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Lenbach, Franz Seraph von

Weibliches Bildnis mit Haube (Pasqualine Waldstein)

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Pastell auf Karton
Maße 64 x 51 cm
Münchener-Nr. 10046
Linz-Nr. 2433/1050
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Franz von Lenbach (1836-1904), zählte zusammen mit Franz von Stuck und Friedrich August von Kaulbach zu den Münchener Malerfürsten des 19. Jahrhunderts.1 Das vorliegende Pastell zeigt eine junge Frau mit weißer Haube, die ihren Kopf leicht nach links neigt. Bei der Dargestellten handelt es sich um Pasqualine Waldstein.

Provenienz

Chronologie der Provenienz
30.06. - 02.07.1942Alexander Fürst von Dietrichstein, Einlieferer für die 447. Auktion Dorotheum Wien, 30.6.-02.07.1942 über die Galerie St. Lucas, Wien 
Ab 30. 6. -02.07.1942 Deutsches Reich („Sonderauftrag Linz“), Ankauf in der Auktion beim Dorotheum, Wien
Ab 18.10.1945Amerikanische Militärregierung, Central Collecting Point München, Sicherstellung
Seit 1949Bundesrepublik Deutschland, Übernahme aus ehemaligem Reichsbesitz

Die Ermittlungen der Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt (TVK) ergaben, dass das Pastell „Weibliches Bildnis mit Haube (Pasqualine Waldstein)“ am 3. Juli 1942 von Alexander Dietrichstein über die Galerie St. Lucas, Wien zur Auktion in das Wiener Dorotheum gegeben wurde.2 Hier wurde es von der Münchener Galerie Almas ersteigert. Im August 1942 verkaufte es die Galeristin Maria Almas-Dietrich für RM 5.500 an die Sammlung „Sonderauftrag Linz“.

Die erneuten Recherchen ergaben folgendes:3 Mit der Nummer 303 wurde das Pastell betitelt „Bildniskopf einer jungen Frau (angeblich Pasqualine Waldstein, Tochter der Fürstin Pauline Metternich), Studie in farbiger Kreide auf Karton, bezeichnet: F. Lenbach, 63cm x 50cm“ mit einem Rufpreis von RM 500 auf der 477. Kunstauktion „Ölgemälde, Aquarelle“ vom 30. Juni bis zum 2. Juli 1942 im Wiener Dorotheum zum Kauf angeboten.4 Das Höchstgebot des Pastells lag bei RM 3.200. Eine Anfrage an das Dorotheum in Wien ergab, dass hier keine Unterlagen zum Käufer des Werkes im Juli 1942 überliefert sind.5

Die Kommission für Provenienzforschung in Wien teilte mit, dass das Pastell Franz von Lenbachs’ von den Mitarbeitern des Central Collecting Point in München nach 1945 in das Verzeichnis der in München identifizierten Kunstwerke aus österreichischem Besitz aufgenommen wurde.6

Zu dem auf der Property Card verzeichneten „Alexander Dietrichstein“ konnten den Meldeunterlagen im Wiener Stadt- und Landesarchiv weiterführende Hinweise entnommen werden.7 Demnach muss es sich bei der auf der Property Card verzeichneten Person um Alexander Fürst Dietrichstein handeln, der am 15. Juli 1899 in Weidlingau bei Wien geboren wurde und als Gutsbesitzer geführt wird. Am 12. Januar 1964 verstarb Alexander Fürst Dietrichstein in München.

Im Bestand des Bundesarchivs Berlin konnte ein weiterer Vermerk zu Alexander Dietrichstein ermittelt werden.8 Im Januar 1939 beantragte, der in Nikolsburg lebende Gutbesitzer Dietrichstein die Aufnahme in die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Gau Niederdonau, Ortsgruppe Nikolsburg Nord“.9 Aus dem von Dietrichstein in diesem Zusammenhang erstellten Fragebogen geht hervor, dass sein Vater Hugo Dietrichstein, geboren in Prag, ebenso wie er die deutsche Staatsangehörigkeit besaß. Seine Mutter, Olga Prinzessin Dolgoruky, wurde hingegen in St. Petersburg geboren und war nach Angabe des Sohnes Alexander im Fragebogen von 1939 „artverwandte Russin“. Verheiratet war Dietrichstein mit der 1903 in Buenos Aires geborenen Maria Mercedes Dose, die nach seinen Angaben „frei von jüdischem oder farbigem Rasseneinschlag“ war.

Der Antrag Dietrichsteins wurde schließlich im Juni 1941 vom Kreisgericht der NSDAP Nikolsburg abgelehnt.

Im Archiv des Bundesdenkmalamtes in Wien konnten keine Hinweise zu Gemälden Franz von Lenbachs entnommen werden.10 Es liegen keine Anhaltspunkte für rassistische Verfolgungsmaßnahmen gegen Alexander Fürst von Dietrichstein durch das nationalsozialistische Regime vor. Der Verkauf des Pastells „Weibliches Bildnis mit Haube (Pasqualine Waldstein)“ Franz von Lenbachs’ durch Dietrichstein aus rassischen oder politischen Gründen ist somit auszuschließen.11

Die weiterführenden Recherchen zur Wiener Galerie St. Lucas erbrachten keine konkreten Hinweise zu den Verkaufsbedingungen des Pastells Franz von Lenbachs’, da das noch heute in Wien ansässige Unternehmen nach eigenen Angaben keinerlei Geschäftsunterlagen aus den Jahren bis 1945 besitzt.12

Der kunsthistorischen Literatur zum Werk Franz von Lenbachs’ konnten keine weiterführenden Hinweise zur Provenienz des Pastells entnommen werden.13 Auch im Werkverzeichnis des Künstlers ist das betreffende Pastell nicht verzeichnet.14

Eine Anfrage zur Klärung der Provenienz an die den Nachlass Franz von Lenbachs’ verwaltenden Erben blieb bislang unbeantwortet.15 Der Rückseitenbefund des Kunstwerkes erbrachte keine neuen Erkenntnisse zur Provenienz.16

Die Recherchen zur Münchener Galerie Maria Almas-Dietrich verliefen ergebnislos, da keine Akten in Münchener Archiven überliefert sind.17 Dem 1991 erschienen „Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates“ konnte darüber hinaus entnommen werden, dass zudem keine Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München überliefert sind.18 Hier mussten während der NS-Zeit alle Kunsthändler ihr Gewerbe sowie ihre Ausstellungen und Auktionen anmelden. Da diese Akten fehlen, ist derzeit nicht rekonstruierbar, ob Maria Almas-Dietrich das Pastell Franz von Lenbachs’ persönlich auf der Auktion im Dorotheum im Juli 1942 erwarb, oder ob es hier durch eine andere Münchener Kunsthandlung erworben wurde.

Die Familie des Fürstens von Dietrichstein gehörte nachweislich nicht zu dem durch das nationalsozialistische Regime kollektivverfolgten Personenkreis. Sollte nachgewiesen werden, dass sich das Pastell zwischen 1933 und 1942 im Besitz des Fürstens von Dietrichstein befand, kann ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust ausgeschlossen werden. Zudem ist eine Rückgabe des Pastells weder von Fürst Dietrichstein noch von dessen Nachkommen oder der Republik Österreich beantragt worden.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt. Alle hier bekannten Quellen sind ausgeschöpft.

Stand: 2008

1 Vgl. Thieme/Becker 1999, Bd: 23, S. 43ff.
2 Vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 10046. Mit Schreiben vom 1.12.1950 an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, München bestätigte das Dorotheum, Wien, dass das Gemälde mit der Linz-Nummer 2433 aus dem Besitz des Alexander Dietrichstein von der Galerie St. Lucas in die 477. Kunstauktion des Dorotheums gegeben wurde. Vgl. Auskunft Dorotheum vom 1.12.1951, BArch, B 323/331. Dies bestätigte darüber hinaus die Galerie St. Lucas, Wien am 27.6.1951. Vgl. hierzu: BArch 323/331. Hier findet sich zudem ein Adresshinweis des Alexander Dietrichstein, Wien, I., Minoritenplatz, Palais Dietrichstein.
3 Die Recherchen wurden im Auftrag des BADV von Frau Dr. Vanessa Voigt, München, durchgeführt.
4 Auktionskatalog der 477. Kunstauktion: Ölgemälde, Aquarelle, Dorotheum Wien, 30. Juni – 2. Juli 1942, Nr. 303. Mitteilung des Dorotheum Wien vom 14.03.2008.
5 Mitteilung des Dorotheum Wien vom 14.03.2008.
6 Hier betitelt mit: „Portrait of a lady with cap probably Pasquiline Waldstein“, Pastell cardboard, 63:51 cm, Nr. 10046, 2433 Aussee. Vgl. Bundesdenkmalamt Wien, Restitutionsmaterialien, K. 12/1, M. 10. Mitteilung der Kommission für Provenienzforschung, Wien vom 10.03.2008.
7 Vgl. Wiener Meldezettelbestände, Wiener Stadt- und Landesarchiv, Wien. Weiterführende Nachweise zu Alexander Fürst Dietrichstein konnten weder im Historischen Lexikon für Wien, noch in der Biographischen Sammlung des Wiener Stadt- und Landesarchivs, Wien ermittelt werden. Mitteilung des Stadt- und Landesarchiv, Wien vom 19.07.2008.
8 BArch Berlin, Bestand: Parteikorrespondenz, Alexander Dietrichstein, geb. 15.7.1899, Lesefilm-Nr. B 311, Bild-Nr. 615.
9 Antrag von Alexander Dietrichstein zur Aufnahme in die „Nationalsozialistische Deutsche Arbeiterpartei, Gau Niederdonau, Ortsgruppe Nikolsburg Nord vom 15.01.1939, BArch Berlin, Bestand: Parteikorrespondenz, Alexander Dietrichstein, geb. 15.7.1899, Lesefilm-Nr. B 311, Bild-Nr. 615.
10 Hinweise zu dem Pastell „Weibliches Bildnis mit Haube (Pasqualine Waldstein)“ von Franz von Lenbach konnten auch in den hier überlieferten Ausfuhrakten von Kunstwerken nicht ermittelt werden. Mitteilung der Kommission für Provenienzforschung, Wien vom 07.05.2008.
11 Über das Antiquariat Gilhofer & Ranschburg GmbH Luzern hatte Dietrichstein im November 1933 bereits Teile seiner Bibliothek versteigern lassen. Vgl. Auktionskatalog Gilhofer & Ranschburg GmbH Luzern, Bibliothek Fürst Dietrichstein, Schloss Nikolsburg, 21.-22.11.1933.
12 Mitteilung der Galerie St. Lucas, Wien vom 23.07.2008. Vgl. hierzu auch: Gabriele Anderl / Alexandra Caruso (Hrsg.), NS-Kunstraub in Österreich und die Folgen, Innsbruck 2005, S. 128.
13 Isabel Fechter, Treffender als das Leben selbst: ein Ensemble von Portraitstudien Franz von Lenbachs, in: Weltkunst, 77., München 2007, S. 44-46; Franz von Lenbach: Sonnenbilder und Portraits, Ausst.-Kat. Bayerische Staatsgemäldesammlungen, hrsg. von Reinhold Baumstark, München 2004; Die ganze moderne Kunst über den Haufen werfen: Franz von Lenbach und die Kunst heute, Ausst.-Kat. Museum Morsbroich, Leverkusen 2003; Carola Muysers, Das bürgerliche Portrait im Wandel: Bildnisfunktionen und Auffassungen in der deutschen Moderne 1860-1900, Hildesheim 2001; Sonja von Baranow, Franz von Lenbach: Leben und Werk, Köln 1986; Winfried Ranke, Franz von Lenbach: der Münchner Malerfürst, Köln 1986; Franz von Lenbach: 1836-1904, Ausst.-Kat. Städtische Galerie im Lenbachhaus, hrsg. von Rosel Gollek und Winfried Ranke, München 1986; Franz von Lenbach: 1836-1986, Ausst.-Kat. Waaghaus Schrobenhausen, Schrobenhausen 1986; Sonja Mehl, Franz von Lenbach in der Städtischen Galerie im Lenbachhaus, München 1980; Horst Ludwig, Franz von Lenbach: Malerfürst des Deutschen Kaiserreichs, in: Weltkunst, 49., München 1979, S. 2096-2098; Siegfried Wichmann, Franz von Lenbach 1836-1904: die Gruppe als Gruppenfolge in der Bildnismalerei des Franz von Lenbach und seiner Zeitgenossen, Starnberg 1975; Siegfried Wichmann, Franz von Lenbach und seine Zeit, Köln 1973; Sonja Mehl, Franz von Lenbach (1836-1904): Leben und Werk, Hochschulschrift: München, Univ., Diss., 1972; Hermann Behr, Der Malerfürst: Franz von Lenbach und seine Zeit, München 1960; Franz Naager, Franz von Lenbach, in: Die Kunst, 75., 1937, S. 97-106; Hugo Kehrer, Franz von Lenbach: Hundert Jahre Wesen und Welt, München 1937; Franz von Lenbach, Ausst.-Kat. der IX. veranstalteten Internationalen Kunstausstellung zu München, München 1905; Franz Wolter, Franz von Lenbach, in: Die Kunst, 7., 1903, S. 1-10.
14 Sonja von Baranow, Franz von Lenbach. Leben und Werk, Köln 1986; Sonja Mehl, Franz von Lenbach (1836-1904). Leben und Werk, Hochschulschrift: München, Univ., Diss., 1972.
15 Anfrage der Autorin vom 13.05.2008 und vom 19.09.2008.
16 Auf dem rückseitigen Keilrahmen des Gemäldes finden sich folgende Inschriften: Oben links: „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“. Oben rechts in blauer Fettkreide die Münchener-Nummer 13185. Unten mittig in schwarzer Fettkreide die Nummer 633. Unten links ein Klebezettel mit der Linzer-Nummer 2813 in schwarzer Tusche. Links oben ein weiterer Klebezettel, der zerkratzt und unleserlich ist. Links mittig in blauer Fettkreide die Initialen „P.R.“. Mitteilung Stiftung Stadtmuseum Berlin vom 08.10.2008.
17 Folgende in Frage kommenden Münchener Archive besitzen keine Unterlagen zur Galerie Maria Almas-Dietrich: Staatsarchiv München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Wirtschaftsarchiv München. Lediglich das Stadtarchiv verfügt über eine Gewerbekarte der Galerie Almas. Mitteilung des Stadtarchivs München vom 8.05.2008.
18 Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates 1991, bearb. von Heinz Boberach, München, London, New York, Paris 1991.

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