12 Jahre Provenienzrecherche
Eine Zwischenbilanz
12 Jahre Provenienzrecherche zu den bundeseigenen Kunstwerken aus früherem Reichsbesitz – Eine Zwischenbilanz
von Harald König
I. Einleitung
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland an der „Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocaust“ im Dezember 1998 teilgenommen und damit die auf dieser internationalen Konferenz formulierten Washingtoner Prinzipien anerkannt hatte, stellte sich die Frage nach der innerstaatlichen Umsetzung dieser Selbstverpflichtung. Die in den Washingtoner Prinzipien geforderten Maßnahmen wurden überwiegend durch den „Bundesbeauftragten für die Angelegenheiten der Kultur und der Medien“ eingeleitet und koordiniert. Daneben bildete der von der Bundesfinanzverwaltung aus früherem Reichsbesitz übernommene Bestand an Kulturgütern einen eigenen Aufgabenschwerpunkt, da hier der Bund unmittelbar der Verpflichtung zur Publikation, Recherche und Restitution unterlag. Die Verwaltung dieses Bestandes lag seit den 60er Jahren in den Händen der Bundesfinanzverwaltung, so dass insoweit das Bundesministerium der Finanzen und die (zuständige) nachgeordnete Bundesbehörde tätig wurden.
Im Mittelpunkt der sich aus den Washingtoner Prinzipien ergebenden Aufgabenpalette stand die Frage, mit welchen Mitteln eine umfassende Recherche nach dem früheren Eigentümer der Kunstwerke und den konkreten Umständen der Überführung dieser Werke in das Reichsvermögen gewährleistet werden konnte. Anhand der bereits zu diesem Zeitpunkt vorliegenden wissenschaftlichen Publikationen, den überlieferten Aktenbeständen zu dem Sammlungsbestand und den darin gewonnenen Erkenntnissen sowie mit Hilfe der bereits vorhandenen Erfahrungen gelang es, ein tragfähiges Arbeitsprogramm zu erstellen.
Nach über 10 Jahren Provenienzrecherche zu den bundeseigenen Kunstwerken aus früherem Reichsbesitz kann eine Zwischenbilanz gezogen werden, zumal nunmehr der Abschluss der Recherchen absehbar wird und die erzielen Resultate Beleg dafür bieten, dass nicht nur das Wissen um die Herkunft der Werke erweitert wurde, sondern in einem nicht unbeachtlichen Umfang verfolgungsbedingt entzogene Kulturgüter festgestellt und an die Erben der früheren Eigentümer zurückgegeben werden konnten.
II. Grundlagen der Aufgabenstellung
II.I Die Washingtoner Prinzipien
In der Zeit vom 30. November bis 3. Dezember 1998 fand in Washington die Conference on Holocaust-Era Assets statt. Die dort erzielte Übereinkunft über den Umgang mit Kulturgütern, welche in der Zeit des Nationalsozialismus ihren früheren Eigentümern verfolgungsbedingt entzogen wurden, fassten die über 40 Teilnehmerstaaten, wozu auch Deutschland zählte, in den sog. Washington Principles zusammen:
In developing a consensus on non-binding principles to assist in resolving issues relating to Nazi-confiscated art, the Conference recognizes that among participating nations there are differing legal systems and that countries act within the context of their own laws.
- Art that had been confiscated by the Nazis and not subsequently restituted should be identified.
- Relevant records and archives should be open and accessible to researchers, in accordance with the guidelines of the International Council on Archives.
- Resources and personnel should be made available to facilitate the identification of all art that had been confiscated by the Nazis and not subsequently restituted.
- In establishing that a work of art had been confiscated by the Nazis and not subsequently restituted, consideration should be given to unavoidable gaps or ambiguities in the provenance in light of the passage of time and the circumstances of the Holocaust era.
- Every effort should be made to publicize art that is found to have been confiscated by the Nazis and not subsequently restituted in order to locate its pre-War owners or their heirs.
- Efforts should be made to establish a central registry of such information.
- Pre-War owners and their heirs should be encouraged to come forward and make known their claims to art that was confiscated by the Nazis and not subsequently restituted.
- If the pre-War owners of art that is found to have been confiscated by the Nazis and not subsequently restituted, or their heirs, can be identified, steps should be taken expeditiously to achieve a just and fair solution, recognizing this may vary according to the facts and circumstances surrounding a specific case.
- If the pre-War owners of art that is found to have been confiscated by the Nazis, or their heirs, can not be identified, steps should be taken expeditiously to achieve a just and fair solution.
- Commissions or other bodies established to identify art that was confiscated by the Nazis and to assist in addressing ownership issues should have a balanced membership.
- Nations are encouraged to develop national processes to implement these principles, particularly as they relate to alternative dispute resolution mechanisms for resolving ownership issues.
Die Kernaussagen dieser Erklärung fasste das Bundesverwaltungsgericht in einer Entscheidung aus dem Jahre 2011 – wie folgt zusammen:
„Ihr Anliegen ist die Identifizierung beschlagnahmter und nicht zurückerstatteter Kunstwerke. Zu diesem Zweck sollen der Provenienzrecherche einschlägige Unterlagen und Archive zugänglich gemacht werden, ausreichend Mittel und Personal zur Verfügung gestellt werden und alle Anstrengungen unternommen werden, um durch Veröffentlichungen sowie Einrichtung eines zentralen Registers mit entsprechenden Informationen die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig zu machen (Nr. 1, 2, 3, 5 und 6). Sofern die Vorkriegseigentümer oder ihre Erben ausfindig gemacht werden können, sollen rasch die nötigen Schritte unternommen werden, um eine gerechte und faire Lösung zu finden, wobei diese je nach den Gegebenheiten und Umständen des spezifischen Falls unterschiedlich ausfallen könne (Nr. 8). Dabei anerkennt die Washingtoner Konferenz in der Einleitung ausdrücklich, dass die Teilnehmerstaaten unterschiedliche Rechtssysteme haben und die Länder im Rahmen ihrer eigenen Rechtsvorschriften handeln.“
Wie zuvor schon das Verwaltungsgericht Berlin und das Verwaltungsgericht Dresden stellte auch das Bundesverwaltungsgericht fest, dass es sich bei den Washingtoner Prinzipien nicht um einen völkerrechtlich bindenden Vertrag, sondern lediglich um eine rechtlich unverbindliche Absichtserklärung handelt, die folglich auch nicht nach Art. 59 Abs. 2 GG in revisibles Bundesrecht transformiert wurde. Diese Absichtserklärung in Gestalt eines Programmsatzes kann somit auch keine individuellen Rückgabeansprüche begründen. Die Washingtoner Prinzipien sollen in erster Linie den Teilnehmerstaaten als Maßstab dienen, Lösungswege für die Frage der Restitution verfolgungsbedingt entzogener Kunst- und Kulturgüter innerhalb ihrer eigenen Rechtsordnungen zu suchen. In seinen Erläuterungen der einzelnen Prinzipien äußerte der Vertreter der amerikanischen Delegation auf der Washingtoner Konferenz weiter die Erwartung, dass mit der Verabschiedung der Prinzipien die Identifizierung der von den Nationalsozialisten entzogenen Kunstwerke nunmehr nicht dem Zufall überlassen sei, sondern international koordinierte Anstrengungen unternommen würden, diese Objekte aufzuspüren. Für die Klärung der Eigentumsfragen stehen verbesserte alternative Streitschlichtungsmechanismen zur Verfügung, die zeit- und kostenintensive Rechtstreitigkeiten vermeiden und schließlich die Kunstwelt und den (weltweiten) Kulturgüteraustausch von einem Makel befreit.
II.II Die Theresienstädter Erklärung
Auf einer weiteren internationalen Holocaust-Konferenz im Jahre 2009 in Prag wurde erneut über die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter verhandelt und die erzielten Übereinkünfte zu Kulturgütern im Rahmen der Theresienstädter Erklärung veröffentlicht:
NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunstgegenstände
- In der Erkenntnis, dass Kunstgegenstände und Kulturgüter der Opfer des Holocaust (der Schoah) und anderer Opfer nationalsozialistischer Verfolgung von den Nationalsozialisten, den Faschisten und ihren Kollaborateuren auf vielfältige Weise, wie Diebstahl, Nötigung und Entzug sowie durch Preisgabe, Zwangsverkauf und Verkauf in einer Zwangslage während der Zeit des Holocaust zwischen 1933 und 1945 und als seine unmittelbare Folge entzogen, beschlagnahmt und geraubt wurden, und
- eingedenk der auf der Washingtoner Konferenz von 1998 gebilligten Grundsätze in Bezug auf Kunstgegenstände, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, die sich aus einer Reihe von für Regierungen freiwillig einzugehenden Verpflichtungen zusammensetzen, die auf dem moralischen Grundsatz beruhen, dass Kunstgegenstände und Kulturgüter, die den Opfern des Holocaust (der Schoah) von den Nationalsozialisten entzogen wurden, an die Opfer selbst oder ihre Erben in einer Weise, die im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften und den internationalen Verpflichtungen steht, zurückgegeben werden sollen, um gerechte und faire Lösungen zu erzielen,
- bekräftigen wir unsere Unterstützung für die Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstgegenstände, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, und ermutigen alle Beteiligten - öffentliche und private Einrichtungen sowie Privatpersonen eingeschlossen – diese ebenfalls anzuwenden.
- In der Erkenntnis, dass eine Restitution ohne Wissen um möglicherweise entzogene Kunstgegenstände und Kulturgüter nicht geleistet werden kann, betonen wir im Besonderen, wie wichtig es ist, dass alle Handelnden im Einklang mit den nationalen Rechtsvorschriften sowohl in öffentlichen als auch privaten Archiven eine intensivierte systematische Provenienzforschung weiterführen und unterstützen, und dass sie relevante Ergebnisse der Provenienzforschung einschließlich laufender Aktualisierungen unter Beachtung der Datenschutzbestimmungen im Internet zugänglich machen. Wo dies noch nicht geschehen ist, befürworten wir außerdem die Einrichtung von Mechanismen zur Unterstützung der Bemühungen von Anspruchstellern und
anderen Personen. - In Würdigung der Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstgegenstände, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden, und in Anbetracht der seit der Washingtoner Konferenz erworbenen Erfahrungen fordern wir alle Handelnden auf, sicherzustellen, dass ihre Rechtsordnungen oder alternativen Verfahren unter Berücksichtigung der verschiedenen Rechtstraditionen gerechte und faire Lösungen im Hinblick auf NS-verfolgungsbedingt entzogene Kunstgegenstände ermöglichen, und dafür zu sorgen, dass die Ansprüche betreffend die Rückerlangung solcher Kunstgegenstände zügig und auf Grundlage der tatsächlichen und materiellrechtlichen Gesichtspunkte sowie aller einschlägigen, von den Parteien eingereichten Dokumente geklärt werden. Bei der Anwendung von Rechtsvorschriften, die einer Restitution von Kunstgegenständen und Kulturgütern entgegenstehen könnten, sollten die Staaten alle wesentlichen Aspekte berücksichtigen, um gerechte und faire Lösungen zu erzielen, und auch alternative Wege der Streitbeilegung erwägen, soweit sie rechtlich vorgesehen sind.
Auch die Theresienstädter Erklärung entfaltet keine rechtliche Verbindlichkeit.
II.III Nationale Umsetzung der Programmsätze
Die Einrichtung einer Datenbank bei der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg , die Einberufung einer Beratenden Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz und die Einrichtung der Arbeitsstelle für Provenienzforschung , welche Museen, Bibliotheken, Archive und andere öffentlich unterhaltene Kulturgut bewahrende Einrichtungen in der Bundesrepublik Deutschland bei der Identifizierung von Kulturgütern in ihren Sammlungen und Beständen unterstützt, sind sichtbare Zeichen für die Umsetzung der in den Washingtoner Prinzipien geforderten Maßnahmen. Ihren Willen zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien hatten die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände im Dezember 1999 bereits in einer Gemeinsamen Erklärung zum Ausdruck gebracht:
Gemeinsame Erklärung
Die Bundesrepublik Deutschland hat nach dem Zweiten Weltkrieg unter den Voraussetzungen der alliierten Rückerstattungsregelungen, des Bundesrückerstattungsgesetzes und des Bundesentschädigungsgesetzes begründete Ansprüche wegen des verfolgungsbedingten Entzugs von Kulturgütern erfüllt sowie die entsprechenden Verfahren und Institutionen zur Verfügung gestellt, damit die sonstigen Rückerstattungsverpflichteten von den Berechtigten in Anspruch genommen werden konnten. Die Ansprüche standen in erster Linie den unmittelbar Geschädigten und deren Rechtsnachfolgern oder im Fall erbenloser oder nicht in Anspruch genommenen jüdischen Vermögens den in den Westzonen und in Berlin eingesetzten Nachfolgeorganisationen zu. Die materielle Wiedergutmachung erfolgte im Einzelfall oder durch Globalabfindungsvergleiche. Das Rückerstattungsrecht und das allgemeine Zivilrecht der Bundesrepublik Deutschland regeln damit abschließend und umfassend die Frage der Restitution und Entschädigung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut, das insbesondere aus jüdischem Besitz stammt. In der DDR war die Wiedergutmachung von NS-Unrecht nach alliiertem Recht über gewisse Anfänge nicht hinausgekommen. Im Zuge der deutschen Vereinigung hat sich die Bundesrepublik Deutschland zur Anwendung der Grundsätze des Rückerstattungs- und Entschädigungsrechts verpflichtet. NS-verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut wurde nach den Bestimmungen des Vermögensgesetzes und des NS-Verfolgtenentschädigungsgesetzes zurückgegeben oder entschädigt. Dank der globalen Anmeldung seitens der Conference on Jewish Material Claims against Germany, Inc. (JCC) als der heutigen Vereinigung der Nachfolgeorganisationen sind im Beitrittsgebiet gelegene Ansprüche im Hinblick auf Kulturgüter jüdischer Geschädigter geltend gemacht worden. Wie früher in den alten Bundesländern wurde auch hier soweit wie möglich eine einzelfallbezogene materielle Wiedergutmachung und im übrigen eine Wiedergutmachung durch Globalvergleich angestrebt.
I. Die Bundesrepublik Deutschland hat – ungeachtet dieser materiellen Wiedergutmachung – auf der Washingtoner Konferenz über Holocaust-Vermögen am 3. Dezember 1998 erneut ihre Bereitschaft erklärt, auf der Basis der verabschiedeten Grundsätze und nach Maßgabe ihrer rechtlichen und tatsächlichen Möglichkeiten nach weiterem NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgut zu suchen und gegebenenfalls die notwendigen Schritte zu unternehmen, eine gerechte und faire Lösung zu finden. In diesem Sinne wird der Stiftungsratsbeschluss der Stiftung Preußischer Kulturbesitz vom 4. Juni 1999 begrüßt.
Die Bundesregierung, die Länder und die kommunalen Spitzenverbände werden im Sinne der Washingtoner Erklärung in den verantwortlichen Gremien der Träger einschlägiger öffentlicher Einrichtungen darauf hinwirken, dass Kulturgüter, die als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert und bestimmten Geschädigten zugeordnet werden können, nach individueller Prüfung den legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben zurückgegeben werden. Diese Prüfung schließt den Abgleich mit bereits erfolgten materiellen Wiedergutmachungsleistungen ein. Ein derartiges Verfahren ermöglicht es, die wahren Berechtigten festzustellen und dabei Doppelentschädigungen (z. B. durch Rückzahlungen von geleisteten Entschädigungen) zu vermeiden.
Den jeweiligen Einrichtungen wird empfohlen, mit zweifelsfrei legitimierten früheren Eigentümern bzw. deren Erben über Umfang sowie Art und Weise einer Rückgabe oder anderweitige materielle Wiedergutmachung (z. B. gegebenenfalls in Verbindung mit Dauerleihgaben, finanziellem oder materiellem Wertausgleich) zu verhandeln, soweit diese nicht bereits anderweitig geregelt sind (z. B. durch Rückerstattungsvergleich).
II. Die deutschen öffentlichen Einrichtungen wie Museen, Archive und Bibliotheken haben schon in der Vergangenheit die Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut unterstützt:
durch Erschließung und Offenlegung ihrer Informationen, Forschungsstände und Unterlagen,
durch Nachforschungen bei konkreten Anfragen und eigene Recherchen im Falle von aktuellen Erwerbungen,
durch eigene Suche im Rahmen der Wahrnehmung der Aufgaben der jeweiligen Einrichtung,
durch Hinweise auf die Geschichte von Kulturgütern aus NS-verfolgungsbedingt entzogenem Besitz in den Sammlungen, Ausstellungen und Publikationen.
Diese Bemühungen sollen – wo immer hinreichend Anlass besteht – fortgeführt werden.
III. Darüber hinaus prüfen Bundesregierung, Länder und kommunale Spitzenverbände im Sinne der Washingtoner Grundsätze ein Internet-Angebot einzurichten, das folgende Bereiche umfassen sollte:
Möglichkeiten der beteiligten Einrichtungen, Kulturgüter ungeklärter Herkunft zu veröffentlichen, sofern NS-verfolgungsbedingter Entzug vermutet wird.
Eine Suchliste, in die jeder Berechtigte die von ihm gesuchten Kulturgüter eintragen und damit zur Nachforschung für die in Frage kommenden Einrichtungen und die interessierte Öffentlichkeit ausschreiben kann.
Informationen über kriegsbedingte Verbringung NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter in das Ausland.
Die Schaffung eines virtuellen Informationsforums, in dem die beteiligten öffentlichen Einrichtungen und auch Dritte ihre Erkenntnisse bei der Suche nach NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern eingeben können, um Parallelarbeiten zu gleichen Themen (z. B.: Bei welcher Auktion wurden jüdische Kulturgüter welcher Sammlung versteigert?) auszuschließen und im Wege der Volltextrecherche schnell zugänglich zu machen.
IV. Diese Erklärung bezieht sich auf die öffentlich unterhaltenen Archive, Museen, Bibliotheken und deren Inventar. Die öffentlichen Träger dieser Einrichtungen werden aufgefordert, durch Beschlussfassung in ihren Gremien für die Umsetzung dieser Grundsätze zu sorgen. Privatrechtlich organisierte Einrichtungen und Privatpersonen werden aufgefordert, sich den niedergelegten Grundsätzen und Verfahrensweisen gleichfalls anzuschließen.
Auch die „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände“ vom Dezember 1999, die keine Rechtsnorm darstellt, entfaltet keine rechtliche Bindung. U.a. in der von der Kultusministerkonferenz im Februar 2001 verabschiedeten „Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz vom Dezember 1999“, welche im November 2007 überarbeitet wurde , finden sich umfangreiche Hilfestellungen und Hinweise zur Suche nach und zum Umgang mit NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut. Ferner stellt die Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste auf ihrer Internetseite zahlreiche Hilfestellungen und Erkenntnisquellen zur Verfügung.
III. Die Arbeit der Bundesfinanzverwaltung
III.I Der aus früherem Reichsbesitz übernommene Bestand an Kulturgütern
Unter dem 26. Juni 1969 legte der damalige Bundesschatzminister dem Deutschen Bundestag einen Bericht über die Verwendung von Kunstgegenständen aus ehemaligem Reichsbesitz vor. Der Bericht beschäftigt sich vorrangig mit der beabsichtigten Verwendung des übernommenen Kulturgutes, gibt aber zugleich Auskunft über seine Herkunft:
Der Bundesschatzminister hatte am 01.01.1963 von der damaligen „Treuhandverwaltung für Kulturgut“ in München ca. 20.000 Kunstgegenstände übernommen. Es handelte sich hierbei um Restbestände des von dieser Dienststelle treuhänderisch verwalteten Kulturguts, welches 1945 von der amerikanischen Besatzungsmacht in den ehemaligen Central Collecting Points München und Wiesbaden zusammengetragen worden war. Diese Restbestände waren noch im Besitz der Treuhandverwaltung verblieben, nachdem in der Zeit vom 14. August 1945 bis 30. Juni 1962 von alliierten und deutschen Stellen im Wege der inneren und äußeren Restitution insgesamt rd. 1 Million Kunstgegenstände an in- und ausländische Rückerstattungsberechtigte herausgegeben worden waren. Der vom Bundesschatzminister übernommene Bestand umfasste:
- 2708 Gemälde und Fresken
- 1398 Blatt Graphik
- 161 Plastiken
- 321 kunstgewerbliche Gegenstände
- 3 Glasgemälde
- 1 Mosaik
- 1 Skizzenbuch
- 2 Manuskripte
- 51 Gobelins
- 49 Teppiche
- 206 Möbelstücke
- 73 Reproduktionen
- 100 Lichtdrucke
- 1 Geige
- 6000 Münzen
- 9000 Bücher
- 8 diverse Gegenstände
Weitergehende Hintergrundinformationen liefert ein Beitrag im Bulletin des Presse- und Informationsamtes der Bundesregierung vom 05. April 1968 :
Es entsprach dem Geltungsbedürfnis des Dritten Reiches, wertvolle Kunstschätze zusammenzutragen, um damit Museen von Weltrang einzurichten. So war in Linz an der Donau ein großes Kulturzentrum geplant, in dem die Kunst der ganzen Welt mit hervorragenden Werken vertreten sein sollte. Ein anderes bedeutendes Museum sollte in Karinhall in der Schorfheide entstehen. Für diese Museen wurden insbesondere in den Jahren 1939 bis 1944 auf dem deutschen und internationalen Kunstmarkt sowie in den während des Zweiten Weltkriegs besetzen Westgebieten und in Italien zahlreiche Kunstgegenstände jeder Art aufgekauft. Auch beschlagnahmtes Vermögen politisch oder rassisch verfolgter Personen wurde für die vorgesehenen Zwecke herangezogen. Schließlich wurden auch noch in den jährlichen Verkaufsausstellungen im Haus der deutschen Kunst in München mit Reichsmitteln Arbeiten zeitgenössischer Künstler erworben. Auf diese Weise waren bis zum Kriegsende 1945 Kunstwerke, Waffen, Bücher und Münzen im Werte von mehr als 100 Millionen Reichsmark zusammengetragen worden, allein etwa 4.500 Gemälde. Darunter befanden sich vor allen Dingen deutsche und österreichische Gemälde des 19. Jahrhunderts, viele bedeutende Werke früherer Epochen, so z.B. 17 Gemälde von Rembrandt und 20 von Rubens, daneben Werke des niederländischen 17. Jahrhunderts, der italienischen Schulen des 15. und 16. Jahrhunderts (Botticelli, Ghirlandajo, Raffael, Tintoretto, Tizian) sowie Bilder der französischen Schulen.
Während des Krieges wurden diese Bestände in deutsche und österreichische Depots ausgelagert. Unmittelbar nach der Einstellung der Kampfhandlungen trugen die Alliierten das gesamte Kunstgut, dessen sie habhaft werden konnten, darunter auch die für die Museen in Linz und Karinhall bestimmten Sammlungen, in verschiedenen Lagern zusammen, um es vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Nach der Registrierung des Kunstgutes begannen die Besatzungsmächte unverzüglich – zunächst noch ohne Beteiligung deutscher Behörden – mit der unter der Bezeichnung „innere und äußere Restitution“ bekanntgewordenen Rückerstattung von Kunstwerken an die nach den Wiedergutmachungsgesetzen berechtigten Personen. Sie leiteten insbesondere die Rückgabe der im Ausland erworbenen Kunstwerke an die früheren Eigentümer und die Übergabe des eingezogenen Vermögens von NS-Organisationen und deren Spitzenfunktionären an die Länderregierungen ein.
Nachdem die Bundesrepublik Deutschland ihre staatliche Souveränität erlangt hatte, übergaben die amerikanischen und britischen Besatzungsbehörden die verbliebenen Kunstbestände einer deutschen Treuhandverwaltung. Diese führte dann bis 1962 die Wiedergutmachung nach den deutschen und alliierten Gesetzen durch. Bis zu diesem Zeitpunkt wurden insgesamt über 1 Million Kunstgegenstände zurückgegeben. Davon gingen allein etwa 49.000 Kunstwerke ins Ausland.
[…]
Kunstgegenstände, die in der Zeit des Dritten Reiches zu Unrecht entzogen worden waren, sind nach den besatzungsrechtlichen und deutschen Bestimmungen über die Wiedergutmachung an die Berechtigten zurückgegeben worden. Der Kunstbesitz von Parteiführern und Parteiorganisationen ist nach den Bestimmungen der Kontrollrats-Direktiven Nr. 50 und 57 in das Eigentum der Länder übergegangen, in dem sie sich am 8. Mai 1945 befunden hatten. Die Bundesrepublik Deutschland übernahm nur solche Kunstgegenstände von der Treuhandverwaltung, die Eigentum des Deutschen Reiches waren und weder der Rückerstattung noch der Einziehung als Parteivermögen unterlegen haben.
Eine den Bestand an Kunstgegenständen betreffende Chronologie der Zuständigkeiten und Ereignisse hatte seinerzeit das Pressereferat des Bundesschatzministers – wie folgt – zusammengestellt:
Nach dem 08.05.1945–30.11.1949 | Die Militärregierung trägt das in den Westzonen erreichbare Kunstgut in den Central Collecting Points Wiesbaden und München zusammen, sofern hinsichtlich dieser Gegenstände die Vermutung einer Restitutionspflicht besteht. Restitutionsansprüche werden geprüft und Auslieferungen vorgenommen. |
01.02.1949 | Übergabe des Central Collecting Points München in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten. |
28.06.1949 | Bildung eines Deutschen Restitutionsausschusses gem. Beschluß der Konferenz der Kultusminister vom 20.04.1949. |
12.04.1950 | Note der Bundesregierung an die Hohen Kommissare mit der Bitte um Beteiligung des Deutschen Restitutionsausschusses an der Bearbeitung der Restitutionsansprüche durch die alliierten Behörden. |
22.02.1952 | Beendigung der Tätigkeit des Deutschen Restitutionsausschusses. Übergabe der in München lagernden Bestände vom Bayerischen Ministerpräsidenten an die neu errichtete „Treuhandverwaltung für Kulturgut München“ (etatisiert beim Auswärtigen Amt). |
07.03.1952 | Übernahme der Bestände des Central Collecting Points Wiesbaden durch die „Treuhandverwaltung von Kulturgut München“ (TVK). |
22.02.1952–31.12.1962 | Tätigkeit der TVK:
|
01.01.1963 | Nach Erledigung ihrer Aufgaben: Auflösung der TVK München und Übernahme der Verwaltung der aus ehem. Reichsbesitz stammenden Gegenstände durch den Bundesschatzminister. |
14.12.1965 | Berufung einer beratenden Kommission von namhaften Kunstsachverständigen durch den Bundesschatzminister, insbesondere an der Aufgabe, die der endgültigen Auswahl der museumswürdigen Kunstgegenstände mitzuwirken. |
20.10.–12.11.1965 | Ausstellung der Gemälde musealen Charakters im Schloß Schleißheim für Museumsdirektoren und Museumspfleger. |
24.06.1966 | Übergabe an Museen. |
Am Rande erwähnt der Bericht des Bundesschatzministers vom 26. Juni 1969 noch, dass 10 Gemälde nach dem 31. Dezember 1962 (z.T. gegen Rückgabe der Restitutionsentschädigung) an berechtigte frühere Eigentümer herausgegeben wurden. Dieser Hinweis erscheint beachtlich, da die Übergabe des Bestandes an den Bundesschatzminister im Jahre 1963 u.a. dadurch veranlasst war, dass auf dem bei der (bis zu diesem Zeitpunkt zuständigen) Treuhandverwaltung von Kulturgut München lagernden Kunstgut keine Ansprüche der äußeren und inneren Restitution mehr vorlagen. Der Tätigkeitsbericht der Treuhandverwaltung für Kulturgut München aus dem Jahre 1962 eröffnet den Blick auf die näheren Umstände, die diese Rückgaben veranlassten. Dort findet sich der Hinweis, dass in einigen Fällen, in denen Berechtigte die Anmeldefrist nach den alliierten Rückerstattungsregelungen versäumt hatten, das Bundesfinanzministerium zu befragen [sei], ob die Freigabe dennoch erfolgen kann. Derartigen Ersuchen wurde offensichtlich entsprochen.
Überdies bekräftige die Bundesregierung, vertreten durch das Auswärtige Amt, gegenüber dem Deutschen Bundestag im Jahre 1997 im Rahmen der Beantwortung einer kleinen Anfrage unter Berufung auf die entsprechenden Bestimmungen der Haager Landkriegsordnung (Art. 46 Abs. 2 und Art. 56 HLKO), dass aufgrund des Verstoßes des NS-Regimes gegen das völkerrechtliche Kulturgutschutzgebot, in allen Fällen heute noch in Deutschland befindlicher, während des Krieges unrechtmäßig verbrachter Kulturgüter die Verpflichtung zur Rückgabe an die rechtmäßigen Eigentümer außer Frage stünde. Über den Vollzug einer solchen – für völkerrechtlich geboten erachteten – Rückgabe wurde u.a. im Jahre 1994 berichtet.
III.II Zuständigkeit und Personal
Nach der Verabschiedung der Washingtoner Prinzipien (1998) und der Gemeinsamen Erklärung (1999) wird der aus früherem Reichbesitz übernommene Bestand an Kulturgütern hinsichtlich seiner Herkunft (Provenienz) seit Mai 2000 erneut systematisch untersucht. Diese Aufgabe oblag zunächst einem eigens hierzu eingerichteten Referat bei der Oberfinanzdirektion (OFD) Berlin und wurde Anfang des Jahres 2004 dem Bundesamt zur Regelung offener Vermögensfragen (BARoV) übertragen. Seit dem 1. Januar 2006 wird diese Aufgabe vom Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) wahrgenommen.
Die in den jeweils zuständigen Behörden tätige Arbeitseinheit setzte sich aus einem Juristen, Sachbearbeitern und Mitarbeitern zusammen. In der Einarbeitungsphase wurde externer Sachverstand hinzugezogen. Für die Dauer von 2 Jahren wurde eine auf diesem Gebiet u.a. durch wissenschaftliche Publikationen ausgewiesene Expertin beschäftigt. Im Jahre 2002 wurde dann eine Kunsthistorikerin dauerhaft eingestellt.
Seit dem Jahre 2008 wurden regelmäßig externe Experten im Rahmen von Werkverträgen mit der Provenienzrecherche zu ausgewählten Werken aus dem Bestand beauftragt. Auf diese Weise wurden insgesamt 380 Objekte begutachtet. Mit der Beteiligung externer Fachleute sollte nicht nur eine Beschleunigung der Recherchen erreicht werden; vielmehr sollte hierdurch auch sichergestellt werden, dass ein möglichst breit gefächertes Erfahrungswissen in die Erforschung des Bestandes eingebracht wird und alle in Betracht kommenden Erkenntnisquellen ausgeschöpft werden. Zugleich bot dieses Programm die Möglichkeit, im Rahmen einer vergleichenden Betrachtung die bislang durch die Behörde geleistete Arbeit einer kritischen Selbsteinschätzung zu unterziehen.
Die mit der Provenienzrecherche beauftragten Mitarbeiter haben sich stetig um einen engen Kontakt und Austausch mit Museen und Forschungseinrichtungen bemüht. Nationale und internationale Tagungen, Symposien, Arbeitskreise und Fortbildungsangebote wurden genutzt, um den Erfahrungs- und Erkenntnishorizont zu erweitern. Gleichzeitig wurden im Rahmen dieser Veranstaltungen durch Präsentationen und Vorträgen auch die eigenen Arbeitsfortschritte vorgestellt.
III.III Einzelne Aufgabenschritte
Zu den ersten Aufgaben im Rahmen der Umsetzung der Washingtoner Prinzipien und der Gemeinsamen Erklärung stand die Veröffentlichung des aus früherem Reichsbesitz übernommenen Bestandes. Um möglichst rasch die geforderte Publizität herzustellen, wurde der gesamte Bestand an Kulturgütern – ohne eine vorangegangene Prüfung – in die bei der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste in Magdeburg eingerichtete Datenbank (www.lostart.de) als Fundmeldung eingestellt.
Anhand der bereits bekannten Informationen über die Herkunft der Werke, welche sich im Wesentlichen auf die bei der Treuhandverwaltung für Kulturgut gewonnenen Erkenntnisse stützen, konnte rasch eine Liste der Objekte, welchen bei der Recherche Priorität einzuräumen war, erstellt werden. Hierbei handelte es sich z.B. um Werke, welche zwischen 1933 – 1945 über Kunsthändler erworben wurden, die bekanntermaßen maßgeblich an der Verwertung jüdischen Kunstbesitzes beteiligt waren.
Erkenntnisquellen für weiterführende Recherchen waren u.a. Verfahrensakten zu früheren Wiedergutmachungsverfahren, die kunsthistorische Literatur zu Künstler und Werk, Ausstellungskataloge, Auktionshauskataloge, Fachliteratur zur Provenienzforschung. Regelmäßig wurden die Rückseiten der Werke (Aufkleber, Zollstempel, Beschriftungen, etc.) untersucht.
Ausschlaggebende Kriterien für den Fortgang der Untersuchung waren u.a. der bereits vorliegende Erkenntnisstand zu einzelnen Werken oder Werkgruppen. Andererseits stand auch das Bemühen um eine möglichst umfassende Auswertung zugänglicher Quellen, z.B. bei Ankäufen im Ausland im Vordergrund.
III.IV Dokumentation der Ergebnisse
Zum Zwecke der Dokumentation wurde auf der Internetpräsentation des Bundesamtes für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV) (http://www.badv.bund.de) eine Datenbank eingerichtet, welche sukzessive über die zu den einzelnen Objekten gewonnenen Erkenntnisse zur Herkunft (Provenienz) der Werke Auskunft gibt.
III.V Rückgaben und Stand der Erledigung
Bislang konnte die Recherche zu insgesamt 1686 Objekten abgeschlossen werden. Eine lückenlose Aufklärung der Besitz- und Eigentumsverhältnisse in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 war in vielen Fällen allerdings nicht möglich. Bei ca. 130 Objekten blieb die Provenienz vollkommen ungeklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust wurde demgegenüber bei 51 Objekten festgestellt. 41 Objekte konnten bislang an die Erben der früheren Eigentümer zurückgegeben werden. Insgesamt 12 an die Bundesfinanzverwaltung gerichtete Rückgabeersuchen wurden abgelehnt; in 2 Fällen stimmte das BADV der Anrufung der Beratenden Kommission für die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter, insbesondere aus jüdischem Besitz zu. Den Empfehlungen der Beratenden Kommission wurde in diesen Fällen entsprochen.
III.VI Streitfragen
Die besonderen Schwierigkeiten bei der Aufklärung und Dokumentation der Besitz- und Eigentumsverhältnisse an Kunstwerken in der Zeit zwischen 1933 bis 1945 sowie der Umstände eines Vermögensverlustes in diesem Zeitraum sind häufig der Ausgangspunkt für streitige Auseinandersetzungen über die Frage der Rückgabe. Hierbei kommt der unter IV. getroffenen Aussage in den Washingtoner Prinzipien besondere Bedeutung zu:
In establishing that a work of art had been confiscated by the Nazis and not subsequently restituted, consideration should be given to unavoidable gaps or ambiguities in the provenance in light of the passage of time and the circumstances of the Holocaust era.
Bei dem Nachweis, dass ein Kunstwerk durch die Nationalsozialisten beschlagnahmt und in der Folge nicht zurückerstattet wurde, sollte berücksichtigt werden, dass aufgrund der verstrichenen Zeit und der besonderen Umstände des Holocaust Lücken und Unklarheiten in der Frage der Herkunft unvermeidlich sind.
Im Kern behandelt das 4. Prinzip die Frage, wie mit der oft unzureichenden Dokumentation der Provenienz von Kunst- und Kulturgüter und der daraus resultierenden Beweisnot der Verfolgten umzugehen ist.
Zweck der Regelung
In der Stellungnahme der amerikanischen Delegation wurden folgende erläuternde Hinweise gegeben:
The fourth principle deals with gaps and ambiguities in the provenance of works. The vast displacement of art, the destruction of many records and the furtive nature of the international market during the War mean there must be some leeway in establishing provenance. Where there is no bill of sale, a diary entry or an insurance listing might be acceptable evidence of pre-War ownership. If a work is not on a Nazi confiscation list, it may be in the archives of the “monuments men” or the secret inventories of the French Resistance or in other archival collections. Conversely, there may be circumstantial evidence that works were not stolen but sold at market, or restituted to families and subsequently sold. Provenance work is not easy. But I can say from experience that neither was it easy to trace the movement of Nazi gold. Some said it would be impossible. Yet in two years of hard work we were able to do it, as was the Swiss Bergier Commission.
Lücken oder Unklarheiten in der Provenienzgeschichte eines Werkes sollen danach kein zwingendes Hindernis darstellen; vielmehr soll – vor dem Hintergrund des Ausmaßes, den der Kunstraub der Nazis erlangte, der Zerstörung von Aktenbeständen und nicht zuletzt die fehlende Transparenz des internationalen Kunstmarktes während des Krieges – für die Feststellung der Provenienz Spielraum eröffnet werden. Der Anscheins- oder Indizienbeweis soll auch bei der Frage, ob ein Werk ohne Verfolgungsdruck veräußert wurde oder bereits an die Familie des früheren Eigentümers restituiert und dann durch diese verkauft wurde, ausreichen.
Die Berücksichtigung der Beweisnot der Verfolgten im deutschen Wiedergutmachungsrecht
Die besonderen Schwierigkeiten, denen die Betroffenen bei dem Nachweis der in Zuge der nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen erlittenen Vermögensverluste ausgesetzt waren und ausgesetzt sind, hat auch der Gesetzgeber des deutschen Wiedergutmachungsrechts berücksichtigt. So ordnete das für die amerikanische Besatzungszone erlassene Rückerstattungsgesetz (am. REG) in Art. 41 Abs. 2 an:
Die Wiedergutmachungsbehörden haben die Lage, in die der Berechtigte durch Verfolgungsmaßnahmen […] geraten ist, bei der Ermittlung des Sachverhalts weitgehend zu berücksichtigen.
Der Beweisnot der Betroffenen wurde u.a. durch die Verpflichtung zur Durchführung der erforderlichen Ermittlungen von Amts wegen und durch die Zulassung von eidesstattlichen Versicherungen als Mittel der Glaubhaftmachung begegnet. Diese Regelung berechtigte die Rückerstattungsbehörden und –gerichte allerdings nicht, sich mit Vermutungen zu begnügen. Unter Bezugnahme auf die Rechtsprechung zu den alliierten Rückerstattungsgesetzen meint das VG Berlin, der Beweisnot der Geschädigten müsse in der Weise Rechnung getragen werden, dass keine zu hohen Anforderungen an die zu gewinnende Überzeugung vom Vorhandensein bestimmter Tatsachen gestellt werden dürfen. Eine von allen Zweifeln freie Überzeugung setzte das Gesetz nicht voraus; vielmehr darf und muss sich der Richter in tatsächlich zweifelhaften Fällen mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, der den Zweifeln Schweigen gebietet, ohne sie völlig auszuschließen. Der in Wiedergutmachungsmaterien typischerweise bestehenden Beweisnot ist daher nicht mit einer Herabsetzung des Beweismaßes zu begegnen. Ihr ist jedoch im Rahmen der Beweiswürdigung Rechnung zu tragen; das Gericht darf keine unerfüllbaren Beweisanforderungen stellen.
Für die rechtsgeschäftliche Veräußerung oder Aufgabe eines Vermögenswertes sahen die Rückerstattungsgesetze und die Alliierte Rückerstattungsanordnung für Berlin (REAO) darüber hinaus vor, dass die Ursächlichkeit der nationalsozialistischen Verfolgung für den durch die genannten Rechtsgeschäfte eingetretenen Vermögensverlust vermutet wurde und nur durch im Gesetz näher benannte Nachweise widerlegt werden konnte. Diese Bestimmung der REAO (Art. 3 Abs. 2 und 3) ist auch in den vermögensrechtlichen Verfahren zur Wiedergutmachung des NS-Unrechts in Beitrittsgebiet anzuwenden (§ 1 Abs. 6 VermG). In Anwendung dieser Vorschriften wird allerdings nur die Verfolgungsbedingtheit des Vermögensverlustes Verfolgter, nicht aber der Vermögensverlust Verfolgter vermutet. Die Vermutungsregel erstreckt sich ausschließlich auf die Frage, ob der Vermögensverlust als solcher verfolgungsbedingt eintrat, nicht aber auf die Feststellung des schädigenden Ereignisses selbst. Die in der Rückerstattungsanordnung […] geregelte Fiktion setzt den Eintritt eines tatsächlichen Eigentumsverlustes bzw. Vermögensverlustes voraus. Der Verweis in VermG § 1 Abs. 6 S. 2 auf die BKO 180/49 bezieht sich auf die Feststellung der Kausalität zwischen Verfolgung und Vermögensverlust. Die Tatsache des Eigentumsverlustes wird nicht fingiert, die Vermutungsregelung setzt den Eigentumsverlust voraus. Die Vermutungsregel bezieht sich (nur) auf konkrete Verlustakte, (rechtsgeschäftliche Veräußerung oder Aufgabe des Vermögenswertes) für deren Nachweis wiederum die allgemeinen Beweisregeln gelten, wonach die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht.
Dem derzeitigen Verfügungsberechtigten obliegen Darlegungs- und Beweispflichten in den vermögens- bzw. rückerstattungsrechtlichen Verfahren immer dann, wenn der Anwendungsbereich der Vermutungsregel des REAO eröffnet ist, also das zum Vermögensverlust führende Rechtsgeschäft nachgewiesen ist. In diesem Falle kann die gesetzliche Vermutung zugunsten der Verfolgungsbedingtheit des Rechtsgeschäfts nur widerlegt werden, wenn der Nachweis erbracht werden kann, dass der Veräußerer einen angemessenen Kaufpreis erhalten hat und über ihn frei verfügen konnte. Bei Veräußerungen in der Zeit vom 15.09.1935 bis zum 08.05.1945 müsste zusätzlich nachgewiesen sein, dass das Rechtsgeschäft seinem wesentlichen Inhalt nach auch ohne die Herrschaft des Nationalsozialismus abgeschlossen worden wäre oder dass der Erwerber in besonderer Weise und mit wesentlichem Erfolg den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten oder seines Rechtsvorgängers wahrgenommen hat, z.B. durch Mitwirkung bei einer Vermögensübertragung ins Ausland. Allerdings können die Widerlegungsregelungen des Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO erst geprüft werden, wenn der konkrete Verlustakt, für den die Vermutungsregel eingreift, festgestellt ist. Die Notwendigkeit der genauen Bestimmung des Verlustvorgangs ergibt sich aus den Widerlegungsregeln. Erst mit Kenntnis der Höhe des Kaufpreises ist ermittelbar, ob dieser angemessen war. Erst mit Kenntnis der Zahlungsmodalitäten (z.B. Barzahlung oder aber Überweisung auf ein Sperrkonto) lässt sich klären, ob über den Kaufpreis frei verfügt werden konnte. Der konkreten Feststellung des Verkaufsdatums bedarf es u.a., um zu klären in welcher Weise ggf. eine Entkräftung der gesetzlichen Vermutung in Betracht kommen kann. Schließlich muss die Person des Erwerbers bekannt sein, um der Frage nachzugehen, ob diese sich ggf. erfolgreich um den Schutz der Vermögensinteressen des Berechtigten bemüht hat. Vor diesem Hintergrund gelangt das Verwaltungsgericht Dresden zu dem Schluss, dass eine Anwendung der Vermutungsregel in Fällen, in denen keine genauen Tatsachen bekannt sind, regelmäßig dazu führen müsste, dass die gesetzlich vorgesehene Widerlegungsmöglichkeit der Vermutungsregel mangels bekannter Tatsachen nicht wahrgenommen werden könnte. Dies würde zu einer Ungleichbehandlung gegenüber den Fallgestaltungen, denen Rechtsgeschäfte, wie zum Beispiel Veräußerungen, zugrunde liegen, führen. Die Vermutungsregel ist für klar definierte Fallkonstellationen vorgesehen, so dass sie im Umkehrschluss in anderen als den geregelten Fällen nicht zur Anwendung gelangt.
In diesem Zusammenhang wurde auch die Frage, ob eine im Recht der Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgung geltende Beweiserleichterung im Zusammenhang mit der Feststellung des schädigenden Ereignisses (in den vermögensrechtlichen Verfahren) herangezogen werden kann, an die Gerichte herangetragen. Die maßgebliche Bestimmung (§ 176 Abs. 2 S. 1 Bundesentschädigungsgesetz) lautet:
Kann der Beweis für eine Tatsache infolge der Lage, in die der Antragsteller durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen geraten ist, nicht vollständig erbracht werden, so können die Entschädigungsorgane diese Tatsache unter Würdigung aller Umstände zugunsten des Antragstellers für festgestellt erachten.
Nach dieser Vorschrift genügt es, wenn der Beweisnotstand seine Ursache überwiegend in der Gewalt- und Katastrophenpolitik des NS-Regimes findet. Das Bundesverwaltungsgericht stellte hierzu fest: Im Rahmen des § 1 Abs. 6 VermG ist kein Raum für eine entsprechende Anwendung der in § 176 Abs. 2 des Bundesentschädigungsgesetzes getroffenen Regelung, wonach eine Tatsache zugunsten des Antragstellers als festgestellt zu erachten ist, wenn der Beweis für diese Tatsache nicht vollständig erbracht werden kann. Dass die im Entschädigungsrecht vorgesehene Beweiserleichterung keine Anwendung finden kann, beruht in erster Linie auf der unterschiedlichen Interessenlage. In den Entschädigungsverfahren ging es darum, einen gegen den Staat gerichteten Entschädigungsanspruch einfacher durchsetzbar zu machen; die Anwendung dieser Vorschrift im Vermögensrecht würde aber dazu führen, dass – gleichsam als Kehrseite – der derzeitige Verfügungsberechtigte zusätzlich mit Darlegungs- und Beweispflichten belastet würde. Diese unterschiedliche Interessenlage erlaubte es u.a., in den Verfahren zur Entschädigung von Schäden an Körper und Gesundheit bei der Frage nach dem Kausalzusammenhang zwischen Verfolgung und Schaden die Wahrscheinlichkeit ausreichen zu lassen. Wahrscheinlichkeit bedeutete hierbei, dass mehr für als gegen den in Frage stehenden ursächlichen Zusammenhang sprechen muß.
Über die gesetzlich geregelten Beweiserleichterungen hinaus wurde vereinzelt auch der Anscheinsbeweis in vermögensrechtlichen Verfahren zugelassen. Erforderlich hierfür ist ein Erfahrungssatz, der die volle Überzeugung des Gerichts von einem bestimmten Geschehensablauf auch dann zu begründen vermag, wenn nicht alle Einzelheiten des Sachverhaltsgeschehens ermittelt werden können. Besteht die ernstliche und nahe liegende Möglichkeit eines vom typischen Sachverhalt abweichenden Geschehens- oder Ursachenverlaufs, greift die durch den Anscheinsbeweis bewirkte Beweiserleichterung nicht. Von einem Anscheinsbeweis für einen Zwangsverkauf ging das BVerwG z.B. aus, wenn im Sommer 1938 Bürger jüdischer Herkunft in engem zeitlichem Zusammenhang mit ihrer Auswanderung aus Deutschland Grundstücke veräußerten. Dem Anscheinsbeweis liegt in diesem Falle die historische Erfahrungstatsache zugrunde, dass Veräußerungen ab dieser Zeit in der Regel nicht „freiwillig“ erfolgten, sondern dem zunehmenden staatlichen Verfolgungsdruck geschuldet waren, der eine – in materieller Hinsicht durch Verkäufe abzusichernde – Emigration immer dringlicher werden ließ.
Die Gerichte sind i.ü. nicht gehindert, Indizien zu berücksichtigen. So urteilte das BVerwG, dass die zu einer Entkräftung der gesetzlichen Vermutung der Verfolgungsbedingtheit eines Rechtsgeschäftes von Kollektiv-Verfolgten darzulegende freie Verfügbarkeit des Verkäufers über den (angemessenen) Kaufpreis zu beweisen sei; das bedeutet aber nicht, dass es dem Gericht verwehrt ist, aus bestimmten Indizien auf die Begleichung des Kaufpreises zu schliessen. Auch bei der Frage nach der Angemessenheit des Kaufpreises darf auf Indizien zurückgegriffen werden.
Indizien können sowohl im Einzelnen als auch in einer Gesamtschau zu der Überzeugungsbildung beitragen. So kann z.B. auch aus einzelnen vorhandenen Belegen auf die Durchführung der behaupteten Maßnahme geschlossen werden.
Reichweite und Handhabung des Prinzips
Die Ermittlung der Provenienz von Kunst- und Kulturgüter gestaltet sich oft als schwierige und komplexe Aufgabe, da Werke auf sehr verschiedene Weise ihren Besitzer bzw. Standort im Verlauf der Geschichte gewechselt habe können, ohne dass die jeweiligen Transaktionen durch entsprechende Dokumente belegt sind. Selbst solche Übertragungen, bei denen eine entsprechende Dokumentation zu erwarten wäre, sind nicht notwendigerweise überliefert.
Der Wortlaut der Regelung lässt offen, welche Konsequenzen daraus, dass Lücken und Unklarheiten in der Provenienzermittlung unvermeidlich sind, gezogen werden sollen. Der Weg, den der Gesetzgeber des deutschen Wiedergutmachungsrechts beschritten hat, zeichnet sich dadurch aus, dass an der allgemeinen Beweisregel, wonach die Unerweislichkeit von Tatsachen, aus denen eine Partei ihr günstige Rechtsfolgen herleitet, zu ihren Lasten geht, grundsätzlich festgehalten wird, andererseits aber dem Antragsteller Beweiserleichterungen insbesondere in Gestalt der gesetzlichen Vermutung der Verfolgungsbedingtheit bei Rechtsgeschäften von Kollektiv-Verfolgten zugute kommen sollen.
Mit der Nachholung der Wiedergutmachung für NS-Unrecht im Beitrittsgebiet im Zuge der Wiedervereinigung stellte sich die Frage, wie auf die Beweisnot der Antragsteller insbesondere mit Blick auf den seit dem Vermögensverlust verstrichenen Zeitraum angemessen reagiert werden kann. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts sind keine Besonderheiten erkennbar, wonach zu diesem Zeitpunkt (für das Beitrittsgebiet) eine abweichende Regelung hätte getroffen werden müssen:
Das seinerzeit verübte Unrecht ist dasselbe, gleichgültig in welchem Teil des Deutschen Reiches es geschehen ist, und auch die Interessenlage der jeweiligen Erwerber ist vergleichbar mit Ausnahme des Umstandes, dass die gebotene Wiedergutmachung im Herrschaftsbereich der sowjetischen Besatzungsmacht nicht stattgefunden hat und daher erst mit jahrzehntelanger Verzögerung gewährt werden kann. Dieser Zeitablauf allein gebietet jedoch keine Schaffung günstigerer Beweisregeln für die Erwerber oder ihrer Rechtsnachfolger im Beitrittsgebiet; denn die Beweisnot der seinerzeit Verfolgten oder deren Rechtsnachfolger, die Grund für die alliierte Vermutungsregel war, ist – generell gesehen – durch den Zeitablauf in derselben Weise gewachsen wie die der Erwerber.
In einer gegen die Republik Österreich gerichteten zivilgerichtlichen Auseinandersetzung um die Rückgabe eines Kunstwerkes vertrat der Oberste Gerichtshof im Jahre 2008 die Ansicht,
aus den Grundwertungen der österreichischen Rechtsordnung sei nicht zwingend abzuleiten, dass eine in einem früherem Rückstellungsgesetz normierte Vermutung zugunsten eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes, die nur durch den Nachweis, dass die Vermögensübertragung auch unabhängig von der Machtergreifung des Nationalsozialismus erfolgt wäre (§ 2 des Bundesgesetzes vom 6. Februar 1947 über die Nichtigkeit von Vermögensentziehungen – Drittes Rückstellungsgesetz ), widerlegt werden konnte, auch außerhalb von Verfahren nach dem 3. RStG Gültigkeit beanspruchen kann:
[…] Auch sind heute 60 Jahre verstrichen und die handelnden Personen meist verstorben, sodass ein Entlastungsbeweis praktisch nicht mehr möglich ist. Im Ergebnis würde die von den Klägern vertretene Ansicht dazu führen, dass über das KunstrückgabeG für die dort genannten Kunstgegenstände – und nur für diese – längst präkludierte Ansprüche nach dem 3. RStG geltend gemacht werden könnten, gleichzeitig aber der Republik Österreich de facto der Entlastungsbeweis vorenthalten bliebe.
Der seit dem Ende der NS-Herrschaft verstrichene Zeitraum führte die niederländische beratende Kommission – Adviescommissie Restitutieverzoeken Cultuurgoederen en Tweede Wereldoorlog – zu folgenden Ergebnis:
The Committee then asked itself how to deal with the circumstance that certain facts can no longer be traced, that certain data has been lost or has not been retrieved, or that evidence can no longer be otherwise compiled. On this issue the Committee believes that, if the problems that have arisen can be attributed at least in part to the lapse of time, the associated risk should be borne by the government, save cases where exceptional circumstances apply.
Aufgrund der seit 1945 verstrichene Zeitspanne erscheint es der niederländischen Kommission gerechtfertigt, grundsätzlich das Risiko der Unaufklärbarkeit des dem Vermögensverlust zugrunde liegenden Sachverhalts dem derzeitigen Besitzer, d.h. dem niederländischen Staat zuzuweisen.
IV. Ausblick
Die Bundesfinanzverwaltung hat sich das Ziel gesetzt, die Überprüfung des Bestandes hinsichtlich seiner Herkunft bis 2015 zum Abschluss zu bringen. Damit ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass auch zu einem späteren Zeitpunkt neue Erkenntnisse zu der Herkunft eines Objekts und dem Schicksal der Vorbesitzer, Anlass gibt, sich mit der Frage nach einer fairen und gerechten Lösung auseinander zu setzen.
Der Ablauf der in den alliierten und bundesdeutschen Regelungen zur Wiedergutmachung nationalsozialistischen (Vermögens-) Unrechts vorgesehenen Anmeldefristen einerseits und die rechtliche Unverbindlichkeit der Washingtoner Prinzipien andererseits haben u.a. in der juristischen Fachliteratur zu der Frage geführt, ob ggf. auch zivilrechtliche Ansprüche auf die Rückgabe verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter erhoben werden können. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte Anfang 2012 über die Frage zu entscheiden, ob eine in der NS-Zeit verfolgungsbedingt entzogene Plakatsammlung heute noch von den Erben des früheren Eigentümers gem. § 985 BGB herausverlangt werden kann. Der BGH hat der Herausgabeklage stattgegeben.
Weder die Washingtoner Prinzipien noch die Theresienstädter Erklärung haben sich umfassend und abschließend zu der Frage nach dem Umgang mit sog. erbenlosen Vermögen, d.h. des Nachlasses von Personen, deren Erben ausnahmslos umgekommen waren , geäußert. Im deutschen Wiedergutmachungsrecht wurde demgegenüber mit der Schaffung der Nachfolgeorganisationen sichergestellt, dass dieses (erbenlose) Verfolgtenvermögen nicht in der Hand des deutschen Fiskus verblieb; die einschlägigen Vorschriften des bürgerlichen Rechts über das Fiskalerbrecht wurden durch spezialgesetzliche Regelungen in den Rückerstattungsgesetzen ersetzt.