Schleich der Ältere, Eduard
Landschaft in der Umgebung von München
Entstehungsjahr | 1860/70 |
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Technik | Öl auf Holz |
Maße | 32,5 cm x 55,1 cm |
Münchener-Nr. | 1540/1 |
Linz-Nr. | 1730 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Eduard Schleich d.Ä. (1812-1874), der bereits nach kurzer Studienzeit die Münchener Akademie verließ, suchte in der Folgezeit Anregungen für seine Landschaftsmotive beim Naturstudium im bayerischen Gebirge.1 Seine anfänglich in düsteren grau-grünen Tönen gehaltenen Landschaften wurden durch das Studium niederländischer Werke des 17. Jahrhunderts in der Farbpalette wärmer und goldtoniger. Bei einem gemeinsamen Aufenthalt mit Carl Spitzweg in Paris lernte Schleich die französische Landschaftsmalerei kennen, die ihn zu einem eigenen Stil führte. Er malte zwar nicht vor der Landschaft, sondern aus dem Gedächtnis, dennoch gilt Schleich aufgrund seiner genauen Beobachtung der Landschaft im Wechselspiel mit der Atmosphäre als ein Begründer der Landschaftsmalerei.
Das Gemälde „Landschaft in der Umgebung von München“, das Schleich 1860/70 malte, zeigt den Blick vom Isarhang auf den Fluss und die Kirche Maria Einsiedel.2 Am Horizont ist die Silhouette Münchens zu erkennen. Der Maler brachte in diesem Bild Himmel und Erde, Vegetation und Architektur in einen Naturzusammenhang. Die im Vordergrund vorherrschenden warmen Brauntöne werden durch die grauen – im typischen Impasto Schleichs ausgeführten – Wolken kontrastiert. In der Qualität bleibt diese Landschaft jedoch hinter anderen Werken des Künstlers zurück. Möglicherweise handelt es sich aufgrund der sehr skizzenhaft ausgeführten malerischen Behandlung um ein unvollendetes Gemälde.
Provenienz
Vor 1914 | Aus Sammlung Lippert, Berlin, an Galerie Haberstock, Berlin (Liste Haberstock, 10.4.1951)3 |
Nach Juli 1938 | Reichsbesitz und für den „Sonderauftrag Linz“ inventarisiert |
Die Recherchen der TVK München ergaben, dass der Galerist Karl Haberstock das Gemälde aus der Berliner Sammlung Lippert vor dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges gekauft hatte.4 Diese Angabe von Haberstock ebenso wie seine Aussage, er habe die Landschaft 1942 für RM 8.500 an die Reichskanzlei verkauft,5 konnten im Nachlass des Galeristen in den Städtischen Kunstsammlungen Augsburg nicht nachgewiesen werden. In den dort aufbewahrten Geschäftsbüchern wurde allerdings am 13. Dezember 1937 eine Landschaft von Eduard Schleich für RM 1.500 durch Haberstock von dem Geheimen Regierungsrat Heinrich Lippert aus Berlin angekauft und am 18. Dezember 1937 für RM 2.300 an die Reichskanzlei weiter verkauft.6 Ob es sich dabei um das hier betreffende Gemälde handelt, ist aufgrund fehlender weiterer Angaben nicht zu beantworten, zumal zahlreiche Landschaften des Künstlers in Reichsbesitz gelangten. Gegen diese Vermutung spricht auch, dass das 1937 verkaufte Gemälde mit der hier interessierenden Landschaft identisch ist, da sich auf der Rückseite keine Reichskanzlei-Nummer (RK) befindet.
Über den Verkäufer Heinrich Lippert konnte erfahren werden, dass dieser kein Verfolgter des NS-Regimes war. Er wandte sich 1940 an Paul Ortwin Rave, den Leiter der Nationalgalerie in Berlin, und bot diesem Kunstwerke aus seiner Sammlung zum Verkauf an.7 Zu diesem Zeitpunkt beinhaltete sein Besitz Werke von Schleich, Karl Blechen, Ludwig von Hoffmann, Stanislaus Graf Kalckreuth, Max Klinger, Walter Leistikow, Hans Thoma und anderen. Den Grund seines Verkaufswillens begründete Lippert mit der beabsichtigten Aufgabe seines Wohnsitzes in Berlin-Charlottenburg, um mit seiner Frau nach Teplitz-Schönau zu ziehen. Dort sollte er als Vorstandsmitglied in die im Oktober 1940 gegründete Sudetenländische Treibstoffwerke AG Brüx eintreten. Aufgrund des zu erwartenden Platzmangels wollte Lippert daher seine Sammlung verkleinern.
Da Lippert noch 1940 die Position eines Vorstandsmitgliedes einnehmen sollte, besteht kein Anlass zu der Vermutung, dass er zur Gruppe der NS-Verfolgten gehört hatte.
Neuere Recherchen haben Folgendes ergeben: Der Geheimrat Dr. jur. Heinrich Lippert war Mitglied des Bundes Nationalsozialistischer Deutscher Juristen (BNSDJ). Er zählte weiterhin zu den Persönlichkeiten, die in "Das deutsche Führerlexikon", welches 1934 erschien, aufgenommen wurden.8
Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust an diesem Kunstwerk kann ausgeschlossen werden.
Stand: 2001
1 Für das Folgende vgl. Bruchmanns Lexikon 1983, S. 52-54.
2 Für das Folgende vgl. Böller 2003, S. 160.
3 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 1540/1. Weitere auf der Property Card vermerkte Inventarnummern sind K 1172, A 1711/1 (Blaustift) sowie ein Etikette mit blauem Rand: 120/1.
4 Ebd.
5 Diese Aussage ist in der sog. „Weißen Kartei“ des amerikanischen Kunstschutzes festgehalten, in der über ihn gelaufene Erwerbungen nationalsozialistischer Sammler erfasst sind. Vgl. Heuß 2003, S. 161.
6 Eintrag 13. und 18.12.1937 im Geschäftsbuch von Haberstock unter Einkauf und Verkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv HA XXIV, S. 37.
7 Schreiben von Dr. jur. Heinrich Lippert an Rave, Berlin, 13.1.1940. Vgl. SMB-PK, ZA, Ordner “Blechen – Vorgänge A-D”.
8 Das Deutsche Führerlexikon 1934-1935; Berlin, Verlagsanstalt Stollberg, 1934. Infolge einer Reihe politischer Geschehnisse wurde der bereits fertiggestellte Band unter Berücksichtigung der Vorgänge bis zum 2. August in allen wichtigen Angaben berichtigt und im August 1934 veröffentlicht. S.281