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Hackert, Jakob Philipp

Castell am See mit Staffage

Entstehungsjahr 1804
Technik Öl auf Leinwand
Maße 63,5 x 86,5 cm
Münchener-Nr. 19456
Linz-Nr. 3274
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Jakob Philipp Hackert (15. September 1737 Prenzlau bis 28.4. 1807 Florenz) arbeitete nach seiner Ausbildung in Berlin und Aufenthalten in Schweden und Frankreich vorwiegend in Italien.1 Hier etablierte er sich als international gefragter Künstler, der bis weit in das 19. Jahrhundert hinein die Vorstellung von der mediterranen Landschaft prägen sollte. Zu seinen Themen gehörten Ansichten von Rom, Neapel und seiner Umgebung, Hafenszenen, Küsten – und Flusslandschaften, Paraden und Jagdszenen sowie die in stimmungsvolles Licht getauchte Campagna di Roma. Hackert wurde als einer der bedeutendsten europäischen Landschaftsmaler im Stil des Neoklassizismus im letzten Drittel des 18 Jahrhunderts verehrt.

Seit 1768 in Rom tätig, arbeitete Hackert ab 1786 für König Ferdinand IV als Hofmaler in Neapel. In der aristokratischen Gesellschaft Roms und Neapels, bei englischen Kunstfreunden und im Freundeskreis von Johann Friedrich Reiffenstein und Angelika Kaufmann war er hoch angesehen. Goethe pflegte seit seiner ersten Italienreise eine intensive Freundschaft mit Jakob Philipp Hackert und schrieb 1811 seine Biografie nach dessen hinterlassenen Dokumenten. Nach der französischen Revolution sah sich Hackert 1799 als Repräsentant des alten Systems genötigt aus Rom zu fliehen und lebte bis zu seinem Tod in Florenz und erwarb in der Nähe von Florenz ein Landgut in San Piero di Careggi und war weiterhin äußerst aktiv als Maler und Zeichner tätig. Hackert zeigte ein an den Bedürfnissen des Marktes orientierten Geschäftssinn.

Im 19. Jahrhundert verringerte sich sein Ansehen, das bis zu abfallenden Urteilen reichte. Hackert geriet zunehmend in Vergessenheit. Erst 1994 wurde von Claudia Nordhoff und Hans Reimer ein Werkverzeichnis publiziert. In den letzen 200 Jahren wurde im keine umfassende Ausstellung gewidmet. Die erste dieser Art wird in der Ausstellung Jakob Philipp Hackert Europas Landschaftsmaler der Goethezeit vom 25. August bis 2. November in der Klassik Stiftung Weimar und vom 28. November 2008 bis 15. Februar 2009 in der Hamburger Kunsthalle präsentiert.

In seiner letzten Lebensphase in der Toskana schöpfte Hackert aus einem enormen Motivvorrat. Aus seinem reichen Fundus an Motiven aus dem königreich Neapel und Sizilien komponierte er weiterhin Ansichten der bekanntesten und beliebtesten italienischen Gegenden.2

Das Gemälde trägt keine Ortsbezeichnung und sollte wohl als allgemeine Flusslandschaft verkauft werden. Auf dem Gemälde ist vermutlich ein Schloss in der Nähe Neapels am Fluss Volturno zu sehen. Beladene und mit verziertem Zaumzeug versehene Lastesel, wie hier auf der Brücke erscheinen in kleineren Bildern aus Hackerts letzen Jahren auch einzeln, er fertigte die Tierstudien in freier Natur an.3 Es ist mit „Ph. Hackert 1804“ bezeichnet und datiert.

Provenienz

Zeittafel
19.1.1944

von Kunsthandlung Dr. Hans Rudolph, Berlin für 50.000 RM

zusammen mit Linz 3273 (Die Ebene von Capua, von Caperta aus gesehen) für RM 60.000 für den „Sonderauftrag Linz“ erworben4

Die TVK München ermittelte, dass das Gemälde von der Kunsthandlung Dr. H. Rudolph für RM 110.000 zusammen mit Linz 3273 erworben wurde. Auf der Property Card ist als Provenienz „früher Berlin, Kunsthandlung Carl Nicolai“ vermerkt.5 Im Dresdner Katalog stimmen die Angaben mit den Informationen auf der Property Card überein.6  

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes:

Das Gemälde kam aus dem Dezernat 10 der Münchner Polizei an den Collecting Point München.7 Ende April 1945 sind einige Bilder des „Sonderauftrags Linz“ bei einer Plünderung im Münchener „Führerbau“ gestohlen wurden. Den amerikanischen Besatzungstruppen und der Münchner Kriminalpolizei gelang es, einige der Bilder, so auch dieses Gemälde sicherzustellen.8

In den Unterlagen im Bundesarchiv Koblenz im Bestand Treuhandverwaltung für Kulturgut der OFD München9 konnten die Angaben nur teilweise bestätigt werden.

Das Gemälde wurde von dem Kunsthändler Dr. Hans Rudolph Berlin am 19.12.1943 gemeinsam mit einem zweiten Hackert Gemälde angeboten. Hans Rudolph schreibt „Ich schreib Ihnen von den beiden bedeutenden und interessanten Bildern von Hackert, die ich kürzlich erwarb und in einer kleinen Provinzstadt in der Mark stehen habe. Ich habe die Absicht am 6. Januar in Berlin zu sein, um die Bilder sofort zu verkaufen. Es sind verschiedene Interessenten vorhanden, mit denen ich darüber den Schriftwechsel eingeleitet habe.“10 Er lässt die Gemälde „Campagnelandschaft“ (heute „Die Ebene von Capua, von Caperta aus gesehen“, 1784) für RM 60.000 und das Castell bei Neapel für RM 50.000 durch seinen Sekretär Werner Platzek am 13.1. 1944 Hermann Voss in Dresden vorstellen. Beide Gemälde wurden für RM 110.000 am 19.1. 1944 für den „Sonderauftrag Linz“ erworben.11

Zur Kunsthandlung Dr. Hans Walter Rudolph konnten nach Anfragen im Landesarchiv Berlin und im Amtsgericht Berlin Charlottenburg kein Firmenarchiv recherchiert werden.12

Zur Kunsthandlung Rudolph liegen folgende Informationen vor. Dr. Hans Walther Rudolph, geb. am 29.09.1897 in Lübeck, Kunst und Antiquitätenhändler, hatte nach bisherigen Recherchen seine Kunsthandlung für Gemälde alter und neuer Meister 1943 in Berlin W 35, Lützow –Ufer 10, nach Luftangriffen auf Berlin am 22. 11. 1943 wurde sein Geschäft zerstört und er wich in die Lützower – Str. 13 und nach Klingenberg in Schleswig - Holstein bei Lübeck aus. Anscheinend lebte er sowohl in Berlin als auch in Klingenberg bei Lübeck. Dr. Hans Rudolph bot seine Kunstvermittlungen für den „Sonderauftrag Linz“ erstmals in direktem Kontakt am 28.9. 1943 Hermann Voss an. Er verweist auf seine Erfahrungen im Handel von bedeutenden Gemälden an deutsche Museen und über den Verkauf von Gemälden an Hitler durch Vermittlung von Heinrich Hoffmann.13

Eine Niederlassung seiner Kunsthandlung befand sich in Amsterdam.14 Insgesamt verkaufte er ab Dezember 1943 bis November 1944 sechs Gemälde an den „Sonderauftrag Linz“. Fünf Gemälde erwarb er aus dem niederländischen Kunsthandel oder Privatbesitz. Aufgrund der Angaben auf der Property Card und des Rückseitenbefundes zum interessierenden Gemälde konnte bisher keine Verbindung zum niederländischen Kunstmarkt festgestellt werden, die engen Kontakte Rudolphs zum niederländischen Kunstmarkt lassen diese Vermutung jedoch zu. 1944 bot er Hermann Voss aus seinem Büro in Amsterdam ein weiteres Gemälde Hackerts „Die Wasserfälle bei Tivoli“ an, was er offenbar nicht erwarb.15

Eine Anfrage im Rijksbureau voor Kunsthistorische Dokumentatie ergab keine Hinweise zum Gemälde aus niederländischem Kunstbesitz.

Der Erwerb des Gemäldes durch Rudolph bei der Kunsthandlung Carl Nicolai, konnten im Bestand Treuhandverwaltung für Kulturgut der OFD München nicht bestätigt werden. Es liegen nach Anfragen im Landesarchiv Berlin und im Amtsgericht Berlin Charlottenburg keine geschäftlichen Zeugnisse der Kunsthandlung Carl Nicolai vor, die Auskunft über den Besitz des interessierenden Gemäldes geben.Im Amtsgericht Berlin - Charlottenburg ist die Handelsregisterakte nicht auffindbar.16 Im Landesarchiv Berlin befindet sich eine personenbezogene Unterlage des Berliner Document Centers zu Carl Nicolai.

Carl Nicolai (geb. am 25.2.1878) agierte als Zwischenhändler für den „Sonderauftrag Linz“ und verkaufte 3 Gemälde an den „Sonderauftrag Linz“. Seine Gemälde – Galerie befand sich in Berlin in der Victoria – Str. 25 a und seine Wohnung in Berlin - Charlottenburg, Pestalozzistr. Nr. 51a. Die Kunsthandlung wurde 1966 im Handelsregister Berlin - Charlottenburg gelöscht.17

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle bekannten Quellen ausgeschöpft sind. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust kann nicht ausgeschlossen werden.

Stand: 2009

1 Nach Gaßner, Hubertus, Guse, Ernst Gerhard (Hrsg.), 2008. S. 7; Thieme Becker, 1922, Bd. 15,  S. 412 – 414.
2 Werrche, in:  Gaßner; Guse, 2008. S. 7.
3 De Seta; Nordhoff, 2005, S. 217. Vgl, Brief von  Frau Dr. Claudia Nordhoff, 14.12. 2008.
4 BArch Koblenz, B 323/ 141, XXI, S. 76, Bl. 346, BA Koblenz ,B 323/154 XXVIIa, 121, 653.
5 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 19456.
6 BArch Koblenz, B 323/84, S. 272.
7 Mü, Kripo 10. Vgl. BADV, Property Card, Mü-Nr. 19456.
8 Löhr, 2005, S. 169.
9 BArch Koblenz, B 323.
10 BArch Koblenz, B 323/141, LF XXI, S. 79, Bl. 365.
11 Ebenda, S. 77, Bl. 350., BArch Koblenz, B 323/154, LF XXVII, S. 120, Rechnung vom 14.1. 1944 durch Galerie Dr. Hans Rudolph. Vgl. BA Koblenz B 323/141, LF XXI, S. 75, Bl. 349.
12 Auskunft Bundesarchiv Berlin. Vgl. E-Mail vom 13.11.2008, Landesarchiv Berlin. Vgl. E-Mail vom 18.11.2008, Amtsgericht Berlin-Charlottenburg. Vgl. E-Mail vom 26.11.2008.
13 LAB, B Rep 021, Meldekartei Dr. Hans Rudolph Werner, nach Mitteilung des Landesarchivs Berlin., BArch Koblenz, B 323/ 141, LF XXI, S. 75, Bl. 345., LAB, B Rep 021, Meldekartei Dr. Hans Rudolph Werner., BArch Koblenz, B 323, Nr. 141, XXI, S. 81, Bl. 379.
14 Brief Hans Rudolph am 19.2.44 an Hermann Voss:„Wie ich Ihnen bereits persönlich in der vorigen Woche mitteilte, habe ich mir erlaubt, Ihnen aus meinem Bureau in Amsterdam durch die Spedition Neumann & Vettin, Amsterdam, Keizergracht 376 das grosse Gemälde von J. Ph. Hackert, Die Wasserfälle bei Tivoli darstellend zuzusenden“. Vgl. BA Koblenz, B 323/141, XXI, S. 75, Bl. 345.
15 Brief Hans Rudolph am 19.2.44 an Hermann Voss. Vgl. BA Koblenz, B 323/141, XXI, S. 75, Bl. 345; Alphabetisches Verzeichnis der im Rahmen des Sonderauftrages Linz erworbenen Kunstwerke, Stand 15. Septm. 1958. Vgl. BA Koblenz, B 323/194, S. 133.
16 Auskunft Gisela Erler, Landesarchiv Berlin. Vgl. E-Mail vom 18.11.2008., Amtsgericht Berlin- Charlottenburg, HRA 97202. Vgl. Auskunft Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, E-Mail vom 26.11.2008.
17 Landesarchiv Berlin., Berliner Adressbuch 1930, Teil, 1, S. 2362., Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, HRA 97202. Vgl. Auskunft Amtsgericht Berlin-Charlottenburg, E-Mail vom 26.11.2008.

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