Navigation und Service

Netscher, Caspar

Halbfigur einer Dame im Spitzenkleid

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Leinwand
Maße 82 x 66,5 cm
Münchener-Nr. 10754
Linz-Nr. 3033
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Caspar Netscher (1639–1684) war ein deutscher Porträt- und Genremaler.[1] Er ging bei Hendrick Coster (1638–1659) sowie dem berühmten holländischen Genremaler Gerard Terborch (1617–1681) in die Lehre. Später siedelte der Künstler nach Holland um, wo er die erhoffte Anerkennung für seine Bilder jedoch nicht fand. Netscher fasste daraufhin den Entschluss, Rom zu besuchen. Er reiste über Frankreich und kam nach Bordeaux, wo er 1659 heiratete und sich niederließ. Aufgrund der Protestantenverfolgung, kehrte er jedoch schon bald nach Holland zurück und ließ sich in Den Haag nieder. Hier widmete er sich zunächst der Genremalerei, verlegte sich jedoch bald aufs Porträtieren. In diesen Fächern eiferte er seinen ruhmvollen Vorgängern Terborch, Gabriel Metsu (1629–1667) und Franz van Mieris d. Ä. (1635–1681) nach. Im Genre entlehnte der Künstler seine Stoffe dem Landleben und verklärte es zu idealen Pastoralen. Auch einige mythologische und historische Bilder sind nachzuweisen, darunter Motive der Bathseba, Kleopatra und Nymphen. Werke des Künstlers befinden sich in den Museen in Braunschweig, München, Dresden sowie Berlin.

Das Gemälde zeigt eine nach halblinks gerichtete Dame, die ihren Kopf zum Betrachter wendet und diesen direkt anblickt. Sie trägt eine Perlenkette und ein tief ausgeschnittenes Kleid. Ihre Hände ruhen übereinandergelegt vor der Brust. Als Titel ist sowohl „Halbfigur einer Dame im Spitzenkleid“[2] sowie „Brustbild einer vornehmen Dame“[3] überliefert.

Das Werk ist weder signiert noch datiert.

Das Kunstwerk ist nicht im Werkverzeichnis von Wieseman (2002) enthalten.[4] Darüber hinaus wurde die einschlägige Literatur zum Künstler überprüft.[5] Auch in der Dokumentation zur alten niederländischen Kunst[6] sowie zum Künstler Caspar Netscher[7] im Rijksbureau voor Kunsthistorische Documentatie (RKD) in Den Haag konnte das Gemälde nicht ermittelt werden.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: „K 1917“ (Kremsmünster); in Blaustift „J 41“ (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Joseph Eduard Wessely, Netscher, Kaspar, in: Allgemeine Deutsche Biographie 23 (1886), S. 456–457 [Online-Version]. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd122988426.html#adbcontent [Abruf: 17.07.2019].

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10754.

[3] Vgl. Auk.kat. Verschiedener deutscher Kunstbesitz. Gemälde alter und neuerer Meister. Plastik, Möbel, Keramik, Hans W. Lange, Berlin gemeinsam mit dem Dorotheum, Wien, 05./06.10.1943, S. 6, Los 52, Abb. Tafel 7.

[4] Vgl. Majorie E. Wieseman, Caspar Netscher and the Late Seventeenth-century Dutch Painting, Doornspijk 2002.

[5] Ohne Treffer: Cornelis Hofstede de Grrot (Hg.), Gerard Ter Borch, Caspar Netscher, Gotfried Schalken, Pieter van Slingeland, Eglon Hendrik van der Neer, Esslingen 1912 (Das Gemälde konnte aufgrund fehlender Bildbeschreibungen und Maße nicht eindeutig identifiziert werden).

[6] Vgl. RKD, ONK/Gruppe 295, Nördliche Niederlande 17. Jahrhundert, Künstler geboren von 1575 bis 1674.

[7] Vgl. RKD, PDO, Niederländische Künstler, N.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 05./06.10.1943Unbekannt, Berlin
Ab 05./06.10.1943Galerie Almas, München, erworben auf Auktion beim Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, im  Dorotheum, Wien
13.10.1943Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
19.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde stand am 5./6. Oktober 1943 im Dorotheum in Wien zum Verkauf. Die Auktion wurde von dem Berliner Kunsthändler Hans Wolfgang Lange (1904–1945) organisiert. In einer Erklärung von Walther Bernt, einem langjährigen Mitarbeiter Langes, vom 18. Juli 1951 heißt es: „In den späteren Kriegsjahren, als die Bombengefahr sich verstaerkte, war laengere Aufbewahrung und Katalogisierung in Berlin nicht mehr moeglich und Herr Lange bekam wertvolleres Material zur Auktion nur gegen seine Zusicherung, diese in Wien, wo fuer die Kunstwerke und die Auktionsbesucher keine Gefahr bestand, zu versteigern.“[1] Im zugehörigen Auktionskatalog ist das Werk unter Losnummer 52 verzeichnet und abgebildet.[2] Der Schätzpreis betrug RM 15.000,-. Das Gemälde wurde von einem Einlieferer aus Berlin, sehr wahrscheinlich von einem Händler, zusammen mit 23 weiteren Bildern zur Auktion eingereicht. Unter diesen Werken waren auch drei Gemälde von Jan van Goyen (1596–1656) (Losnummern 23 bis 25), die nur kurz zuvor in Amsterdam bzw. Paris auktioniert worden waren.[3] Möglich wäre folglich, dass es sich bei den am 5./6. Oktober 1943 bei Hans W. Lange eingereichten Bildern nicht um eine geschlossene Sammlung, sondern um die Gemälde eines Kunsthändlers handelte. Möglicherweise war Lange selbst der Einlieferer.

Recherchen nach Archivunterlagen zur genannten Auktion verliefen negativ. Im Bestand der Reichskammer der bildenden Künste, Landesleitung Berlin, im Landesarchiv Berlin sind lediglich Dokumente zu Auktionen von Hans W. Lange aus dem Jahre 1937 erhalten.[4] Im Bundesdenkmalamt in Wien sind zur genannten Auktion im Dorotheum keinerlei Unterlagen vorhanden. In den Unterlagen der Treuhandverwaltung von Kulturgut, die auch Korrespondenz mit dem Dorotheum aus den 1950er Jahren enthalten, wird das Gemälde nicht genannt.

Überliefert ist, dass der Oberfinanzpräsident (OFP) Berlin-Brandenburg auf der Auktion am 5./6. Oktober 1943 die Sammlung des jüdischen Unternehmers Hugo Zwillenberg versteigerte, dessen Vermögen zuvor beschlagnahmt worden war.[5] Die Kunstgegenstände übergab der OFP Berlin-Brandenburg, neben solchen aus anderen Sammlungen, offenbar bereits im August 1943 an Hans W. Lange, der sie dann zur Auktion ins Dorotheum nach Wien schaffte.[6] Das Gemälde von Netscher ist in der Auflistung nicht enthalten. Es stammte demnach wahrscheinlich nicht aus einer vom OFP Berlin-Brandenburg beschlagnahmten jüdischen Sammlung.

Als Käuferin des Werkes trat die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich auf. Sie erwarb das Gemälde für RM 16.000,-.[7] Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[8] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[9]

Von Almas wurde das Gemälde am 13. Oktober 1943 für RM 18.400,- vom Deutschen Reich für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft und erhielt die Linz-Nr. 3033.[10]

Die Nummer K1917 auf der Property Card sowie auf der Bildrückseite weist auf die Lagerung des Werkes im Depot Kremsmünster hin.[11] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[12] Aus Sorge vor Luftangriffen wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[13]

Um das Werk vor weiteren Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 19. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[14] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard. Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[15]

Bearbeitungsstand: 2019

[1] Vgl. NARA, M1946. URL: www.fold3.com/image/270049521 [Abruf: 17.07.2019].

[2] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Hans W. Lange, Berlin, 05./06.10.1943, Los 52, Abb. Tafel 7.

[3] Die Lose 23 und 24 standen am 06.07.1943 in Amsterdam zum Verkauf. Los 25 wurde am 17.03.1943 in Paris im Rahmen einer Auktion angeboten. Vgl. Hans-Ulrich Beck, Jan van Goyen 1596–1656. Ein Œuvreverzeichnis, Amsterdam 1973, Kat. 422 (Lot 23), Kat. 952 (Lot 24), Kat. 1128 (Lot 25).

[4] Siehe LAB, A Rep. 243-04.

[5] Vgl.  Esther Tisa Francini, Anja Heuss, Georg Kreis, Fluchtgut, Raubgut. Der Transfer von Kulturgütern in und über die Schweiz 1933–1945 und die Frage der Restitution, Zürich 2001, S. 47. Zu Hugo Zwillenberg siehe: Katja Born, Arisierung im Nationalsozialismus am Fallbeispiel der Hermann Tietz Konzerne im Vergleich zur Enteignung bei Wertheim, München/Ravensburg 2007.

[6] Vgl. BArch Koblenz, B 323/132, Bl. 123.

[7] Vgl. Auktionsergebnisse, in: Weltkunst, Jg. 17, Nr. 39/44, 15.10.1943, S. 4.

[8] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[9] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[10] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10754.

[11] Vgl. ebd.

[12] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[13] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[14] Vgl ebd.

[15] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 17.07.2019].

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular