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Thoma, Hans

Venus auf dem Delphin (Mädchen mit Amor auf einem Delphin reitend)

Entstehungsjahr 1887
Technik Öl auf Pappe
Maße 45 x 55 cm
Münchener-Nr. 5539
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Hans Thoma (1839 – 1924) findet nach kurzer Lehrzeit als Lithograph, Anstreicher und Uhrenschildmacher 1859 Aufnahme an der großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe, wo er unter anderem bei Johann Wilhelm Schirmer ausgebildet wird.1 Nach dem Wechsel 1867 an die Düsseldorfer Akademie, wo er Otto Scholderer kennenlernt, unternimmt er mit diesem im folgenden Jahr eine Reise nach Paris. Dort wird das Oeuvre von Gustave Courbet zum entscheidenden Erlebnis für Thoma. Seine nun entstehenden Werke, die er im Kunstverein Karlsruhe zeigt, stoßen jedoch auf so scharfe Kritik, dass er den Entschluss fasst, 1870 nach München umzusiedeln, wo er die nächsten Jahre wirkt. Auch hier findet seine Arbeit ein geteiltes Echo, besonders die älteren Maler lehnen seine Kunst teils heftig ab.2 Ihm geistesverwandte Maler, mit denen er in München verkehrt, sind u. a. Victor Müller, Wilhelm Leibl, Arnold Böcklin und Wilhelm Trübner. Es vergeht allerdings noch mehr als ein Jahrzehnt bis Thoma 1890 endlich einen großen Erfolg in München erzielt.3 Als Sechzigjähriger wird er schließlich vom Großherzog Friedrich I. von Baden zum Direktor der Galerie und Professor der Kunstschule nach Karlsruhe berufen. Im Jahre 1909, also noch zu seinen Lebzeiten, wird für Thoma ein Museum in der Karlsruher Kunsthalle eröffnet.

Das Gemälde „Venus auf dem Delphin“ aus dem Jahre 1887 malt Thoma während seiner Zeit in Frankfurt, wo er von 1876 bis 1899 lebt.4 Während dieser Zeit entstehen Bilder mit neuen allegorischen und symbolischen Sujets. Thoma bevölkert seine Landschaften mit heidnischen und christlichen Figuren sowie tanzenden Putten und musizierenden Engeln. An sein großes Vorbild Böcklin, dessen Bilder eine mystische Welt mit Naturgeistern, Sagengestalten und Fabelwesen darstellen, reicht Thoma jedoch nicht heran. Dargestellt ist hier die Göttin der Liebe und der Schönheit, Venus, mit ihrem Sohn Amor. Anmutig sitzt sie auf einem schwimmenden Delphin vor einer steilen Felsküste. Vor ihr auf dem Delphin steht der Knabe Amor mit verbundenen Augen und einem Blumenstrauß.

Provenienz

Zeittafel
Mind. seit 1909Im Besitz von Max Freiherr von Waldberg5
1.3.1940Verkauf durch Dr. Dingeldey, Berlin, an Andreas W. Hofer, Berlin, für RM 11.0006
12.3.1940Von dort an Hermann Göring für RM 16.500 verkauft (Hofer Geschäftsbuch)

Die TVK München ermittelte, dass das Gemälde am 1. März 1940 von Herrn Dr. Dingeldey aus Berlin für RM 11.000 an die Kunsthandlung W.A. Hofer in Berlin verkauft wurde.7 Das direkt dahinter erwähnte Datum vom 27.4.1940 konnte bei den erneuten Recherchen nicht bestätigt werden, zumal es im Widerspruch zum Verkaufsdatum steht. Denn sowohl auf der Property Card als auch im Geschäftsbuch von Walter Andreas Hofer ist der 12. März 1940 für den Weiterverkauf an Hermann Göring genannt.8

Bei dem erwähnten Dr. Dingeldey dürfte es sich um Eduard Dingeldey handeln, der am 27. Juni 1886 in Gießen geboren wurde und am 19. Juli 1942 in Heidelberg verstarb.9 Der studierte Jurist war seit 1919 Mitglied der Deutschen Volkspartei in Hessen, als deren Vorsitzender er von 1931 bis 1933 tätig war. Zudem war er von 1928 bis 1933 Mitglied des Reichstages. Nach der Auflösung der DVP wechselte er 1933 als Hospitant zur NSDAP-Reichstagsfraktion. Sein Nachlass befindet sich im Bundesarchiv Koblenz.

In der kunsthistorischen Literatur findet sich das Gemälde im von Henry Thode veröffentlichten Werkverzeichnis über Hans Thoma aus dem Jahr 1909.10 Als Besitzer des Bildes wird dort Professor Dr. Max Freiherr von Waldberg aus Heidelberg genannt. Die Recherchen über Waldberg im Stadtarchiv Heidelberg erbrachten, dass dieser am 1. Januar 1858 in Jassy (Rumänien) geboren wurde und am 6. November 1938 in Heidelberg verstarb.11 Seine Ehefrau Violetta, geboren am 16. Oktober 1877 in Berlin, beging am 10. April 1942 in Heidelberg Selbstmord.12 Max von Waldberg war als Professor für Neuere Deutsche Sprache und Literatur von 1889 bis 1935 an der Heidelberger Universität tätig.13 Im April 1933 verzichtete er auf seine Lehrtätigkeit. Aus rassischen Gründen wurde ihm am 31. Dezember 1935 die Lehrtätigkeit entzogen. Das Ehepaar verstarb kinderlos.

Der Leihnehmer teilte auf Nachfrage den Rückseitenbefund mit.14 Auf einem beigefügten Foto lässt sich eindeutig der Name „Waldberg“, in Bleistift geschrieben, erkennen.

Festzuhalten ist, dass das Gemälde „Venus auf dem Delphin“ einst im Besitz von Max von Waldberg war. Zu welchem Zeitpunkt und unter welchen Umständen das Bild in die Sammlung von Dingeldey gelangte, konnte nicht ermittelt werden.

Vor diesem Hintergrund ist ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wahrscheinlich. Allerdings sind keine Rückerstattungs- und Entschädigungsakten nach dem Ehepaar Waldberg ermittelt worden, so dass hier keine genauen Angaben vorliegen.

Stand: 2006

1 Für das Folgende vgl. Hans Thoma 1961, unpag.
2 Für das Folgende vgl. Dirrigl 2001, S. 21-25.
3 Hans Thoma 1961, unpag.
4 Dirrigl 2001, S. 76 f.
5 Thode 1909, S. 276.
6 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 5539. Weitere auf der Inventarkarte vermerkte Nummern lauten B’gaden 494, BKK 2, B 110 und „Maneser“. Zusätzlich zum 1.3.1940 ist dort der 27.4.1940 vermerkt; diese Angabe war jedoch nicht im Hofer-Geschäftsbuch nachzuweisen.
7 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 5539.
8 BArch, B 323/71.
9 Für das Folgende vgl. Heidelberger Neueste Nachrichten, 21.7.1942, S. 5.
10 Thode 1909, S. 276 mit Abb.
11 Schreiben des Archivs der Stadt Heidelberg an das BADV am 8.8.2006.
12 Eintrag zu Violetta von Waldberg, geborene Platschek, in: Gedenkbuch, unpag.
13 Für das Folgende vgl. den Eintrag zu Max Freiherr von Waldberg. Er war ursprünglich jüdischen Glaubens und konvertierte 1909 zum evangelischen Glauben. Vgl. Drüll 1986, S. 283.
14 Im Schreiben wurde „Waliborg (?)“ erwähnt. Vgl. das Schreiben des Leihnehmers an das BADV am 19.7.2006.

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