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Schleich, Robert

Heuernte bei aufziehendem Gewitter

Entstehungsjahr 1916
Technik Öl auf Leinwand
Maße 22,5 x 39,0 cm
Münchener-Nr. 1817/1
Linz-Nr. 90
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Robert Schleich (1845–1934) war ein deutscher Landschaftsmaler.[1] Er wurde als Sohn des Kupfer- und Stahlstechers Adrian Schleich (1812–1894) in München geboren und studierte unter Wilhelm von Diez (1839–1907). Der Künstler schuf vor allem kleinformatige Landschaften mit Staffage. Seine Werke befinden sich heute in Museen in Augsburg, Baden-Baden, Heidelberg, München und Wuppertal.

Das Gemälde zeigt eine Heuernte in flacher Landschaft unter einem dunkel bewölkten Himmel. Im Vordergrund ist links des Bildzentrums der beladene Heuwagen zu sehen, auf dem ein Mädchen steht. Links davon befinden sich drei weitere Personen bei der Arbeit. Im rechten Bildteil sind weitere Personen sowie Heuwagen dargestellt. Im Hintergrund ist eine Stadt zu erkennen, am linken Bildrand ein Kirchturm. Über der Szene ziehen vom rechten Bildrand dunkle Gewitterwolken heran. Als Werktitel ist sowohl „Heuernte bei aufziehendem Gewitter“[2] als auch „Heuernte – Aufziehendes Wetter“[3] überliefert.

Das Werk ist unten rechts signiert sowie datiert „Rob. Schleich 1916“.

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden. Darüber hinaus wurde die einschlägige Literatur zum Künstler überprüft.[4]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „1817/1“ (Mü-Nr.); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „90“ (Linz-Nr.); in Schwarz „K455“ (Kremsmünster); in roter Fettkreide, zweimal „1“ (nicht identifiziert); in Schwarz, gedruckt „22“ (nicht identifiziert); weißes Etikett, in Maschinenschrift „Leihgabe des Bundesschatzministers durch die / Oberfinanzdirektion München / München 2, Sophienstr. 6 / Az.: OFD München 04223 K 36/66 BV 25/1 / vom x 31.1.1966 / Az.: BML I B 3 – 1244/0100-118-4 / Mü-Nr.: / 1817/1 Schleich, Robert / (90) bez. U. dat. 1916 / Heuernte bei aufziehendem Gewitter / Lwd. 22,5 : 39 cm“ (Provenienznachweis, nach 1945); weißes Etikett, in Maschinenschrift „No.: Lichtmass: / Falzmass: / Termin: Schutzrhm., Glas, Kiste: / Gegenstand:“ (nicht identifiziert); ovaler Stempel [unleserlich] (nicht identifiziert); zweimal „38½“ (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 29/30, Leipzig 1999, S. 101.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1817/1.

[3] Vgl. Germanisches Nationalmuseum, Galerie Heinemann – online, Kunstwerk-ID: 16945. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-16945.htm [Abruf: 11.10.2019].

[4] Ohne Treffer: Friedrich von Boetticher, Malerwerke des neunzehnten Jahrhunderts. Beitrag zur Kunstgeschichte, Bd. 2, Dresden 1891–1901, S. 578–579.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
04.07.1916–15.07.1916Galerie Heinemann, München
15.07.1916–02.11.1937Hugo Bantlin (1856–1938), Konstanz
02.11.1937–19.02.1938Galerie Heinemann, München
Ab 19.02.1938Galerie Almas, München
Vor August 1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
10.07.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde wurde am 4. Juli 1916 von der Münchener Galerie Heinemann für RM 2.500,- erworben und erhielt die Inventarnummer 12837.[1] Der Verkäufername hat sich in den Geschäftsunterlagen der Galerie, die sich heute im Deutschen Kunstarchiv im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg befinden, nicht erhalten.

Die Galerie Heinemann wurde im Jahre 1872 von David Heinemann (1819–1902) mit Schwerpunkt auf Werken deutscher Künstler des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts in München gegründet.[2] Bis zu ihrer „Arisierung“ im Jahre 1938 zählte die Galerie zu den bedeutendsten Kunsthandlungen in Deutschland und pflegte einen internationalen Kundenstamm. Das Geschäft führte mehrere Dependancen, unter anderem in Frankfurt am Main, Nizza und New York. Im Jahre 1890 übernahmen die Söhne von David Heinemann die Galerie. Während Hermann Heinemann (1857–1920) und Theobald Heinemann (1860–1929) das Münchner Geschäft leiteten, stand der älteste Bruder Theodor Heinemann (1855–1933) bis 1914 der New Yorker Dependance vor. Nach dem Tod Theobald Heinemanns im Jahre 1929 führte seine Witwe Franziska Heinemann (1882–1940) gemeinsam mit dem Sohn Fritz Heinemann (1905–1983) die Galerie fort. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten war die Familie Heinemann aufgrund ihrer jüdischen Herkunft von den nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen betroffen. Fritz Heinemann schied im Januar 1938 aus dem elterlichen Kunsthandel aus und emigrierte im Mai desselben Jahres in die Schweiz. Seinen Anteil am Geschäft übernahm Friedrich Heinrich Zinckgraf (1878–1954), ein langjähriger Mitarbeiter der Galerie Heinemann.[3] Nach den Pogromen am 9. November 1938 wurde auch der Geschäftsanteil von Franziska Heinemann durch Zinckgraf „arisiert“. Dieser wurde nach komplizierten Verhandlungen jedoch erst Ende 1939 alleiniger Inhaber der Galerie, die er im Mai 1941 in „Galerie am Lenbachplatz“ umbenannte. Franziska Heinemann reiste im Februar 1939 in die USA aus.

Bereits am 15. Juli 1916 verkaufte die Galerie Heinemann das Gemälde an Hugo Bantlin (1856–1938), Konstanz, für RM 4.000,-.[4]

Der Industrielle übernahm im August 1879 zusammen mit seinem Bruder Dr. August Bantlin (?–?) die in Konkurs gegangene Chemische Fabrik Konstanz.[5] Als kaufmännischer Leiter der neu gegründeten Holzverkohlungs-Industrie AG (HIAG) wirkte er über Jahrzehnte und war bis 1930 auch Mitglied des Aufsichtsrats.[6] Im selben Jahr erfolgte die Übernahme der HIAG durch die Degussa AG.[7] Politisch war Hugo Bantlin ab 1922 im Bürgerausschuss der Stadt Konstanz als Stadtverordneter der „Bürgerliste der vereinigten Rechtsparteien“ engagiert.[8] Obwohl politisch als rechtsstehend bekannt, trat er jedoch nicht öffentlich als Vorkämpfer oder frühes Mitglied der NSDAP in Erscheinung.[9]

Am 2. November 1937 bot Bantlin das Gemälde der Galerie Heinemann zum Kauf an.[10] Diese erwarb das Werk für RM 1.800,- erneut und inventarisierte es unter der Nummer 19655.

Von der Galerie Heinemann erwarb die Münchener Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) das Werk am 19. Februar 1938.[11]

Maria Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[12] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[13]

Von der Galerie Almas wurde das Gemälde zu einem unbekannten Zeitpunkt durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ angekauft und erhielt die Linz-Nr. 90.[14] Die Höhe der Linz-Nr. weist auf einen Erwerb vor August 1938 hin.[15]

Die Nummer K455 auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[16] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrages Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[17] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[18]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 10. Juli 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[19] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt.[20] Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut kann ausgeschlossen werden.

Bearbeitungsstand: 2019

[1] Für das Folgende vgl. Germanisches Nationalmuseum, Galerie Heinemann – online, Kunstwerk-ID: 16945. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-16945.htm [Abruf: 11.10.2019].

[2] Für das Folgende vgl. ebd., Geschichte der Galerie Heinemann. URL: http://heinemann.gnm.de/de/geschichte.html [Abruf: 06.03.2019].

[3] Für das Folgende vgl. Birgit Jooss, Galerie Heinemann. Die wechselvolle Geschichte einer jüdischen Kunsthandlung zwischen 1872 und 1938, in: Anzeiger des Germanischen Nationalmuseums, Nürnberg 2012, S. 69–84, hier S. 81f. URL: https://archiv.ub.uni-heidelberg.de/artdok/2754/1/Jooss_Galerie_Heinemann_2012.pdf [Abruf: 06.03.2019].

[4] Vgl. Germanisches Nationalmuseum, Galerie Heinemann – online, Kunstwerk-ID: 16945. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-16945.htm [Abruf: 11.10.2019]. .

[5] Vgl. Auskunft des Stadtarchivs, Konstanz, 2010. Siehe auch: Anonym, Der „HIAG“ zum Abschied, in: Konstanzer Zeitung, 31.03.1933.

[6] Vgl. Anonym, Der Mitbegründer der HIAG gestorben, in: Deutsche Bodensee Zeitung, 18.02.1938. Siehe auch: Anonym, Nachruf „Zum Ableben von Hugo Bantlin“, in: Bodensee-Rundschau, 19.02.1938.

[7] Zur Rolle der Degussa in der NS-Zeit siehe: Peter Hayes, Die Degussa im Dritten Reich. Von der Zusammenarbeit zur Mittäterschaft, München 2005.

[8] Vgl. Stadtarchiv Konstanz (StadtA KN), S II 12820, Flugblatt, o. D.

[9] Auch ein Glückwunschschreiben des „alten Kämpfers“ und Bürgerschaftsbeigeordneten Carl Gruner (?–?) anlässlich des 80. Geburtstages Bantlins  enthielt, ebenso wie ein kurzer Nachruf in der NS-Bodensee-Rundschau, keinen Hinweis auf dessen tatkräftige Unterstützung der NSDAP in der Formierungsphase. Vgl. StadtA KN S II 2571, Schreiben von Carl Gruner vom 16.11.1934.

[10] Für das Folgende vgl. Germanisches Nationalmuseum, Galerie Heinemann – online, Kunstwerk-ID: 16945. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-16945.htm [Abruf: 11.10.2019].

[11] Vgl. Germanisches Nationalmuseum, Galerie Heinemann – online, Kunstwerk-ID: 16945. URL: http://heinemann.gnm.de/de/kunstwerk-16945.htm [Abruf: 11.10.2019].

[12] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[13] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

[14] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1817/1.

[15] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14.

[16] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 1817/1.

[17] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[18] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[19] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[20] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (7) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (8) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 11.10.2019].

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