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Adam, Albrecht

Der große Siglavi und der Forresto-Schimmel aus dem Kaiserlichen Österreichischen Marstall

Entstehungsjahr 1844
Technik Öl auf Leinwand
Maße 51 x 61,5 cm
Münchener-Nr. 2470
Linz-Nr. 647 / 542
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Albrecht Adam wurde 1786 in Nördlingen als Sohn eines Konditormeisters geboren.1 Er brachte dementsprechend keine künstlerische Vorbildung mit, fiel aber von klein an durch sein künstlerisches Talent auf. Als Autodidakt, gefördert durch den Zeichenunterricht bei Christoph Zwinger in Nürnberg, machte er schnell von sich reden, einerseits durch seine gekonnten Pferdeporträts, andererseits durch sein besonderes Interesse und Talent für die künstlerische Umsetzung kriegerischer Ereignisse. 1809 wurde er Hofmaler (bis 1824) des Vizekönigs von Italien, Eugène de Beauharnais, Herzog von Leuchtenberg, seit 1816 mit Wohnsitz in München. In der Zeit der napoleonischen Kriege und im weiteren Verlauf des 19. Jahrhunderts ergaben sich für Adams Begabung zahlreiche Gelegenheiten, so begleitete er 1812 die napoleonische Armee auf dem Rußlandfeldzug und besuchte die Kriegsschauplätze in Italien 1848 sowie Ungarn 1851, um seinen Bildern durch unmittelbare Anschauung und durch Terrainstudien stärkere Überzeugungskraft zu verleihen. Seine künstlerische Spezialisierung trug ihm Aufträge der höchsten Würdenträger in ganz Europa ein, so u. a. von König Max I. Joseph und König Max II. von Bayern, König Wilhelm von Württemberg, König Ludwig I. von Bayern, dessen Hofmaler er seit 1854 war, sowie Kaiser Franz Josef I. von Österreich. Besonders hervorzuheben ist der Großauftrag von 1839 über 16 Schlachtenbilder, den ihm Maximilian, Herzog von Leuchtenberg, für sein Petersburger Palais erteilte. Bedeutende Ehrungen blieben nicht aus: So wurde Adam 1824 Ehrenmitglied der Bayerischen Akademie und 1825 Mitglied der Berliner Akademie, 1850 wurde ihm der Franz-Josephs-Orden (Österreich), 1854 der Max-Joseph-Ritterorden für Wissenschaft und Kunst (Bayern) und ebenfalls 1854 der Rote-Adler-Orden (Preußen) verliehen. Adam verstarb 1862 in München.
Adams Bekanntheitsgrad steigerten insbesondere zwei umfangreiche Lithographiewerke, die seine beiden Hauptthemen, Kriegs- und Pferdedarstellungen, dokumentieren: „Voyage pittoresque et militaire de Willenberg en Prusse jusqu’à Moscou, fait en 1812“ (1827-33) und „Die Pferdezucht auf Alsen“ (1838).2 Adam ist Begründer einer ganzen Künstlerdynastie, die bis in die 2. Hälfte des 20. Jahrhunderts wirkte. Seine Autobiographie wurde 1886 veröffentlicht, das Archiv der Familie befindet sich im Stadtarchiv München. Adam ist einer der wichtigsten Vertreter der Münchner Malerschule und taucht als solcher in allen einschlägigen Lexika und Nachschlagewerken auf.

Das hier interessierende Gemälde zeigt folgendes: inmitten einer weiten, kahlen Landschaft ist im Vordergrund ein Reitknecht zentral ins Bild gesetzt, der zwei ungesattelte Pferde am Halfter hält. Er ist in einen Trachtenmantel gehüllt, trägt Stiefel mit Sporen sowie einen breitkrempigen schwarzen Hut und wendet dem Betrachter in Schrittstellung leicht zurückgelehnt den Rücken zu im Bemühen, den sich vor ihm ungestüm nach links hin aufbäumenden Siglavi zu halten. Zu seiner Rechten steht ganz entspannt bildparallel der Forresto-Schimmel. Hinter ihm springt sein gescheckter Begleithund aufgeregt nach links. Im Mittelgrund sieht man am linken Bildrand einen dunkelhäutigen Reiter, dessen Kleidung auf arabische Herkunft verweist, mit Handpferd in gestrecktem Galopp entschwinden. Zur Rechten türmen sich hinter dem Forresto-Schimmel ein Heuschober und dahinter der Dachfirst eines Hauses und geben dem Bild seinen seitlichen Abschluß. Nur zwischen den Pferden dringt der Blick des Betrachters in die Ferne der Landschaft, deren Horizontlinie das Bild nahezu mittig teilt.
Adam kombiniert in seinem Gemälde geschickt das präzise, aber statische Pferdeporträt mit dem freieren bewegten Aktionsbild sowie minutiös gestaltete Protagonisten im Vordergrund mit nur skizzenhaft druchgearbeiteten Motiven im Mittelgrund und einem vage gehaltenen Hintergrund. Insbesondere durch die Kleidung von Reiter und Reitknecht sowie durch die öde Landschaft verleiht Adam seinem Bild Lokalkolorit, womit er vielleicht auf die Herkunft des Großen Siglavi, eines der Begründer der Lipizzaner Hengst-Linien, vom Balkan und auf die Beheimatung des Gestüts Lipizza im heutigen Slowenien im Karstgebirge unweit von Triest verweisen wollte.

Provenienz

Zeittafel
vermutlich 1939 aus dem deutschen Kunsthandel über die Galerie Almas-Dietrich, München für den "Sonderauftrag Linz" erworben3  

Auf der Property Card, mü 2470 wird das Bild geführt als: „Der große Siglavi und der Forresto-Schimmel aus dem Kaiserlichen Österreichischen Marstall“; in der Datenbank „Sammlung des Sonderauftrages Linz“ erscheint es als: „Pferdeporträts zweier Schimmel aus dem kaiserlichen Reitstall“.

Die TVK München ermittelte, dass das vorliegende Gemälde von der Galerie Almas, München, angekauft wurde, die es nach Aussage Maria Dietrichs vom 14. 8. 1951 aus dem deutschen Kunsthandel erworben hatte.4

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: In den Unterlagen im Bundesarchiv Koblenz im Bestand Treuhandverwaltung für Kulturgut der OFD München konnte die Aussage von Frau Maria Almas Dietrich nachgewiesen werden. Alle Querverweise bestätigen nach umfassender Recherche im Bundesarchiv die vorliegenden Angaben, fördern jedoch keine neuen Erkenntnisse zutage.5

Die Recherchen zur Galerie Maria Almas-Dietrich ergaben, dass keine zur Provenienz des Gemäldes relevanten Akten in Münchener Archiven überliefert sind.6 Die Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München sind nicht überliefert.7 Akten der Reichskammer der bildenden Künste sind im Bestand der Reichskulturkammer und ihrer Einzelkammern im Bundesarchiv Berlin nicht überliefert.8 Im Bundesarchiv Berlin sind keine personenbezogenen Unterlagen zu Maria Dietrich überliefert.9

Maria Dietrich wurde am 28. Juli 1892 in München geboren, ihr Vater war Jude. 1910 bekam sie ein uneheliches Kind von einem deutsch-amerikanischen Juden. 1921 heiratete sie Ali Almas-Diamant, einen türkischen Maler, und erhielt dadurch die türkische Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Scheidung 1937 nahm sie 1940 wieder ihre deutsche Staatsangehörigkeit an, behielt aber den Namen Almas für ihre Galerie. Sie handelte seit 1919 mit Kunst und meldete im November 1937 die Kunsthandlung Almas offiziell an. 1940 stieg ihr Einkommen mit der Besetzung Frankreichs auf eine halbe Million Reichsmark. Maria Dietrich erwarb vor allem ab 1940 Kunstwerke aus dem besetzten Frankreich und aus Österreich.10
Insgesamt verkaufte Frau Dietrich über 900 Werke an Hitler. Sie hatte engen Kontakt zu Heinrich Hoffmann, er ermöglichte ihr ab 1936 den Zugang zu Hitler und verkaufte mit ihr bis 1940 Bilder an Hitler. Später konnte sie selbstständig, ohne die Zustimmung von Hans Posse oder Hermann Voss Gemälde an Hitler einliefern. Sie hatte zahlreiche Kontakte zu Kunsthändlern und Versteigerungshäusern, unter anderem auch zum Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, das als Verkäufer für die Berliner Finanzbehörden agierte. Zu ihren Lieferanten in München gehörte unter anderem die Galerie Maria Gillhausen. Nachdem Hermann Voss die Leitung des Sonderauftrages Linz übernommen hatte, verkaufte sie weniger Bilder an Hitler.11
1944 brannte ihr Geschäft in der Ottostraße nach Luftangriffen auf München aus, und 1945 wurde ihr Privathaus zerstört.12 Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Maria Dietrich die Kunstgalerie weiter, die später von ihrer Tochter übernommen wurde.13

Die kunsthistorischen Recherchen ergaben Folgendes: Die Gesamtzahl der aus Adams Werkstatt stammenden Gemälde, in späteren Jahren oft in Zusammenarbeit mit seinen Söhnen entstanden, lässt sich zum jetzigen Zeitpunkt nicht überblicken und ist weder durch den Maler selbst dokumentiert noch durch die kunsthistorische Forschung in einem Werkverzeichnis aufgearbeitet. Das vorliegende Gemälde könnte angesichts der überaus präzisen Durcharbeitung im Sinne der Porträtgenauigkeit und der Identifizierbarkeit der dargestellten Pferde trotz seiner geringen Abmessungen eine Auftragsarbeit sein, lässt sich in der Literatur vor 1945 jedoch nicht nachweisen.14

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Anhaltspunkte für weitere Recherchen liegen derzeit nicht vor.

Stand: 2011

1 Für Folgendes vgl. Brulliot 1, 1832, S. 17, 712; 2, 1833, S. 10; Müller o. J. (1845), S. 120; Le Blanc 1, 1854, S. 3; Müller, KL 1, 1857, S. 5; 4, 1870, S. 2; Nagler, Monogr. 1, 1858, S. 47f. Nr. 98, 537f. Nr. 1251; Meyer, KL 1, 1872, S. 65-68; ADB 1, 1875, S. 44f.; Seubert 1, 1878, S. 4f., 576; Thieme/Becker 1, 1907, S. 57f.; Müller/Singer 1, 1921, S. 5f.; Nagler, KL 1, 1924, S. 15-17; NDB 1, 1953, S. 51f.; ÖKL 1, 1974, S. 10; Münchner Maler 1, 1981, S. 9-11; AKL 1, 1983, S. 282f.; DBE 1, 1995, S. 27; DA 1, 1996, S. 141; Bénézit 1, 1999, S. 54.
2 Adam ist als Illustrator aufgeführt in LGB 1, 1985, S. 19
3 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 2470. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummer sind Aussee 1814, Linz 647 / 542,
4 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 2470. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummer sind Aussee 1814, Linz 647 / 542, K 682.
5 BArch Koblenz, B 323/46/48; B 323/79/148.
6 Nach Recherchen des BADV Berlin zu mü 9458 besitzen folgende Archive keine Akten zur Galerie Maria Almas-Dietrich: Staatsarchiv München, Stadtarchiv München, Bayrisches Hauptstaatsarchiv München und Wirtschaftsarchiv München.
7 Boberach 1991.
8 BArch Berlin, R 56.
9 Mitteilung des Bundesarchivs Berlin. Vgl. E-Mail vom 12. 11. 2008.
10 Eichhorn 2003, S. 272.
11 Löhr 2005, S. 127f.
12 BArch Koblenz, B 323, 436.
13 Eichhorn 2003, S. 272.
14 Die in den in Anm. 2 genannten Nachschlagewerken und in der Bibliographie zur Bayerischen Kunst, vgl. Wichmann, Bibl. 1, 1961, 4, 1973, verzeichneten Erwähnungen Adams haben sich als nicht relevant erwiesen. Das vorliegende Bild wird ebenso wenig erwähnt bei: Boetticher I.1, 1891, S. 14-16; Luzio 1898; Holland 1915.

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