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Stuck, Franz von

Rodelnde Kinder

Entstehungsjahr um 1922
Technik Temperamalerei auf Holz
Maße 71 x 34 cm
Münchener-Nr. 8670
Linz-Nr. 3430
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Das Gemälde „Rodelnde Kinder“ von Franz von Stuck wurde um 1922 gemalt. In dieser Zeit fertigte Stuck mindestens drei weitere Varianten dieses Sujets an.1 Im Oeuvre des Künstlers stellt dieses Motiv ein außergewöhnliches dar, welches frei von jeglicher Stilisierung ist. Zum Zeitpunkt der Entstehung hatte der Malerfürst längst den Zenit seines Ruhmes überschritten. Zwar wurden ihm auch in den 1920er Jahren noch Ehrungen zuteil, doch beschränkten sich diese fast ausschließlich auf seinen Münchener Wirkungskreis; außerhalb von München war er da schon fast in Vergessenheit geraten.2

Provenienz

Zeittafel
Verkauft von Mary Heilmann, Gstad am Chiemsee, an die Galerie Hugo Helbing, München3  
 Dr. Bünemann, München, tritt als Vermittler für den „Sonderauftrag Linz“ auf4  
28.3.1944 Von Bünemann vom „Sonderauftrag Linz“ für RM 12.000 erworben5  

Die Angaben auf der Property Card konnten durch Recherchen im Bundesarchiv Koblenz bestätigt und durch weitere Archivrecherchen teilweise ergänzt werden.6 Demnach verkaufte die Tochter von Stuck, Mary Heilmann-Stuck, das Gemälde zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt an die Münchener Galerie Hugo Helbing. Für den weiteren Verkauf trat als Vermittler zwischen der Galerie und dem „Sonderauftrag Linz“ Dr. Hermann Bünemann aus München auf.7 Von diesem erwarb es der „Sonderauftrag Linz“ am 28. März 1944 für RM 12.000.8

In Berliner sowie Münchener Ausstellungskatalogen der 1920er und 1930er Jahre konnte das Gemälde nicht gefunden werden. Dieser Umstand verwundert nicht, da die Ausstellungstätigkeit des Künstlers seit der Mitte der 1910er Jahre merklich abgenommen hatte. Nachgewiesen werden konnte das Bild nicht im Besitz der Tochter, aber es spricht einiges dafür, dass es sich tatsächlich 1944 noch in ihrem Besitz befunden hat. Franz von Stuck konnte schon seit etwa 1915 nicht mehr viel verkaufen. Das Gemälde, welches 1922 gefertigt wurde, fiel in diese Zeit hinein. Für die Annahme, dass Mary Heilmann-Stuck das Werk veräußerte, spricht ebenfalls, dass Stuck 1928 plötzlich verstarb und der gesamte Nachlass, der auch die Kunstwerke umfasste, an sie fiel.9 Wieso Mary Heilmann-Stuck das Gemälde verkaufte, konnte nicht ermittelt werden. Fest steht jedoch, dass die Nationalsozialisten Kunstwerke von Stuck verehrten.10 Zu diesen zählte auch Heinrich Hoffmann, der nicht nur Hitlers persönlicher Fotograf war, sondern ihn auch für das Linzer „Führermuseum“ beriet.11 Stucks Gemälde entsprachen dem Geschmack der Nationalsozialisten, weswegen seine Werke zum nationalen Kulturerbe erhoben wurden. Die große Beliebtheit, die die Arbeiten von Stuck bei Hitler erfuhren, lässt sich auch an der beeindruckenden Anzahl von 58 Kunstwerken manifestieren, die für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft worden waren; 42 davon befinden sich noch heute im Besitz der Bundesrepublik Deutschland.12

Zur Person Dr. Hermann Bünemann (1895-1976) konnte erfahren werden, dass er mehrfach als Vermittler von Kunstwerken für den „Sonderauftrag Linz“ auftrat.13 Laut der Aussagen des Stadtarchivs München war Bünemann römisch-katholischer Konfession. Aus der Meldekarte ergaben sich keine nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen. Von Interesse ist in diesem Zusammenhang die Tatsache, dass Bünemann als Beklagter in einem Rückerstattungsverfahren gegen den jüdischen Bankier Alfred Goldschmidt genannt wird.14 Damit können nationalsozialistische Maßnahmen gegen Bünemann ausgeschlossen werden.

Im vorliegenden Fall trat Bünemann am 16. März 1944 an Hermann Voss, dem Leiter des „Sonderauftrag Linz“, heran, um ihn auf das Gemälde „Schlittenbahn“, heutiger Titel „Rodelnde Kinder“, von Stuck aufmerksam zu machen.15 Er stand bereits wegen anderer Kunstangelegenheit mit Voss in Kontakt und hat offenbar häufiger Werke zum Kauf für das geplante „Führermuseum“ vorgeschlagen. Bereits am 24. März schickte er ein erneutes Schreiben an Voss, dem er eine Schwarz-Weiß-Fotografie beilegte.16 Durch eine beigefügte Skizze zur Erläuterung der Farbgebung ist das hier in Rede stehende Gemälde eindeutig belegt. Dem Brief ist ebenfalls zu entnehmen, dass das Gemälde direkt von den Nachkommen Stucks stammt und für einen Preis von RM 12.000 zu verkaufen war. Das Vorkaufsrecht konnte er sich allerdings nur für eine Woche sichern. Schon vier Tage später wurden sich Voss und Bünemann handelseinig: Das Stuck-Gemälde wurde für RM 12.000 vom „Sonderauftrag Linz“ angekauft.17 Die Überweisung des Betrages auf das Konto des Vermittlers wurde mit Schreiben vom 1. April 1944 angekündigt. Allerdings war das Geld am 2. Mai immer noch nicht auf dessen Konto.18 Es besteht jedoch kein Zweifel, dass Bünemann das Geld nicht erhalten hat, denn er erwähnte im selben Schreiben, dass für einen früheren Verkauf das Geld bereits auf seinem Konto eingetroffen war, während die angekündigte Summe für das Stuck-Gemälde immer noch nicht eingegangen war. Somit handelt es sich hier nur um eine kriegsbedingte Verzögerung.

Die hier geschilderte Sachlage bleibt lückenhaft. Es konnte zwar geklärt werden, dass Bünemann als Kunstvermittler zwischen den Nationalsozialisten und dem Auftraggeber auftrat, aber es muss zum jetzigen Zeitpunkt offen bleiben, ob er das Gemälde tatsächlich von Mary Heilmann-Stuck erworben hat, obwohl eine Reihe von Indizien dafür sprechen. Da der Nachlass in der Villa Stuck sehr lückenhaft ist, konnte dieser Verkauf dort nicht nachgewiesen werden.19 Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind.

Stand: 2003

1 Vgl. die Werke bei Voss 1973, Kat.Nr. 552/9, 553/10 und 555/12.
2 Voss 1973, S. 68.
3 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8670. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummer ist Aussee 3917.
4 Auskunft Hermann Bünemann am 9.5.1951. Vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8670 und BArch, B323, LF XVI/125/533 und 535.
5 BArch, B323, LF XVI/125/523 und 525.
6 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8670.
7 Auskunft Hermann Bünemann am 9.5.1951. Vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8670 und BArch, B323, LF XVI/125/535.
8 BArch, B323, LF XVI/125/525.
9 Birnie Danzker 1997, S. 17.
10 Voss 1973, S. 68.
11 Herz 1994, S. 41 f.
12 Vgl. das Faksimile der für den „Sonderauftrag Linz“ vorgesehenen Stuck-Werke bei Haase 2002, S. 286-288.
13 BArch, B323, LF XVI/125/535.
14 Ein mehrbändiger Akt der Wiedergutmachungsbehörde I (Oberbayern) liegt dazu im Staatsarchiv München vor.
15 BArch, B323, LF XVI/125/535.
16 BArch, B323, LF XVI/125/533.
17 BArch, B323, LF XVI/125/523-526, 532.
18 BArch, B323, LF XVI/125/515.
19 Schreiben des Museums Villa Stuck, an die OFD Berlin, München, 8.9.2003.

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