Navigation und Service

Gryef, Adriaen de

Jäger mit Hundemeute

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Holz
Maße 24,0 cm x 33,5 cm
Münchener-Nr. 13444
Linz-Nr. Keine
Lost Art-ID 219125
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Adriaen de Gryef (um 1670–1715) war ein niederländischer Jagd- und Stilllebenmaler.[1] Im Jahre 1699/1700 erwarb er in Antwerpen das Meisterrecht der Lukasgilde. Später verzog der Künstler nach Brüssel, wo er im Jahre 1715 verstarb. De Gryef malte überwiegend Wildstillleben mit Hunden im Freien, seltener solche mit Gemüse, Obst oder Blumen.

Das Gemälde zeigt im Vordergrund rechts einen Jäger in Begleitung von Jagdhunden. Er bläst das Jagdhorn neben dem erlegten Hirsch, während ein zweiter Jäger links auf ihn zukommt. Die Morgendämmerung verleiht dem Gemälde einen warmen gelb-orangenen Ton, der mit dem Blau des Himmels und des Hügels im Hintergrund kontrastiert.

Das Werk ist weder signiert noch datiert.

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: Etikett „Eugen Brüschwiler“ (Kunsthändler, München); „P 88/IV“ (Schloss Posen); Etikett „Gryff, Adrian um 1700“ (Künstler).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Leipzig 1999, S. 155.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis 1938/1939Hans Best (1874–1942), München 
1938/1939–12.05.1943Kunsthandlung Eugen Brüschwiler, München
Ab 12.05.1943 Reichsvermögen, erworben für die „Führerresidenz“ Schloss Posen
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
30.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde befand sich einst im Besitz des Kunstmalers Hans Best (1874–1942), München.[1] Von dort wurde es circa 1938/1939 durch den Münchener Kunsthändler Eugen Brüschwiler (1889–1967) erworben. Der genaue Zeitpunkt des Erwerbs ist nicht bekannt. Hinweise auf eine NS-Verfolgung des Malers konnten in den Münchener Meldeunterlagen nicht ermittelt worden.[2] Weiterhin sind keine Rückerstattungsverfahren nach Hans Best bekannt.

Über die Kunsthandlung Eugen Brüschwiler und deren Aktivitäten im Nationalsozialismus konnten nur wenige aussagekräftige Informationen ermittelt werden. Gegründet wurde die Kunst- und Antiquitätenhandlung im Jahre 1916 von den Brüdern Dr. August Brüschwiler (?–?) und Eugen Brüschwiler (1889–1967) in München.[3] Nachdem August Brüschwiler 1931 aus dem Geschäft ausgeschieden war, wurde die Kunsthandlung unter dem Namen „Eugen Brüschwiler“ weitergeführt.[4] Im Zuge mehrerer Umzüge der Kunsthandlung in den folgenden Jahren änderte sich gleichzeitig der Schwerpunkt des Unternehmens: Antiquariat (1935), Bilderhandlung (1939) und Antiquitäten (ab 1940). Seit 1925 war Eugen Brüschwiler Mitglied der NSDAP und darüber hinaus in der SA organisiert.[5] Dies mag ein Grund dafür gewesen sein, dass er von den nationalsozialistischen Machthabern bevorzugt für die Ankäufe von Kunstwerken für den „Sonderauftrag Linz“ beauftragt wurde. Geschäftskorrespondenzen oder Inventarbücher der Kunsthandlung sind nicht überliefert.[6] Weder Brüschwilers Sohn, noch die Tochter hatten das Archiv nach der Geschäftsaufgabe in den 1960er Jahren übernommen.[7]

Von der Kunsthandlung Brüschwiler wurde das Gemälde am 12. Mai 1943 durch Prof. Heinrich Michaelis (?–?) für das Deutsche Reich erworben.[8] Michaelis war zum Reichsstatthalter im Warthegau ernannt und damit beauftragt worden, die Innenräume des Deutsche Schlosses in Posen (Posznan) für Hitler auszustatten. Dazu wurde in den Jahren 1942 und 1943 eine Reihe von Kunstwerken erworben, die eine Inventarnummer mit dem Buchstaben P erhielten. Die Nummer „P 88/IV“ auf der Property Card sowie auf der Bildrückseite weist auf einen Ankauf des Werkes für die „Führerresidenz“ Schloss Posen hin.[9] Dem Inventarverzeichnis des Schlosses ist zu entnehmen, dass es am 12. Mai 1943 für RM 3.000,- angekauft wurde.[10]

Das Schloss Posen wurde zwischen 1905 und 1910 nach dem Entwurf von Franz Schwechten (1841–1924) im neoromanischen Stil als Residenz Kaiser Wilhelms II. (1859–1941) erbaut.[11] Nachdem Polen wieder die Staatssouveränität erlangte, wurde das Schloss ab 1919 als Sitz der Posener Universität sowie Residenz des polnischen Präsidenten genutzt.[12] Nach Ausbruch des Zweiten Weltkrieges wurde es auf Initiative des Reichsstatthalters und Gauleiters im Wartheland, Arthur Greiser (1897–1946), ab 1940 zur „Führerresidenz“ umgebaut,[13] welche als politisches und repräsentatives Zentrum der annektierten polnischen Westgebiete dienen sollte.[14] Die Bauplanungen übernahm Albert Speer (1905–1981), Franz Böhmer (?–?) wurde als Architekt beauftragt. Trotz der Kriegsereignisse und der schwierigen Versorgungslage, wurden die Baumaßnahmen auf Befehl Adolf Hitlers (1889–1945) bis Juli 1944 fortgesetzt[15] und noch bis Januar 1945 die Einrichtung des Schlosses vorangetrieben.[16] Mit dem Innenausbau des Schlosses wurde Michaelis beauftragt. Ihm unterlag auch der Ankauf von Kunstgegenständen, für den im Februar 1942 eine Summe von RM 500.000,- veranschlagt wurde.[17] Allein für Gemälde wurden bis Januar 1944 jedoch RM 1.310.956,- ausgegeben.[18] Bis zur Fertigstellung der Umbauarbeiten am Schloss wurden die Werke im März 1942 bei dem Rahmenmacher K. Pfefferle, München, Türkenstr. 6 eingelagert.[19] Spätestens seit dem 12. November 1943 befanden sie sich auf dem Obersalzberg,[20] von wo aus sie im Herbst 1944 aus Sicherheitsgründen vermutlich direkt in das Salzbergwerk Alt-Aussee ausgelagert wurden.[21] Mit dem Einmarsch der Rotarmisten und den beginnenden Kampfhandlungen in Posen am 26. Januar 1945 wurde das Schloss zum Lazarett umfunktioniert und am 2. Februar 1945 durch die Russen eingenommen.[22]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 30. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[23]  Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[24]

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13444. Zu Hans Best existieren verschiedene Namensvarianten, u. a. Johannes Heinrich Best. Vgl. Auskunft des Stadtarchivs München vom 07.01.2010. Weiterhin ist der Künstler auch unter dem Namen Johann Best zu finden. Vgl. Hans Best, Indexeintrag: Deutsche Biographie. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd116155051.html [Abruf: 09.06.2020].

[2] Vgl. Schreiben vom Stadtarchiv München an das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen (BADV), Berlin vom 07.01.2010.

[3] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv (BWA), München, K1/XV A 10c, Akt 89, Fall 40.

[4] Für das Folgende vgl. Münchener Adressbücher, 1915–1943. Sein Einkommen bezifferte Eugen Brüschwiler laut Angaben in einem Fragebogen vom 01.10.1940 auf RM 21.000,-. Vgl. Bundesarchiv (BArch) Berlin (ehem. BDC), Sammlung: SA, Brüschwiler, Eugen.

[5] Vgl. Auskunft des BArch Berlin vom 06.05.2008.

[6] Folgende hierfür relevanten bayerischen Archive besitzen laut eigener Auskunft keine Unterlagen zur Kunsthandlung Brüschwiler in München: Staatsarchiv München, Stadtarchiv München, Bayerisches Hauptstaatsarchiv München, Wirtschaftarchiv München. Siehe auch: Anja Heuß, Provenienzgeschichte, in: Ausst.kat. Maria Eichhorn, Restitutionspolitik. Politics of Restitution, Städtische Galerie im Lenbachhaus, München, 2003.

[7] Laut telefonischer Auskunft im Januar 2019. Außer einer Kiste beschrifteter Fotos gäbe es keine Unterlagen mehr. Möglicherweise befinden sich Unterlagen des Kunsthändlers Brüschwiler im Nachlass seines Schwiegersohnes, Prof. Wolfgang Schöne (1910–1989). Siehe: Staatsbibliothek Berlin, Handschriftenabteilung, Nachlass 264, Wolfgang Schöne (29 Boxen).

[8] Vgl. Rechnung der Kunsthandlung Brüschwiler an Heinrich Michaelis vom 12.05.1943 im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[9] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13444.

[10] Vgl. Archiwum Państwowe w Poznaniu (APP) [Staatsarchiv Poznan], 53/299/0/7.2/3083, Umbau Deutsches Schloss in Posen. Inventurverzeichnis von beschafften Bildern, Bronzen und Tapisserien, Bl. 36. URL: https://szukajwarchiwach.pl/53/299/0/7.2/3083/str/1/1/15/qM7eXetx3fCZ0hnAzNodVw/#tabSkany [Abruf: 26.05.2020]. Das Inventar enthält u. a. Angaben zu Künstler*in, Titel, Ankaufsdatum, Bezugsquelle und Ankaufspreis. Für sämtliche  Objekte wurden laufende Nummern vergeben, wobei in einem Kontext erworbene Werke, die auf einer einzigen Rechnung gelistet sind, unter einer Nummer zusammengefasst wurden.

[11] Vgl. Zenon Pałat, Die „Zwingburg im Osten“, in: Ausst.kat. Kaiserschloss Posen. Von der „Zwingburg im Osten“ zum Kulturzentrum „Zamek“, Posen, Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg, Potsdam, 03.08.–12.10.2003; Kulturzentrum „Zamek“, Posen, 10.11.2003–18.01.2004, S. 55–62, hier S. 55f.

[12] Vgl. Andrzej Gulczyński, Das Schloss als Residenz des polnischen Präsidenten und Sitz der Posener Universität, in: Ausst.kat. Kaiserschloss Posen, Potsdam 2003 u. a. O., S. 145–152, hier S. 145f.

[13] Vgl. Heinrich Schwendemann/Wolfgang Dietsche, Hitlers Schloss. Die „Führerresidenz“ in Posen, Berlin 2003, S. 107.

[14] Vgl. ebd., S. 175.

[15] Vgl. ebd., Katalog, S. 129f.

[16] Vgl. Barbara Wysocka, Posen als Hauptstadt der polnischen Westgebiete, in: Ausst.kat. Kaiserschloss Posen, Potsdam 2003 u. a. O., S. 139–144, hier S. 141.

[17] Für das Folgende vgl. APP, 53/299/0/7.2/3068, Umbau Deutsches Schloss in Posen. Inventurverzeichnis von beschafften Bildern, Bronzen und Tapisserien, Bl. 81ff. URL: https://szukajwarchiwach.pl/53/299/0/7.2/3068/str/1/6/15/mIKpynNvm1NUuSw4B9oqYw/#tabSkany

[Abruf: 26.05.2020].

[18] Vgl. APP, 53/299/0/7.2/3083, Umbau Deutsches Schloss in Posen. Inventurverzeichnis von beschafften Bildern, Bronzen und Tapisserien, Bl. 4. URL: https://szukajwarchiwach.pl/53/299/0/7.2/3083/str/1/1/15/yD_N2CH4hl_7FF3PNvsoAg/#tabSkany

[Abruf: 26.05.2020].

[19] Vgl. ebd., Bl. 6. URL: https://szukajwarchiwach.pl/53/299/0/7.2/3083/str/1/1/15/qM7eXetx3fCZ0hnAzNodVw/#tabSkany [Abruf: 26.05.2020].

[20] Vgl. ebd., Bl. 105. URL: https://szukajwarchiwach.pl/53/299/0/7.2/3083/str/1/8/15/jV1Egrhj8ciVHB-BQDiQqw/#tabSkany [Abruf: 26.05.2020].

[21] Vgl. ebd., Bl. 2. URL: https://szukajwarchiwach.pl/53/299/0/7.2/3083/str/1/1/15/BmI6c_3tRbCt4vKfa38kYw/#tabSkany

 [Abruf: 26.05.2020].

[22] Vgl. Schwendemann/Dietsche 2003, S. 158.

[23] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13444.

[24] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) (10) [Abruf: 07.05.2020].

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular