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Tiepolo, Giovanni Domenico

Brustbild eines jungen Orientalen

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Leinwand
Maße 60,5 x 51 cm
Münchener-Nr. 7638
Linz-Nr. 399
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Giovanni Domenico Tiepolo (1696 Venedig – 27. März 1770 Madrid) gilt als einer der bedeutendsten Maler des 18. Jahrhunderts. Eines seiner bedeutendsten Werke sind die Fresken in der Würzburger Residenz. Auf dem vorliegenden Gemälde hat Tiepolo einen jungen Mann als Halbfigur in orientalischer Keidung dargestellt. Im Gegensatz zu den zahlreichen großformatigen Historiendarstellungen des Künstlers handelt es sich bei diesem Gemälde um eine verhältnismäßig kleinformatige Porträtdarstellung in Öl auf Leinwand. Eine Brücke zu den Historien allerdings schlägt die orientalische Kleidung des jungen Mannes. Sie verleiht dem Dargestellten trotz der porträthaften Züge etwas typenhaftes.1

Provenienz

Zeittafel
früher Sammlung Duc de Hijar, Paris, Vente Salamanca2  
1907 Sammlung Rudolf Kann, Paris 
12.11.1928 Ankauf der Galerie Heinemann, München, von Joaquin Folch i Torres, Barcelona 
vor 3.12.1937 Von Galerie Almas-Dietrich, München, an die Reichskanzlei für RM 28.000 verkauft 

Die Ermittlungen der TVK München3 stützten sich offenbar auf die Provenienzangaben im Verzeichnis der Werke von Tiepolo, herausgegeben von Eduard Sack im Jahre 1910.4 Demnach befand sich das Porträt einst in der Sammlung Duc de Hijar in Paris und wurde dort zu einem nicht bekannten Zeitpunkt auf der Versteigerung Salamanca angeboten. Im Jahre 1907 gelangte es in den Besitz von Rudolf Kann, ebenfalls Paris. Der Schriftverkehr zwischen der Galeristin Maria Almas-Dietrich und der Reichskanzlei, die im Bundesarchiv Koblenz verwahrt wird, belegt den Verkauf eines „Männerbildnisses“ von Tiepolo am 2. Dezember 1937 für RM 28.000.5

Jüngste Recherchen ergaben, dass das Bildnis am 12. November 1928 durch die Münchener Galerie Heinemann von Joaquin i Torres, Barcelona, erworben worden ist.6 Aus der Kartei geht hervor, dass die Galerie Heinemann das Porträt unter Beteiligung der Kunsthändlerin Almas-Dietrich am 4. Januar 1938 an die Reichskanzlei veräußerte. Offenbar wurde das Werk erst einige Wochen später der Reichskanzlei übergeben. In der Kartei ist es mit dem Titel „Kopf eines Orientalen“ und den Maßen 61 x 51 cm verzeichnet. Die Hinweise deuten darauf hin, dass dieses Werk identisch mit dem sich heute in Bundesbesitz befindlichen Gemälde ist. Der auf der Property Card notierte Hinweis auf Quellenmaterial im Bundesarchiv erbrachte, dass Maria Almas-Dietrich vor dem 3. Dezember 1937 ein „Männerbildnis“ von Tiepolo an die Reichskanzlei für RM 28.000 verkauft hatte.7 Maße oder andere Hinweise zur Identifizierung des Gemäldes fehlen, so dass eine eindeutige Zuweisung schwierig ist. Da jedoch in der Kartei der Galerie Heinemann das Porträt sehr genau beschrieben ist und die Abwicklung des Geschäftes an die Reichskanzlei über Almas-Dietrich vermerkt ist, kann davon ausgegangen werden, dass es sich bei dem in den Quellen genannten Objekten um ein und dasselbe Bildnis handelt. Die zeitliche Differenz in den Büchern kann vernachlässigt werden, da es nicht unplausibel erscheint, dass Verkäufe in den Geschäftsbüchern erst nachträglich aufgenommen werden. Die Provenienz des Gemäldes darf somit für die Zeit des Nationalsozialismus als lückenlos geklärt gelten.

Zu klären war jedoch, ob das Porträt verfolgungsbedingt von der Galerie Heinemann veräußert werden musste, da die Inhaberin der Kunsthandlung, Franziska Heinemann, zum Kreis der durch das NS-Regime Kollektivverfolgten gehörte.8 Inzwischen wurde festgestellt, dass die Galerie Heinemann samt Warenbestand zum 1. November 1938 durch den leitenden Angestellten Friedrich Zinckgraf „arisiert“ worden ist. Rückwirkend zum 1. Januar 1938 war Zinckgraf Teilhaber der Galerie geworden. Da das Gemälde „Kopf eines Orientalen“ vor der eigentlichen „Arisierung“ und damit noch im Rahmen des üblichen Geschäftsverkehrs durch die Kunsthandlung verkauft worden ist, kommt eine Rückgabe nicht in Betracht. Bewegliche Sachen, die der Eigentümer im Wege des ordnungsgemäßen üblichen Geschäftsverkehrs aus einem einschlägigen Unternehmen erworben hat, unterliegen gem. Art. 19 REAO nicht der Rückerstattung. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug liegt mithin nicht vor.

Stand: 2003

1 Thieme-Becker 1999, Bd. 33, S. 145-159.
2 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 7638. Weitere auf der Inventarkarte vermerkte Nummern lauten K 130 und RK 2034.
3 Ebd.
4 Sack 1910, S. 310, Nr. 75, o. Abb., aber mit detaillierter Beschreibung.
5 Zahlungsanweisung der Reichskanzlei an den SS-Brigadeführer Schaub, Berlin, 8.12.1937. Vgl. BArch, B323/158, LF XXXI/RK 19549 B.
6 An- und Verkauf des Bildes „Kopf eines Orientalen“ im Germanisches Nationalmuseum Nürnberg, Nachlass Heinemann, Kartei der verkauften Bilder, Nr. 18702.
7 Zahlungsanweisung der Reichskanzlei an den SS-Brigadeführer Schaub, Berlin, 8.12.1937. Vgl. BArch, B323/158, LF XXXI/RK 19549 B.
8 Zum Schicksal der Galerie Heinemann vgl. Meissner 1989, S. 29.

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