. von Preußen (1797–1888) als auch der österreichische Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) ehrten ihn mit Orden. Über die Malerei hinaus engagierte sich der Künstler politisch in zahlreichen Schriften für die Abschaffung der staatlichen Ausbildungsstätten. Waldmüller gilt als einer der bedeutendsten Maler im Biedermeier und der Romantik im deutschsprachigen Raum. Er hinterließ etwa 1.200 Ölgemälde, vereinzelt Aquarelle und Zeichnungen in den Skizzenbüchern. Unter seinen Schülern finden sich bedeutende Künstler wie Hans Canon (1829–1885) und Anton Romako (1832–1889).

Das Gemälde zeigt einen Wildbach umgeben von Tannen. Im Vordergrund ist ein großer Felsblock dargestellt, dahinter fließt der Wildbach über verschiedene Felsen. Am Ufer stehen zahlreiche Tannen, die sich über den Bildrand hinaus erstrecken. Am oberen linken Bildrand geben die Tannen den Blick auf den bewölkten Himmel frei. Als Titel ist sowohl „Wildbach Strubb“[2] als auch „Der Wildbach Strubb bei Ischl“[3] überliefert.

Das Werk ist unten links signiert und datiert „Waldmüller 1831“.

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Feuchtmüller (1996) enthalten.[4]

Folgende Hinweise sind der Rückseite zu entnehmen: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „733/585“ (Linz-Nr.); Stempel „Zentralstelle für Denkmalschutz freigegeben“ (Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien).[5]

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 35, Leipzig 1999, S. 74f.

[2] Vgl. Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller 1793–1865, Wien 1996, Nr. 314.

[3] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9531.

[4] Vgl. Feuchtmüller 1996, Nr. 314.

[5] Laut Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9531.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
1901L. B. Reithofer, Wien
(…) 
Spätestens ab 1930–spätestens bis April 1939Dr. Hermann Eissler (1860–1953), Wien
Spätestens ab April 1939Hortense Eissler (1895–1983), Wien, erworben als Geschenk
1939Galerie Almas, München
Ab 1939Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
15.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2020Bundesvermögen
2020Restitution

Im Jahre 1901 befand sich das Gemälde in der Sammlung von L. B. Reithofer in Wien, zu dessen Person derzeit keine weiteren Informationen vorliegen.[1]

Spätestens ab 1930 war das Gemälde im Eigentum von Dr. Hermann Eissler (1860–1953), Wien.[2] Der Kaufmann und Inhaber der Firma „Josias Eissler & Söhne“ besaß eine bedeutende Kunstsammlung, die Werke von Waldmüller, Auguste Rodin (1840–1917), Galasso Galassi (1420/1425–1473), Francisco de Goya (1746–1828) und Rudolf von Alt (1812–1905) umfasste.[3] Im Jahre 1917 übertrug er seiner unehelich geborenen Tochter Berta Morelli (1893–1975), geborene Havlicek, Teile seiner Sammlung schenkweise als Heiratsgut.[4] Auch seiner Ehefrau Hortense Eissler (1895–1983), geborene Kopp, hatte er bereits vor 1938 Kunstwerke aus seinem Eigentum schenkweise übertragen.

Während der Zeit des Nationalsozialismus wurde Hermann Eissler als Jude verfolgt. Auf der Grundlage der „Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens“ vom 26. April 1938 war das Ehepaar Eissler gezwungen, sein gesamtes Vermögen bei den nationalsozialistischen Behörden anzumelden, insofern es einen Gesamtwert von RM 5.000,- überstieg.[5] In dem Vermögensverzeichnis vom 30. Juni 1938 gab Hermann Eissler den Gesamtwert seiner Kunstsammlung inklusive Schmuckgegenstände mit RM 299.135,- an. Hortense Eissler besaß gemäß ihrer Vermögensanmeldung Kunstwerke im Wert von RM 166.626,-.[6] Eine detaillierte Aufstellung der anzumeldenden Kunstgegenstände hat sich nicht erhalten.[7]

In der Folge der Vermögensanmeldung begann Hermann Eissler Vorkehrungen für seine Emigration zu treffen.[8] Ihm gelang die Ausfuhr von Kunstwerken aus seiner Sammlung in die Schweiz und nach Frankreich, bevor am 29. Oktober 1938 sämtliche, in seiner Wiener Wohnung in der Auerspergstraße 2 vorhandenen Kunstwerke auf der Grundlage des österreichischen „Gesetzes betreffend das Verbot der Ausfuhr und der Veräußerung von Gegenständen geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung“ sichergestellt wurden. Die Werke verblieben in der Wohnung, jedwede Verfügung bedurfte jedoch der Zustimmung der Zentralstelle für Denkmalschutz.[9]

Hermann Eissler emigrierte im Frühjahr 1939 über Ungarn und die Schweiz nach Nizza.[10] Zuvor übertrug er die in seiner Wiener Wohnung vorhandenen, ihm gehörenden Möbel und Kunstwerke an seine Ehefrau Hortense Eissler.[11] Wohl im Zusammenhang mit der Vorbereitung der Ausreise und zur Sicherung des Vermögens beantragte Hortense Eissler die Aufhebung der Ehe. Dem Antrag wurde durch Urteil des Landgerichts Wien vom 31. August 1939 stattgegeben.[12]

Am 22. Mai 1939 erschien Hortense Eissler in Begleitung eines Beauftragten der Münchener Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) in der Zentralstelle für Denkmalschutz  in Wien und ersuchte um Freigabe der Ausfuhr für drei Werke von Waldmüller, darunter auch das Gemälde „Der Wildbach Strubb bei Ischl“.[13] Die Ausfuhr wurde am gleichen Tag als Ansichtssendung für Adolf Hitler (1889–1945) bewilligt und eine Rückgabe der Gemälde bei Nichtankauf in den Akten vermerkt.[14]

In der Folge wurde das Gemälde zu einem unbekannten Zeitpunkt aus Österreich ausgeführt.[15] Zu einem nicht bekannten Verkaufszeitpunkt und Kaufpreis wurde das Werk über Almas-Dietrich vom Deutschen Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nummer 733/585.[16] Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb im Mai 1939 hin.[17] Laut eigener Aussage vom 14. August 1951 hatte Almas-Dietrich das Gemälde „aus Wiener Privatbesitz“ erworben.[18]

Maria Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[19] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[20]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[21] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt.[22] Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

 

[1] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9531.

[2] Vgl. Ausst.kat. Ferdinand Georg Waldmüller, Wien, 1930, Kat. Nr. 16, mit Abb.

[3] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Jüdische Sammler und Kunsthändler (Opfer nationalsozialistischer Verfolgung und Enteignung), Dr. Hermann Eissler. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/E/Eissler,%20Dr.%20Hermann.html [Abruf: 15.05.2020].

[4] Für das Folgende vgl. Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Kommission für Provenienzforschung, Beschluss über die Rückgabe von Kunstgegenständen aus den Österreichischen Bundesmuseen und Sammlungen an die Rechtsnachfolger von Hermann Eissler bzw. Hortense Eissler bzw. Berta Morelli, Wien, 24.06.2009, S. 3. URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Eissler_Hermann_2009-06-24.pdf [Abruf: 15.05.2020].

[5] Für das Folgende vgl. Stadtrat für Kultur und Wissenschaft, Wien, Sechster Bericht über die gemäß dem Gemeinderatsbeschluss vom 29. April 1999 erfolgte Übereignung von Kunst- und Kulturgegenständen aus den Sammlungen der Museen der Stadt Wien sowie der Wiener Stadt- und Landesbibliothek, 15.11.2005, S. 149. URL: www.stadtbibliothek.wien.at/sites/default/files/files/wien-restitutionsbericht-2005.pdf [Abruf: 15.05.2020].

[6] Vgl. Österreichisches Staatsarchiv, Archiv der Republik, Vermögensverkehrsstelle, Wien, VA. 668 und VA.669, „Verzeichnis über das Vermögen von Juden“, Dr. Hermann Eißler und Frau Hortense Eißler, Wien vom 30.06.1938.

[7] Vgl. Stadtrat für Kultur und Wissenschaft, 15.11.2005, S. 149. URL: www.stadtbibliothek.wien.at/sites/default/files/files/wien-restitutionsbericht-2005.pdf [Abruf: 15.05.2020].

[8] Für das Folgende vgl. Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Kommission für Provenienzforschung, 24.06.2009, S. 4. URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Eissler_Hermann_2009-06-24.pdf [Abruf: 15.05.2020].

[9] Vgl. Bescheid des Wiener Magistrats, Betreff: Sicherstellung von Kunstgegenständen, vom 29.10.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[10] Vgl. Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Kommission für Provenienzforschung, 24.06.2009, S. 6. URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Eissler_Hermann_2009-06-24.pdf [Abruf: 15.05.2020].

[11] Vgl. Oberster Gerichtshof, Wien, Beschluss vom 12.06.1972 im Klageverfahren Hortense Eissler gegen die Republik Österreich als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

Die Eigentumsübertragung erfolgte mit nachträglicher Genehmigung der Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien vom 14.12.1938. Vgl. Vermerk und Verfügungen der Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien vom 14.12.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[12] Hortense Eissler war noch bis 1947 in Wien gemeldet und folgte ihrem Ehemann anschließend nach Nizza. Im Jahre 1951 heirateten Hermann und Hortense Eissler erneut. Vgl. Auskunft vom Stadt- und Landesarchiv, Wien vom 07.02.2003 und Bundesministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport, Kommission für Provenienzforschung, 24.06.2009, S. 6. URL: www.provenienzforschung.gv.at/beiratsbeschluesse/Eissler_Hermann_2009-06-24.pdf [Abruf: 15.05.2020].

[13] Vgl. Vermerk der Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien und Ansuchen auf Ausfuhrbewilligung von Maria Almas-Dietrich bei der Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien vom 22.05.1939, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[14] Vgl. Vermerk der Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien vom 22.05.1939, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[15] Die Ausfuhr erfolgte jedoch spätestens zum Zeitpunkt des Ablaufs der Ausfuhrgenehmigung am 22.08.1939. Vgl. Ansuchen auf Ausfuhrbewilligung von Maria Almas-Dietrich bei der Zentralstelle für Denkmalschutz, Wien vom 22.05.1939 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[16] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9531.

[17] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004 (unpubliziert), S. 14.

[18] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9531.

[19] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[20] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[21] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[22] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 14.02.2020].

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