Navigation und Service

Blechen, Carl

Winterlandschaft mit Kieferngruppe

Entstehungsjahr 1825
Technik Öl auf Leinwand
Maße 44,5 x 67 cm
Münchener-Nr. 3533
Linz-Nr. 2739
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Provenienz

Zeittafel
1939/40Dr. F.A. Wöhler, Kassel
1943Galerie Dr. Luz, Berlin
1943über Galerie Almas an den "Sonderauftrag Linz"

Die Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt (TVK) konnte zur Provenienz ermitteln, dass das Gemälde sich vor 1914 bei Dr. F. A. Wöhler in Kassel befand, von dort 1943 an die Galerie Dr. Luz, Berlin verkauft und im März 1943 von dort über die Galerie Almas-Dietrich, München, für den "Sonderauftrag Linz" erworben wurde.1

Als Eingangsdatum ist auf der Property Card der 9.7.1945 verzeichnet.2

Die erneuten Recherchen ergaben folgendes:

Eine Rückseitenuntersuchung zu dem Gemälde "Schneelandschaft" von Karl Blechen (Inv.-Nr. GEM 67/12) ergab:

Auf der unteren Keilrahmenleiste befindet sich ein gezahnter, Papieraufkleber mit blauem Rand und der Aufschrift: 2739, die mit dunkelblauem Farbstift aufgeschriebene Nummer: L 5406 / H sowie diverse nicht identifizierte Aufschriften. Diese Angaben existieren neben den Kennzeichnungen, die das Gemälde als Eigentum der BRD und des ehemaligen BERLIN MUSEUMS ausweisen.3

In der zahlreichen Literatur zu dem Künstler K. Blechen wird das Gemälde häufig erwähnt, wobei die Publikationen von P. O. Rave 1940 hinsichtlich der Provenienz "Dr. F. A. Wöhler", Kassel, von besonderem Interesse ist.4
Hierbei handelt es sich um den Kaufmann Dr. Friedrich A. Wöhler (*20.1.1891 Welheiden - aus Kassel 25.7.1968 Ihringen bei Freiburg).5 , der 1914 promovierte und nach Kriegsende als Vertrauensmann in verschiedenen Banken in dem damaligen optischen Werk Schuetz AG, Kassel eingesetzt wurde. 1920 gründete er die als Einzelfirma bestehende Fabrik für optische Waren. Neben zahlreichen optischen Geräten (Mikroskope, Teleskope, medizinische Geräte, Zielfernrohre etc.) stellte das Werk in der Zeit des Nationalsozialismus auch Feldstecher her, die möglicherweise für die Wehrmacht bestimmt waren. Wenige Monate vor der Zerstörung des Werkes 1943 wurde ein Teil nach Kenzingen bei Freiburg ausgelagert. Zeitweise bestanden weitere Niederlassungen, bis das Unternehmen in Kassel schließlich 1968 an Beck & Söhne verkauft wurde.6
1961 wird anlässlich des 70. Geburtstages von Dr. F. A. Wöhler berichtet: Eine besondere Neigung hat er für die bildende Kunst, speziell für die Malerei. Er besitzt eine der bedeutendsten nordhessischen Privatsammlungen antiker Möbel, Bilder, Skulpturen und sonstiger Kunstgegenstände."7

Laut seinen eigenen Angaben hatte er das Gemälde bereits vor dem ersten Weltkrieg erworben.8

Über ein Mikroskopie-Forum im Internet konnte der Kontakt zu dem in den USA lebenden wohl jüngsten noch lebenden Nachkommen des Dr. F. A. Wöhler-Kassel und Saarbrücken Optische Fabriken hergestellt werden.9

Nach einem Rundschreiben vom 20.10.1939 des Direktors der Nationalgalerie, Dr. Paul Ortwin Rave, mit der Frage nach Blechen-Werken in Vorbereitungen für die Publikation zu C. Blechen 1940, beginnt eine Korrespondenz mit Herrn Dr. Wöhler, Kassel.10

Am 20. Mai 1940 schreibt Wöhler Bezug nehmend auf diese Rundfrage an die Direktion der Nationalgalerie und teilt mit, "dass es mir in der Zwischenzeit gelungen ist, ein Ölgemälde dieses Meisters zu erwerben. Es handelt sich hierbei um ein Bild darstellend 'Später Wintertag, Kieferngruppe mit Holzsammlern' Öl auf Leinwand, unbezeichnet, vermutlich 1833, Höhe 44 cm, Breite 69 cm." Am 6. Juni 1940 bringt Wöhler das Gemälde persönlich zur Ansicht und dortigen fotographischen Dokumentation nach Berlin.11 Anhand eines Fotos lässt sich das Gemälde eindeutig als das selbe identifizieren. Laut Einlieferungsschein der Post wird das mit 300,- RM als Wert angegebene Gemälde zurück an die Firma F. A. Wöhler nach Kassel geschickt. Demnach scheint Wöhler das Gemälde in der Zeit zwischen Oktober 1939 und Mai 1940 erworben zu haben. Die Angabe, dass sich das Gemälde bereits vor 1914 bei Wöhler befunden hätte, lässt sich damit nicht bestätigen.12

Im Oktober 1942 wendet sich Wöhler erneut an Prof. Rave und teilt ihm mit: "In der Zwischenzeit ist es mir gelungen, ein weiteres Bild von Blechen zu erwerben..."13 Die Herkunft beider Werke scheint trotz Anfrage von Rave nicht bekannt geworden zu sein, wie auch das spätere Auskunftsersuchen bei Wöhler 1951 nahe legt.14
Als Wöhler 1943 das Gemälde an die Galerie Luz, Berlin, verkauft, kann eine mögliche Vermögensentziehung sicherlich ausgeschlossen werden, zumal er auch laut Meldekartei nicht jüdisch war.15 Vielmehr wird 1943 die Firma in Kassel durch den Krieg zerstört, und möglicherweise steht der Verkauf des Gemäldes im selben Jahr damit im Zusammenhang. Bei dem Erwerber des Gemäldes 1943 handelt es sich sehr wahrscheinlich um den Inhaber der gleichnamigen Berliner Galerie Dr. Wilhelm August Luz (1892 - 25.7.1959). Im Index der Nationalgalerie Berlin findet er sich erstmalig 1931 und letztmalig 1956. Die Galerie existierte möglicherweise noch bis zu seinem Tod 1959.16
In den 1920er Jahren studierte Luz Kunstgeschichte in München und Wien und zog nach einer Mitarbeit in Kunsthandlungen in Stuttgart (bis 1925) und Magdeburg (1925) nach Berlin, wo er bis zu seinem Tod 1959 lebte.17
Ab 1927 gibt es mehrere Galerieadressen, darunter später verschiedene in der Kurfürstenstraße. Bis nach 1945 werden Angebote an die Nationalgalerie Berlin gegeben, die wiederum die besonders auf deutsche Kunst des 19. und 20. Jahrhunderts spezialisierte Galerie Luz auch an potentielle Verkäufer empfiehlt.18
Dies scheint auch bei der Firma Wöhler der Fall gewesen zu sein, als das Gemälde von Blechen 1943 zunächst an die Galerie Luz verkauft wurde.19 Entsprechende Geschäftsunterlagen sind nicht mehr vorhanden.20 Dann ist das Gemälde im März 1943 von dort über die Galerie Maria Alma-Dietrich, München, für den Sonderauftrag Linz für RM 175.000,- angekauft worden. Aufgrund von weitgehend fehlenden Geschäftsunterlagen der Galerie Almas-Dietrich lassen sich keine näheren Angaben zu dem Verkauf machen.21 Der Hinweis auf eine Provenienz "Prof. Kern by Almas" in der Restitutionskartei lässt sich nicht bestätigen.22

Bei der systematischen Durchsicht von rund 1100 Auktionskatalogen aus der Zeit 1933 bis 1945 ließ sich das Gemälde nicht identifizieren.23
Nach den neuerlichen Recherchen konnte ermittelt werden, dass das Gemälde durch Dr. F. A. Wöhler sehr wahrscheinlich erst 1939/40 erworben wurde. Zu der Herkunft wurden keine Angaben gemacht, und sie war auch nicht weiter zu klären.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz vor 1939/40 weitgehend ungeklärt, zumal alle verfügbaren Quellen ausgeschöpft sind. Anhaltspunkte für weitere Recherchen liegen derzeit nicht vor.

Stand: 2010

1 Vgl. Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) Berlin, Property Card, Mü-Nr. 3533.
2 Ders.
3 Schreiben vom Stadtmuseum Berlin vom 29.9.2009. Das Gemälde befindet sich seit Ende 2003 im HBPG für dessen Dauerausstellung "Land und Leute". Es ist mit einem Rückseitenschutz ausgestattet. Den zugehörigen Exponatpaß ist am 12.11.2003 mit den Angaben zu rückseitigen Aufschriften und sonstigen Kennzeichnungen erfasst. Eine Aufnahme der Bildrückseite ist nicht vorhanden.
4 Thieme-Becker 4 (1910), S. 107-109; Rave, Paul Ortwin (Hrsg.): Kurt Blechen, Leben - Würdigung - Werk, Berlin 1940, Nr. 188, Abb. S. 162, Schuster, Peter-Klaus, Carl Blechen - Zwischen Romantik und Realismus, erschienen anlässlich der Ausstellung "Carl Blechen - Zwischen Romantik und Realismus in der Nationalgalerie Berlin (31.8. - 4.11.1990), Berlin 1990, Nr. 7, Abb. 102; Wirth, Irmgard, Park und Landschaft in Berlin und in der Mark, Farbtafel III - Kurzführer, Berlin 1976, Nr. 50, S. 67; Wirth, Irmgard, Berlin und die Mark Brandenburg, Landschaften, Hamburg 1982, Abb. 33, S: 50; Beneke, Sabine und Sybille Gramlich, Berlin Museum, Märkisches Museum, Gemälde I, 1, 16. - 19. Jahrhundert, Verzeichnis der Bestände des künftigen Stadtmuseums Berlin, Berlin 1994, S. 91, Nr. 67, Abb. S. 97.
5 Schreiben vom Stadtarchiv Kassel, 11.11.2009 mit Kopie Einwohnermeldekarte und weiteren Unterlagen. Einige Zeitungsartikel zur Fa. Wöhler (S 5 H 21), ebenso zur Person Friedrich A. Wöhler (S 1 Nr. 2463). In den Unterlagen ließ sich nichts über den Verbleib des privaten Nachlasses finden.
6 Am 17.7.1981 ist die Firma Beck & Söhne in Konkurs gegangen, und am 30.9.1983 erfolgte die Liquidation der Firma.
7 Artikel "Dr. Friedrich A. Wöhler wird 70 Jahre alt" in Kasseler Post, 20.1.1961.
8 BArch B 323/665, Restitutionskartei, Karteikarte
9 Siehe www.mikroskopie-forum.de, Der Nachkomme von Dr. F. A. Wöhler sagte im September 2009 seine Unterstützung bei den Recherchen zu und wollte eine Firmenchronologie zuschicken sowie Nachforschungen in Familienunterlagen durchführen. Trotz erneuter Nachfrage liegt bislang hierzu leider noch nichts vor. Eine Anfrage bei der Museumslandschaft Hessen Kassel, Neue Galerie, erbrachte keine Hinweise, Schreiben vom 12.1.2009.
10 SMB - ZA, I/NG 1435, Künstler-Specialia Blechen, Betreff Wöhler.
11 SMB - ZA, Künstlerdokumentation, Blechen
12 Property Card BADV, Berlin, Mü-Nr. 3533, Auskunft Wöhler vom 19.4.1951.
13 SMB - ZA, I/NG, 516, Bl. 548-551.
14 SMB - ZA, I/NG 1435, Brief von Rave an Wöhler vom 29.5.1940: "...wenn Sie mir angeben könnten, woher das Bild stammt, oder in welchem Besitz es sich früher befunden hat und ob es irgendwelche Bezeichnung auf der Rückseite oder auf dem Keilrahmen trägt."
15 Schreiben vom Stadtarchiv Kassel, 11.11.2009 mit Kopie Einwohnermeldekarte. Schreiben vom BADV, Berlin, gibt Auskunft darüber, dass sich zu Dr. Friedrich A. Wöhler keine Verfahrensakten nach den Alliierten Rückerstattungsgesetzen und dem Bundesrückerstattungsgesetz (BrüG) recherchieren ließen.
16 Weltkunst IXI 1959, H. 16, S. 4; Kaupert, Walter, Deutsches Kunst Adressbuch, Berlin 1950, S. 31, Anzeige: Meisterwerke Dr. W. A. Luz, Berlin W 35, Kurfürstenstraße 55.
17 Hierzu Schreiben vom 10.11.2009, mit Kurzvita von Dr. W. A. Luz.
18 Schreiben vom BADV, Berlin, gibt Auskunft darüber, dass sich zu der Galerie Dr. Luz, Berlin, keine Verfahrensakten nach den Alliierten Rückerstattungsgesetzen und dem Bundesrückerstattungsgesetz (BrüG) recherchieren ließen.
19 Property Card BADV, Berlin, Mü-Nr. 3533, Auskunft Dr. Luz vom 15.2.1951.
20 Vgl. Landesarchiv Berlin, Schreiben vom 3.12.2009, A Rep. 093-16 - Finanzamt Zehlendorf, 325, Luz, Dr. Wilhelm August und Maria Kunsthändler, Steuerakte 1937 - 1944. BArch B 323/583; Rechnung für den Sonderauftrag Linz, LF XIXa/91/513.
21 Siehe auch Bach, B 323/12, Erwerbungen im Auftrag Martin Bormanns zwischen 1937 - 1944, Provenienzforschung des Central Collecting Point München und der Treuhandverwaltung, B 323/158, Kunstankäufe der Reichskanzlei ("Führerankäufe") beim Haus der Kunst in München und bei der Kunsthandlung Maria Dietrich (Galerie Almas), München, Laufzeit 1937 - 1944.
22 BArch B 323/665, Restitutionskartei, Karteikarte
23 Auswahl von Auktionskatalogen im Kunsthistorischen Institut, Universität zu Köln, gesamte Durchsicht während eines Forschungsprojektes zur EDV-Erfassung für den Kölner Universitäts-Gesamtkatalog (KUG) 2009.

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular