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Waldmüller, Ferdinand Georg

Gräfin Tatischeff [Halbfigur der Gräfin Dimitri Tatischeff  (Gattin des russischen Gesandten am Wiener Hofe 1825–41)]

Entstehungsjahr um 1838
Technik Öl auf Leinwand
Maße 24 x 20,5 cm
Münchener-Nr. 10562
Linz-Nr. 2340
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Ferdinand Georg Waldmüller (1793–1865) war ein österreichischer Genre- und Landschaftsmaler.[1] Der Künstler studierte an der Wiener Akademie. Ab 1829 wurde er sowohl zum Professor als auch Kustos der Gemäldegalerie an der Kunstakademie in Wien berufen. Der Höhepunkt seines künstlerischen Schaffens manifestierte sich ab 1830. Ausgiebige Reisen führten Waldmüller nach Italien und in zahlreiche Adels- und Königshäuser in West- und Mitteleuropa. Neben Napoleon III (1808–1873) besaß das englische Königshaus einige seiner Bilder. Sowohl Wilhelm I. von Preußen (1797–1888) als auch der österreichische Kaiser Franz Joseph I. (1830–1916) ehrten ihn mit Orden. Über die Malerei hinaus engagierte sich der Künstler politisch in zahlreichen Schriften für die Abschaffung der staatlichen Ausbildungsstätten. Waldmüller gilt als einer der bedeutendsten Maler im Biedermeier und der Romantik im deutschsprachigen Raum. Er hinterließ etwa 1.200 Ölgemälde, vereinzelt Aquarelle und Zeichnungen in den Skizzenbüchern. Unter seinen Schülern finden sich bedeutende Künstler wie Hans Canon (1829–1885) und Anton Romako (1832–1889).

Bei dem Gemälde handelt es sich um das Hüftporträt einer jungen Frau im Dreiviertelprofil nach rechts. Die Dargestellte trägt ein dunkles, schulterfreies Kleid sowie eine Goldkette mit Anhänger. Das braune Haar trägt sie mittig gescheitelt und nach hinten gebunden. Ihr linker Arm ist aufgestützt, daran eine goldene Uhr. Es handelt sich um die Gräfin Tatischeff, Frau des russischen Botschafters Dimitri Tatischeff (1767–1845) in Wien.[2] Als Titel sind „Gräfin Tatischeff“[3], „Halbfigur der Gräfin Dimitri Tatischeff“[4] sowie „Bildnis ‚Gräfin Dimitri Tatischeff‘“[5] überliefert.

Das Werk ist links unten signiert „Waldmüller“, jedoch nicht datiert. Eine Entstehung um 1838 wird angenommen.[6]

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Feuchtmüller (1996) enthalten.[7]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „10562“ (Mü-Nr.); in Blau „2037“ (nicht identifiziert); Etikett „26 Hauptzoll“ (nicht identifiziert); in Kreide „146“ (Los-Nr. Auktion H. W. Lange 1942); Etikett „F. Waldmüller / Gräfin Dimitri Tatischeff / Gattin des russischen Gesandten am Wiener Hofe (1825–1841) / links unten voll signiert“ (Objektdaten); Stempel „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“ (Provenienzmerkmal, nach 1945); Etikett „146“ (Los-Nr. Auktion H. W. Lange 1942); Stempel „Zollamt Salzburg“ (nicht identifiziert); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „2340 / R. K. 146“ (Linz-Nr., vermutlich Inv.-Nr. Reichskanzlei); Etikett „Waldmüller-Ausst. / Salzburg / Gräfin Dimitri-Tatischeff / Mü-Nr. 10562 / Anm. Nr. 16 / Rahmen: m. R.“ (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 35, Leipzig 1999, S. 74f.

[2] Vgl. Städel Museum, Frankfurt am Main, Digitale Sammlung, Ferdinand Georg Waldmüller, Gräfin Tatischeff. URL: https://sammlung.staedelmuseum.de/de/werk/graefin-tatischeff [Abruf: 17.06.2020].

[3] Vgl. Rupert Feuchtmüller, Ferdinand Georg Waldmüller 1793–1865. Leben, Schriften, Werke, Wien 1996, S. 474.

[4] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10562.

[5] Vgl. Auk.kat. Die Sammlung Geheimrat P., Berlin. Deutsche Meister des 19. Jahrhunderts, Hans W. Lange, Berlin, 12.05.1942, S. 29, Los 146, Abb. Tafel 14.

[6] Vgl. Feuchtmüller 1996, S. 474.

[7] Vgl. ebd.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
09./10.04.1937Linda Fuchs (?–?), Berlin, angeboten auf Auktion bei Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin
(…) 
Bis 12.05.1942Alexander Prentzel (1875–1955), Berlin
Ab 12.05.1942Deutsches Reich, erworben für die „Führerresidenz“ Schloss Posen, erworben auf Auktion bei Hans W. Lange, Berlin über die Galerie Arnold, München
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
18.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde befand sich einst im Eigentum von Linda Fuchs (?–?),wohnhaft in der Auguste-Victoria-Str. 98 in Berlin-Grunewald.[1] Diese lieferte das Werk zur Auktion am 9./10. April 1937 bei Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus in Berlin ein.[2] Im zugehörigen Auktionskatalog ist es unter der Losnummer 39 verzeichnet und abgebildet. Der Schätzpreis betrug RM 300,-.[3] Ob das Werk im Rahmen der Versteigerung eine*n Käufer*in fand, ist nicht bekannt.

Rudolph Lepke’s Kunst- Auctions-Haus wurde im Jahre 1869 von Rudolph Lepke (1844–1904) gegründet und gilt als ältestes Berliner Auktionshaus.[4] Sein Schwerpunkt lag zunächst auf Stücken der preußischen Geschichte und des Königshauses, umfangreichen Gemäldesammlungen sowie Ostasiatika, Möbeln und kunstgewerblichen Objekten. Im Jahre 1900 übertrug Lepke die Unternehmensführung an die Brüder Dr. Adolf Wolffenberg (1870–1954) und Gustav Wolffenberg (1873–1953) sowie den Kunsthistoriker Hans Carl Krüger (1870–1949). Ab 1930 führte das Auktionshaus zahlreiche bedeutende Nachlassversteigerungen durch. Hervorzuheben ist der Verkauf der Sammlungen Stroganoff im Jahre 1931 sowie James Simon (1851–1932) im darauffolgenden Jahr.[5] Besondere Aufmerksamkeit erlangte weiterhin die Versteigerung der Kunstsammlung des jüdischen Verlegers Rudolf Mosse (1843–1920) im Mai 1934.[6] Während der Herrschaft des NS-Regimes wurden die Brüder Wolffenberg als Juden verfolgt und waren gezwungen, ihre Geschäftsanteile an Krüger abzutreten. Dieser wurde zum alleinigen Inhaber und führte die Geschäfte ab dem 1. Januar 1936 unter bestehendem Namen weiter.[7] Fortan fanden verstärkt Hausratsversteigerungen statt, darunter vielfach solche aus „nichtarischem“ Besitz.[8] Auch das Eigentum der Brüder Wolffenberg stand in den Jahren 1935 und 1937 bei Lepke zum Verkauf.[9] Die letzte Versteigerung des Auktionshauses erfolgte im November 1938.[10] Krüger war danach zwar weiterhin als Kunsthändler tätig, jedoch ohne Auktionen durchzuführen. Daneben betätigte er sich als Spezialsachverständiger des Reichspropagandaministeriums für Kunstgut in der Devisenstellen Berlin.[11] Im Berliner Landesarchiv haben sich Akten der Reichskulturkammer zu den Auktionen der Kunsthandlung für den Zeitraum von 1935 bis 1937 erhalten.[12]

Im Folgenden gelangte das Gemälde in das Eigentum des Berliner Geheimrats Alexander Prentzel (1875–1955).[13] Dieser war ab März 1927 Geschäftsführer sowie Mitglied des Vorstandes des Kalisyndikats.[14] Dass er in den Unterlagen des Bundesarchivs Berlin in dieser Eigenschaft noch im Jahre 1945 erwähnt wird, lässt eine nationalsozialistische Verfolgung Prentzels wenig wahrscheinlich erscheinen. Seine Sammlung von Gemälden des 19. Jahrhunderts stand am 12. Mai 1942 bei dem Berliner Auktionshaus Hans W. Lange zum Verkauf.[15] Im zugehörigen Auktionskatalog ist das Werk unter der Losnummer 146 verzeichnet und abgebildet. Der Schätzpreis für das Gemälde betrug RM 6.000,-.[16]

Im Rahmen der Auktion wurde das Gemälde für RM 4.600,- über die Galerie Arnold, München durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nummer 2340.[17]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 31. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[18] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt. [19]

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Datenbank Kunst- und Kulturgutauktionen 1933–1945, Rudolf Lepke, 09./10.04.1937, Los 39 [hier fälschlicherweise als Katalognummer 207]. URL: 

www.lostart.de/Webs/DE/Provenienz/AuktionBet.html?cms_param=ABET_ID%3D14446 [Abruf: 17.06.2020]. Im Auktionskatalog unter dem Kürzel „Fu.“. Vgl. Auk.kat. Gemälde alter und neuerer Meister. Antiquitäten und Kunstgewerbe, Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 09./10.04.1937, o. S., Verzeichnis der Besitzer.

[2] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Gemälde alter und neuerer Meister. Antiquitäten und Kunstgewerbe, Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 09./10.04.1937, S. 9, Los 39, Abb. Tafel 5.

Ferdinand Waldmüller, Bildnis der Gräfin Dimitry Tatischeff, Gattin des russischen Gesandten am Wiener Hofe, Halbfigur in schwarzem Kleid und Goldschmuck vor gelbgrauem Hintergrund, Leinwand, Höhe 24 cm, Breite 21 cm, Br. R., Sign., Gutachten Prof. Kern, Abb. 5.

[3] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Datenbank Kunst- und Kulturgutauktionen 1933–1945, Rudolf Lepke, 09./10.04.1937, Los 39 [hier fälschlicherweise als Katalognummer 207]. URL: 

www.lostart.de/Webs/DE/Provenienz/AuktionBet.html?cms_param=ABET_ID%3D14446 [Abruf: 17.06.2020].

[4] Für das Folgende vgl. Arthistoricum.net, Auktionshäuser in Berlin, Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus. URL: www.arthistoricum.net/themen/portale/german-sales/auktionshaeuser-a-z/auktionshaeuser-deutschland-a-z/berlin/ [Abruf: 23.09.2019]. Siehe auch: Eva Giloi. Monarchy, Myth and Material Culture in Germany 1750–1950, Cambridge 2011, S. 196.

[5] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln/Weimar/Wien 2010, S. 61.

[6] Vgl. Claudia Marwede-Dengg, Die Lepke-Auktion, o. D., in: Mosse Art Research Initiative, Beiträge. URL: www.mari-portal.de/posts/378#_ftn5 [Abruf: 23.09.2019]. Die Auktion markierte den Höhepunkt der Enteignung der Familie Mosse und ist als solcher Gegenstand der Mosse Art Research Initiative, die im März 2017 von der Mosse-Erbengemeinschaft zusammen mit der Freien Universität Berlin  gegründet wurde.

[7] Vgl. Angelika Enderlein, Der Berliner Kunsthandel in der Weimarer Republik und im NS-Staat. Zum Schicksal der Sammlung Graetz. Berlin 2006, S. 94. Laut Akten der Reichskammer der bildenden Künste in Berlin war Krüger „arischer Abstammung“ sowie evangelischen Glaubens. Vgl. Bundesarchiv Berlin, 240 001 8313, personenbezogenen Unterlagen zu Hans Carl Krüger aus dem ehemaligen Berlin Document Center.

[8] Vgl. Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Beteiligte Privatpersonen und Körperschaften am NS-Kulturgutraub, Hans Carl Krüger. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Beteiligte/K/Kr%C3%BCger,%20Hans%20Carl.html [Abruf: 23.09.2019].

[9] Vgl. Ausst.kat. Gute Geschäfte. Kunsthandel in Berlin 1933–1945, Centrum Judaicum, Berlin, 10.04.–31.07.2011; Landesarchiv, Berlin, 20.10.2011–27.01.2012, S. 147.

[10] Für das Folgende vgl. Astrid Bähr, German Sales 1930–1945. Bibliographie der Auktionskataloge aus Deutschland, Österreich und der Schweiz, Kunstbibliothek - Staatliche Museen zu Berlin, 2013, S.170, URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2251/1/Baehr_German_Sales_1930_1945_2013.pdf [Abruf: 25.09.2019].

[11] Vgl. Anja Heuss, Wie geht es weiter ? – Die Verantwortung der Museen, in: Museen im Zwielicht. Ankaufspolitik 1933-1945, Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste (Hrsg.), Bd. 2, Köln 2002, S.436f und StadtAL, Kap. 33A, Amt für Kultur und Kunstpflege, Nr. 7, Bd. 2, Bl. 312f. Verzeichnis der Devisenstellen und Sachverständigen, o. D.

[12] Siehe: Landesarchiv Berlin, A Rep. 243-04, Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Berlin, Findbuch. URL: www.content.landesarchiv-berlin.de/php-bestand/arep243-04-pdf/arep243-04.pdf [Abruf: 19.11.2019].

[13] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10562.

[14] Für das Folgende vgl. Schreiben vom Bundesarchiv (BArch) Berlin an die OFD, Berlin vom 09.10.2001.

[15] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Die Sammlung Geheimrat P., Berlin. Deutsche Meister des 19. Jahrhunderts, Hans W. Lange, Berlin, 12.05.1942, S. 29, Los 146, Abb. Tafel 14.

[16] Vgl. ebd. o. S., Unverbindliche Schätzungsliste.

[17] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10562.

[18] Vgl. ebd.

[19] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 17.06.2020].

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