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Amerling, Friedrich von

Frauenbildnis

Entstehungsjahr 1865
Technik Öl auf Leinwand
Maße 79 x 64 cm
Münchener-Nr. 1417
Linz-Nr. 458
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der aus Wien stammende Friedrich Amerling (1803–1887), später Ritter von Amerling, war neben Ferdinand Waldmüller (1793–1865) einer der angesehensten Porträtisten Österreichs des 19. Jahrhunderts.[1] Von 1816-1823/4 besuchte er die Wiener Akademie. Im Anschluss ging er zunächst nach London, um bei Thomas Lawrence (1769–1830) zu studieren, dann nach Paris zu Horace Vernet (1789–1863). Zurück in Wien porträtierte Amerling besonders Personen aus dem Hochadel und dem Großbürgertum. Aufenthalte in Italien trugen zu seiner weiteren Ausbildung bei. Amerling schuf zahlreiche Werke, darunter allein an die 1000 Porträts.

Das Gemälde zeigt eine junge Frau mit blumengeschmücktem Haar. Ihr Blick ist vom Betrachter abgewandt nach links gerichtet. Über die rechte Schulter ist ein Seidenumhang gelegt, die linke Schulter ist entblößt und ihre linke Hand hält sie leicht erhoben.

Das Gemälde ist vermutlich von fremder Hand unten rechts bezeichnet „F Amerling, 1865".

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Probszt (1927) enthalten.[2]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: mehrfach in blauer Fettkreide „1417“ (Mü-Nr.); in Schwarz „K 333“ (Kremsmünster); vergilbtes Etikett „AUKTIONS-HAUS C. J. WAWRA / […] ALFRED WAWRA / [Wien I] DOROTHEERGASSE 14“, darauf handschriftlich „409 (F.) Amerling“ (Auktion 1913); weißes Etikett ehemaliger Leihnehmer (nach 1945).

 

[1] Für Folgendes vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 2, Leipzig 1999, S. 403f.

[2] Günther Probszt, Friedrich von Amerling. Der Altmeister der Wiener Porträtmalerei, Zürich/Leipzig/Wien 1927, lfd. Nr. 1305. 

Provenienz

Zeittafel
(…) 
17. –18.03.1913Kunsthandlung C. J. Wawra, Wien
(…) 
Spätesten ab 1927– mindestens April 1938

Paul (1881–1978) und Mary Cahn-Speyer (1893–1953), Wien

 

Sommer /Ende 1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
28.06.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2018Bundesvermögen
2018Restitution

Im März 1913 wurde das Frauenbildnis von der Wiener Kunsthandlung C. J. Wawra versteigert.[1]

Für 1927 ist Paul Cahn-Speyer (1881–1978) aus Wien als Eigentümer des Gemäldes belegt. [2] Der spätere Direktor der Felten und Guilleaume AG sammelte u.a. Flakons aus Meissner, Wiener und Chelsea-Porzellan.[3]

Mit der Besetzung Österreichs im März 1938 zählten Cahn-Speyer und seine Frau Mary (1893–1953), geb. Krassny-Krassien, zum Personenkreis der aus „rassischen“ Gründen Kollektivverfolgten. Entsprechend den gesetzlichen Vorschriften waren sie gezwungen, eine Vermögensanmeldung zum Stand von 27. April 1938 abzugeben.[4] In der Anlage zu dieser Vermögensanmeldung, die Frau Cahn-Speyer am 11. Juli 1938 unterzeichnet hatte, befindet sich eine Schätzliste der Einrichtungsgegenstände der Wohnräume ihres Hauses Heumarkt 27 in Wien.[5] Die Schätzliste wurde von dem beeidigten Experten und Schätzmeister für Antiquitäten und Kunstgegenstände der Kunstabteilung des Dorotheums, Eugen Primavesi (1888–1961), erstellt. Unter anderem ist dort ein dem Maler Friedrich von Amerling zugeschriebenes Gemälde unter der Bezeichnung „Damenbrustbild mit entblösster Schulter, Oel auf Leinwand, Goldrahmen“ angeführt, das mit RM 400,- bewertet wurde.

Zu Beginn des Jahres 1939 gelang der Familie unter Zurücklassung eines Großteils ihres Vermögens die Ausreise nach Großbritannien. Laut Wiener Melderegister sind die Eheleute am 23. Januar 1939 nach London abgemeldet worden.[6] Am 15. September 1941 erging eine Beschlagnahmeverfügung der Gestapo über das gesamte Vermögen der Familie Cahn-Speyer.[7]

Das Gemälde Amerlings befand sich schließlich im Bestand des „Sonderauftrag Linz“, wo es die Linz-Nr. 458 erhielt.[8] Die genauen Umstände, wie und zu welchem Zeitpunkt das Werk dorthin gelangte, konnten nicht ermittelt werden.[9] Entsprechend der Höhe der Linz-Nummer wurde es hier zwischen Sommer  bis Ende 1938 inventarisiert.

Die Nummer K 333 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin. Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrages Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[10] Aus Sorge vor Luftangriffen wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[11]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 28. Juni 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887-1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

 Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

 Bearbeitungsstand: 2020

[1] Ausst.kat. Gemälde moderner und alter Meister, C. J. Wawra, Wien, 228. Auktion, 17. –18.03.1913, S. 3, Kat. Nr. 4 („Frauenbildnis“), Abb.

[2] Vgl. Probszt 1927, lfd. Nr. 1305.

[3] Vgl. Eintrag in Lost Art, Modul Provenienzrecherche, URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Sammler/C/Cahn-Speyer,%20Paul.html [Abruf: 27.03.2020].

[4] Vgl. Anmeldung des Vermögens von Juden vom 26.04.1938 (Reichsgesetzblatt I S. 414).

[5] Für das Folgende vgl. Schätzungsaufnahme zur Vermögensbewertung für Frau Mary Cahn-Speyer, Wien III., Heumarkt 27, Wien, 11.07.1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. 

[6] Lt. Auskunft Wiener Stadt- und Landesarchiv.

[7] Vgl. Geheime Staatspolizei, Staatspolizeileitstelle Wien, Beschlagnahmeverfügung gegenüber Paul u. Marie Cahn-Speyer, Wien, 15.09.1941, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. 

[8] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1417.

[9] Auf der entsprechenden Property Card des CCP München ist vermerkt: „Vor dem Kriege erworben“ und „no information between 1913-1938“.

[10] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[11] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

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