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Uyttenbroeck, Moysesz van

Midasurteil [Landschaft mit Midasurteil]

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Holz
Maße 38 cm x 53,5 cm
Münchener-Nr. 13664
Linz-Nr. 2794
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Moysesz van Uyttenbroeck (um 1590–1648) war ein Maler der Holländischen Schule und lebte in Den Haag.[1] Er war Schüler des deutschen Barockmalers Adam Elsheimer (1578­–1610) in Rom. Am 19. Oktober 1620 wurde Uijtenbroek Mitglied der Haager Gilde. Sieben Jahre später wurde er zu deren Dekan ernannt.

In der rechten Hälfte des Gemäldes ist Pan auf einem Hügel sitzend, zu König Midas gewandt und mit der rechten Hand auf Apoll weisend, dargestellt. Rechts und links von ihm befinden sich Figuren vor eine Waldkulisse. In der Mitte sitzt ein nackter Mann auf einem weißen Tuch, während vor ihm ein stehender Jüngling mit einem Blätterkranz auf dem Kopf auf einem antiken Saiteninstrument (Lyra) spielt. Im Hintergrund sind zwei weitere Personen vor einer arkadischen Landschaft zu sehen

Das Werk ist weder signiert noch datiert.

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „13664“ (Mü-Nr.); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „2794“ (Linz-Nr.); weißes Etikett mit schwarzem Rand „Sch.[?] 459/ST, 14 JUN 1941[?]“ (nicht identifiziert); Etikett mit rundem Stempel (nicht identifiziert); in Schwarz, zweimal „K1954“( Kremsmünster); runder Stempel (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 15, Leipzig 1999, S. 17.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
O. J.Unbekannt, Holland
Bis 14.01.1939Kunsthandlung Paul de Boer, Amsterdam
14.01.1939–07.04.1943Kunsthandlung Julius Böhler, München
Ab 07.04.1943Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab April 1943Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
03.04.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Die Amsterdamer Kunsthandlung Paul de Boer veräußerte das Werk am 14. Januar 1939, zusammen mit einem weiteren Gemälde, an die Münchener Kunsthandlung Julius Böhler für RM 5.200,-.[1] Auf der Rechnung ist „Herkunftsland Holland. / 1 Jahr in Holländischem Besitz“ vermerkt. Nicht bekannt ist, wann de Boer das Werk aus holländischem Besitz erwarb bzw. ob er es lediglich als Kommissionsware übernahm.

Die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler wurde im Jahre 1880 vom gleichnamigen Kunsthändler (1860–1934) gegründet. Ab 1905 wurde sie im neu errichteten prachtvollen Stadtpalais und Geschäftshaus in der Briennerstraße von der Kunsthändlerfamilie Böhler sowie weiteren Teilhabern geleitet.[2] Zum Programm der Kunsthandlung gehörten insbesondere Möbel, Plastiken, Skulpturen, sowie Gemälde (Alte Meister) und Kunsthandwerk.[3] Angesichts der Qualität und Fachkompetenz gewann das Unternehmen ein hohes Ansehen bei Sammlern und Museen. Darüber hinaus zeichnete sich die Kunsthandlung durch ihre langjährigen und internationalen Kontakte aus. So verhalf Julius Böhler dem Berliner Kunsthändler Karl Haberstock (1878–1956) einen bedeutenden Anteil der Sammlung des deutsch-niederländischen Bankiers Fritz Gutmann (1886–1944) zu erwerben. In den Jahren 1933–1945 nutzten sein Enkel Julius Harry Böhler (1907–1979) sowie der Teilhaber Hans Sauermann (1885–1960) die Vorteile, die sich nicht-jüdischen Kunsthändlern durch die Ausschaltung ihrer jüdischen Konkurrenz und angesichts des größeren Angebots auf dem Kunstmarkt wegen der unter Verfolgungsdruck verkauften Kunstsammlungen boten. Neben einigen Erwerbungen für das Germanische Nationalmuseum kaufte die Kunsthandlung Böhler insbesondere für ihren eigenen Bestand oder auf Provisionsbasis bei Versteigerungen von Kunstsammlungen, die entzogen, beschlagnahmt, unter Zwang verkauft oder verschleudert wurden. Zum Beispiel auf den Auktionen der Restbestände der Münchner Kunsthandlung A.S. Drey und der umfangreichen Kunstsammlung Emma Budges (1852–1937), die von Paul Graupe (1881–1953) bzw. Hans W. Lange (1904–1945) in Berlin durchgeführt wurden. Ferner gab es direkte Ankäufe von jüdischen Sammlern, die während der NS-Zeit in Bedrängnis geraten waren.

Von der Kunsthandlung Julius Böhler wurde das Gemälde am 7. April 1943 für RM 8.000,- durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nr. 2794.[4] Es wurde am 16. April 1943 vom zuständigen Registrator des „Sonderauftrag Linz“, Hans Reger (?–?), im Münchner „Führerbau“ in Empfang genommen.[5] Reger war Architekt und Mitarbeiter im Büro von Paul Ludwig Troost (1878–1934) in München.[6] Zwischen 1938 und 1945 war er für das Kunstdepot im „Führerbau“ zuständig und registrierte und katalogisierte alle Kulturgüter, die für den „Sonderauftrag Linz“ bestimmt waren.

Die Nummer „K1954“ auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin. Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrages Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[7] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[8]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 3. November 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[9] Im Folgenden wurde das Gemälde von den Niederlanden beansprucht und gelangte im Wege der Äußeren Restitution am 5. November 1946 zurück nach Amsterdam.[10]

Mit Schreiben vom 2. Februar 1948 hatte Julius Böhler dem Collecting Point München die Originalrechnung der Kunsthandlung Paul de Boer vom 14. Januar 1939 für den Ankauf des Gemäldes vorgelegt.[11] Dieser erfolgte somit nachweislich vor der Besetzung der Niederlande durch deutsche Truppen im Mai 1940. Das Gemälde wurde folglich am 17. November 1948 an Deutschland als nicht niederländisches Eigentum zurückgegeben.[12]

Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk alle ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[13]

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Bundesarchiv (BArch) Koblenz, B323/331, Bl. 23. Abschrift der Rechnung von der Kunsthandlung de Boer, Amsterdam an Böhler, München vom 14.01.1939. Auf der Property Card zum Werk ist der 18.01.1939 als Ankaufsdatum vermerkt. Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13664.

[2] Für das Folgende vgl. Findbuch des Bayerischen Wirtschaftsarchivs München, F 043, Julius Böhler Kunsthandlung, München. URL: www.bwa.recherche.findbuch.net/php/main.php?ar_id=3254&be_kurz=4620303433#4620303433 [Abruf 26.05.2020].

[3] Für das Folgende vgl. Timo Saalmann, Langjährige Kontakte. Die Münchner Kunsthandlung Julius Böhler, in: Gekauft – getauscht – geraubt? Erwerbungen zwischen 1933 und 1945, Nürnberg 2017, S. 24–37.

[4] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13664.

[5] Vgl. BArch Koblenz, alte Signatur: XVa/28, Bl. 140. Bestätigung über den Empfang des Werkes durch Reger, München vom 16.04.1943 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[6] Für das Folgende vgl. Lost Art, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Hans Reger. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/R/Reger,%20Hans.html [Abruf: 26.05.2020]. Siehe auch: Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der Sonderauftrag Linz. Visionen, Verbrechen und Verluste, 1. Auflage, Berlin 2005.

[7] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[8] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[9] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13664.

[10] Vgl. BArch Koblenz, B323/765, Ministerpräsidentenkartei, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13664.

[11] Vgl. BArch Koblenz, B323/331, Bl. 23, Abschrift der Rechnung von der Kunsthandlung de Boer, Amsterdam an Böhler, München vom 14.01.1939.

[12] Vgl. BArch Koblenz, B323/765, Ministerpräsidentenkartei, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 13664.

[13] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 07.05.2020].

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