Navigation und Service

Ritter von Max, Gabriel Cornelius

Clairvoyant-Veritas/Hellseherin [Hellseherin ("Clairvoyant" - Das zweite Gesicht)]

Entstehungsjahr um 1895
Technik Öl auf Leinwand
Maße 66,0 x 85,5 cm
Münchener-Nr. 10052
Linz-Nr. 2712
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Figuren- und Bildnismaler sowie Illustrator Gabriel Cornelius Ritter von Max (1840 in Prag–1915 in München) entstammte einer böhmischen Künstlerfamilie.[1] Er studierte zunächst in seiner Geburtsstadt Prag und ging 1859 als kaiserlicher Stipendiat nach Wien. Schon damals erregte er durch seine im Widerstreit mit der akademischen Tradition entstandenen Zeichnungen („Phantasiebilder aus Tonstücken“ aus dem Jahr 1863) für Aufsehen.

Entscheidenden Einfluss erhielt er durch die Ausbildung bei Karl Piloty in München in den Jahren von 1864 bis 1867. Insbesondere seine Illustrationen zu Goethes Faust, als auch zu Märchen und Volksliedern, gehören zu den eindrucksvollsten Arbeiten, welche die Illustration der Spätromantik hervorgebracht hat. Obwohl Max vom Publikum beachtet wurde, trat er öffentlich kaum hervor. Seine Vorliebe galt einem melancholisch-träumerischen Frauentypus, den er in psychologisch interessanten Situationen und ekstatisch-visionären Zuständen schilderte. Gabriel von Max, der dem Spiritismus nahestand, hat sich in mehreren Gemälden mit Übersinnlichem beschäftigt.[2] Im vorliegenden Gemälde hat der Künstler um 1895 eine Hellseherin gemalt.[3] Die Darstellung der Frau orientiert sich dabei an zeitgenössischen Trancezuständen bei spiritistischen Sitzungen. Gezeigt wird eine junge Frau, welche weit zurückgelehnt in einer Chaiselongue sitzt, in deren Hintergrund eine Vision vorbeizieht. Die Hände liegen gefaltet auf ihren Knien, das Gesicht ist dem Betrachter leicht zugewandt. Ihr Blick geht abwesend aus dem Bild hinaus.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: „10052“ (Mü-Nr.) und „2712“ (Linz-Nr.).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 24, Leipzig 1999, S. 288–289.

[2] Für das Folgende vgl. Karin Althaus, Gabriel von Max. Malerstar, Darwinist, Spiritist, München 2010, S. 210–217, hier: S. 213f.

[3] Ebd., S. 213 mit Abb. Nr. 197.

Provenienz

Zeittafel
02.11.1910Nachlassversteigerung des Königlich-Bayerischen Hofkunsthändlers Albert Riegner, München
(…) 
Bis 06.11.1942Sammlung Hedwig Steffens (1879–1942), Hamburg
Nach 06.11.1942–18.02.1943Antiquitätenhändlerin Paula Heuser, Hamburg
18.02.1943Galerie Almas-Dietrich, München
Februar 1943Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
18.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Erstmalig nachgewiesen werden konnte das Gemälde - bezeichnet mit „Clairvoyante“ - am 2. November 1910 in der Hofkunsthandlung Albert Riegner in München.[1] Dort wurden unter dem Geschäftsführer Adolf Alt die Gemälde-Kollektion des 1910 verstorbenen Königlichen Bayerischen Hofkunsthändlers Albert Riegner und eine Gemäldesammlung aus Münchner Privatbesitz verauktioniert. Es konnte nicht ermittelt werden, ob sich das Gemälde im Eigentum des verstorbenen Kunsthändlers befand oder ob es sich um Kommissionsware handelte. Der Käufer und der Verkaufspreis sind ebenfalls nicht bekannt.

Aus dem Nachlass der Hamburgerin Berta Friederike Hedwig Steffens, geb. Brauer (geb.1879 in Stettin–1942 in Hamburg) wurde das Gemälde zunächst an Paula Heuser (Hamburg) verkauft.[2] Die Kaufmannswitwe Hedwig Steffens war am 06. November 1942 verstorben.[3] Ihr bereits verstorbener Ehemann war der Kaufmann John Eduard Emil Steffens.

Laut Aussage der Hamburger Antiquitätenhändlerin Paula Heuser hatte die Verstorbene kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit dem Aufbau ihrer Sammlung begonnen.[4] Der als Testamentsvollstrecker für den Nachlass Steffens fungierende Herr Nehls habe drei von vier Gemälden aus dem Nachlass an den Hamburger Antiquar Dr. Ernst Hauswedell und sie selbst übergeben.[5] Da die Gemälde in ihrem Geschäft ausgestellt waren, erfolgte der Verkauf nach Aussage Paula Heusers über sie im März 1943. Diese Aussage ist nicht ganz schlüssig, denn in ihrem Schreiben an den CCP München im Jahre 1951 erwähnte sie neben März 1943, dass das hier interessierende Werk „durch Almas von P. Heuser Febr. 1943“ erworben worden sei. Klarheit gibt die Property Card des CCP München, derzufolge das Gemälde am 18. Februar 1943 von der Münchener Kunsthändlerin Almas-Dietrich von Paula Heuser erworben worden ist.[6] Almas-Diedrich veräußerte es noch im selben Monat  für RM 8.000 an den „Sonderauftrag Linz“. Dort wurde es mit der Linz-Nr. 2712 inventarisiert. Es ist daher zu vermuten, dass das Bildnis „Clairvoyant“ zwischen November 1942 und Februar 1943 in den Besitz von Paula Heuser übergegangen war.

Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[7] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[8]

Im Staatsarchiv Hamburg ließen sich keine Anhaltspunkte nachweisen, dass die Eheleute Steffens nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren.[9] Die Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Yad Vashem lieferte ebenfalls keine Ergebnisse zu Hedwig Steffens oder ihrem Ehemann John Eduard Emil Steffens.[10] Rückerstattungsverfahren von Hedwig Steffens konnten ebenfalls nicht ermittelt werden.

Die Arbeit „Clairvoyant – Das zweite Gesicht“ wurde im Jahr 1958 in der Ausstellung „München 1869–1958. Aufbruch zur modernen Kunst – Rekonstruktion der Ersten Internationalen Kunstausstellung 1869“ im Haus der Kunst in München neben zwei weiteren Gemälden des Künstlers gezeigt.[11] Als Eigentümer ist „München, Treuhandverwaltung für Kulturgut“ genannt. Eine Abbildung gibt es nicht. Als Maße sind 65,3 x 85 cm und als Technik Öl auf Leinwand angegeben. Im Katalog der ursprünglichen

Ausstellung von 1869, auf der sich der zuvor genannte Katalog bezieht, ist das Gemälde nicht verzeichnet. Grund hierfür ist, dass das Gemälde „Clairvoyant“ erst deutlich später entstanden ist.

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 18. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[12] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt. Alle hier bekannten Quellen sind ausgeschöpft.[13]

Bearbeitungsstand: 2018

[1] Für das Folgende vgl. Aukt.kat. Katalog der Gemälde-Kollektion des Kgl. Bayer. Hofkunsthändlers Albert Riegner nebst einer kleinen Gemälde-Sammlung aus Münchener Besitz, Versteigerung am Mittwoch, den 2. November 1910, München 1910, S. 18 u. Tafel 67 in: Heidelberger historische Bestände digital, http://digi.ub.uni-heidelberg.de/diglit/riegner1910_11_02/0050?sid=64e42597fad1b9ee2b385a5ff8752b23 [Abruf: 13.12.2017].

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü.-Nr. 10052.

[3] Für das Folgende vgl. Schreiben des Staatsarchivs Hamburg vom 05.07.2001.

[4] Für das Folgende vgl. Schreiben von Paula Heuser an den CCP München vom 29.01.1951.

[5] In Bundesbesitz befinden sich noch heute zwei Gemälde von dieser Liste (Mü-Nr. 8991 und Mü-Nr. 10052).

[6] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü.-Nr. 10052.

[7] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[8] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

[9] Für das Folgende vgl. Schreiben des Staatsarchivs Hamburg vom 05.07.2001.

[10] Vgl. Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer. URL: http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de [Abruf: 13.12.2017].

[11] Vgl. Ausst.kat. München 1869–1958. Aufbruch zur modernen Kunst – Rekonstruktion der Ersten Internationalen Kunstausstellung 1869, München 1958, Kat.Nr. 82a, S. 51.

[12] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü.-Nr. 10052.

[13] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 31.08.2018].

 

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular