Berchem, Nicolaes
Viehtränke bei einer Ruine mit Hirten (Architekturstück; Italienische Furt mit römischen Ruinen)
Entstehungsjahr | 1668 |
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Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 64x 77 cm |
Münchener-Nr. | 1703 |
Linz-Nr. | 2269 |
Lost Art-ID | 565762 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Das Gemälde zeigt Folgendes: In der Bildmitte ist eine Frau auf einem Pferd sitzend zu sehen, links von ihr steht ein Ochse, dahinter (teilweise verdeckt) ein Mann mit Hut; rechts ein sitzender und als Rückenfigur ein stehender Bauer, im Hintergrund eine Ruine, links weitere Staffage.
Es ist mit "Berchem/1668" bezeichnet und datiert.
Hofstede de Groot verzeichnet das Gemälde als von der Hand des Nicolaes Berchem unter der Nr. 370.1 Er gibt an, dass eine Version in Den Haag vorhanden ist,2 eine zweite auf der Versteigerung Edm. Huybrecht in Antwerpen am 12. Mai 1902 (Nr. 64, datiert 1660 Leinwand 68 x 79 cm) für 1700 frcs an Ackermans nachgewiesen werden konnte, und eine dritte Version auf der Versteigerung der Sammlung von Albert Grossmann aus Brombach bei Lörrach in Baden am 30. Oktober 1902 (Nr. 11, Leinwand 67 x 80 cm) angeboten wurde, aber zurückgekauft worden ist. Diese letzte Version ist wahrscheinlich mit dem hier zu untersuchenden Gemälde identisch, obwohl im Katalog der Helbing-Auktion keine Datierung und Bezeichnung erwähnt wird.
Albert Grossmann (1857-1934) war Miteigentümer der Fabrik Gebrüder Grossmann in Brombach.3 Seine Sammlung wurde 1902 bei Hugo Helbing in München versteigert, darunter auch das Gemälde unter dem Titel „Architekturstück“ als Nr. 11.4
Provenienz
Albert Grossmann aus Brombach (1857-1934) bei Lörrach in Baden | |
30. Oktober 1902 | Auktion der Sammlung Albert Grossmann aus Brombach (1857-1934) bei Hugo Helbing, München, Lot Nr. 11 - zurückgekauft |
Albert Grossmann aus Brombach (1857-1934) (?) | |
21. Februar 1942 | Kunsthandel Karoline Anny Lang, München |
30. April 1942 | Sammlung „Sonderauftrag Linz“ |
Die TVK München ermittelte, dass das Gemälde am 30. April 1942 von K.A. Lang (München, Kunsthandel) über Frau Troost für RM 30.000 für den „Sonderauftrag Linz“ erworben wurde.
Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes:
Am 21. Februar 1942 bot die Kunsthändlerin Karoline Anny Lang das Gemälde unter dem Titel „Die Furt“ dem „Sonderauftrag Linz“ zum Kauf an.5 Lang, geboren am 25. Februar 1870 in München, geschiedene Dürig, geborene Franz, hatte 1938 die Kunsthandlung von Dr. Anna Landsberg, geboren am 30. Juli 1883 in Breslau, übernommen.6 Die Stapoleitstelle München ging davon aus, dass die Übernahme dazu diente ein jüdisches Geschäft zu tarnen.7 Die IHK München führte dazu aus, dass das Warenlager und die Geschäftseinrichtung von Karoline Anny Lang übernommen worden war. Dr. Anna Landsberg hatte beim Einwohnermeldeamt angegeben, dass sie „Mischling I. Grades“ sei. Das Geschäft, das sie 1919 eröffnet hatte, übergab sie am 1. Juli 1938 an Frau Lang. Es ist unklar, ob das Gemälde von Berchem Bestandteil des Warenlagers von Frau Dr. Landsberg war.
Frau Dr. Landsberg emigrierte nicht, sondern lebte weiterhin in München. Am 1. November 1945 eröffnete sie wieder ihr Geschäft, das sie bis 1959 betrieb. Sie verstarb 1959 in Ulm. Nach Auskunft des Staatsarchivs München gibt es zu ihr keine Wiedergutmachungsakten. Karoline Lang verstarb im Dezember 1945 in Ulm.
Der „Sonderauftrag Linz“ erwarb von Karoline Anny Lang wohl fünf Gemälde. Der Berchem war nicht unter diesen, da das Gemälde über Frau Gerdy Troost am 30. April 1942 für den „Sonderauftrag“ für RM 30.000,- angekauft wurde.8 Weitere Unterlagen zum Ankauf konnten nicht ermittelt werden. Gerdy Troost, eigentlich Gerhardine, war die Witwe von Prof. Paul Ludwig Troost (1878–1934), der von Hitler mit der Errichtung von Bauten in München beauftragt worden war.9 Gerdy Troost war ab 1934 als Innenarchitektin tätig und unterstützte die Bauvorhaben. Für die Dekoration der Räume erwarb sie auch Kunstgegenstände.10
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust an diesem Kunstwerk kann nicht ausgeschlossen werden.
Stand: 2010
1 Hofstede de Groot: Verzeichnis der Werke holländischer Maler des 17. Jahrhunderts, 1925, S. 157, Nr. 370.
2 Ausstellungskatalog Nicolaes Berchem, Im Licht Italiens, Ausstellung 2007, Kat. No. 32, S. 141, darin ist die erste Fassung in Den Haag Maurits-Huis abgebildet (Kat. 1914 Nr. 13, auf Holz, datiert auf 1661).
3 Stadtarchiv Lörrach, zu Albert Grossmann.
4 Auktion Hugo Helbing, 30.10.1902, Nr. 11, S. 3.
5 BArch Koblenz B 323, Nr. 162.
6 Stadtarchiv München, Einwohnermeldeauskunft zu Karoline Anny Lang und Anna Landsberg.
7 Bayerisches Wirtschaftsarchiv, Antiquitätenhandlung Landsberg, Lang.
8 Auskunft K. A. Lang BArch Koblenz B 323, Nr. 332.
9 Erhalten haben sich vom Ensemble am Königsplatz die Staatliche Hochschule für Musik und Theater (ehem. ‚Führerbau’, 1931–37), das Haus der Kulturinstitute (ehem. ‚Verwaltungsbau’, 1931–37) und die Sockel der ‚Ehrentempel’ (1933–35) sowie am Südrand des Englischen Gartens das Haus der Kunst (ehem. ‚Haus der Deutschen Kunst’, 1932–37). Nach Skizzen Troosts ist außerdem der Alte Botanische Garten angelegt worden (1933–37). Nicht erhalten sind das ‚Ehrenmal’ für die Gefallenen des Hitler-Putsches in der Feldherrenhalle (1933) und der Plattenbelag des zur Aufmarschfläche überbauten Königsplatzes (1933–35).
10 Bundesarchiv Berlin BDC Reichskanzlei Akte zu Gerdy Troost.