Achenbach, Oswald
Reiter am Rigi [Gebirgstal mit Reitern]
Entstehungsjahr | ohne Jahr |
---|---|
Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 65,5 x 92,5 cm |
Münchener-Nr. | 1659 |
Linz-Nr. | 560/474 |
Lost Art-ID | 219208 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Oswald Achenbach (1827–1905) war ein deutscher Maler.[1] Er studierte ab 1839 an der Düsseldorfer Akademie unter Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863), jedoch überwog der Einfluss seines Bruders Andreas Achenbach (1815–1910), von dem er die technische Handfertigkeit sowie künstlerische Anschauung übernahm. In den 1840er Jahren unternahm Oswald Achenbach zahlreiche Reisen in Deutschland, der Schweiz und Italien, auf denen er wesentliche Eindrücke für sein künstlerisches Schaffen empfing. Von 1863 bis 1872 war der Künstler als Lehrer der Landschaftsmalerei an der Düsseldorfer Akademie tätig. Es folgten weitere Reisen in die Schweiz, Italien sowie Belgien und Holland. Oswald Achenbach verstarb im Jahre 1905 in Düsseldorf. Er zählte zu Lebzeiten zu den bedeutenden Landschaftsmalern Europas.
Im Vordergrund des Landschaftsgemäldes sind mehrere Reiter im Gelände des Rigi dargestellt. Auf der linken Bildseite ist eine Hütte zu erkennen. Der Himmel ist wolkenbehangen, im Hintergrund erstreckt sich das Bergmassiv.
Das Werk ist links signiert „Osw. Achenbach“, jedoch nicht datiert.
Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden.
Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „560/474“ (Linz-Nr.); in Schwarz „K 289“ (Kremsmünster); vergilbtes Etikett, handschriftlich „Herrn / Gen. Cons. Behrens / […]“ Provenienzmerkmal vor 1945), darüber „8.X“ (nicht identifiziert).
[1] Für das Folgende vgl. Eberhard Hanfstaengl, Achenbach, Oswald, in: Neue Deutsche Biographie 1 (1953), S. 31. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd119540363.html#ndbcontent [Abruf: 21.04.2020].
Provenienz
(...) | |
Spätestens 1862 | Eduard Ludwig Behrens sen. (1824–1895), Hamburg |
1925–mindestens 23. März 1935 | Franziska Behrens (1856–1951), Hamburg, erworben durch Erbgang / Nachlass Eduard L. Behrens jun., verwaltet von Norddeutsche Kreditbank, Hamburg |
(…) | |
Spätestens Februar 1939 | Galerie Almas, München |
1939 | Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“) |
Ab Mai 1941 | Eingang in das Kloster Kremsmünster |
Ab Sommer 1943 | Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee |
30.06.1945 | Eingang in den Central Collecting Point München |
1949–2009 | Bundesvermögen |
2009 | Restitution |
Das Gemälde von Achenbach befand sich spätestens 1862 im Eigentum des Bankiers Eduard Ludwig Behrens sen. (1824–1895).[1] Behrens war Inhaber des seit 1806 in Hamburg ansässigen Bankhauses L. Behrens & Söhne. Er besaß eine umfangreiche Kunstsammlung. Dem ältesten Sohn Eduard Ludwig Behrens jun. (1853–1925) vererbte der Vater seine Gemälde, der nächstältere Sohn Theodor Ernst Behrens (1857–1921) bekam die fast 200 Stücke umfassende Porzellansammlung vermacht.[2] Gemeinsam mit seinem Bruder betrieb Eduard L. Behrens jun., der als Belgischer Generalkonsul in Hamburg tätig war, das Bankhaus bis zur „Arisierung“ 1938 weiter.
Die Forschung ergab, dass sich das Gemälde von Achenbach noch 1935 im von der Norddeutschen Kreditbank, Filiale Hamburg, verwalteten Nachlass von Eduard L. Behrens jun. befand. Franziska Behrens (1856–1951), geborene Gorrissen, die Witwe von Eduard L. Behrens jun., galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Mischling ersten Grades“ und zählte damit zum Kreis der von den Nationalsozialisten Verfolgten. Auch deren Kinder George Eduard (1881–1956) und Elisabeth Emma (Ella) (1883–1950) unterlagen den gegen Juden gerichteten Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes. Ihnen gelang die Emigration ins Ausland.
Mit Schreiben vom 23. März 1935 teilte George Behrens dem Oberinspektor der Hamburger Kunsthalle, Dr. A.R.C. Wawrozeck (?–?), mit, dass Bilder aus dem Nachlass Behrens zum Verkauf stünden, darunter auch „Motiv vom Rigi“ von Oswald Achenbach.[3] Als Ansprechpartner für die weitere Abwicklung wird der Kunsthistoriker Prof. Hermann Uhde-Bernays (1873–1965) genannt. Ob, wann und an wen eine Veräußerung stattfand, ließ sich bislang nicht nachvollziehen. Zum 1. April 1935 wurden Werke der Kunstsammlung Behrens auf Grundlage der Reichsverordnung zum „Schutz national wertvollen Kunstbesitzes" vom 11. Dezember 1919 in das Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke aufgenommen.[4] Das Gemälde von Achenbach war von dieser Eintragung nicht betroffen.
Über die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) gelangte das Gemälde schließlich an den „Sonderauftrag Linz“ und erhielt dort die Linz-Nr. 560/474.[5] Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor Ende Februar 1939.[6] Laut einer Aussage von Almas-Dietrich vom 14. August 1951 hatte sie es zuvor „von Heinemann – Zinckgraf“ erworben.[7] In den Geschäftsbüchern und der Kartei der Galerie Heinemann ließ sich das Gemälde nicht eindeutig belegen.[8] Die Galerie Heinemann wurde im Jahre 1872 von David Heinemann (1819–1902) mit Schwerpunkt auf Werken deutscher Künstler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in München gegründet.[9] Bis zu ihrer „Arisierung“ im Jahre 1938 zählte die Galerie zu den bedeutendsten Kunsthandlungen in Deutschland und pflegte einen internationalen Kundenstamm. Das Geschäft führte mehrere Dependancen, unter anderem in Frankfurt am Main, Nizza und New York. Im Jahre 1890 übernahmen die Söhne von David Heinemann die Galerie. Während Hermann Heinemann (1857–1920) und Theobald Heinemann (1860–1929) das Münchner Geschäft leiteten, stand der älteste Bruder Theodor Heinemann (1855–1933) bis 1914 der New Yorker Dependance vor. Nach dem Tod Theobald Heinemanns im Jahre 1929 führte seine Witwe Franziska Heinemann (1882–1940) gemeinsam mit dem Sohn Fritz Heinemann (1905–1983) die Galerie fort. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Familie Heinemann aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen. Fritz Heinemann schied im Januar 1938 aus dem elterlichen Kunsthandel aus und emigrierte im Mai desselben Jahres in die Schweiz. Seinen Anteil am Geschäft übernahm Friedrich Heinrich Zinckgraf (1878–1954), ein langjähriger Mitarbeiter der Galerie Heinemann.[10] Nach den Pogromen am 9. November 1938 wurde auch der Geschäftsanteil von Franziska Heinemann durch Zinckgraf „arisiert“. Dieser wurde nach komplizierten Verhandlungen jedoch erst Ende 1939 alleiniger Inhaber der Galerie, die er im Mai 1941 in „Galerie am Lenbachplatz“ umbenannte. Franziska Heinemann reiste im Februar 1939 in die USA aus.
Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[11] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[12]
Die Nummer K 289 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[13] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[14] Aus Sorge vor Luftangriffen wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[15]
Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 30. Juni 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[16] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.
Wegen des nicht mehr vollständig aufzuklärenden Rechtsgeschäftes wurde auf der Grundlage und nach Maßgabe der Erklärungen der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom 9. Dezember 1999 sowie der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocausts vom 3.Dezember 1998 eine faire und gerechte Lösung in Form einer vergleichsweisen Einigung gefunden und das Gemälde an die Erbengemeinschaft zurückgegeben.
Bearbeitungsstand: 2020
[1] Vgl. Ulrich Luckhardt, Eduard L. Behrens und Theodor E. Behrens. Sammeln moderner Kunst in zwei Generationen, in: Ulrich Luckhardt/Uwe M. Schneede (Hgg.), Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Hamburger Kunsthalle 2001, S. 37. Im Nachtrag von 1895
zum Katalog der Sammlung Eduard L. Behrens zu Hamburg (1891) ist das Gemälde unter der Positionsnummer 54 unter dem Titel „Motiv vom Rigi“ mit Abbildung enthalten.
[2] Für das Folgende vgl. Luckhardt 2001, S. 36.
[3] Für das Folgende vgl. Hamburger Kunsthalle, Archiv, Schreiben George Behrens an Dr. A.R.C. Wawrozeck, Hamburg, 23.03.1935, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.
[4] Vgl. Eintrag in der Akte im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.
[5] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1659.
[6] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004 (unpubliziert), S. 14.
[7] Vgl. Bundesarchiv Koblenz, B 323/331, Kunsthändler A-J, Almas-Dietrich, Aussage von Frau Marie Almas-Dietrich, München, 14.08.1951.
[8] Vgl. Galerie Heinemann online, URL: http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html [Abruf: 29.04.2020].
[9] Für das Folgende vgl. Geschichte der Galerie Heinemann. URL: http://heinemann.gnm.de/de/geschichte.html [Abruf: 06.03.2019].
[10] Für das Folgende vgl. Birgit Jooss, Galerie Heinemann. Die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, S. 69–84, hier S. 81f. URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2754/1/Jooss_Galerie_Heinemann_2012.pdf [Abruf: 06.03.2019].
[11] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.
[12] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.
[13] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1659.
[14] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.
[15] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.
[16] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1659.