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Waldmüller, Ferdinand Georg

Besuch der Großeltern

Entstehungsjahr 1863
Technik Öl auf Holz
Maße 49,5 x 36,5 cm
Münchener-Nr. 9692
Linz-Nr. 221
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) war ein österreichischer Genre- und Landschaftsmaler.[1] Der Künstler studierte an der Wiener Akademie. Ab 1829 wurde er sowohl zum Professor als auch Kustos der Gemäldegalerie an der Kunstakademie in Wien berufen. Der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens manifestierte sich ab 1830. Ausgiebige Reisen führten Waldmüller nach Italien und in zahlreiche Adels- und Königshäuser in West- und Mitteleuropa. Neben Napoleon III (1808–1873) besaß das englische Königshaus einige seiner Bilder. Sowohl Wilhelm I. von Preußen (1797–1888) als auch der österreichische Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) ehrten ihn mit Orden. Über die Malerei hinaus engagierte sich der Künstler politisch in zahlreichen Schriften für die Abschaffung der staatlichen Ausbildungsstätten. Waldmüller gilt als einer der bedeutendsten Maler im Biedermeier und der Romantik im deutschsprachigen Raum. Er hinterließ etwa 1.200 Ölgemälde, vereinzelt Aquarelle und Zeichnungen in den Skizzenbüchern. Unter seinen Schülern finden sich bedeutende Künstler wie Hans Canon (1829–1885) und Anton Romako (1832–1889).

Das Gemälde zeigt eine Familienszene. Die Großeltern auf der rechten Bildseite begrüßen ihre Enkelkinder. Das ältere Mädchen nimmt ihre Großmutter in den Arm, während der Säugling auf den Armen der Mutter sich zum Großvater neigt. Waldmüller arbeitete die Intimität einer alltäglichen Begegnung aus.

Das Werk ist signiert und datiert „Waldmüller 1863“.

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Feuchtmüller (1996) enthalten.[2]

Folgende Hinweise sind der Rückseite zu entnehmen: in blauer Fettkreide „9692“ (Mü-Nr.); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „221“ (Linz-Nummer).[3]

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 35, Leipzig 1999, S. 74f.

[2] Vgl. Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller 1793–1865, Wien 1996, WVZ-Nr. 1072.

[3] Laut Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9692.

Provenienz

Zeittafel
O. J.Witwe des Künstlers
(…) 
O. J.Franz Pezzi (?–?), Graz
(…) 
Bis Sommer 1938Irma Löwenstein (1892–?), Wien
Sommer 1938Galerie Almas-Dietrich, München
Ab spätestens Juli 1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
10.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2019Bundesvermögen
2019Restitution

Laut Werkverzeichnis des Künstlers befand sich das Gemälde einst im Eigentum der seiner Witwe.[1] Im Folgenden gelangte es zu einem unbestimmten Zeitpunkt in den Besitz von Franz Pezzi (?–?), Graz, zu dessen Identität derzeit keine weiteren Informationen vorliegen. Weiterhin wurde das Werk im Jahre 1865 sowohl im Österreichischen Kunstverein in Wien sowie in der Akademie in Dresden ausgestellt. Der Eigentümer des Werkes zu m Zeitpunkt der Ausstellung ist nicht bekannt.

Bis zum Jahre 1938 befand sich das Gemälde im Eigentum von Irma Löwenstein (1892–?), geb. Samec, Wien.[2] Sie erwarb es höchstwahrscheinlich im Jahre 1934 als Schenkung ihres Ehemannes Oscar Löwenstein (1868–vermutlich 1955),[3] dem Gründer und Herausgeber der Tageszeitung „Neues Wiener Journal“.[4] Das Ehepaar besaß eine wertvolle Kunstsammlung, die unter anderem Gemälde italienischer Meister und österreichischer Künstler, Grafiken von Albrecht Dürer (1472–1528) sowie kunstgewerbliche Objekte umfasste.[5] Unter der nationalsozialistischen Herrschaft wurde Irma Löwenstein als Jüdin verfolgt und gezwungen, entsprechend der „Verordnung über die Anmeldung jüdischen Vermögens“ vom 26. April 1938 ihr gesamtes Vermögen bei den nationalsozialistischen Behörden anzumelden, insofern es einen Gesamtwert von RM 5.000,- überstieg. Das Vermögensverzeichnis von Irma Löwenstein vom 29. Juni 1938 hat sich im Österreichischen Staatsarchiv/Archiv der Republik in Wien erhalten.[6] Hier sind „3 Waldmüller Bilder“ verzeichnet, mit dem Hinweis, dass diese bereits an Frau Almas in München für RM 33.600,- abzüglich RM 900,- Provision verkauft wurden.[7] Die Werke erscheinen ebenfalls auf einer Schätzlist des Kunstexperten und Schätzmeisters E. Schaffran (?–?), der die Kunst- und Wertgegenstände Irma Löwensteins erfasste und taxierte.[8] In seiner auf den 28. Juni 1938 datierten Schätzliste ist das Gemälde „Das gutmütige Kind“ verzeichnet und mit einem Wert von RM 7.400,- beziffert. Handschriftlich ist hinter dem Werk „verkauft“ vermerkt. Dem Ehepaar Löwenstein gelang im Jahre 1938 die Flucht nach Großbritannien.[9] Im Februar 1939 erfolgte die Arisierung des „Neuen Wiener Journal“. Das an die Spedition Obernhofer übergebene Übersiedlungsgut, das von dieser jedoch nicht abgefertigt worden war, wurde im Jahre 1941 beschlagnahmt und über die VUGESTA veräußert.

Von der Kunsthändlerin Maria Almas wurde das Gemälde zu einem unbekannten Zeitpunkt für den „Sonderauftrag Linz“ erworben[10] und erhielt die Linz-Nummer 221.[11] Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor Juli 1938 hin.[12]

Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[13] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[14]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 10. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[15] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt.[16] Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Feuchtmüller 1996, WVZ-Nr. 1072.

[2] Vgl. ÖStA/AdR, VA. 28.887, n. p. Sammlung Irma Löwenstein, Schätzliste von E. Schaffran, Wien vom 28.06.1938.

[3] Vgl. ÖStA/AdR, Schreiben der Vermögensverkehrsstelle, Wien an das Devisenfahndungsamt, Zweigstelle Wien vom 17.10.1938 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[4] Vgl. Sophie Lillie, Was einmal war. Handbuch der enteigneten Kunstsammlungen Wiens, Wien 2003, S. 728f.

[5] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Modul „Provenienzrecherche“, Jüdische Sammler und Kunsthändler, Oscar Löwenstein. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/L/Löwenstein, Oscar.html [Abruf: 14.02.2020].

[6] Für das Folgende vgl. ÖStA/AdR, VA. 28.887, n. p. Verzeichnis über das Vermögen von Juden, Irma Löwenstein, Wien vom 29.06.1938.

[7] Bei den anderen zwei Gemälden des Künstlers im ehemaligen Eigentum von Irma Löwenstein handelt es sich um Mü-Nr. 8593 und Mü-Nr. 1741.

[8] Für das Folgende vgl. ÖStA/AdR, VA. 28.887, n. p. Sammlung Irma Löwenstein, Schätzliste von E. Schaffran, Wien vom 28.06.1938.

[9] Für das Folgende vgl Lillie 2003, S. 729. Laut Schreiben des Rechtsanwalts Dr. Breuning, Wien gelangt Irma Löwenstein im August oder September 1938 die Flucht. Vgl. ÖStA/AdR, Schreiben von Dr. Breuning, Wien an das Finanzamt, Wien vom 18.01.1961 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[10] Vgl. Lillie 2003, S. 729.

[11] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9692.

[12] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14.

[13] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[14] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

[15] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[16] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 06.06.2019].

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