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Stuck, Franz von

Die Schaukel (Die Wippe)

Entstehungsjahr 1889
Technik Öl auf Leinwand
Maße 59 x 75,5 cm
Münchener-Nr. 10076
Linz-Nr. 299
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Franz von Stuck fertigte das Gemälde „Die Schaukel“ 1898.1 Über der Gabelung eines Laubbaumes liegt ein gerader Ast und dient zwei Frauen als Wippe. Während die nackte Blonde mit angewinkelten Beinen unten hockt, um sich erneut abzustoßen, schwebt die rot gekleidete mit schwarzen wehenden Haaren gegen den hell bewölkten Himmel.2 Das Schaukeln an frei hängenden Seilen, bei dem der Liebhaber die Angebetete in luftige Schwingung versetzt, ist ein erotisches Bildmotiv des Rokoko, was beispielsweise von Fragonard verwendet wurde. Stucks Bild mit dem rhythmischen Auf und Ab ruft eine noch deutlichere erotische Anspielung hervor. Zu diesem Werk existiert eine Pastellstudie, die ein kleineres Format aufweist.3

Provenienz

Zeittafel
1897-mindestens 1929 Gekauft von Martin und Florence Flersheim, Frankfurt a.M., vom Künstler selbst durch Vermittlung von J.P. Schneider4  
 Aus deutschem Besitz von der Galerie Almas, München, erworben5  
Vor Juli 1938 Weiterverkauf an den „Sonderauftrag Linz“ 

Der Property Card ist zu entnehmen, dass das Werk 1909 auf der Internationalen Kunstausstellung in Venedig gezeigt wurde.6 In den „Sonderauftrag Linz“ gelangte das Gemälde zu einem unbekannten Zeitpunkt durch Vermittlung der Münchener Galerie Almas-Dietrich, die das Werk aus deutschem Besitz erworben hatte. Aufgrund der niedrigen Linzer Nummer muss die Erwerbung vor Juli 1938 stattgefunden haben.7

Die Recherchen ergaben, dass das Werk im Ausstellungskatalog in Venedig als Besitzer die Galerie Flersheim aus Frankfurt am Main nannte.8 Dabei handelte es sich um die Sammlung von modernen Kunstwerken von Martin und Florence Flersheim, die sie in ihrem Kunstsalon einem größeren Kreis von Interessierten zugänglich machten.9 Flersheim, der durch seine Position als Kaufmann und Mitinhaber einer Importfirma dazu finanziell in der Lage war, engagierte sich aktiv für das Frankfurter Kunstleben und förderte einzelne Künstler. In einem etwa um 1911 maschinenschriftlich erstellten Verzeichnis zum Bestand der Privatsammlung Flersheim, welches sich im Landgericht Frankfurt am Main befindet, konnte unter der Katalognummer 52 das Gemälde „Die Schaukel“ von Stuck nachgewiesen werden.10 Entsprechend der Eintragung hatte der Sammler das Werk 1897 durch J.P. Schneider direkt vom Künstler selbst gekauft.

Das Werk kann mehrfach in der kunsthistorischen Literatur und in Berliner und Münchener Ausstellungskatalogen belegt werden. Otto Julius Bierbaum druckte es erstmals 1899 in seinen „Künstlermonographien“ ab, jedoch ohne Besitzernachweis.11 1903 wurde es in der Zeitschrift „Kunst für alle“ abgebildet, auch ohne Besitzernachweis.12 Erstmals nannte Ostini die Galerie Flersheim als Besitzer des Gemäldes im Jahre 1909.13 Im selben Jahr wurde es auf der Internationalen Kunstausstellung in Venedig gezeigt.14 Erneut wurde es 1913 auf der Großen Berliner Kunstausstellung ausgestellt; auch hier ist Flersheim als Besitzer erwähnt.15 Bierbaum, der seine „Künstlermonographien“ mehrfach überarbeitete, nannte in der Ausgabe von 1924 ebenfalls Flersheim.16 Auf der Münchener Kunstausstellung im Glaspalast, die 1929 zu Ehren des verstorbenen Franz von Stuck abgehalten wurde, stellte Flersheim sein Gemälde „Die Schaukel“ ebenfalls aus.17 Ein Asterix hinter dem Werk bezeichnete es als zum Verkauf bestimmt. Ob der Sammler das Bild dort verkaufte, konnte nicht ermittelt werden.

Als Martin Flersheim 1935 verstarb, emigrierte Florence Flersheim aufgrund ihrer jüdischen Abstammung 1938 in die USA, deren Staatsangehörigkeit sie besaß. Vor ihrer Auswanderung musste sie eine unbekannte Anzahl von Kunstwerken aus der Sammlung in Frankfurt veräußern, die teilweise die Stadt Frankfurt erwarb.18 Den Restbestand an Bildern konnte sie in das neutrale Ausland, vorwiegend nach Holland, bringen. 1944 sind die dort in Liftvans gelagerten Kunstwerke vom ERR beschlagnahmt worden. In den Listen der beschlagnahmten Objekte ebenso wie in den Listen der Kunstwerke, die in Frankfurt verkauft wurden, ist das betreffende Gemälde nicht enthalten.19

Im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main, das Flersheim seinerzeit mäzenatisch unterstützt hatte, konnten keine Unterlagen zu dem betreffenden Gemälde gefunden werden.20

Zu welchem Zeitpunkt und aus wessen Besitz das Werk in die Galerie Maria Almas-Dietrich gelangte, konnte nicht ermittelt werden. Wie dem 1991 erschienenen „Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates“ zu entnehmen ist, gibt es keinerlei Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München.21 Hier mussten alle Kunsthändler während der NS-Zeit ihr Gewerbe anmelden. Da gerade diese Akten fehlen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachzuvollziehen, aus welchem Besitz die Galeristin das Werk erworben hatte, um es an den „Sonderauftrag Linz“ weiterzuverkaufen.

Die Villa Stuck, die das künstlerische Erbe von Franz von Stuck bewahrt und wissenschaftlich bearbeitet, besitzt ebenfalls keine Akten aus dem Nachlass des Künstlers.22

Im Jahre 1959 wurde dem Antrag der Erben auf eine Entschädigung der in Holland entzogenen Kunstgegenstände in Höhe von DM 250.000 in voller Höhe stattgegeben. Das fragliche Gemälde von Stuck ist auf diese Weise im Verfahren nach BRüG mit entschädigt worden.

Allerdings bleibt bislang ungeklärt, ob das hier interessierende Gemälde von Franz von Stuck erst im Zusammenhang mit einem NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlust in das Eigentum des Deutschen Reiches gelangte oder aber unabhängig davon veräußert wurde.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt. Alle hier bekannten Quellen sind ausgeschöpft.

Stand: 2010

1 Voss 1973, Kat.Nr. 185/118: Die Wippe.
2 Für das Folgende vgl. Villa Stuck 1997, S. 56-58.
3 Auk.Kat. Gemälde neuerer Meister aus deutschem und ausländischem Privatbesitz, Aquarelle, Zeichnungen, durch Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Berlin, am 13.5.1930, Kat. 2030, Nr. 185: Franz von Stuck, Die Schaukel.
4 Maschinenschriftliches Verzeichnis der Gemälde von Martin und Florence Flersheim, Kat.Nr. 52, undatiert, in: Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Frankfurt, Rückerstattungssache AZ Wik 5910.
5 Aussage Maria Almas-Dietrich am 9.3.1949. Vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 10076. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummern sind Aussee 5292 und K 277.
6 BADV Berlin, Property Card, mü 10076.
7 Zur Inventarisierung vgl. die Aussage von Reger am 21.7.1951, in: BArch, B 323/332, Reger.
8 Nr. 8: L’altalena, S. 58, in: Esposizione Internationale Venedig 1909.
9 Eintrag zu Flersheim, Martin, in: Frankfurter Biographie, 1. Bd. A-L 1994, S. 210. Zur Familiengeschichte von Martin Flersheim (1856-1935) vgl. auch Vloten 2001.
10 Sammlungsverzeichnis der Galerie Martin und Florence Flersheim, Nr. 52, undatiert, in: Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Frankfurt, Rückerstattungssache AZ Wik 5910.
11 Bierbaum 1899, Abb. 135, S. 127.
12 Kunst für alle, 19. Jg., Oktober 1903, Abb. S. 17.
13 Ostini 1909, Abb. S. 72.
14 Esposizione Internationale 1909, Nr. 8.
15 Große Berliner Kunstausstellung 1913, Kat.Nr. 1422.
16 Bierbaum 1924, S. 96, Abb. S. 105.
17 Kunstausstellung München 1929, Kat. 2672.
18 Für das Folgende vgl. die Erklärungen der Florence Flersheim in der Rückerstattungssache F. Flersheim gegen die Stadt Frankfurt a.M., am 16.12.1948. Vgl. die Abschrift des Vergleichs im: Institut für Stadtgeschichte Frankfurt a.M., Rückerstattungssache F. Flersheim.
19 Liste zur Abschätzung von Kunstgegenständen – Eigentum von Frau Fl. Flersheim, geb. Livingstone, Frankfurt a.M., Mendelsohnstr. 78, durch das Kunsthaus Hahn, Frankfurt a.M., am 6.7.1938. Vgl. die Abschrift in den Akten der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Frankfurt, Rückerstattungssache AZ Wik 5910.
20 Telefonische Auskunft des Städels am 7.8.2002.
21 Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates 1991.
22 Schreiben der Villa Stuck an die OFD Berlin, München, 8.9.2003.

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