Preller der Ältere, Friedrich Johann Christian Ernst
Drei Szenen aus der Odysee (Verwandlung der Gefährten Odysseus durch Kirke, Odysseus empfängt von Hermes das Moly und Odysseus entkommt den Lockungen der Sirenen 1865)
Entstehungsjahr | 1864 |
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Technik | Enkaustik auf Leinwand |
Maße | zu 1. 42 x 25 cm; zu 2. 42 x 67 cm; zu 3. 42 x 25 cm |
Münchener-Nr. | 11791 |
Linz-Nr. | 16 |
Lost Art-ID | 219036 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Friedrich Preller (25.4. 1804 Eisenach - 23.4.1878 Weimar) erhielt seine erste künstlerische Erziehung 1818/1819 unter Heinrich Meyer in Weimar. Preller kam durch seinen Freund und Förderer Johann Wolfgang von Goethe mit der klassizistischen Kunsttheorie in Berührung, die Nicalas Poussin, Claude Lorrain und Jacob van Ruisdael als Vorbilder empfahlen. Von 1828 bis 1831 suchte er in Rom, beeinflusst von Joseph Anton Koch, die idealisierte Vorstellung von Landschaft mit den beim Studium der Natur gewonnenen Eindrücken zu verbinden. Ein Aufenthalt in Neapel 1830 gab Preller die Idee seiner Odyssee–Bilder. In Weimar wurde er 1832 Nachfolger Meyers als Leiter der Zeichenakademie. Ungeachtet neuer zukunftsweisender Tendenzen blieb für Preller das von Goethe geprägte klassizistische Kunstprogramm über die Jahrhundertmitte hinaus verbindlich. Er wollte der Schilderung der Naturerscheinungen Sinnbildhaftigkeit verleihen.
Die vorliegenden Farbstudien sind Vorarbeiten für eine Folge von Odyssee–Landschaften, die Preller im Auftrag des Großherzogs Carl Alexander von Sachsen–Weimar-Eisenach als Wandbilder zunächst für eine eigens dafür konzipierte Ausstellungshalle in Weimar ausführen sollte. Die Wandbilder wurden ab 1869 in einer Preller–Galerie im neuen Landesmuseum Weimar präsentiert.1
In einer Beschreibung des Ateliers des Vaters in den Tagesbüchern Friedrich Preller d. J. (1838 – 1901) findet sich ein Hinweis explizit auf 16 Wachsbilder von Preller d. Ä.: „Dort nun hatte mein Vater die 16 Bilder in Wachsfarbe ausgeführt, die dann in das neue von Zitek erbaute Museum übertragen wurden. Die Stelle, die der Großherzog dafür bestimmt hatte, gefiel dem Vater gar nicht.2
Seit seinem Aufenthalt in Neapel beschäftigte Preller die Idee zu Bildern nach Homers Odyssee. Die erste 1832 bis 1836 entstandene Fassung des Zyklus für das Römische Haus von Dr. Härtel in Leipzig wurde im 2. Weltkrieg zerstört. Die zweite, erweiterte Fassung, die Preller seit 1855 plante, wurde 1865 bis 1868 als Freskenfolge ausgeführt und befindet sich heute im Neuen Museum Weimar- Klassik Stiftung Weimar.
Der besondere Reiz der vorliegenden Farbstudien, die 1863, 1864 und vor allem 1865 entstanden, liegt in der nuancierten koloristischen Bearbeitung mit Wachsfarben, die Preller den Ölfarben bei der Wiedergabe des warmen südlichen Sonnenlichts vorzog, das gegenüber der halbverschatteten Landschaft die Hauptfiguren hervorhebt, ohne die Homogenität des Gesamtkolorits zu beeinträchtigen. Die menschlichen Figuren sind an antiker Skulptur orientiert.3
1. Verwandlung der Gefährten Odysseus durch Kirke:
Vor der Front eines dorischen Palastes steht die Zauberin mit ausgestrecktem Arm, um die Gefährten des Odysseus in Tiere zu verwandeln. Während die Männer links vor ihr in Abwehr die Arme heben, birgt rechts vorne ein bereits Verzauberter seinen Tierkopf zwischen den Händen. Über die Palastmauer im Hintergrund rankt sich die üppige südliche Vegetation.
2. Odysseus empfängt von Hermes das Moly:
In einer üppigen südlichen Parklandschaft tritt Hermes von rechts an Odysseus heran, der auf dem Rand eines gemauerten Brunnens sitzt. In der Linken hält der Götterbote das Zauberkraut Moly, mit der Rechten deutet er auf den Palast der Kirke im Hintergrund.
Bei den Gemälden, die analog zu den Wandbildern als Dreiergruppen bzw. Zweiergruppen in einem Rahmen zusammengefasst sind, wurde die Reihenfolge verwechselt: auf die Molyszene folgt im Rahmen fälschlicherweise nicht die Unterwelt, sondern die Sirenen.
3. Odysseus entkommt den Lockungen der Sirenen:
Auf einer flachen Felsenklippe rechts sitzen drei geflügelte Sirenen. Die Musikinstrumente teilweise noch in den Händen strecken sie die Arme nach dem vorbeifahrenden Schiff des Odysseus aus. Die felsige Küstenlandschaft im Hintergrund ist durch ein bizarres Felsentor charackterisiert, das Preller nach dem Vorbild des Arco naturale auf der Insel Capri geschaffen hat.
Die Reihenfolge ist verwechselt, auf die Molyszene folgt im Rahmen fälschlicherweise nicht die Unterwelt sondern die Sirenen.
Provenienz
1906 | Sammlung von Eichel–Streiber, Eisenach4 |
ca. 1937 | über Galerie Maria Almas-Dietrich, München an den „Sonderauftrag Linz"5 |
Die TVK München ermittelte, dass die vorliegenden Farbstudien von der Galerie Almas nach einer Aussage Maria Dietrichs vom 9.3.1949 aus dem deutschen Kunsthandel erworben wurden.6
Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: Frau Dietrich gab am 9. 3. 1949 an, die Kunstobjekte der Linz. Nr. 13 bis 18 aus dem deutschen Kunsthandel erworben zu haben.7 In den Rechnungsunterlagen finden sich keine Informationen zum Erwerb der vorliegenden Farbstudien.8
Die Recherchen zur Galerie Maria Almas-Dietrich ergaben, dass keine zur Provenienz des Gemäldes relevanten Akten in Münchener Archiven überliefert worden sind.9 Die Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München sind nicht überliefert.10 Akten der Reichskammer der bildenden Künste sind im Bestand der Reichskulturkammer und ihrer Einzelkammern im Bundesarchiv Berlin11 und im Zentralen Staatsarchiv nicht überliefert. Im Bundesarchiv Berlin sind keine personenbezogenen Unterlagen zu Maria Dietrich vorhanden.12
Maria Dietrich wurde am 28. Juli 1892 in München geboren, ihr Vater war Jude. 1910 bekam sie ein uneheliches Kind von einem deutsch–amerikanischen Juden. 1921 heiratete sie Ali Almas-Diamant, einen türkischen Maler, und erhielt dadurch die türkische Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Scheidung 1937 nahm sie 1940 wieder ihre deutsche Staatsangehörigkeit an, behielt aber den Namen Almas für ihre Galerie. Sie handelte seit 1919 mit Kunst und meldete im November 1937 die Kunsthandlung Almas offiziell an. 1940 stieg ihr Einkommen mit der Besetzung Frankreichs auf eine halbe Million Reichsmark. Maria Dietrich erwarb vor allem ab 1940 Kunstwerke aus dem besetzten Frankreich und aus Österreich.13
Insgesamt verkaufte Frau Dietrich über 900 Werke an Hitler. Sie hatte engen Kontakt zu Heinrich Hoffmann, er ermöglichte ihr ab 1936 den Zutritt zu Hitler und verkaufte mit ihr bis 1940 Bilder an Hitler. Später konnte sie selbstständig, ohne die Zustimmung von Hans Posse oder Hermann Voss Gemälde an Hitler einliefern. Sie hatte zahlreiche Kontakte zu Kunsthändlern und Versteigerungshäusern, unter anderem auch zum Auktionshaus Hans W. Lange, der als Verkäufer der Berliner Finanzbehörden agierte. Nachdem Hermann Voss die Leitung des Sonderauftrages Linz übernommen hatte, verkaufte sie weniger Bilder an Hitler.14
1944 brannte ihr Geschäft nach Luftangriffen auf München in der Ottostraße aus und 1945 wurde ihr Privathaus zerstört.15 Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Maria Dietrich die Kunstgalerie weiter, die später von ihrer Tochter übernommen wurde.16
ie kunsthistorischen Recherchen ergaben Folgendes: Die vorliegenden Farbstudien wurden zur Jahrhundertausstellung in Berlin 1906 ausgestellt.17 Im Werkverzeichnis von Ina Weinrautner wird als Provenienz die mit Preller befreundete Familie von Eichel–Streiber in Eisenach angegeben. Danach schmückten die Farbstudien die Vorhalle des Landhauses der Familie Eichel bis 1941.18
Bei Boetticher 1898 und Redslob 1894 sind keine Angaben zur Provenienz der Farbstudien zu finden.19 Im Katalog zur Jahrhundertausstellung in der Königlichen Nationalgalerie Berlin 1906 ist als Besitzerin Frau von Eichel–Streiber, Eisenach angegeben.20
Auf Grund der niedrigen Linzer Nummer ist davon auszugehen, dass das Gemälde nicht 1941 sondern um 1937 erworben wurde und im Keller des Führerbaus gelagert worden ist.
Ab Juli 1938 begann die Gesamtregistrierung der bisher eingelagerten Bilder im Keller des „Führerbaus“ in München in der Arcisstrasse 12 durch den Architekten Hans Reger, später wurden die Gemälde für das geplante Linz–Museum bestimmt. Die Nummerierung bis zur ersten Registrierung lief bis zur Linz-Nummer 360/380. Die weitere Registrierung lief bis 1939/40 nicht streng chronologisch, da mehrfach vor 1937 und 1938 angekaufte Bilder zu Ausstellungszwecken oder als Wandschmuck weggeben wurden und erst nach ihrer Rückkehr die Registrienummer erhielten.21
Zur Familie von Eichel-Streiber konnte Folgendes recherchiert werden. Die Familie lässt sich bis zum Jahr 1621 in Eisenach zurückverfolgen. Seit Mitte des 18. Jahrhunderts waren die Eichels Kaufleute und Handelsherren in Eisenach. Mitte des 19. Jahrhunderts entstand durch Heirat der Doppelname Eichel-Streiber. Die Familien, Eichel und Eichel-Streiber wurden im 19. Jahrhundert in den "erblichen Adelsstand" erhoben.22 Julius von Eichel-Streiber (1820- 1905) trat unter anderem als Mäzen für junge Maler, wie Friedrich Preller d. J. auf, mit dessen Familie er befreundet war. Julis Eichel-Streiber stiftete der Stadt Eisenach u. a. das Karolinenlyzeum, das Gewerbehaus, eine Gewerbeschule, das Justusstift und das heutige Landestheater. Anlässlich der Eröffnung des Eisenacher Theaters wurde er 1878 zum Ehrenbürger der Stadt Eisenach ernannt. Julius von Eichel-Steiber war in 2. Ehe mit Ida Vollert (1853 – 1921) verheiratet. Beide Ehen blieben kinderlos. Der Besitz der Familie wurde 1945 enteignet.
Dr. jur. Friedrich Georg von Eichel-Streiber (1876 Eisenach - 1943 Eisenach) war Königlich preußischer Kammerherr, Rittergutsbesitzer, Politiker und engagierte sich beim Auf- und Ausbau der evangelischen Landessynode. Er war Präsident der Landessynode und wurde 1934 durch „Dt. Christe“ von seinem Amt ausgeschlossen. Der Besitz der Familie wurde 1945 enteignet.
Recherchen zum Nachlass der Familie Eichel–Streibel, die Auskunft über die vorliegenden Farbstudien geben könnten, blieben ergebnislos. Im Stadtarchiv Eisenach befindet sich kein Nachlass der Familie Eichel–Streiber, der weitere Informationen zum Verbleib der Farbstudien geben könnte.23
Ein externer Hinweis erhellte die Geschichte des Anwesens der Familie von Eichel-Streiber in Eisenach.24 Nach mehrmaligen Versuchen der Veräußerung des Anwesens und einer zeitweiligen Vermietung von 1929 bis 1937 verkaufte die Familie ihre Villa im Jahr 1940 an Alfred und Emma Börner. Unklar bleibt, ob ein Verkauf ihrer Innenausstattung einschließlich der Wandbilder bereits im Vorfeld oder mit diesem Rechtsgeschäft erfolgte. Vor diesem Hintergrund liegen keine Anhaltspunkte für einen NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlust vor.
Stand: 2016
1 Weinrautner 1996, S. 72-82.
2 Jordan, Max (Hrsg.): Friedrich Preller der Jüngere. Tagesbücher des Künstlers. München 1904, S.133.
3 Kat. Kiel 2007, S. 138, Weinrautner 1996, S. 361.
4 AK Berlin 1906, S. 169, Nr. 1343-1358, Weinrautner 1996, S. 81, Anm. 323, S. 361.
5 BArch Koblenz, B 323/331.
6 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 11788. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummer lauten Aussee 6796, K 194, Nr. 12.
7 BArch Koblenz, B 323/331.
8 BArch Koblenz, B 323.
9 Nach Recherchen des BADV zur Provenienz des Gemäldes "Der Reigen" von Franz von Stuck, mü 9458, vgl. http://www.badv.bund.de/, besitzen folgende bayerische Archive keine Akten zur Galerie Maria Almas-Dietrich: Staatsarchiv München, Stadtarchiv München, Bayrisches Hauptstaatsarchiv München und Wirtschaftsarchiv München.
10 Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates, 1991.
11 BArch Berlin, R 56.
12 Mitteilung von Frau Katrin Hartisch/ Bundesarchiv Berlin. Vgl. E-Mail vom 12.11.2008.
13 Eichhorn 2003, S. 272.
14 Löhr 2005, S. 127f.
15 BArch Koblenz, B 323, 436.
16 Eichhorn 2003, S. 272.
17 AK Berlin 1906, S. 169, Nr. 1343-1358: „1343 – 1358".
18 Weinrautner 1996, S. 81, Anm. 323: „ Die Gemälde schmückten als Wanddekoration die Vorhalle des Landhauses der Familie von Eichel–Streibel in Eisenach. Sie wurden 1941 verkauft und werden als Leihgabe der Bundesrepublik Deutschland in der Kunsthalle Kiel aufbewahrt“; S. 361.
19 Boetticher, 1898, S. 315, Nr. 7: „Farbenskizzen zu dem im Museum zu Weimar in den Jahren 1865-69 in Wachsfarben auf Cementtafeln ausgeführten Cyclus der Odyssee-Landschaften.16. Bll.(Letzte Fassung)“; Redslob, 1894, S. 4: „Die Frucht dieser Studien ist die dritte Gestaltung der Odysseelandschaften, die zuerst auf 16 Kartons in Kohlezeichnung, dann in kleinen Farbenskizzen und 1865 – 1868 in Wachsfarben auf 16 von eisernen Rahmen und Drahtgittern umschlossenen Kalkflächen ausgeführt wurden“.
20 AK Berlin 1906, S. 169, Nr. 1343-1358: „1343 – 1358 Sechzehn Farbenskizzen zur Odyssee 6 Teile, 4x3 Teile = B1,20 H 0,47, 2x2 Teile = B 0,52. H. 0,47; 1865 Bes. Frau von Eichel–Streiber, Eisenach“.
21 Aussage von Herrn Hans Reger zur Registrierung der Kunstobjekte für den „Sonderauftrag Linz“ vom 21.7. 1951. Vgl. BArch Koblenz, B 323/332.
22 http:/familie-von-eichel-streiber.de
23 Nach freundlicher Information von Dr. Reinhold Brunner, vgl. Telefonat vom 21.1.2010. Marie Agnes Puttkamer, München verfasst eine Familienchronik, die noch nicht in gedruckter Form vorliegt.
24 Zlotowicz, Jensen: Jagddomizil fast ein Geisterhaus, in: Thüringische Landeszeitung, (1998), Z LO El 4, o.S.