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Bund restituiert Raubkunst

Datum 12.02.2020

Die Kunstverwaltung des Bundes gibt Kulturgut aus Bundesbesitz an die Rechtsnachfolger früherer Eigentümer zurück, denen es aus Gründen der NS-Verfolgung entzogen wurde

Im Kunstbesitz der Bundesrepublik Deutschland befinden sich Kulturgüter, die gem. Art 134 GG aus ehemaligem Reichsbesitz in Bundesvermögen übergegangen sind (sog. Restbestand des Central Collecting Points). Die Kunstverwaltung des Bundes (KVdB), die zum 1. Februar 2020 als Anstalt öffentlichen Rechts im Geschäftsbereich der Beauftragten für Kultur und Medien errichtet wurde, erforscht kontinuierlich proaktiv die Provenienz dieser Objekte. Sofern nach der Ermittlung der Provenienz ein NS-verfolgungsbedingter Verlust erkennbar ist, werden diese Kulturgüter im Rahmen einer fairen und gerechten Lösung an die legitimierten Rechtsnachfolger der NS-Verfolgten zurückgegeben. Grundlage hierfür ist die Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom 14.12.1999 (Gemeinsame Erklärung), in der Umsetzung der am 03.12.1998 verabschiedeten Prinzipien der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocausts.

Die KVdB hat aufgrund der von ihr ermittelten Provenienzen Ende 2019 erneut Kulturgüter an die jeweiligen Anspruchsberechtigten zurückgeben können und damit seit der Verabschiedung der gemeinsamen Erklärung insgesamt bereits 61 Werke aus dem Restbestand CCP restituiert.

Für das Gemälde des Malers Friedrich Kaiser mit dem Titel „Fourage im 66er Krieg“ oder auch „Szene aus dem deutsch-österreichischen Krieg“ aus der früheren Sammlung des Verlegers Rudolf Mosse konnte der Tatbestand einer ungerechtfertigten Entziehung im Sinne des Rückerstattungsrechts ermittelt werden. Erbin des Ehepaares Rudolf und Emilie Mosse war deren Adoptivtochter Felicia Lachmann-Mosse, die zusammen mit ihrem Ehemann Hans Lachmann-Mosse unmittelbar nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Juden extremen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt war. Bereits am 8. April 1933 wurden sie unter Androhung von Gewalt gezwungen, sowohl das gesamte Vermögen der Firma „Rudolf Mosse OHG“ als auch ihr privates Vermögen per Vertrag an die „Rudolf Mosse Stiftungs GmbH“ zu übertragen, die der unmittelbaren Kontrolle des Reichsarbeitsministeriums unterstand. Felicia Lachmann-Mosse hatte bereits mit der Gründung der „Rudolf Mosse Stiftungs GmbH“ die rechtliche, tatsächliche und wirtschaftliche Verfügungsbefugnis über ihr Privateigentum verloren. Das genannte Gemälde wurde im Juni 1934 öffentlich versteigert und gelangte später aus dem Kunsthandel in Reichsbesitz.

Auch die frühere Bibliothek von Dr. Ludwig Töpfer konnte aufgrund des ermittelten NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlustes an die berechtigten Erben restituiert werden. Der Wiener Rechtsanwalt Dr. Töpfer begann nach dem ersten Weltkrieg bibliophile Kostbarkeiten zu sammeln. In seiner Büchersammlung befanden sich diverse Erst- und Gesamtausgaben deutscher Literatur des 17. bis 19. Jahrhunderts, Weltliteratur in deutschen Erstausgaben und besonders schöne und wertvolle Almanache und Einzelbände. Seit 1938 wurde Dr. Töpfer und seine Familie vom NS-Regime als Juden verfolgt. Im Januar 1939 gelang es ihnen, bei der Flucht nach Paris, die Büchersammlung nach Frankreich auszuführen. Wegen fehlender Einkünfte im Ausland und der Notwendigkeit weiter zu emigrieren beschloss Dr. Töpfer seine Bibliothek über die Schweizer Niederlassung des in Wien ansässigen Kunstantiquariates Gilhofer & Ranschburg zu verkaufen. Dieses Vorhaben gelang ihm schließlich im April 1941. Nach Erhalt des Verkaufserlöses konnten die Eheleute Dr. Töpfer über Kuba in die USA auswandern und ihr Leben retten.

Die Ermittlung der Provenienz dreier Gemälde von Ferdinand Waldmüller in Bundesbesitz ergab ebenfalls, dass diese Gemälde von der früheren, vom NS-Regime als Jüdin verfolgten Eigentümerin Irma Löwenstein unter Zwang verkauft wurden. Irma Löwenstein war die Ehefrau des Gründers des Verlages „Neues Wiener Journal“ Oscar Löwenstein. Sie lebten in Wien und gehörten der jüdischen Religionsgemeinschaft an. Bevor sie im Jahre 1938 nach Großbritannien emigrierte, verkaufte Frau Löwenstein ihre drei Waldmüller-Gemälde an die Münchener Kunsthändlerin Frau Almas – Dietrich, die diese Gemälde unmittelbar an die Reichskanzlei veräußerte.

Die ausführlichen Provenienzergebnisse der KVdB sind in der Provenienzdatenbank des Bundes unter www.kunstverwaltung.bund.de veröffentlicht.