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12 Jah­re Pro­ve­ni­enz­re­cher­che

Eine Zwischenbilanz

12 Jahre Provenienzrecherche zu den bundeseigenen Kunstwerken aus früherem Reichsbesitz – Eine Zwischenbilanz

von Harald König

I. Ein­lei­tung

Nach­dem die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land an der „Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz über Ver­mö­gens­wer­te aus der Zeit des Ho­lo­caust“ im De­zem­ber 1998 teil­ge­nom­men und da­mit die auf die­ser in­ter­na­tio­na­len Kon­fe­renz for­mu­lier­ten Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en an­er­kannt hat­te, stell­te sich die Fra­ge nach der in­ner­staat­li­chen Um­set­zung die­ser Selbst­ver­pflich­tung. Die in den Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en ge­for­der­ten Maß­nah­men wur­den über­wie­gend durch den „Bun­des­be­auf­trag­ten für die An­ge­le­gen­hei­ten der Kul­tur und der Me­di­en“ ein­ge­lei­tet und ko­or­di­niert. Da­ne­ben bil­de­te der von der Bun­des­fi­nanz­ver­wal­tung aus frü­he­rem Reichs­be­sitz über­nom­me­ne Be­stand an Kul­tur­gü­tern ei­nen ei­ge­nen Auf­ga­ben­schwer­punkt, da hier der Bund un­mit­tel­bar der Ver­pflich­tung zur Pu­bli­ka­ti­on, Re­cher­che und Re­sti­tu­ti­on un­ter­lag. Die Ver­wal­tung die­ses Be­stan­des lag seit den 60er Jah­ren in den Hän­den der Bun­des­fi­nanz­ver­wal­tung, so dass in­so­weit das Bun­des­mi­nis­te­ri­um der Fi­nan­zen und die (zu­stän­di­ge) nach­ge­ord­ne­te Bun­des­be­hör­de tä­tig wur­den.

Im Mit­tel­punkt der sich aus den Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en er­ge­ben­den Auf­ga­ben­pa­let­te stand die Fra­ge, mit wel­chen Mit­teln ei­ne um­fas­sen­de Re­cher­che nach dem frü­he­ren Ei­gen­tü­mer der Kunst­wer­ke und den kon­kre­ten Um­stän­den der Über­füh­rung die­ser Wer­ke in das Reichs­ver­mö­gen ge­währ­leis­tet wer­den konn­te. An­hand der be­reits zu die­sem Zeit­punkt vor­lie­gen­den wis­sen­schaft­li­chen Pu­bli­ka­tio­nen, den über­lie­fer­ten Ak­ten­be­stän­den zu dem Samm­lungs­be­stand und den dar­in ge­won­ne­nen Er­kennt­nis­sen so­wie mit Hil­fe der be­reits vor­han­de­nen Er­fah­run­gen ge­lang es, ein trag­fä­hi­ges Ar­beits­pro­gramm zu er­stel­len.

Nach über 10 Jah­ren Pro­ve­ni­enz­re­cher­che zu den bun­des­ei­ge­nen Kunst­wer­ken aus frü­he­rem Reichs­be­sitz kann ei­ne Zwi­schen­bi­lanz ge­zo­gen wer­den, zu­mal nun­mehr der Ab­schluss der Re­cher­chen ab­seh­bar wird und die er­zie­len Re­sul­ta­te Be­leg da­für bie­ten, dass nicht nur das Wis­sen um die Her­kunft der Wer­ke er­wei­tert wur­de, son­dern in ei­nem nicht un­be­acht­li­chen Um­fang ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ne Kul­tur­gü­ter fest­ge­stellt und an die Er­ben der frü­he­ren Ei­gen­tü­mer zu­rück­ge­ge­ben wer­den konn­ten.

II. Grund­la­gen der Auf­ga­ben­stel­lung

II.I Die Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en

In der Zeit vom 30. No­vem­ber bis 3. De­zem­ber 1998 fand in Wa­shing­ton die Con­fe­rence on Ho­lo­caust-Era As­sets statt. Die dort er­ziel­te Über­ein­kunft über den Um­gang mit Kul­tur­gü­tern, wel­che in der Zeit des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ih­ren frü­he­ren Ei­gen­tü­mern ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­gen wur­den, fass­ten die über 40 Teil­neh­mer­staa­ten, wo­zu auch Deutsch­land zähl­te, in den sog. Wa­shing­ton Prin­cip­les zu­sam­men:

In de­ve­lo­ping a con­sen­sus on non-bin­ding prin­cip­les to as­sist in re­sol­ving is­su­es re­la­ting to Na­zi-con­fis­ca­ted art, the Con­fe­rence re­co­gni­zes that among par­ti­ci­pa­ting na­ti­ons the­re are dif­fe­ring le­gal sys­tems and that coun­tries act wi­thin the con­text of their own laws.

  1. Art that had be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted should be iden­ti­fied.
  2. Re­le­vant re­cords and ar­chi­ves should be open and ac­ces­si­ble to re­se­ar­chers, in ac­cor­dance with the gui­de­li­nes of the In­ter­na­tio­nal Coun­cil on Ar­chi­ves.
  3. Re­sources and per­son­nel should be ma­de availa­ble to fa­ci­li­ta­te the iden­ti­fi­ca­ti­on of all art that had be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted.
  4. In esta­blis­hing that a work of art had be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted, con­si­de­ra­ti­on should be gi­ven to un­a­voi­da­ble gaps or am­bi­gui­ties in the pro­ve­nance in light of the pas­sa­ge of ti­me and the cir­cum­stan­ces of the Ho­lo­caust era.
  5. Eve­ry ef­fort should be ma­de to pu­bli­ci­ze art that is found to ha­ve be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted in or­der to lo­ca­te its pre-War ow­ners or their heirs.
  6. Ef­forts should be ma­de to esta­blish a cen­tral re­gis­try of such in­for­ma­ti­on.
  7. Pre-War ow­ners and their heirs should be en­cou­ra­ged to co­me for­ward and ma­ke known their claims to art that was con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted.
  8. If the pre-War ow­ners of art that is found to ha­ve be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted, or their heirs, can be iden­ti­fied, steps should be ta­ken ex­pe­di­tious­ly to achie­ve a just and fair so­lu­ti­on, re­co­gni­zing this may va­ry ac­cor­ding to the facts and cir­cum­stan­ces sur­roun­ding a spe­ci­fic ca­se.
  9. If the pre-War ow­ners of art that is found to ha­ve be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis, or their heirs, can not be iden­ti­fied, steps should be ta­ken ex­pe­di­tious­ly to achie­ve a just and fair so­lu­ti­on.
  10. Com­mis­si­ons or other bo­dies esta­blis­hed to iden­tify art that was con­fis­ca­ted by the Na­zis and to as­sist in ad­dres­sing ow­ner­ship is­su­es should ha­ve a ba­lan­ced mem­ber­ship.
  11. Na­ti­ons are en­cou­ra­ged to de­ve­lop na­tio­nal pro­ces­ses to im­ple­ment the­se prin­cip­les, par­ti­cu­lar­ly as they re­la­te to al­ter­na­ti­ve dis­pu­te re­so­lu­ti­on me­cha­nisms for re­sol­ving ow­ner­ship is­su­es.

Die Ker­naus­sa­gen die­ser Er­klä­rung fass­te das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt in ei­ner Ent­schei­dung aus dem Jah­re 2011 – wie folgt zu­sam­men:

„Ihr An­lie­gen ist die Iden­ti­fi­zie­rung be­schlag­nahm­ter und nicht zu­rück­er­stat­te­ter Kunst­wer­ke. Zu die­sem Zweck sol­len der Pro­ve­ni­enz­re­cher­che ein­schlä­gi­ge Un­ter­la­gen und Ar­chi­ve zu­gäng­lich ge­macht wer­den, aus­rei­chend Mit­tel und Per­so­nal zur Ver­fü­gung ge­stellt wer­den und al­le An­stren­gun­gen un­ter­nom­men wer­den, um durch Ver­öf­fent­li­chun­gen so­wie Ein­rich­tung ei­nes zen­tra­len Re­gis­ters mit ent­spre­chen­den In­for­ma­tio­nen die Vor­kriegs­ei­gen­tü­mer oder ih­re Er­ben aus­fin­dig zu ma­chen (Nr. 1, 2, 3, 5 und 6). So­fern die Vor­kriegs­ei­gen­tü­mer oder ih­re Er­ben aus­fin­dig ge­macht wer­den kön­nen, sol­len rasch die nö­ti­gen Schrit­te un­ter­nom­men wer­den, um ei­ne ge­rech­te und fai­re Lö­sung zu fin­den, wo­bei die­se je nach den Ge­ge­ben­hei­ten und Um­stän­den des spe­zi­fi­schen Falls un­ter­schied­lich aus­fal­len kön­ne (Nr. 8). Da­bei an­er­kennt die Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz in der Ein­lei­tung aus­drück­lich, dass die Teil­neh­mer­staa­ten un­ter­schied­li­che Rechts­sys­te­me ha­ben und die Län­der im Rah­men ih­rer ei­ge­nen Rechts­vor­schrif­ten han­deln.“

Wie zu­vor schon das Ver­wal­tungs­ge­richt Ber­lin und das Ver­wal­tungs­ge­richt Dres­den stell­te auch das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt fest, dass es sich bei den Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en nicht um ei­nen völ­ker­recht­lich bin­den­den Ver­trag, son­dern le­dig­lich um ei­ne recht­lich un­ver­bind­li­che Ab­sichts­er­klä­rung han­delt, die folg­lich auch nicht nach Art. 59 Abs. 2 GG in re­vi­si­bles Bun­des­recht trans­for­miert wur­de. Die­se Ab­sichts­er­klä­rung in Ge­stalt ei­nes Pro­gramm­sat­zes kann so­mit auch kei­ne in­di­vi­du­el­len Rück­ga­be­an­sprü­che be­grün­den. Die Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en sol­len in ers­ter Li­nie den Teil­neh­mer­staa­ten als Maß­stab die­nen, Lö­sungs­we­ge für die Fra­ge der Re­sti­tu­ti­on ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ner Kunst- und Kul­tur­gü­ter in­ner­halb ih­rer ei­ge­nen Rechts­ord­nun­gen zu su­chen. In sei­nen Er­läu­te­run­gen der ein­zel­nen Prin­zi­pi­en äu­ßer­te der Ver­tre­ter der ame­ri­ka­ni­schen De­le­ga­ti­on auf der Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz wei­ter die Er­war­tung, dass mit der Ver­ab­schie­dung der Prin­zi­pi­en die Iden­ti­fi­zie­rung der von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ent­zo­ge­nen Kunst­wer­ke nun­mehr nicht dem Zu­fall über­las­sen sei, son­dern in­ter­na­tio­nal ko­or­di­nier­te An­stren­gun­gen un­ter­nom­men wür­den, die­se Ob­jek­te auf­zu­spü­ren. Für die Klä­rung der Ei­gen­tums­fra­gen ste­hen ver­bes­ser­te al­ter­na­ti­ve Streit­sch­lich­tungs­me­cha­nis­men zur Ver­fü­gung, die zeit- und kos­ten­in­ten­si­ve Recht­strei­tig­kei­ten ver­mei­den und schließ­lich die Kunst­welt und den (welt­wei­ten) Kul­tur­gü­ter­aus­tausch von ei­nem Ma­kel be­freit.

II.II Die The­re­si­en­städ­ter Er­klä­rung

Auf ei­ner wei­te­ren in­ter­na­tio­na­len Ho­lo­caust-Kon­fe­renz im Jah­re 2009 in Prag wur­de er­neut über die Rück­ga­be NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ner Kul­tur­gü­ter ver­han­delt und die er­ziel­ten Über­ein­künf­te zu Kul­tur­gü­tern im Rah­men der The­re­si­en­städ­ter Er­klä­rung ver­öf­fent­licht:

NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ne Kunst­ge­gen­stän­de

  • In der Er­kennt­nis, dass Kunst­ge­gen­stän­de und Kul­tur­gü­ter der Op­fer des Ho­lo­caust (der Schoah) und an­de­rer Op­fer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­fol­gung von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten, den Fa­schis­ten und ih­ren Kol­la­bo­ra­teu­ren auf viel­fäl­ti­ge Wei­se, wie Dieb­stahl, Nö­ti­gung und Ent­zug so­wie durch Preis­ga­be, Zwangs­ver­kauf und Ver­kauf in ei­ner Zwangs­la­ge wäh­rend der Zeit des Ho­lo­caust zwi­schen 1933 und 1945 und als sei­ne un­mit­tel­ba­re Fol­ge ent­zo­gen, be­schlag­nahmt und ge­raubt wur­den, und
  • ein­ge­denk der auf der Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz von 1998 ge­bil­lig­ten Grund­sät­ze in Be­zug auf Kunst­ge­gen­stän­de, die von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­schlag­nahmt wur­den, die sich aus ei­ner Rei­he von für Re­gie­run­gen frei­wil­lig ein­zu­ge­hen­den Ver­pflich­tun­gen zu­sam­men­set­zen, die auf dem mo­ra­li­schen Grund­satz be­ru­hen, dass Kunst­ge­gen­stän­de und Kul­tur­gü­ter, die den Op­fern des Ho­lo­caust (der Schoah) von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten ent­zo­gen wur­den, an die Op­fer selbst oder ih­re Er­ben in ei­ner Wei­se, die im Ein­klang mit den na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten und den in­ter­na­tio­na­len Ver­pflich­tun­gen steht, zu­rück­ge­ge­ben wer­den sol­len, um ge­rech­te und fai­re Lö­sun­gen zu er­zie­len,
  1. be­kräf­ti­gen wir un­se­re Un­ter­stüt­zung für die Grund­sät­ze der Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz in Be­zug auf Kunst­ge­gen­stän­de, die von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­schlag­nahmt wur­den, und er­mu­ti­gen al­le Be­tei­lig­ten - öf­fent­li­che und pri­va­te Ein­rich­tun­gen so­wie Pri­vat­per­so­nen ein­ge­schlos­sen – die­se eben­falls an­zu­wen­den.
  2. In der Er­kennt­nis, dass ei­ne Re­sti­tu­ti­on oh­ne Wis­sen um mög­li­cher­wei­se ent­zo­ge­ne Kunst­ge­gen­stän­de und Kul­tur­gü­ter nicht ge­leis­tet wer­den kann, be­to­nen wir im Be­son­de­ren, wie wich­tig es ist, dass al­le Han­deln­den im Ein­klang mit den na­tio­na­len Rechts­vor­schrif­ten so­wohl in öf­fent­li­chen als auch pri­va­ten Ar­chi­ven ei­ne in­ten­si­vier­te sys­te­ma­ti­sche Pro­ve­ni­enz­for­schung wei­ter­füh­ren und un­ter­stüt­zen, und dass sie re­le­van­te Er­geb­nis­se der Pro­ve­ni­enz­for­schung ein­schließ­lich lau­fen­der Ak­tua­li­sie­run­gen un­ter Be­ach­tung der Da­ten­schutz­be­stim­mun­gen im In­ter­net zu­gäng­lich ma­chen. Wo dies noch nicht ge­sche­hen ist, be­für­wor­ten wir au­ßer­dem die Ein­rich­tung von Me­cha­nis­men zur Un­ter­stüt­zung der Be­mü­hun­gen von An­spruch­stel­lern und
    an­de­ren Per­so­nen.
  3. In Wür­di­gung der Grund­sät­ze der Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz in Be­zug auf Kunst­ge­gen­stän­de, die von den Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­schlag­nahmt wur­den, und in An­be­tracht der seit der Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz er­wor­be­nen Er­fah­run­gen for­dern wir al­le Han­deln­den auf, si­cher­zu­stel­len, dass ih­re Rechts­ord­nun­gen oder al­ter­na­ti­ven Ver­fah­ren un­ter Be­rück­sich­ti­gung der ver­schie­de­nen Recht­stra­di­tio­nen ge­rech­te und fai­re Lö­sun­gen im Hin­blick auf NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ne Kunst­ge­gen­stän­de er­mög­li­chen, und da­für zu sor­gen, dass die An­sprü­che be­tref­fend die Rücker­lan­gung sol­cher Kunst­ge­gen­stän­de zü­gig und auf Grund­la­ge der tat­säch­li­chen und ma­te­ri­ell­recht­li­chen Ge­sichts­punk­te so­wie al­ler ein­schlä­gi­gen, von den Par­tei­en ein­ge­reich­ten Do­ku­men­te ge­klärt wer­den. Bei der An­wen­dung von Rechts­vor­schrif­ten, die ei­ner Re­sti­tu­ti­on von Kunst­ge­gen­stän­den und Kul­tur­gü­tern ent­ge­gen­ste­hen könn­ten, soll­ten die Staa­ten al­le we­sent­li­chen As­pek­te be­rück­sich­ti­gen, um ge­rech­te und fai­re Lö­sun­gen zu er­zie­len, und auch al­ter­na­ti­ve We­ge der Streit­bei­le­gung er­wä­gen, so­weit sie recht­lich vor­ge­se­hen sind.

Auch die The­re­si­en­städ­ter Er­klä­rung ent­fal­tet kei­ne recht­li­che Ver­bind­lich­keit.

II.III Na­tio­na­le Um­set­zung der Pro­gramm­sät­ze

Die Ein­rich­tung ei­ner Da­ten­bank bei der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le für Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg , die Ein­be­ru­fung ei­ner Be­ra­ten­den Kom­mis­si­on für die Rück­ga­be NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ner Kul­tur­gü­ter, ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz und die Ein­rich­tung der Ar­beits­stel­le für Pro­ve­ni­enz­for­schung , wel­che Mu­se­en, Bi­blio­the­ken, Ar­chi­ve und an­de­re öf­fent­lich un­ter­hal­te­ne Kul­tur­gut be­wah­ren­de Ein­rich­tun­gen in der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land bei der Iden­ti­fi­zie­rung von Kul­tur­gü­tern in ih­ren Samm­lun­gen und Be­stän­den un­ter­stützt, sind sicht­ba­re Zei­chen für die Um­set­zung der in den Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en ge­for­der­ten Maß­nah­men. Ih­ren Wil­len zur Um­set­zung der Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en hat­ten die Bun­des­re­gie­rung, die Län­der und die kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de im De­zem­ber 1999 be­reits in ei­ner Ge­mein­sa­men Er­klä­rung zum Aus­druck ge­bracht:

Ge­mein­sa­me Er­klä­rung

Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat nach dem Zwei­ten Welt­krieg un­ter den Vor­aus­set­zun­gen der al­li­ier­ten Rück­er­stat­tungs­re­ge­lun­gen, des Bun­des­rück­er­stat­tungs­ge­set­zes und des Bun­des­ent­schä­di­gungs­ge­set­zes be­grün­de­te An­sprü­che we­gen des ver­fol­gungs­be­ding­ten Ent­zugs von Kul­tur­gü­tern er­füllt so­wie die ent­spre­chen­den Ver­fah­ren und In­sti­tu­tio­nen zur Ver­fü­gung ge­stellt, da­mit die sons­ti­gen Rück­er­stat­tungs­ver­pflich­te­ten von den Be­rech­tig­ten in An­spruch ge­nom­men wer­den konn­ten. Die An­sprü­che stan­den in ers­ter Li­nie den un­mit­tel­bar Ge­schä­dig­ten und de­ren Rechts­nach­fol­gern oder im Fall er­ben­lo­ser oder nicht in An­spruch ge­nom­me­nen jü­di­schen Ver­mö­gens den in den West­zo­nen und in Ber­lin ein­ge­setz­ten Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen zu. Die ma­te­ri­el­le Wie­der­gut­ma­chung er­folg­te im Ein­zel­fall oder durch Glo­bal­ab­fin­dungs­ver­glei­che. Das Rück­er­stat­tungs­recht und das all­ge­mei­ne Zi­vil­recht der Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land re­geln da­mit ab­schlie­ßend und um­fas­send die Fra­ge der Re­sti­tu­ti­on und Ent­schä­di­gung von NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Kul­tur­gut, das ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz stammt. In der DDR war die Wie­der­gut­ma­chung von NS-Un­recht nach al­li­ier­tem Recht über ge­wis­se An­fän­ge nicht hin­aus­ge­kom­men. Im Zu­ge der deut­schen Ver­ei­ni­gung hat sich die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land zur An­wen­dung der Grund­sät­ze des Rück­er­stat­tungs- und Ent­schä­di­gungs­rechts ver­pflich­tet. NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nes Kul­tur­gut wur­de nach den Be­stim­mun­gen des Ver­mö­gens­ge­set­zes und des NS-Ver­folg­ten­ent­schä­di­gungs­ge­set­zes zu­rück­ge­ge­ben oder ent­schä­digt. Dank der glo­ba­len An­mel­dung sei­tens der Con­fe­rence on Je­wish Ma­te­ri­al Claims against Ger­ma­ny, Inc. (JCC) als der heu­ti­gen Ver­ei­ni­gung der Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen sind im Bei­tritts­ge­biet ge­le­ge­ne An­sprü­che im Hin­blick auf Kul­tur­gü­ter jü­di­scher Ge­schä­dig­ter gel­tend ge­macht wor­den. Wie frü­her in den al­ten Bun­des­län­dern wur­de auch hier so­weit wie mög­lich ei­ne ein­zel­fall­be­zo­ge­ne ma­te­ri­el­le Wie­der­gut­ma­chung und im üb­ri­gen ei­ne Wie­der­gut­ma­chung durch Glo­bal­ver­gleich an­ge­strebt.

I. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land hat – un­ge­ach­tet die­ser ma­te­ri­el­len Wie­der­gut­ma­chung – auf der Wa­shing­to­ner Kon­fe­renz über Ho­lo­caust-Ver­mö­gen am 3. De­zem­ber 1998 er­neut ih­re Be­reit­schaft er­klärt, auf der Ba­sis der ver­ab­schie­de­ten Grund­sät­ze und nach Maß­ga­be ih­rer recht­li­chen und tat­säch­li­chen Mög­lich­kei­ten nach wei­te­rem NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gut zu su­chen und ge­ge­be­nen­falls die not­wen­di­gen Schrit­te zu un­ter­neh­men, ei­ne ge­rech­te und fai­re Lö­sung zu fin­den. In die­sem Sin­ne wird der Stif­tungs­rats­be­schluss der Stif­tung Preu­ßi­scher Kul­tur­be­sitz vom 4. Ju­ni 1999 be­grüßt.

Die Bun­des­re­gie­rung, die Län­der und die kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de wer­den im Sin­ne der Wa­shing­to­ner Er­klä­rung in den ver­ant­wort­li­chen Gre­mi­en der Trä­ger ein­schlä­gi­ger öf­fent­li­cher Ein­rich­tun­gen dar­auf hin­wir­ken, dass Kul­tur­gü­ter, die als NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­gen iden­ti­fi­ziert und be­stimm­ten Ge­schä­dig­ten zu­ge­ord­net wer­den kön­nen, nach in­di­vi­du­el­ler Prü­fung den le­gi­ti­mier­ten frü­he­ren Ei­gen­tü­mern bzw. de­ren Er­ben zu­rück­ge­ge­ben wer­den. Die­se Prü­fung schließt den Ab­gleich mit be­reits er­folg­ten ma­te­ri­el­len Wie­der­gut­ma­chungs­leis­tun­gen ein. Ein der­ar­ti­ges Ver­fah­ren er­mög­licht es, die wah­ren Be­rech­tig­ten fest­zu­stel­len und da­bei Dop­pel­ent­schä­di­gun­gen (z. B. durch Rück­zah­lun­gen von ge­leis­te­ten Ent­schä­di­gun­gen) zu ver­mei­den.
Den je­wei­li­gen Ein­rich­tun­gen wird emp­foh­len, mit zwei­fels­frei le­gi­ti­mier­ten frü­he­ren Ei­gen­tü­mern bzw. de­ren Er­ben über Um­fang so­wie Art und Wei­se ei­ner Rück­ga­be oder an­der­wei­ti­ge ma­te­ri­el­le Wie­der­gut­ma­chung (z. B. ge­ge­be­nen­falls in Ver­bin­dung mit Dau­er­leih­ga­ben, fi­nan­zi­el­lem oder ma­te­ri­el­lem Wert­aus­gleich) zu ver­han­deln, so­weit die­se nicht be­reits an­der­wei­tig ge­re­gelt sind (z. B. durch Rück­er­stat­tungs­ver­gleich).

II. Die deut­schen öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen wie Mu­se­en, Ar­chi­ve und Bi­blio­the­ken ha­ben schon in der Ver­gan­gen­heit die Su­che nach NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Kul­tur­gut un­ter­stützt:

durch Er­schlie­ßung und Of­fen­le­gung ih­rer In­for­ma­tio­nen, For­schungs­stän­de und Un­ter­la­gen,
durch Nach­for­schun­gen bei kon­kre­ten An­fra­gen und ei­ge­ne Re­cher­chen im Fal­le von ak­tu­el­len Er­wer­bun­gen,
durch ei­ge­ne Su­che im Rah­men der Wahr­neh­mung der Auf­ga­ben der je­wei­li­gen Ein­rich­tung,
durch Hin­wei­se auf die Ge­schich­te von Kul­tur­gü­tern aus NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Be­sitz in den Samm­lun­gen, Aus­stel­lun­gen und Pu­bli­ka­tio­nen.

Die­se Be­mü­hun­gen sol­len – wo im­mer hin­rei­chend An­lass be­steht – fort­ge­führt wer­den.

III. Dar­über hin­aus prü­fen Bun­des­re­gie­rung, Län­der und kom­mu­na­le Spit­zen­ver­bän­de im Sin­ne der Wa­shing­to­ner Grund­sät­ze ein In­ter­net-An­ge­bot ein­zu­rich­ten, das fol­gen­de Be­rei­che um­fas­sen soll­te:

Mög­lich­kei­ten der be­tei­lig­ten Ein­rich­tun­gen, Kul­tur­gü­ter un­ge­klär­ter Her­kunft zu ver­öf­fent­li­chen, so­fern NS-ver­fol­gungs­be­ding­ter Ent­zug ver­mu­tet wird.
Ei­ne Such­lis­te, in die je­der Be­rech­tig­te die von ihm ge­such­ten Kul­tur­gü­ter ein­tra­gen und da­mit zur Nach­for­schung für die in Fra­ge kom­men­den Ein­rich­tun­gen und die in­ter­es­sier­te Öf­fent­lich­keit aus­schrei­ben kann.
In­for­ma­tio­nen über kriegs­be­ding­te Ver­brin­gung NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ner Kul­tur­gü­ter in das Aus­land.
Die Schaf­fung ei­nes vir­tu­el­len In­for­ma­ti­ons­fo­rums, in dem die be­tei­lig­ten öf­fent­li­chen Ein­rich­tun­gen und auch Drit­te ih­re Er­kennt­nis­se bei der Su­che nach NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gü­tern ein­ge­ben kön­nen, um Par­al­le­l­ar­bei­ten zu glei­chen The­men (z. B.: Bei wel­cher Auk­ti­on wur­den jü­di­sche Kul­tur­gü­ter wel­cher Samm­lung ver­stei­gert?) aus­zu­schlie­ßen und im We­ge der Voll­t­ext­re­cher­che schnell zu­gäng­lich zu ma­chen.

IV. Die­se Er­klä­rung be­zieht sich auf die öf­fent­lich un­ter­hal­te­nen Ar­chi­ve, Mu­se­en, Bi­blio­the­ken und de­ren In­ven­tar. Die öf­fent­li­chen Trä­ger die­ser Ein­rich­tun­gen wer­den auf­ge­for­dert, durch Be­schluss­fas­sung in ih­ren Gre­mi­en für die Um­set­zung die­ser Grund­sät­ze zu sor­gen. Pri­vat­recht­lich or­ga­ni­sier­te Ein­rich­tun­gen und Pri­vat­per­so­nen wer­den auf­ge­for­dert, sich den nie­der­ge­leg­ten Grund­sät­zen und Ver­fah­rens­wei­sen gleich­falls an­zu­schlie­ßen.

Auch die „Er­klä­rung der Bun­des­re­gie­rung, der Län­der und der kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de“ vom De­zem­ber 1999, die kei­ne Rechts­norm dar­stellt, ent­fal­tet kei­ne recht­li­che Bin­dung. U.a. in der von der Kul­tus­mi­nis­ter­kon­fe­renz im Fe­bru­ar 2001 ver­ab­schie­de­ten „Hand­rei­chung zur Um­set­zung der Er­klä­rung der Bun­des­re­gie­rung, der Län­der und der kom­mu­na­len Spit­zen­ver­bän­de zur Auf­fin­dung und zur Rück­ga­be NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nen Kul­tur­gu­tes, ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz vom De­zem­ber 1999“, wel­che im No­vem­ber 2007 über­ar­bei­tet wur­de , fin­den sich um­fang­rei­che Hil­fe­stel­lun­gen und Hin­wei­se zur Su­che nach und zum Um­gang mit NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­nem Kul­tur­gut. Fer­ner stellt die Ko­or­di­nie­rungs­stel­le für Kul­tur­gut­ver­lus­te auf ih­rer In­ter­netsei­te zahl­rei­che Hil­fe­stel­lun­gen und Er­kennt­nis­quel­len zur Ver­fü­gung.

III. Die Ar­beit der Bun­des­fi­nanz­ver­wal­tung

III.I Der aus frü­he­rem Reichs­be­sitz über­nom­me­ne Be­stand an Kul­tur­gü­tern

Un­ter dem 26. Ju­ni 1969 leg­te der da­ma­li­ge Bun­des­schatz­mi­nis­ter dem Deut­schen Bun­des­tag ei­nen Be­richt über die Ver­wen­dung von Kunst­ge­gen­stän­den aus ehe­ma­li­gem Reichs­be­sitz vor. Der Be­richt be­schäf­tigt sich vor­ran­gig mit der be­ab­sich­tig­ten Ver­wen­dung des über­nom­me­nen Kul­tur­gu­tes, gibt aber zu­gleich Aus­kunft über sei­ne Her­kunft:

Der Bun­des­schatz­mi­nis­ter hat­te am 01.01.1963 von der da­ma­li­gen „Treu­hand­ver­wal­tung für Kul­tur­gut“ in Mün­chen ca. 20.000 Kunst­ge­gen­stän­de über­nom­men. Es han­del­te sich hier­bei um Rest­be­stän­de des von die­ser Dienst­stel­le treu­hän­de­risch ver­wal­te­ten Kul­tur­guts, wel­ches 1945 von der ame­ri­ka­ni­schen Be­sat­zungs­macht in den ehe­ma­li­gen Cen­tral Col­lec­ting Points Mün­chen und Wies­ba­den zu­sam­men­ge­tra­gen wor­den war. Die­se Rest­be­stän­de wa­ren noch im Be­sitz der Treu­hand­ver­wal­tung ver­blie­ben, nach­dem in der Zeit vom 14. Au­gust 1945 bis 30. Ju­ni 1962 von al­li­ier­ten und deut­schen Stel­len im We­ge der in­ne­ren und äu­ße­ren Re­sti­tu­ti­on ins­ge­samt rd. 1 Mil­li­on Kunst­ge­gen­stän­de an in- und aus­län­di­sche Rück­er­stat­tungs­be­rech­tig­te her­aus­ge­ge­ben wor­den wa­ren. Der vom Bun­des­schatz­mi­nis­ter über­nom­me­ne Be­stand um­fass­te:

  • 2708 Ge­mäl­de und Fres­ken
  • 1398 Blatt Gra­phik
  • 161 Plas­ti­ken
  • 321 kunst­ge­werb­li­che Ge­gen­stän­de
  • 3 Glas­ge­mäl­de
  • 1 Mo­sa­ik
  • 1 Skiz­zen­buch
  • 2 Ma­nu­skrip­te
  • 51 Go­bel­ins
  • 49 Tep­pi­che
  • 206 Mö­bel­stücke
  • 73 Re­pro­duk­tio­nen
  • 100 Licht­dru­cke
  • 1 Gei­ge
  • 6000 Mün­zen
  • 9000 Bü­cher
  • 8 di­ver­se Ge­gen­stän­de

Wei­ter­ge­hen­de Hin­ter­grund­in­for­ma­tio­nen lie­fert ein Bei­trag im Bul­le­tin des Pres­se- und In­for­ma­ti­ons­am­tes der Bun­des­re­gie­rung vom 05. April 1968 :

Es ent­sprach dem Gel­tungs­be­dürf­nis des Drit­ten Rei­ches, wert­vol­le Kunst­schät­ze zu­sam­men­zu­tra­gen, um da­mit Mu­se­en von Welt­rang ein­zu­rich­ten. So war in Linz an der Do­nau ein großes Kul­tur­zen­trum ge­plant, in dem die Kunst der gan­zen Welt mit her­vor­ra­gen­den Wer­ken ver­tre­ten sein soll­te. Ein an­de­res be­deu­ten­des Mu­se­um soll­te in Ka­rin­hall in der Schorf­hei­de ent­ste­hen. Für die­se Mu­se­en wur­den ins­be­son­de­re in den Jah­ren 1939 bis 1944 auf dem deut­schen und in­ter­na­tio­na­len Kunst­markt so­wie in den wäh­rend des Zwei­ten Welt­kriegs be­set­zen West­ge­bie­ten und in Ita­li­en zahl­rei­che Kunst­ge­gen­stän­de je­der Art auf­ge­kauft. Auch be­schlag­nahm­tes Ver­mö­gen po­li­tisch oder ras­sisch ver­folg­ter Per­so­nen wur­de für die vor­ge­se­he­nen Zwe­cke her­an­ge­zo­gen. Schließ­lich wur­den auch noch in den jähr­li­chen Ver­kaufs­aus­stel­lun­gen im Haus der deut­schen Kunst in Mün­chen mit Reichs­mit­teln Ar­bei­ten zeit­ge­nös­si­scher Künst­ler er­wor­ben. Auf die­se Wei­se wa­ren bis zum Kriegs­en­de 1945 Kunst­wer­ke, Waf­fen, Bü­cher und Mün­zen im Wer­te von mehr als 100 Mil­lio­nen Reichs­mark zu­sam­men­ge­tra­gen wor­den, al­lein et­wa 4.500 Ge­mäl­de. Dar­un­ter be­fan­den sich vor al­len Din­gen deut­sche und ös­ter­rei­chi­sche Ge­mäl­de des 19. Jahr­hun­derts, vie­le be­deu­ten­de Wer­ke frü­he­rer Epo­chen, so z.B. 17 Ge­mäl­de von Rem­brandt und 20 von Ru­bens, da­ne­ben Wer­ke des nie­der­län­di­schen 17. Jahr­hun­derts, der ita­lie­ni­schen Schu­len des 15. und 16. Jahr­hun­derts (Bot­ti­cel­li, Ghir­land­a­jo, Raf­fa­el, Tin­to­ret­to, Ti­zi­an) so­wie Bil­der der fran­zö­si­schen Schu­len.

Wäh­rend des Krie­ges wur­den die­se Be­stän­de in deut­sche und ös­ter­rei­chi­sche De­pots aus­ge­la­gert. Un­mit­tel­bar nach der Ein­stel­lung der Kampf­hand­lun­gen tru­gen die Al­li­ier­ten das ge­sam­te Kunst­gut, des­sen sie hab­haft wer­den konn­ten, dar­un­ter auch die für die Mu­se­en in Linz und Ka­rin­hall be­stimm­ten Samm­lun­gen, in ver­schie­de­nen La­gern zu­sam­men, um es vor dem Zu­griff Un­be­fug­ter zu schüt­zen. Nach der Re­gis­trie­rung des Kunst­gu­tes be­gan­nen die Be­sat­zungs­mäch­te un­ver­züg­lich – zu­nächst noch oh­ne Be­tei­li­gung deut­scher Be­hör­den – mit der un­ter der Be­zeich­nung „in­ne­re und äu­ße­re Re­sti­tu­ti­on“ be­kannt­ge­wor­de­nen Rück­er­stat­tung von Kunst­wer­ken an die nach den Wie­der­gut­ma­chungs­ge­set­zen be­rech­tig­ten Per­so­nen. Sie lei­te­ten ins­be­son­de­re die Rück­ga­be der im Aus­land er­wor­be­nen Kunst­wer­ke an die frü­he­ren Ei­gen­tü­mer und die Über­ga­be des ein­ge­zo­ge­nen Ver­mö­gens von NS-Or­ga­ni­sa­tio­nen und de­ren Spit­zen­funk­tio­nären an die Län­der­re­gie­run­gen ein.

Nach­dem die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land ih­re staat­li­che Sou­ve­rä­ni­tät er­langt hat­te, über­ga­ben die ame­ri­ka­ni­schen und bri­ti­schen Be­sat­zungs­be­hör­den die ver­blie­be­nen Kunst­be­stän­de ei­ner deut­schen Treu­hand­ver­wal­tung. Die­se führ­te dann bis 1962 die Wie­der­gut­ma­chung nach den deut­schen und al­li­ier­ten Ge­set­zen durch. Bis zu die­sem Zeit­punkt wur­den ins­ge­samt über 1 Mil­li­on Kunst­ge­gen­stän­de zu­rück­ge­ge­ben. Da­von gin­gen al­lein et­wa 49.000 Kunst­wer­ke ins Aus­land.

[…]

Kunst­ge­gen­stän­de, die in der Zeit des Drit­ten Rei­ches zu Un­recht ent­zo­gen wor­den wa­ren, sind nach den be­sat­zungs­recht­li­chen und deut­schen Be­stim­mun­gen über die Wie­der­gut­ma­chung an die Be­rech­tig­ten zu­rück­ge­ge­ben wor­den. Der Kunst­be­sitz von Par­tei­füh­rern und Par­tei­or­ga­ni­sa­tio­nen ist nach den Be­stim­mun­gen der Kon­troll­rats-Di­rek­ti­ven Nr. 50 und 57 in das Ei­gen­tum der Län­der über­ge­gan­gen, in dem sie sich am 8. Mai 1945 be­fun­den hat­ten. Die Bun­des­re­pu­blik Deutsch­land über­nahm nur sol­che Kunst­ge­gen­stän­de von der Treu­hand­ver­wal­tung, die Ei­gen­tum des Deut­schen Rei­ches wa­ren und we­der der Rück­er­stat­tung noch der Ein­zie­hung als Par­tei­ver­mö­gen un­ter­le­gen ha­ben.

Ei­ne den Be­stand an Kunst­ge­gen­stän­den be­tref­fen­de Chro­no­lo­gie der Zu­stän­dig­kei­ten und Er­eig­nis­se hat­te sei­ner­zeit das Pres­se­re­fe­rat des Bun­des­schatz­mi­nis­ters – wie folgt – zu­sam­men­ge­stellt:

Nach dem 08.05.1945–30.11.1949Die Militärregierung trägt das in den Westzonen erreichbare Kunstgut in den Central Collecting Points Wiesbaden und München zusammen, sofern hinsichtlich dieser Gegenstände die Vermutung einer Restitutionspflicht besteht. Restitutionsansprüche werden geprüft und Auslieferungen vorgenommen.
01.02.1949Übergabe des Central Collecting Points München in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten.
28.06.1949Bildung eines Deutschen Restitutionsausschusses gem. Beschluß der Konferenz der Kultusminister vom 20.04.1949.
12.04.1950Note der Bundesregierung an die Hohen Kommissare mit der Bitte um Beteiligung des Deutschen Restitutionsausschusses an der Bearbeitung der Restitutionsansprüche durch die alliierten Behörden.
22.02.1952Beendigung der Tätigkeit des Deutschen Restitutionsausschusses. Übergabe der in München lagernden Bestände vom Bayerischen Ministerpräsidenten an die neu errichtete „Treuhandverwaltung für Kulturgut München“ (etatisiert beim Auswärtigen Amt).
07.03.1952Übernahme der Bestände des Central Collecting Points Wiesbaden durch die „Treuhandverwaltung von Kulturgut München“ (TVK).
22.02.1952–31.12.1962

Tätigkeit der TVK:

  1. Äußere Restitution aufgrund von Bescheiden des US Hohen Kommissars (bis 04.04.1955) und des Bundesamtes für äußere Restitution in Bad Homburg.
  2. Innere Restitution aufgrund von Entscheidungen der deutschen Wiedergutmachungsbehörden.
  3. Rückgabe von Kunstgut an ausländische Staaten aufgrund entsprechender Verträge.
  4. Freigaben an private Eigentümer aufgrund von Eigentumsnachweisen oder Entsperrung ihres Vermögens.
  5. Übergabe von Kunstgegenständen an das Land Bayern, die diesem als Vermögen von NS-Organisationen oder belasteten Personen (gem. Kontrollratsdirektiven 50 und 57) zufielen.
  6. Prüfung und Anerkennung der Eigentumsansprüche des Bundes auf alle in ehem. Reichsbesitz befindlichen Gegenstände gem. Art. 134 GG (Anerkennung der Ansprüche im Jahre 1960 und weitere Verwahrung für den Bund bis 31.12.1962).
  7. Prüfung der Ansprüche des Freistaates Bayern und des Bundes an den Gegenständen der „Sammlung Hermann Göring“. Da nicht eindeutig geklärt werden konnte, in welchem Umfange die Kunstwerke dieser Sammlung Privatvermögen Hermann Görings oder Reichsvermögen waren, schlossen die beiden möglichen Anspruchsberechtigten, Bayern und der Bund, am 06.12.1960 einen Vergleich, wonach beiden Vertragspartnern je eine Hälfte des Bestandes zufiel.
01.01.1963Nach Erledigung ihrer Aufgaben: Auflösung der TVK München und Übernahme der Verwaltung der aus ehem. Reichsbesitz stammenden Gegenstände durch den Bundesschatzminister.
14.12.1965Berufung einer beratenden Kommission von namhaften Kunstsachverständigen durch den Bundesschatzminister, insbesondere an der Aufgabe, die der endgültigen Auswahl der museumswürdigen Kunstgegenstände mitzuwirken.
20.10.–12.11.1965Ausstellung der Gemälde musealen Charakters im Schloß Schleißheim für Museumsdirektoren und Museumspfleger.
24.06.1966Übergabe an Museen.

Am Ran­de er­wähnt der Be­richt des Bun­des­schatz­mi­nis­ters vom 26. Ju­ni 1969 noch, dass 10 Ge­mäl­de nach dem 31. De­zem­ber 1962 (z.T. ge­gen Rück­ga­be der Re­sti­tu­ti­ons­ent­schä­di­gung) an be­rech­tig­te frü­he­re Ei­gen­tü­mer her­aus­ge­ge­ben wur­den. Die­ser Hin­weis er­scheint be­acht­lich, da die Über­ga­be des Be­stan­des an den Bun­des­schatz­mi­nis­ter im Jah­re 1963 u.a. da­durch ver­an­lasst war, dass auf dem bei der (bis zu die­sem Zeit­punkt zu­stän­di­gen) Treu­hand­ver­wal­tung von Kul­tur­gut Mün­chen la­gern­den Kunst­gut kei­ne An­sprü­che der äu­ße­ren und in­ne­ren Re­sti­tu­ti­on mehr vor­la­gen. Der Tä­tig­keits­be­richt der Treu­hand­ver­wal­tung für Kul­tur­gut Mün­chen aus dem Jah­re 1962 er­öff­net den Blick auf die nä­he­ren Um­stän­de, die die­se Rück­ga­ben ver­an­lass­ten. Dort fin­det sich der Hin­weis, dass in ei­ni­gen Fäl­len, in de­nen Be­rech­tig­te die An­mel­de­frist nach den al­li­ier­ten Rück­er­stat­tungs­re­ge­lun­gen ver­säumt hat­ten, das Bun­des­fi­nanz­mi­nis­te­ri­um zu be­fra­gen [sei], ob die Frei­ga­be den­noch er­fol­gen kann. Der­ar­ti­gen Er­su­chen wur­de of­fen­sicht­lich ent­spro­chen.

Über­dies be­kräf­ti­ge die Bun­des­re­gie­rung, ver­tre­ten durch das Aus­wär­ti­ge Amt, ge­gen­über dem Deut­schen Bun­des­tag im Jah­re 1997 im Rah­men der Be­ant­wor­tung ei­ner klei­nen An­fra­ge un­ter Be­ru­fung auf die ent­spre­chen­den Be­stim­mun­gen der Haa­ger Land­kriegs­ord­nung (Art. 46 Abs. 2 und Art. 56 HL­KO), dass auf­grund des Ver­sto­ßes des NS-Re­gimes ge­gen das völ­ker­recht­li­che Kul­tur­gut­schutz­ge­bot, in al­len Fäl­len heu­te noch in Deutsch­land be­find­li­cher, wäh­rend des Krie­ges un­recht­mä­ßig ver­brach­ter Kul­tur­gü­ter die Ver­pflich­tung zur Rück­ga­be an die recht­mä­ßi­gen Ei­gen­tü­mer au­ßer Fra­ge stün­de. Über den Voll­zug ei­ner sol­chen – für völ­ker­recht­lich ge­bo­ten er­ach­te­ten – Rück­ga­be wur­de u.a. im Jah­re 1994 be­rich­tet.

III.II Zu­stän­dig­keit und Per­so­nal

Nach der Ver­ab­schie­dung der Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en (1998) und der Ge­mein­sa­men Er­klä­rung (1999) wird der aus frü­he­rem Reich­be­sitz über­nom­me­ne Be­stand an Kul­tur­gü­tern hin­sicht­lich sei­ner Her­kunft (Pro­ve­ni­enz) seit Mai 2000 er­neut sys­te­ma­tisch un­ter­sucht. Die­se Auf­ga­be ob­lag zu­nächst ei­nem ei­gens hier­zu ein­ge­rich­te­ten Re­fe­rat bei der Ober­fi­nanz­di­rek­ti­on (OFD) Ber­lin und wur­de An­fang des Jah­res 2004 dem Bun­des­amt zur Re­ge­lung of­fe­ner Ver­mö­gens­fra­gen (BA­RoV) über­tra­gen. Seit dem 1. Ja­nu­ar 2006 wird die­se Auf­ga­be vom Bun­des­amt für zen­tra­le Diens­te und of­fe­ne Ver­mö­gens­fra­gen (BADV) wahr­ge­nom­men.

Die in den je­weils zu­stän­di­gen Be­hör­den tä­ti­ge Ar­beits­ein­heit setz­te sich aus ei­nem Ju­ris­ten, Sach­be­ar­bei­tern und Mit­ar­bei­tern zu­sam­men. In der Ein­ar­bei­tungs­pha­se wur­de ex­ter­ner Sach­ver­stand hin­zu­ge­zo­gen. Für die Dau­er von 2 Jah­ren wur­de ei­ne auf die­sem Ge­biet u.a. durch wis­sen­schaft­li­che Pu­bli­ka­tio­nen aus­ge­wie­se­ne Ex­per­tin be­schäf­tigt. Im Jah­re 2002 wur­de dann ei­ne Kunst­his­to­ri­ke­rin dau­er­haft ein­ge­stellt.

Seit dem Jah­re 2008 wur­den re­gel­mä­ßig ex­ter­ne Ex­per­ten im Rah­men von Werk­ver­trä­gen mit der Pro­ve­ni­enz­re­cher­che zu aus­ge­wähl­ten Wer­ken aus dem Be­stand be­auf­tragt. Auf die­se Wei­se wur­den ins­ge­samt 380 Ob­jek­te be­gut­ach­tet. Mit der Be­tei­li­gung ex­ter­ner Fach­leu­te soll­te nicht nur ei­ne Be­schleu­ni­gung der Re­cher­chen er­reicht wer­den; viel­mehr soll­te hier­durch auch si­cher­ge­stellt wer­den, dass ein mög­lichst breit ge­fä­cher­tes Er­fah­rungs­wis­sen in die Er­for­schung des Be­stan­des ein­ge­bracht wird und al­le in Be­tracht kom­men­den Er­kennt­nis­quel­len aus­ge­schöpft wer­den. Zu­gleich bot die­ses Pro­gramm die Mög­lich­keit, im Rah­men ei­ner ver­glei­chen­den Be­trach­tung die bis­lang durch die Be­hör­de ge­leis­te­te Ar­beit ei­ner kri­ti­schen Selbst­ein­schät­zung zu un­ter­zie­hen.

Die mit der Pro­ve­ni­enz­re­cher­che be­auf­trag­ten Mit­ar­bei­ter ha­ben sich ste­tig um ei­nen en­gen Kon­takt und Aus­tausch mit Mu­se­en und For­schungs­ein­rich­tun­gen be­müht. Na­tio­na­le und in­ter­na­tio­na­le Ta­gun­gen, Sym­po­si­en, Ar­beits­krei­se und Fort­bil­dungs­an­ge­bo­te wur­den ge­nutzt, um den Er­fah­rungs- und Er­kennt­nis­ho­ri­zont zu er­wei­tern. Gleich­zei­tig wur­den im Rah­men die­ser Ver­an­stal­tun­gen durch Prä­sen­ta­tio­nen und Vor­trä­gen auch die ei­ge­nen Ar­beits­fort­schrit­te vor­ge­stellt.

III.III Ein­zel­ne Auf­ga­ben­schrit­te

Zu den ers­ten Auf­ga­ben im Rah­men der Um­set­zung der Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en und der Ge­mein­sa­men Er­klä­rung stand die Ver­öf­fent­li­chung des aus frü­he­rem Reichs­be­sitz über­nom­me­nen Be­stan­des. Um mög­lichst rasch die ge­for­der­te Pu­bli­zi­tät her­zu­stel­len, wur­de der ge­sam­te Be­stand an Kul­tur­gü­tern – oh­ne ei­ne vor­an­ge­gan­ge­ne Prü­fung – in die bei der Ko­or­di­nie­rungs­stel­le für Kul­tur­gut­ver­lus­te in Mag­de­burg ein­ge­rich­te­te Da­ten­bank (www.lo­start.de) als Fund­mel­dung ein­ge­stellt.

An­hand der be­reits be­kann­ten In­for­ma­tio­nen über die Her­kunft der Wer­ke, wel­che sich im We­sent­li­chen auf die bei der Treu­hand­ver­wal­tung für Kul­tur­gut ge­won­ne­nen Er­kennt­nis­se stüt­zen, konn­te rasch ei­ne Lis­te der Ob­jek­te, wel­chen bei der Re­cher­che Prio­ri­tät ein­zuräu­men war, er­stellt wer­den. Hier­bei han­del­te es sich z.B. um Wer­ke, wel­che zwi­schen 1933 – 1945 über Kunst­händ­ler er­wor­ben wur­den, die be­kann­ter­ma­ßen maß­geb­lich an der Ver­wer­tung jü­di­schen Kunst­be­sit­zes be­tei­ligt wa­ren.

Er­kennt­nis­quel­len für wei­ter­füh­ren­de Re­cher­chen wa­ren u.a. Ver­fah­rens­ak­ten zu frü­he­ren Wie­der­gut­ma­chungs­ver­fah­ren, die kunst­his­to­ri­sche Li­te­ra­tur zu Künst­ler und Werk, Aus­stel­lungs­ka­ta­lo­ge, Auk­ti­ons­haus­ka­ta­lo­ge, Fachli­te­ra­tur zur Pro­ve­ni­enz­for­schung. Re­gel­mä­ßig wur­den die Rück­sei­ten der Wer­ke (Auf­kle­ber, Zoll­stem­pel, Be­schrif­tun­gen, etc.) un­ter­sucht.
Aus­schlag­ge­ben­de Kri­te­ri­en für den Fort­gang der Un­ter­su­chung wa­ren u.a. der be­reits vor­lie­gen­de Er­kennt­nis­stand zu ein­zel­nen Wer­ken oder Werk­grup­pen. An­de­rer­seits stand auch das Be­mü­hen um ei­ne mög­lichst um­fas­sen­de Aus­wer­tung zu­gäng­li­cher Quel­len, z.B. bei An­käu­fen im Aus­land im Vor­der­grund.

III.IV Do­ku­men­ta­ti­on der Er­geb­nis­se

Zum Zwe­cke der Do­ku­men­ta­ti­on wur­de auf der In­ter­net­prä­sen­ta­ti­on des Bun­des­am­tes für zen­tra­le Diens­te und of­fe­ne Ver­mö­gens­fra­gen (BADV) (http://www.badv.bund.de) ei­ne Da­ten­bank ein­ge­rich­tet, wel­che suk­zes­si­ve über die zu den ein­zel­nen Ob­jek­ten ge­won­ne­nen Er­kennt­nis­se zur Her­kunft (Pro­ve­ni­enz) der Wer­ke Aus­kunft gibt.

III.V Rück­ga­ben und Stand der Er­le­di­gung

Bis­lang konn­te die Re­cher­che zu ins­ge­samt 1686 Ob­jek­ten ab­ge­schlos­sen wer­den. Ei­ne lücken­lo­se Auf­klä­rung der Be­sitz- und Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se in der Zeit zwi­schen 1933 bis 1945 war in vie­len Fäl­len al­ler­dings nicht mög­lich. Bei ca. 130 Ob­jek­ten blieb die Pro­ve­ni­enz voll­kom­men un­ge­klärt. Ein NS-ver­fol­gungs­be­ding­ter Ver­mö­gens­ver­lust wur­de dem­ge­gen­über bei 51 Ob­jek­ten fest­ge­stellt. 41 Ob­jek­te konn­ten bis­lang an die Er­ben der frü­he­ren Ei­gen­tü­mer zu­rück­ge­ge­ben wer­den. Ins­ge­samt 12 an die Bun­des­fi­nanz­ver­wal­tung ge­rich­te­te Rück­ga­beer­su­chen wur­den ab­ge­lehnt; in 2 Fäl­len stimm­te das BADV der An­ru­fung der Be­ra­ten­den Kom­mis­si­on für die Rück­ga­be NS-ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ner Kul­tur­gü­ter, ins­be­son­de­re aus jü­di­schem Be­sitz zu. Den Emp­feh­lun­gen der Be­ra­ten­den Kom­mis­si­on wur­de in die­sen Fäl­len ent­spro­chen.

III.VI Streit­fra­gen

Die be­son­de­ren Schwie­rig­kei­ten bei der Auf­klä­rung und Do­ku­men­ta­ti­on der Be­sitz- und Ei­gen­tums­ver­hält­nis­se an Kunst­wer­ken in der Zeit zwi­schen 1933 bis 1945 so­wie der Um­stän­de ei­nes Ver­mö­gens­ver­lus­tes in die­sem Zeit­raum sind häu­fig der Aus­gangs­punkt für strei­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zun­gen über die Fra­ge der Rück­ga­be. Hier­bei kommt der un­ter IV. ge­trof­fe­nen Aus­sa­ge in den Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en be­son­de­re Be­deu­tung zu:

In esta­blis­hing that a work of art had be­en con­fis­ca­ted by the Na­zis and not sub­se­quent­ly re­sti­tu­ted, con­si­de­ra­ti­on should be gi­ven to un­a­voi­da­ble gaps or am­bi­gui­ties in the pro­ve­nance in light of the pas­sa­ge of ti­me and the cir­cum­stan­ces of the Ho­lo­caust era.

Bei dem Nach­weis, dass ein Kunst­werk durch die Na­tio­nal­so­zia­lis­ten be­schlag­nahmt und in der Fol­ge nicht zu­rück­er­stat­tet wur­de, soll­te be­rück­sich­tigt wer­den, dass auf­grund der ver­stri­che­nen Zeit und der be­son­de­ren Um­stän­de des Ho­lo­caust Lücken und Un­klar­hei­ten in der Fra­ge der Her­kunft un­ver­meid­lich sind.

Im Kern be­han­delt das 4. Prin­zip die Fra­ge, wie mit der oft un­zu­rei­chen­den Do­ku­men­ta­ti­on der Pro­ve­ni­enz von Kunst- und Kul­tur­gü­ter und der dar­aus re­sul­tie­ren­den Be­weis­not der Ver­folg­ten um­zu­ge­hen ist.

Zweck der Re­ge­lung

In der Stel­lung­nah­me der ame­ri­ka­ni­schen De­le­ga­ti­on wur­den fol­gen­de er­läu­tern­de Hin­wei­se ge­ge­ben:

The fourth prin­ci­ple deals with gaps and am­bi­gui­ties in the pro­ve­nance of works. The vast dis­pla­ce­ment of art, the de­struc­ti­on of ma­ny re­cords and the fur­ti­ve na­ture of the in­ter­na­tio­nal mar­ket du­ring the War mean the­re must be so­me lee­way in esta­blis­hing pro­ve­nance. Whe­re the­re is no bill of sa­le, a dia­ry ent­ry or an ins­uran­ce lis­ting might be ac­cep­ta­ble evi­dence of pre-War ow­ner­ship. If a work is not on a Na­zi con­fis­ca­ti­on list, it may be in the ar­chi­ves of the “mo­nu­ments men” or the se­cret in­ven­to­ries of the French Re­si­stan­ce or in other ar­chi­val col­lec­ti­ons. Con­ver­se­ly, the­re may be cir­cum­stan­ti­al evi­dence that works we­re not sto­len but sold at mar­ket, or re­sti­tu­ted to fa­mi­lies and sub­se­quent­ly sold. Pro­ve­nance work is not ea­sy. But I can say from ex­pe­ri­ence that neit­her was it ea­sy to trace the mo­ve­ment of Na­zi gold. So­me said it would be im­pos­si­ble. Yet in two years of hard work we we­re ab­le to do it, as was the Swiss Ber­gier Com­mis­si­on.

Lücken oder Un­klar­hei­ten in der Pro­ve­ni­enz­ge­schich­te ei­nes Wer­kes sol­len da­nach kein zwin­gen­des Hin­der­nis dar­stel­len; viel­mehr soll – vor dem Hin­ter­grund des Aus­ma­ßes, den der Kunst­raub der Na­zis er­lang­te, der Zer­stö­rung von Ak­ten­be­stän­den und nicht zu­letzt die feh­len­de Trans­pa­renz des in­ter­na­tio­na­len Kunst­mark­tes wäh­rend des Krie­ges – für die Fest­stel­lung der Pro­ve­ni­enz Spiel­raum er­öff­net wer­den. Der An­scheins- oder In­di­zi­en­be­weis soll auch bei der Fra­ge, ob ein Werk oh­ne Ver­fol­gungs­druck ver­äu­ßert wur­de oder be­reits an die Fa­mi­lie des frü­he­ren Ei­gen­tü­mers re­sti­tu­iert und dann durch die­se ver­kauft wur­de, aus­rei­chen.

Die Be­rück­sich­ti­gung der Be­weis­not der Ver­folg­ten im deut­schen Wie­der­gut­ma­chungs­recht

Die be­son­de­ren Schwie­rig­kei­ten, de­nen die Be­trof­fe­nen bei dem Nach­weis der in Zu­ge der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­fol­gungs­maß­nah­men er­lit­te­nen Ver­mö­gens­ver­lus­te aus­ge­setzt wa­ren und aus­ge­setzt sind, hat auch der Ge­setz­ge­ber des deut­schen Wie­der­gut­ma­chungs­rechts be­rück­sich­tigt. So ord­ne­te das für die ame­ri­ka­ni­sche Be­sat­zungs­zo­ne er­las­se­ne Rück­er­stat­tungs­ge­setz (am. REG) in Art. 41 Abs. 2 an:

Die Wie­der­gut­ma­chungs­be­hör­den ha­ben die La­ge, in die der Be­rech­tig­te durch Ver­fol­gungs­maß­nah­men […] ge­ra­ten ist, bei der Er­mitt­lung des Sach­ver­halts weit­ge­hend zu be­rück­sich­ti­gen.

Der Be­weis­not der Be­trof­fe­nen wur­de u.a. durch die Ver­pflich­tung zur Durch­füh­rung der er­for­der­li­chen Er­mitt­lun­gen von Amts we­gen und durch die Zu­las­sung von ei­des­statt­li­chen Ver­si­che­run­gen als Mit­tel der Glaub­haft­ma­chung be­geg­net. Die­se Re­ge­lung be­rech­tig­te die Rück­er­stat­tungs­be­hör­den und –ge­rich­te al­ler­dings nicht, sich mit Ver­mu­tun­gen zu be­gnü­gen. Un­ter Be­zug­nah­me auf die Recht­spre­chung zu den al­li­ier­ten Rück­er­stat­tungs­ge­set­zen meint das VG Ber­lin, der Be­weis­not der Ge­schä­dig­ten müs­se in der Wei­se Rech­nung ge­tra­gen wer­den, dass kei­ne zu ho­hen An­for­de­run­gen an die zu ge­win­nen­de Über­zeu­gung vom Vor­han­den­sein be­stimm­ter Tat­sa­chen ge­stellt wer­den dür­fen. Ei­ne von al­len Zwei­feln freie Über­zeu­gung setz­te das Ge­setz nicht vor­aus; viel­mehr darf und muss sich der Rich­ter in tat­säch­lich zwei­fel­haf­ten Fäl­len mit ei­nem für das prak­ti­sche Le­ben brauch­ba­ren Grad an Ge­wiss­heit be­gnü­gen, der den Zwei­feln Schwei­gen ge­bie­tet, oh­ne sie völ­lig aus­zu­schlie­ßen. Der in Wie­der­gut­ma­chungs­ma­te­ri­en ty­pi­scher­wei­se be­ste­hen­den Be­weis­not ist da­her nicht mit ei­ner Her­ab­set­zung des Be­weis­ma­ßes zu be­geg­nen. Ihr ist je­doch im Rah­men der Be­weis­wür­di­gung Rech­nung zu tra­gen; das Ge­richt darf kei­ne un­er­füll­ba­ren Be­wei­san­for­de­run­gen stel­len.

Für die rechts­ge­schäft­li­che Ver­äu­ße­rung oder Auf­ga­be ei­nes Ver­mö­gens­wer­tes sa­hen die Rück­er­stat­tungs­ge­set­ze und die Al­li­ier­te Rück­er­stat­tungs­an­ord­nung für Ber­lin (REAO) dar­über hin­aus vor, dass die Ur­säch­lich­keit der na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen Ver­fol­gung für den durch die ge­nann­ten Rechts­ge­schäf­te ein­ge­tre­te­nen Ver­mö­gens­ver­lust ver­mu­tet wur­de und nur durch im Ge­setz nä­her be­nann­te Nach­wei­se wi­der­legt wer­den konn­te. Die­se Be­stim­mung der REAO (Art. 3 Abs. 2 und 3) ist auch in den ver­mö­gens­recht­li­chen Ver­fah­ren zur Wie­der­gut­ma­chung des NS-Un­rechts in Bei­tritts­ge­biet an­zu­wen­den (§ 1 Abs. 6 VermG). In An­wen­dung die­ser Vor­schrif­ten wird al­ler­dings nur die Ver­fol­gungs­be­dingt­heit des Ver­mö­gens­ver­lus­tes Ver­folg­ter, nicht aber der Ver­mö­gens­ver­lust Ver­folg­ter ver­mu­tet. Die Ver­mu­tungs­re­gel er­streckt sich aus­schließ­lich auf die Fra­ge, ob der Ver­mö­gens­ver­lust als sol­cher ver­fol­gungs­be­dingt ein­trat, nicht aber auf die Fest­stel­lung des schä­di­gen­den Er­eig­nis­ses selbst. Die in der Rück­er­stat­tungs­an­ord­nung […] ge­re­gel­te Fik­ti­on setzt den Ein­tritt ei­nes tat­säch­li­chen Ei­gen­tums­ver­lus­tes bzw. Ver­mö­gens­ver­lus­tes vor­aus. Der Ver­weis in VermG § 1 Abs. 6 S. 2 auf die BKO 180/49 be­zieht sich auf die Fest­stel­lung der Kau­sa­li­tät zwi­schen Ver­fol­gung und Ver­mö­gens­ver­lust. Die Tat­sa­che des Ei­gen­tums­ver­lus­tes wird nicht fin­giert, die Ver­mu­tungs­re­ge­lung setzt den Ei­gen­tums­ver­lust vor­aus. Die Ver­mu­tungs­re­gel be­zieht sich (nur) auf kon­kre­te Ver­lu­stak­te, (rechts­ge­schäft­li­che Ver­äu­ße­rung oder Auf­ga­be des Ver­mö­gens­wer­tes) für de­ren Nach­weis wie­der­um die all­ge­mei­nen Be­weis­re­geln gel­ten, wo­nach die Un­er­weis­lich­keit von Tat­sa­chen, aus de­nen ei­ne Par­tei ihr güns­ti­ge Rechts­fol­gen her­lei­tet, zu ih­ren Las­ten geht.

Dem der­zei­ti­gen Ver­fü­gungs­be­rech­tig­ten ob­lie­gen Dar­le­gungs- und Be­weis­pflich­ten in den ver­mö­gens- bzw. rück­er­stat­tungs­recht­li­chen Ver­fah­ren im­mer dann, wenn der An­wen­dungs­be­reich der Ver­mu­tungs­re­gel des REAO er­öff­net ist, al­so das zum Ver­mö­gens­ver­lust füh­ren­de Rechts­ge­schäft nach­ge­wie­sen ist. In die­sem Fal­le kann die ge­setz­li­che Ver­mu­tung zu­guns­ten der Ver­fol­gungs­be­dingt­heit des Rechts­ge­schäfts nur wi­der­legt wer­den, wenn der Nach­weis er­bracht wer­den kann, dass der Ver­äu­ße­rer ei­nen an­ge­mes­se­nen Kauf­preis er­hal­ten hat und über ihn frei ver­fü­gen konn­te. Bei Ver­äu­ße­run­gen in der Zeit vom 15.09.1935 bis zum 08.05.1945 müss­te zu­sätz­lich nach­ge­wie­sen sein, dass das Rechts­ge­schäft sei­nem we­sent­li­chen In­halt nach auch oh­ne die Herr­schaft des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus ab­ge­schlos­sen wor­den wä­re oder dass der Er­wer­ber in be­son­de­rer Wei­se und mit we­sent­li­chem Er­folg den Schutz der Ver­mö­gens­in­ter­es­sen des Be­rech­tig­ten oder sei­nes Rechts­vor­gän­gers wahr­ge­nom­men hat, z.B. durch Mit­wir­kung bei ei­ner Ver­mö­gens­über­tra­gung ins Aus­land. Al­ler­dings kön­nen die Wi­der­le­gungs­re­ge­lun­gen des Art. 3 Abs. 2 und 3 REAO erst ge­prüft wer­den, wenn der kon­kre­te Ver­lu­stakt, für den die Ver­mu­tungs­re­gel ein­greift, fest­ge­stellt ist. Die Not­wen­dig­keit der ge­nau­en Be­stim­mung des Ver­lust­vor­gangs er­gibt sich aus den Wi­der­le­gungs­re­geln. Erst mit Kennt­nis der Hö­he des Kauf­prei­ses ist er­mit­tel­bar, ob die­ser an­ge­mes­sen war. Erst mit Kennt­nis der Zah­lungs­mo­da­li­tä­ten (z.B. Bar­zah­lung oder aber Über­wei­sung auf ein Sperr­kon­to) lässt sich klä­ren, ob über den Kauf­preis frei ver­fügt wer­den konn­te. Der kon­kre­ten Fest­stel­lung des Ver­kaufs­da­tums be­darf es u.a., um zu klä­ren in wel­cher Wei­se ggf. ei­ne Ent­kräf­tung der ge­setz­li­chen Ver­mu­tung in Be­tracht kom­men kann. Schließ­lich muss die Per­son des Er­wer­bers be­kannt sein, um der Fra­ge nach­zu­ge­hen, ob die­se sich ggf. er­folg­reich um den Schutz der Ver­mö­gens­in­ter­es­sen des Be­rech­tig­ten be­müht hat. Vor die­sem Hin­ter­grund ge­langt das Ver­wal­tungs­ge­richt Dres­den zu dem Schluss, dass ei­ne An­wen­dung der Ver­mu­tungs­re­gel in Fäl­len, in de­nen kei­ne ge­nau­en Tat­sa­chen be­kannt sind, re­gel­mä­ßig da­zu füh­ren müss­te, dass die ge­setz­lich vor­ge­se­he­ne Wi­der­le­gungs­mög­lich­keit der Ver­mu­tungs­re­gel man­gels be­kann­ter Tat­sa­chen nicht wahr­ge­nom­men wer­den könn­te. Dies wür­de zu ei­ner Un­gleich­be­hand­lung ge­gen­über den Fall­ge­stal­tun­gen, de­nen Rechts­ge­schäf­te, wie zum Bei­spiel Ver­äu­ße­run­gen, zu­grun­de lie­gen, füh­ren. Die Ver­mu­tungs­re­gel ist für klar de­fi­nier­te Fall­kon­stel­la­tio­nen vor­ge­se­hen, so dass sie im Um­kehrschluss in an­de­ren als den ge­re­gel­ten Fäl­len nicht zur An­wen­dung ge­langt.

In die­sem Zu­sam­men­hang wur­de auch die Fra­ge, ob ei­ne im Recht der Ent­schä­di­gung für Op­fer na­tio­nal­so­zia­lis­ti­scher Ver­fol­gung gel­ten­de Be­wei­ser­leich­te­rung im Zu­sam­men­hang mit der Fest­stel­lung des schä­di­gen­den Er­eig­nis­ses (in den ver­mö­gens­recht­li­chen Ver­fah­ren) her­an­ge­zo­gen wer­den kann, an die Ge­rich­te her­an­ge­tra­gen. Die maß­geb­li­che Be­stim­mung (§ 176 Abs. 2 S. 1 Bun­des­ent­schä­di­gungs­ge­setz) lau­tet:
Kann der Be­weis für ei­ne Tat­sa­che in­fol­ge der La­ge, in die der An­trag­stel­ler durch na­tio­nal­so­zia­lis­ti­sche Ge­walt­maß­nah­men ge­ra­ten ist, nicht voll­stän­dig er­bracht wer­den, so kön­nen die Ent­schä­di­gungs­or­ga­ne die­se Tat­sa­che un­ter Wür­di­gung al­ler Um­stän­de zu­guns­ten des An­trag­stel­lers für fest­ge­stellt er­ach­ten.

Nach die­ser Vor­schrift ge­nügt es, wenn der Be­weis­not­stand sei­ne Ur­sa­che über­wie­gend in der Ge­walt- und Ka­ta­stro­phen­po­li­tik des NS-Re­gimes fin­det. Das Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richt stell­te hier­zu fest: Im Rah­men des § 1 Abs. 6 VermG ist kein Raum für ei­ne ent­spre­chen­de An­wen­dung der in § 176 Abs. 2 des Bun­des­ent­schä­di­gungs­ge­set­zes ge­trof­fe­nen Re­ge­lung, wo­nach ei­ne Tat­sa­che zu­guns­ten des An­trag­stel­lers als fest­ge­stellt zu er­ach­ten ist, wenn der Be­weis für die­se Tat­sa­che nicht voll­stän­dig er­bracht wer­den kann. Dass die im Ent­schä­di­gungs­recht vor­ge­se­he­ne Be­wei­ser­leich­te­rung kei­ne An­wen­dung fin­den kann, be­ruht in ers­ter Li­nie auf der un­ter­schied­li­chen In­ter­es­sen­la­ge. In den Ent­schä­di­gungs­ver­fah­ren ging es dar­um, ei­nen ge­gen den Staat ge­rich­te­ten Ent­schä­di­gungs­an­spruch ein­fa­cher durch­setz­bar zu ma­chen; die An­wen­dung die­ser Vor­schrift im Ver­mö­gens­recht wür­de aber da­zu füh­ren, dass – gleich­sam als Kehr­sei­te – der der­zei­ti­ge Ver­fü­gungs­be­rech­tig­te zu­sätz­lich mit Dar­le­gungs- und Be­weis­pflich­ten be­las­tet wür­de. Die­se un­ter­schied­li­che In­ter­es­sen­la­ge er­laub­te es u.a., in den Ver­fah­ren zur Ent­schä­di­gung von Schä­den an Kör­per und Ge­sund­heit bei der Fra­ge nach dem Kau­sal­zu­sam­men­hang zwi­schen Ver­fol­gung und Scha­den die Wahr­schein­lich­keit aus­rei­chen zu las­sen. Wahr­schein­lich­keit be­deu­te­te hier­bei, dass mehr für als ge­gen den in Fra­ge ste­hen­den ur­säch­li­chen Zu­sam­men­hang spre­chen muß.

Über die ge­setz­lich ge­re­gel­ten Be­wei­ser­leich­te­run­gen hin­aus wur­de ver­ein­zelt auch der An­scheins­be­weis in ver­mö­gens­recht­li­chen Ver­fah­ren zu­ge­las­sen. Er­for­der­lich hier­für ist ein Er­fah­rungs­satz, der die vol­le Über­zeu­gung des Ge­richts von ei­nem be­stimm­ten Ge­sche­hensab­lauf auch dann zu be­grün­den ver­mag, wenn nicht al­le Ein­zel­hei­ten des Sach­ver­halts­ge­sche­hens er­mit­telt wer­den kön­nen. Be­steht die ernst­li­che und na­he lie­gen­de Mög­lich­keit ei­nes vom ty­pi­schen Sach­ver­halt ab­wei­chen­den Ge­sche­hens- oder Ur­sa­chen­ver­laufs, greift die durch den An­scheins­be­weis be­wirk­te Be­wei­ser­leich­te­rung nicht. Von ei­nem An­scheins­be­weis für ei­nen Zwangs­ver­kauf ging das BVer­wG z.B. aus, wenn im Som­mer 1938 Bür­ger jü­di­scher Her­kunft in en­gem zeit­li­chem Zu­sam­men­hang mit ih­rer Aus­wan­de­rung aus Deutsch­land Grund­stücke ver­äu­ßer­ten. Dem An­scheins­be­weis liegt in die­sem Fal­le die his­to­ri­sche Er­fah­rungs­tat­sa­che zu­grun­de, dass Ver­äu­ße­run­gen ab die­ser Zeit in der Re­gel nicht „frei­wil­lig“ er­folg­ten, son­dern dem zu­neh­men­den staat­li­chen Ver­fol­gungs­druck ge­schul­det wa­ren, der ei­ne – in ma­te­ri­el­ler Hin­sicht durch Ver­käu­fe ab­zu­si­chern­de – Emi­gra­ti­on im­mer dring­li­cher wer­den ließ.

Die Ge­rich­te sind i.ü. nicht ge­hin­dert, In­di­zi­en zu be­rück­sich­ti­gen. So ur­teil­te das BVer­wG, dass die zu ei­ner Ent­kräf­tung der ge­setz­li­chen Ver­mu­tung der Ver­fol­gungs­be­dingt­heit ei­nes Rechts­ge­schäf­tes von Kol­lek­tiv-Ver­folg­ten dar­zu­le­gen­de freie Ver­füg­bar­keit des Ver­käu­fers über den (an­ge­mes­se­nen) Kauf­preis zu be­wei­sen sei; das be­deu­tet aber nicht, dass es dem Ge­richt ver­wehrt ist, aus be­stimm­ten In­di­zi­en auf die Be­glei­chung des Kauf­prei­ses zu schlies­sen. Auch bei der Fra­ge nach der An­ge­mes­sen­heit des Kauf­prei­ses darf auf In­di­zi­en zu­rück­ge­grif­fen wer­den.
In­di­zi­en kön­nen so­wohl im Ein­zel­nen als auch in ei­ner Ge­samtschau zu der Über­zeu­gungs­bil­dung bei­tra­gen. So kann z.B. auch aus ein­zel­nen vor­han­de­nen Be­le­gen auf die Durch­füh­rung der be­haup­te­ten Maß­nah­me ge­schlos­sen wer­den.

Reich­wei­te und Hand­ha­bung des Prin­zips

Die Er­mitt­lung der Pro­ve­ni­enz von Kunst- und Kul­tur­gü­ter ge­stal­tet sich oft als schwie­ri­ge und kom­ple­xe Auf­ga­be, da Wer­ke auf sehr ver­schie­de­ne Wei­se ih­ren Be­sit­zer bzw. Stand­ort im Ver­lauf der Ge­schich­te ge­wech­selt ha­be kön­nen, oh­ne dass die je­wei­li­gen Trans­ak­tio­nen durch ent­spre­chen­de Do­ku­men­te be­legt sind. Selbst sol­che Über­tra­gun­gen, bei de­nen ei­ne ent­spre­chen­de Do­ku­men­ta­ti­on zu er­war­ten wä­re, sind nicht not­wen­di­ger­wei­se über­lie­fert.

Der Wort­laut der Re­ge­lung lässt of­fen, wel­che Kon­se­quen­zen dar­aus, dass Lücken und Un­klar­hei­ten in der Pro­ve­ni­en­zer­mitt­lung un­ver­meid­lich sind, ge­zo­gen wer­den sol­len. Der Weg, den der Ge­setz­ge­ber des deut­schen Wie­der­gut­ma­chungs­rechts be­schrit­ten hat, zeich­net sich da­durch aus, dass an der all­ge­mei­nen Be­weis­re­gel, wo­nach die Un­er­weis­lich­keit von Tat­sa­chen, aus de­nen ei­ne Par­tei ihr güns­ti­ge Rechts­fol­gen her­lei­tet, zu ih­ren Las­ten geht, grund­sätz­lich fest­ge­hal­ten wird, an­de­rer­seits aber dem An­trag­stel­ler Be­wei­ser­leich­te­run­gen ins­be­son­de­re in Ge­stalt der ge­setz­li­chen Ver­mu­tung der Ver­fol­gungs­be­dingt­heit bei Rechts­ge­schäf­ten von Kol­lek­tiv-Ver­folg­ten zu­gu­te kom­men sol­len.

Mit der Nach­ho­lung der Wie­der­gut­ma­chung für NS-Un­recht im Bei­tritts­ge­biet im Zu­ge der Wie­der­ver­ei­ni­gung stell­te sich die Fra­ge, wie auf die Be­weis­not der An­trag­stel­ler ins­be­son­de­re mit Blick auf den seit dem Ver­mö­gens­ver­lust ver­stri­che­nen Zeit­raum an­ge­mes­sen rea­giert wer­den kann. Nach An­sicht des Bun­des­ver­wal­tungs­ge­richts sind kei­ne Be­son­der­hei­ten er­kenn­bar, wo­nach zu die­sem Zeit­punkt (für das Bei­tritts­ge­biet) ei­ne ab­wei­chen­de Re­ge­lung hät­te ge­trof­fen wer­den müs­sen:
Das sei­ner­zeit ver­üb­te Un­recht ist das­sel­be, gleich­gül­tig in wel­chem Teil des Deut­schen Rei­ches es ge­sche­hen ist, und auch die In­ter­es­sen­la­ge der je­wei­li­gen Er­wer­ber ist ver­gleich­bar mit Aus­nah­me des Um­stan­des, dass die ge­bo­te­ne Wie­der­gut­ma­chung im Herr­schafts­be­reich der so­wje­ti­schen Be­sat­zungs­macht nicht statt­ge­fun­den hat und da­her erst mit jahr­zehn­te­lan­ger Ver­zö­ge­rung ge­währt wer­den kann. Die­ser Zeita­blauf al­lein ge­bie­tet je­doch kei­ne Schaf­fung güns­ti­ge­rer Be­weis­re­geln für die Er­wer­ber oder ih­rer Rechts­nach­fol­ger im Bei­tritts­ge­biet; denn die Be­weis­not der sei­ner­zeit Ver­folg­ten oder de­ren Rechts­nach­fol­ger, die Grund für die al­li­ier­te Ver­mu­tungs­re­gel war, ist – ge­ne­rell ge­se­hen – durch den Zeita­blauf in der­sel­ben Wei­se ge­wach­sen wie die der Er­wer­ber.

In ei­ner ge­gen die Re­pu­blik Ös­ter­reich ge­rich­te­ten zi­vil­ge­richt­li­chen Aus­ein­an­der­set­zung um die Rück­ga­be ei­nes Kunst­wer­kes ver­trat der Obers­te Ge­richts­hof im Jah­re 2008 die An­sicht,
aus den Grund­wer­tun­gen der ös­ter­rei­chi­schen Rechts­ord­nung sei nicht zwin­gend ab­zu­lei­ten, dass ei­ne in ei­nem frü­he­rem Rück­stel­lungs­ge­setz nor­mier­te Ver­mu­tung zu­guns­ten ei­nes ver­fol­gungs­be­ding­ten Ver­mö­gens­ver­lus­tes, die nur durch den Nach­weis, dass die Ver­mö­gens­über­tra­gung auch un­ab­hän­gig von der Machter­grei­fung des Na­tio­nal­so­zia­lis­mus er­folgt wä­re (§ 2 des Bun­des­ge­set­zes vom 6. Fe­bru­ar 1947 über die Nich­tig­keit von Ver­mö­gens­ent­zie­hun­gen – Drit­tes Rück­stel­lungs­ge­setz ), wi­der­legt wer­den konn­te, auch au­ßer­halb von Ver­fah­ren nach dem 3. RStG Gül­tig­keit be­an­spru­chen kann:

[…] Auch sind heu­te 60 Jah­re ver­stri­chen und die han­deln­den Per­so­nen meist ver­stor­ben, so­dass ein Ent­las­tungs­be­weis prak­tisch nicht mehr mög­lich ist. Im Er­geb­nis wür­de die von den Klä­gern ver­tre­te­ne An­sicht da­zu füh­ren, dass über das Kunst­rück­ga­beG für die dort ge­nann­ten Kunst­ge­gen­stän­de – und nur für die­se – längst prä­klu­dier­te An­sprü­che nach dem 3. RStG gel­tend ge­macht wer­den könn­ten, gleich­zei­tig aber der Re­pu­blik Ös­ter­reich de fac­to der Ent­las­tungs­be­weis vor­ent­hal­ten blie­be.

Der seit dem En­de der NS-Herr­schaft ver­stri­che­ne Zeit­raum führ­te die nie­der­län­di­sche be­ra­ten­de Kom­mis­si­on – Ad­vies­com­mis­sie Re­sti­tu­tie­ver­zoe­ken Cul­tu­ur­goe­de­ren en Twee­de We­rel­door­log – zu fol­gen­den Er­geb­nis:

The Com­mit­tee then as­ked itself how to deal with the cir­cum­stan­ce that cer­tain facts can no lon­ger be tra­ced, that cer­tain da­ta has be­en lost or has not be­en re­trie­ved, or that evi­dence can no lon­ger be other­wi­se com­pi­led. On this is­sue the Com­mit­tee be­lie­ves that, if the pro­blems that ha­ve ari­sen can be at­tri­bu­ted at least in part to the lap­se of ti­me, the as­so­cia­ted risk should be bor­ne by the go­ver­n­ment, sa­ve ca­ses whe­re ex­cep­tio­nal cir­cum­stan­ces ap­p­ly.

Auf­grund der seit 1945 ver­stri­che­ne Zeit­span­ne er­scheint es der nie­der­län­di­schen Kom­mis­si­on ge­recht­fer­tigt, grund­sätz­lich das Ri­si­ko der Un­auf­klär­bar­keit des dem Ver­mö­gens­ver­lust zu­grun­de lie­gen­den Sach­ver­halts dem der­zei­ti­gen Be­sit­zer, d.h. dem nie­der­län­di­schen Staat zu­zu­wei­sen.

IV. Aus­blick

Die Bun­des­fi­nanz­ver­wal­tung hat sich das Ziel ge­setzt, die Über­prü­fung des Be­stan­des hin­sicht­lich sei­ner Her­kunft bis 2015 zum Ab­schluss zu brin­gen. Da­mit ist al­ler­dings nicht aus­ge­schlos­sen, dass auch zu ei­nem spä­te­ren Zeit­punkt neue Er­kennt­nis­se zu der Her­kunft ei­nes Ob­jekts und dem Schick­sal der Vor­be­sit­zer, An­lass gibt, sich mit der Fra­ge nach ei­ner fai­ren und ge­rech­ten Lö­sung aus­ein­an­der zu set­zen.

Der Ab­lauf der in den al­li­ier­ten und bun­des­deut­schen Re­ge­lun­gen zur Wie­der­gut­ma­chung na­tio­nal­so­zia­lis­ti­schen (Ver­mö­gens-) Un­rechts vor­ge­se­he­nen An­mel­de­fris­ten ei­ner­seits und die recht­li­che Un­ver­bind­lich­keit der Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en an­de­rer­seits ha­ben u.a. in der ju­ris­ti­schen Fachli­te­ra­tur zu der Fra­ge ge­führt, ob ggf. auch zi­vil­recht­li­che An­sprü­che auf die Rück­ga­be ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ner Kul­tur­gü­ter er­ho­ben wer­den kön­nen. Der Bun­des­ge­richts­hof (BGH) hat­te An­fang 2012 über die Fra­ge zu ent­schei­den, ob ei­ne in der NS-Zeit ver­fol­gungs­be­dingt ent­zo­ge­ne Pla­kat­samm­lung heu­te noch von den Er­ben des frü­he­ren Ei­gen­tü­mers gem. § 985 BGB her­aus­ver­langt wer­den kann. Der BGH hat der Her­aus­ga­be­kla­ge statt­ge­ge­ben.

We­der die Wa­shing­to­ner Prin­zi­pi­en noch die The­re­si­en­städ­ter Er­klä­rung ha­ben sich um­fas­send und ab­schlie­ßend zu der Fra­ge nach dem Um­gang mit sog. er­ben­lo­sen Ver­mö­gen, d.h. des Nach­las­ses von Per­so­nen, de­ren Er­ben aus­nahms­los um­ge­kom­men wa­ren , ge­äu­ßert. Im deut­schen Wie­der­gut­ma­chungs­recht wur­de dem­ge­gen­über mit der Schaf­fung der Nach­fol­ge­or­ga­ni­sa­tio­nen si­cher­ge­stellt, dass die­ses (er­ben­lo­se) Ver­folg­ten­ver­mö­gen nicht in der Hand des deut­schen Fis­kus ver­blieb; die ein­schlä­gi­gen Vor­schrif­ten des bür­ger­li­chen Rechts über das Fis­kalerbrecht wur­den durch spe­zi­al­ge­setz­li­che Re­ge­lun­gen in den Rück­er­stat­tungs­ge­set­zen er­setzt.