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Bund restituiert NS-Raubkunst an die Erbengemeinschaft nach Albert von Goldschmidt-Rothschild

Datum 12.11.2024

Nach NS-verfolgungsbedingtem Verkauf hatte der barocke Wandteppich zur Kunstsammlung Hermann Görings gehört. Nun wird er an die rechtmäßigen Erbinnen und Erben des Geschädigten restituiert.

Die Kunstverwaltung des Bundes hat einen barocken Wandteppich an die Erbengemeinschaft von Albert Freiherr von Goldschmidt-Rothschild (1879–1941) zurückgegeben. Der Wandteppich stammt aus einer Manufaktur im französischen Aubusson und zeigt das Ufer einer Seebucht mit Wasservögeln. Bis 1936 befand er sich in der Sammlung von Albert Freiherr von Goldschmidt-Rothschild (1879–1941) in Frankfurt am Main.

Kulturstaatsministerin Claudia Roth: „Die Aufarbeitung des NS-Kulturgutraubs fördert kontinuierlich neue Erkenntnisse über die systemischen Abgründe der NS-Terrorherrschaft zutage. Diese Erkenntnisse zu vermitteln, bleibt unsere gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Zugleich stehen wir gegenüber den Verfolgten des NS-Terrors in der Pflicht, Kulturgut, das als NS-verfolgungsbedingt entzogen identifiziert wurde, an die rechtmäßigen Erben zurückzugeben. Vor diesem Hintergrund bekennt sich Deutschland mit der Restitution des Wandteppichs von Albert Freiherr von Goldschmidt-Rothschild nachdrücklich zur Umsetzung der Washingtoner Prinzipien.“

Dr. Christoph Faden, Direktor der Kunstverwaltung des Bundes: „Albert von Goldschmidt-Rothschild hat diese Tapisserie unter massivem Verfolgungsdruck verkauft. Ich freue mich daher sehr, dass wir sie nun an seine Erbinnen und Erben zurückgeben können. Auch weiterhin werden wir mit aller Kraft daran arbeiten, das geschehene Unrecht aufzuarbeiten.“

Dr. Sabine Rudolph, Anwältin der Erbinnen und Erben Albert von Goldschmidt-Rothschilds: „Im Namen der Erben bedanke ich mich für die Restitution des Wandteppichs. Diese bedeutet ihnen auch deshalb so viel, weil damit das Unrecht, das ihr Großvater und Urgroßvater in der NS-Zeit erleiden musste, nicht nur anerkannt, sondern auch ein Stück weit wiedergutgemacht wird.“

Die Provenienzforschung durch die Kunstverwaltung des Bundes hat erwiesen, dass der Teppich seinem Eigentümer während der NS-Herrschaft verfolgungsbedingt entzogen wurde. Albert von Goldschmidt-Rothschild war ein Unternehmer und Kunstsammler, der zusammen mit seiner Ehefrau Marion von Goldschmidt-Rothschild (1902–1982) eine umfassende und renommierte Kunstsammlung aufgebaut hatte. Aufgrund seiner jüdischen Herkunft war er in der NS-Zeit etlichen antisemitischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt. Im Mai 1936 musste Albert von Goldschmidt-Rothschild den Wandteppich unter dem Druck der Verhältnisse in Frankfurt am Main versteigern lassen. 1939 emigrierte er über die Niederlande und Großbritannien in die Schweiz, wo er mit seiner Frau und den gemeinsamen Kindern lebte, ehe er 1941 in Lausanne verstarb.

Wohl spätestens ab 1939 war der Wandteppich Teil der Kunstsammlung Hermann Görings. Nach Kriegsende stellten ihn amerikanische Streitkräfte in Berchtesgaden sicher und überführten ihn in den Münchner Central Collecting Point (Inv.-Nr. 5457). Auf der Grundlage von Artikel 134 Grundgesetz ging das Objekt 1960 als ehemaliges Reichsvermögen in Bundesvermögen über.

Die ausführlichen Ergebnisse der Provenienzforschung zu dem Wandteppich sind in der Provenienzdatenbank des Bundes unter www.provenienzdatenbank.bund.de veröffentlicht.

Ufer einer Seebucht mit Wasservögeln
Ufer einer Seebucht mit Wasservögeln, Aubusson Manufaktur, Ende 17./Anfang 18. Jahrhundert Quelle: Kunstverwaltung des Bundes

 

 

Über die Kunstverwaltung des Bundes

Die Kunstverwaltung des Bundes ist eine Bundesbehörde im Geschäftsbereich der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Sie nimmt Aufgaben des Bundes auf den Gebieten der Kunstverwaltung und Provenienzforschung, der Kulturförderung sowie des Kulturgutschutzes wahr.

Sie erforscht proaktiv die Herkunft der Kulturgüter des Bundes insbesondere im Hinblick auf im Nationalsozialismus erfolgte unrechtmäßige Entziehungstatbestände. Ihre Forschungsergebnisse veröffentlicht sie in der Provenienzdatenbank des Bundes und restituiert ermittelte Raubkunst an die legitimierten Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger der früheren Eigentümerinnen und Eigentürmer.

 

Hintergrund

In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft wurden insbesondere Personen jüdischer Herkunft systematisch entrechtet und verfolgt. Viele der im Nationalsozialismus Verfolgten waren gezwungen, ihr Eigentum, darunter eine Vielzahl von Kulturgütern, aufzugeben oder zu verkaufen, um etwa durch den NS-Staat eingeführte diskriminierende Sonderabgaben begleichen oder ihre oftmals lebensrettende Emigration ins Ausland finanzieren zu können. Zudem erließ das NS-Regime Gesetze und Verordnungen, um das Vermögen vor allem jüdischer Eigentümerinnen und Eigentümer direkt enteignen zu können.

Die Kunstverwaltung des Bundes gibt Kulturgüter, bei denen ein NS-verfolgungsbedingter Entzug in der Zeit zwischen 1933 und 1945 identifiziert werden kann, an die verfolgte Person bzw. ihre Rechtsnachfolgerinnen und Rechtsnachfolger zurück. Grundlage für die Rückgabe bilden die „Grundsätze der Washingtoner Konferenz in Bezug auf Kunstwerke, die von den Nationalsozialisten beschlagnahmt wurden“ (Washingtoner Prinzipien) vom 3.12.1998 und die darauf aufbauende „Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz“ (Gemeinsame Erklärung) vom 9.12.1999.