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Blechen, Carl

Golf von Neapel (Sorrent mit dem Blick auf den Vesuv) [Golf von Neapel mit Vesuv im Hintergrund, links Festungsbau]

Entstehungsjahr 1829?
Technik Öl auf Papier auf Pappe
Maße 14 cm x 32,5 cm
Münchener-Nr. 9396
Linz-Nr. 2529
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Karl Blechen (1798–1840) war ein deutscher Maler und Zeichner der Romantik.[1] Nach einer Anstellung im Bankenwesen, besuchte Blechen ab 1822 die Akademie der Bildenden Künste in Berlin, wo er unter Peter Ludwig Lütke studierte. Eine mehrmonatige Reise nach Dresden, dem damaligen Zentrum romantischer Malerei, folgte eine Anstellung als Bühnenmaler am Königstädtischen Theater. Einen Wendepunkt im künstlerischen Schaffen Blechens, stellte eine ausgedehnte Italienreise ab Herbst 1828 dar. Nach der Rückkehr des Künstlers nach Berlin, erhielten seine Werke erstmals die Aufmerksamkeit eines größeren Kreises. 1831 wurde er als Nachfolger seines einstigen Lehrers Lütke zum Lehrer der Landschaftsklasse an der Berliner Akademie ernannt. Im Jahre 1835 folgte die Aufnahme als Akademiemitglied. Blechen verstarb an schwerer Krankheit bereits im Alter von 42 Jahren. Er gehört zu den herausragenden Vertretern der romantischen Landschaftsmalerei.

Das Gemälde zeigt eine Ansicht des Golfs von Neapel. Im Vordergrund befindet sich im linken Bildteil das Festland mit hohen Felsen und einer Burg. Im rechten Bildteil erstreckt sich das Meer in Türkis- und Blautönen. Im Bildhintergrund ist der rauchende Vesuv, darüber der Himmel mit leichter Bewölkung dargestellt. Als Werktitel ist sowohl „Golf von Neapel“[2] als auch „Sorrent mit dem Blick auf den Vesuv“[3] überliefert.

Das Werk ist weder signiert noch datiert.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „9396“ (Mü-Nr.); handschriftliche Expertise von Dr. Guido Joseph Kern (Blechen-Experte).

[1] Für das Folgende vgl. Paul Ortwin Rave, Blechen, Karl, in: Neue Deutsche Biographie 2 (1955), S. 295. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd118511645.html#ndbcontent [Abruf: 07.09.2018]. Vgl. auch: Saur, Künstlerlexikon, Bd. II, Berlin 1995, S. 472–275.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9396.

[3] Vgl. Ausst. kat. 100 Jahre Berliner Kunst 1929, 100 Jahre Berliner Kunst im Schaffen des Vereins Berliner Künstler, Vereins Berliner Künstler, Berlin, 1929, Kat. 118.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
1920–Februar 1940Else Dienstfertig (1894–1940), Berlin
Februar 1940–13.11.1942Prof. Dr. Guido Kern (1878–1953), Berlin
Seit 13.11.1942Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“), erworben über Galerie Almas, München
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
15.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2018Bundesvermögen
2018Restitution

Das Gemälde von Blechen war seit 1920 Teil der Sammlung Else Dienstfertig (1894–1940), Berlin.[1] Dienstfertig war unverheiratet und lebte mit ihrer Mutter (?–1930) im Bayerischen Viertel in Berlin-Schöneberg.[2] Sie besaß eine kleine Sammlung von Gemälden und Zeichnungen. Im Jahre 1929 trat sie anlässlich der Ausstellung „100 Jahre Berliner Kunst im Schaffen des Vereins der Berliner Künstler“ als Leihgeberin von Ölgemälden und Papierarbeiten von Karl Blechen, Franz Skarbina (1849–1910), Albert Hertel (1843–1912) und Wilhelm Oesterle (1876–1928) auf.

Else Dienstfertig war jüdischer Abstammung. Während ihr Bruder Alfred Dienstfertig (1887–1969) bereits 1935 in die USA emigrierte, blieb sie in Berlin und wurde am 23. Februar 1940 im Rahmen der „Aktion T4“ in die Nervenklinik Berlin-Wittenau eingeliefert und später Opfer der NS-Euthanasiemorde in Brandenburg an der Havel. Im dortigen Gedenkbuch ist Else Dienstfertigs Todestag mit dem 12. Juli 1940 verzeichnet.[3]

Dienstfertig war als Sekretärin für den Kunsthistoriker und Maler Dr. Guido Joseph Kern (1878–1953) tätig.[4] Nach dem Studium der Kunstgeschichte an den Universitäten in München, Leipzig und Berlin wurde Kern im Jahre 1904 zum Dr. phil. promoviert und begann ein Volontariat am Wallraf-Richartz-Museum in Köln. Ein Jahr später erfolgte der Wechsel an die Berliner Nationalgalerie, wo er unter Hugo von Tschudi (1851–1911) zunächst als wissenschaftlicher Hilfsarbeiter und ab 1913 als Kustos tätig war. Als Ludwig Justi (1876–1957) im Jahre 1909 die Leitung des Hauses übernahm, kam es widerholt zu Streitigkeiten zwischen ihm und Dr. Kern, sodass dieser im Jahre 1923 aus dem Staatsdienst entlassen wurde. Der Grund für die andauernden Konflikte war Dr. Kerns ablehnende Haltung gegenüber modernen Tendenzen in der Kunst. Im Rahmen der Aktion „Entartete Kunst“, war er später zusammen mit der staatlichen Beschlagnahmekommission an der Durchführung von Beschlagnahmungen in Museen in Chemnitz, Bautzen, Dresden, Halle an der Saale sowie Soest beteiligt. Zudem trat er in den 1920er und 30er Jahren wiederholt als Kunsthändler in Erscheinung, obwohl er im „Dritten Reich“ nicht als Kunsthändler registriert war. Unterlagen der Galerie Heinemann belegen Angebote sowie Verkäufe von Werken durch Dr. Kern, wobei nicht bekannt ist, ob diese aus seiner eigenen Kunstsammlung stammten.[5]

Als Experte für Blechen war Dr. Kern auch als Gutachter für die Werke des Künstlers tätig. Er legte zahlreiche Publikation zu Blechen vor. Bereits 1911 veröffentlichte Dr. Kern eine Standardmonografie zum Künstler.[6] Zugleich beriet er die Stadt Cottbus beim Aufbau einer eigenen Blechen-Sammlung. Im Jahre 1921 richtete Dr. Kern in Zusammenarbeit mit dem Künstler Max Liebermann (1847–1935) eine große Blechen-Schau in der Berliner Akademie aus. Auch Dr. Kern selbst besaß eine Anzahl von Werken des Künstlers. Im Zuge der Vorbereitungen zur Publikation „Karl Blechen. Leben, Würdigungen, Werk“, die im Jahre 1940 von dem Direktor der Berliner Nationalgalerie Dr. Paul Ortwin Rave (1893–1962) herausgegeben wurde, erstellte Dr. Kern ein Verzeichnis der ihm gehörenden Arbeiten des Künstlers. Gelistet waren drei Ölbilder sowie zehn Zeichnungen. Das Werk „Golf von Neapel“ befand sich nicht darunter.[7] Hinweise auf das Gemälde liefert jedoch ein späterer Brief von Dr. Kern an Dr. Rave vom 17. Januar 1940. Dr. Kern schlägt darin vor, dass „eine schöne Ölskizze: ‚Der Golf von Neapel‘ (Besitzer will nicht genannt werden und hat mir die Skizze zu treuen Händen übergeben)“ ebenfalls in die Publikation aufgenommen werden könne.[8] Dr. Rave stimmte zu und Dr. Kern teilte in einem abschließenden Schreiben vom 21. Januar 1940 mit: „Die mir nicht gehörende Ölstudie Blechens: ‚Golf von Neapel‘, Öl auf Papier, bin ich ermächtigt der Nationalgalerie für den gedachten Zweck zur Verfügung zu stellen und mitzugeben. Als Besitzer wäre anzugeben: ‚Berliner Privatbesitz.‘ Versichert soll die Studie mit 3000 RM werden“.[9]

Nur einen Monat später wurde Else Dienstfertig in die Nervenklinik Berlin-Wittenau eingeliefert. Zuvor übergab sie das Gemälde zur Aufbewahrung an Dr. Kern.[10] Es wurde, neben 34 Werke von Menzel sowie weiteren 20 Werken von Blechen aus der Sammlung von Prof. Dr. Guido Kern, im August 1942 von seiner Ehefrau Dr. Franziska Kern, geborene Müller, der Galerie Almas in München als Kommissionsware übergeben.[11] Almas-Dietrich vermittelte noch im selben Jahr den Verkauf der übernommen Konvolute an die Reichskanzlei. Der Kaufpreis für sämtliche Werke betrug RM 160.000,-. Der Erlös ist der Familie Kern direkt zugeflossen.[12] Nach derzeitigem Kenntnisstand handelte es sich nicht um einen NS-verfolgungsbedingten Verkauf. Dr. Kern selbst gab gegenüber den Alliierten an, den Verkauf „aus wirtschaftlichen Schwierigkeiten“ getätigt zu haben.

Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[13] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[14]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[15] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wurde ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. BArch Koblenz, B323/49 und Ausst.kat.  Carl Blechen. Zwischen Romantik und Realismus, National Berlin, 31.08.–04.11.1990, S. 110, Kat. 29.

[2] Für das folgende vgl. Schreiben der Rechtsvertreter der Erben nach Else Dienstfertig vom 08.04.2015.

[3] Vgl. Auskunft der Gedenkstätte für die Opfer der Euthanasie-Morde in Brandenburg an der Havel vom 13.04.2015.

[4] Für das Folgende vgl. Kai Artinger, Bilder „ohne Herkunft“. Der Kunsthistoriker Prof. Dr. Guido Joseph Kern und die Bilder von Carl Blechen in den Kunstsammlungen Chemnitz. Ein Beitrag zur Provenienz- und Blechen-Forschung, in: Kunstgeschichte, Open Peer Reviewed Journal, 2014 (urn:nbn:de:bvb:355-kuge-403-9). URL: www.kunstgeschichte-ejournal.net/403/ [Abruf: 24.10.2018].

[5] Dr. Kerns Nachlass wird heute vom Zentralinstitut für Kunstgeschichte in München verwahrt. Vgl. Zentralinstitut für Kunstgeschichte München, Photothek, Bestände, Prof. Dr. Guido J. Kern. URL: www.zikg.eu/photothek/bestaende/prof-dr-guido-j-kern [Abruf: 22.10.2018]. Laut Auskunft des ZIKG umfasst der Nachlass von Prof. Dr. Kern mehrere hundert Schwarz-Weiß-Fotografien zur europäischen Kunstgeschichte.

[6] Siehe: Guido Joseph Kern, Karl Blechen. Sein Leben und seine Werke. Berlin 1911.

[7] Vgl. SMB ZA, l/ NG 1434, Schreiben von Dr. Kern, Berlin an Dr. Rave, Berlin vom 03.11.1939.

[8] SBM ZA, I/NG 2065, Mappe 4, Bl. 114, Brief von Dr. Kern, Berlin an Dr. Rave, Berlin vom 17.01.1940.

[9] SMB ZA, I/NG 2065, Mappe 3, Brief von Dr. Kern an Dr. Rave vom 21.01.1940.

[10] Vgl. Schreiben der Rechtsvertreter der Erben nach Else Dienstfertig vom 08.04.2015.

[11] Für das Folgende vgl. BArch Koblenz, B 323/332, Schreiben von Dr. Kern, Wasserburg am Inn an den CCP, München vom 21.01.1951.

[12] In einem Schreiben an den CCP München vom Januar 1951 gibt Dr. Kern an, für den Kaufpreis des Gemäldes Aktien bei einer Berliner Brauerei erworben zu haben, die er dem emigrierten Alfred Dienstfertig zur Verfügung stellte. Belege für diese Aussage konnten im Rahmen der Recherchen nicht ermittelt werden. Vgl. BArch Koblenz. B323/49.

[13] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[14] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

[15] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

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