Stuck, Franz von
Spielende Faune auf einer Wiese
Entstehungsjahr | 1892 |
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Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 67 x 73 cm |
Münchener-Nr. | 3682 |
Linz-Nr. | 176a |
Lost Art-ID | 422122 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Auf einem sanft ansteigenden Wiesenhang spielt in dessen Zentrum ein Faunkind mit einem weißen kleinen Bock. Rechts davon schauen Faunkinder diesem Schauspiel begeistert zu, während andere im Schatten des Waldrandes lagern, der sich im Bildhintergrund befindet. Überstrahlt wird die Szene von einem blauen Himmel. Stuck fertigte das nahezu quadratische Gemälde „Spielende Faune auf einer Wiese“ im Jahre 1892.1 Während der 1890er Jahre sind spielende Kinderfaune, liebestolle oder kämpfende erwachsene Faune in seinem Oeuvre ein sehr häufiges Motiv. Die Verwendung mythologischer Gestalten wie Faune, Kentauren oder Nymphen ist eine Übernahme aus der Bildtradition durch Stuck.2 Zeitgenössischen Betrachtern waren mythologische Wesen ein geläufiges Thema, da bereits Arnold Böcklin, Hans Thoma und Max Klinger sie häufig verwendeten.
Provenienz
1894 | Ankauf von Martin Flersheim, Frankfurt a.M., durch Vermittlung des Frankfurter Kunstvereins direkt vom Künstler 3 |
Vor Juli 1938 | Erwerbung vom „Sonderauftrag Linz“ |
Vorgesehen für Kremsmünster |
Der Property Card zum Gemälde konnten keine Angaben zur Provenienz des Gemäldes entnommen werden. Die Recherchen in der kunsthistorischen Literatur ergaben, dass das Werk in der 1909 erscheinenden Publikation von Fritz von Ostini im Besitz der Galerie Flersheim in Frankfurt am Main war.4 Bei dieser Galerie handelte es sich um die Sammlung moderner Kunstwerke von Martin und Florence Flersheim, die sie in ihrem Kunstsalon einem größeren Kreis von Interessierten zugänglich machten.5 Flersheim, der durch seine Position als Kaufmann und Mitinhaber einer Importfirma dazu finanziell in der Lage war, engagierte sich aktiv für das Frankfurter Kunstleben und förderte einzelne Künstler. Er hatte das Gemälde im Jahre 1894 durch Vermittlung des Frankfurter Kunstvereins direkt vom Künstler erworben.6 In seinem um 1911 erstellten Bestandsverzeichnis lautete der Titel dort „Scherzende Faune“. Beschreibung und Maße lassen zweifellos den Schluss zu, dass es sich um das heute in Bundesbesitz befindliche Werk handelt.
In der kunsthistorischen Literatur beziehungsweise in Ausstellungskatalogen ist das Gemälde mehrfach belegt. Zum ersten Mal ist es in der Zeitschrift „Kunst für alle“ des Jahres 1903 abgebildet, allerdings ohne Besitzerangabe.7 Ein weiteres Mal bei Bierbaum 1908, auch ohne Besitzerangabe.8 Erstmals wird die Galerie Flersheim als Besitzer im Jahre 1909 von Ostini erwähnt.9 Im Werkverzeichnis von Voss sind das Bild selbst und mehrere ähnliche Gemälde mit dem Motiv der spielenden oder kämpfenden Faune erwähnt.10 Aufgrund der Darstellung, der Maße und der Technik können diese jedoch eindeutig von dem hier in Rede stehenden Gemälde abgegrenzt werden. Bei der Durchsicht der Münchener und Berliner Ausstellungskataloge der Jahre 1900 bis 1945 konnte das Werk auf der Kunstausstellung in München im Jahre 1929 nachgewiesen werden, die zu Ehren des verstorbenen Künstlers stattfand.11 Dem Katalog ist zu entnehmen, dass Flersheim zu diesem Zeitpunkt noch der Besitzer des Werkes war. Ein Asterix hinter dem Werk bezeichnet es als unverkäuflich.
Als Martin Flersheim 1935 verstarb, emigrierte Florence Flersheim aufgrund ihrer jüdischen Herkunft 1938 in die USA, deren Staatsangehörigkeit sie besaß. Vor ihrer Auswanderung musste sie eine unbekannte Anzahl von Kunstwerken aus der Sammlung in Frankfurt veräußern, die teilweise die Stadt Frankfurt erwarb. Den Restbestand an Bildern konnte sie in das neutrale Ausland, vorwiegend nach Holland, bringen. 1944 sind die dort in Liftvans gelagerten Kunstwerke allerdings vom ERR beschlagnahmt worden. In den Listen der beschlagnahmten Objekte ebenso wie in den Listen der Kunstwerke, die in Frankfurt verkauft wurden, ist das betreffende Gemälde nicht enthalten.12
Im Städelschen Kunstinstitut in Frankfurt am Main, das Flersheim seinerzeit mäzenatisch unterstützt hatte, konnten keine Unterlagen zu dem betreffenden Gemälde gefunden werden.13 Die Villa Stuck, die das künstlerische Erbe von Franz von Stuck bewahrt und wissenschaftlich bearbeitet, besitzt ebenfalls keine Akten aus dem Nachlass des Künstlers.14
Zu einem unbekannten Zeitpunkt gelangte das Gemälde in den „Sonderauftrag Linz“. Aufgrund der niedrigen Linzer Nummer muss die Erwerbung vor Juli 1938 stattgefunden haben.15 Die K-Nr. kennzeichnet, dass das Gemälde für Kremsmünster vorgesehen war.
Wie dem 1991 erschienenden „Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates“ zu entnehmen ist, gibt es keinerlei Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München.16 Hier mussten alle Kunsthändler während der NS-Zeit ihr Gewerbe anmelden. Da gerade diese Akten fehlen, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht nachzuvollziehen, aus welchem Besitz das Werk in den „Sonderauftrag Linz“ gelangte. Auch die Nachfrage im leihnehmenden Museum konnte nicht zur Klärung der Provenienz beitragen.
Im Jahre 1959 wurde dem Antrag der Erben auf eine Entschädigung der in Holland entzogenen Kunstgegenstände in Höhe von DM 250.000 in voller Höhe stattgegeben. Das fragliche Gemälde von Stuck ist auf diese Weise im Verfahren nach BRüG mit entschädigt worden.
Allerdings bleibt bislang ungeklärt, ob das hier interessierende Gemälde von Franz von Stuck erst im Zusammenhang mit einem NS-verfolgungsbedingten Vermögensverlust in das Eigentum des Deutschen Reiches gelangte oder aber unabhängig davon veräußert wurde.
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle bekannten Quellen ausgeschöpft sind.
Stand: 2010
1 Abgebildet bei Voss 1973, Kat.Nr. 76/1, Spielende Faune.
2 Voss 1973, S. 18.
3 Maschinenschriftliches Verzeichnis der Gemälde von Martin und Florence Flersheim, Kat.Nr. 47. Dort als „Scherzende Faune“ bezeichnet. Anhand der Bildbeschreibung und der angegebenen Maße handelt es sich um das hier interessierende Werk. Vgl. Sammlungsverzeichnis der Galerie Martin und Florence Flersheim, Nr. 47, undatiert, in: Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Frankfurt, Rückerstattungssache AZ Wik 5910. Kein Hinweis zur Provenienz auf der Property Card. Vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 3682. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummern sind Aussee 2420 und K 692.
4 Ostini 1909, Abb. 40.
5 Eintrag zu Flersheim, Martin, in: Frankfurter Biographie 1994, Bd. 1, S. 210. Zur Familiengeschichte von Martin Flersheim (1856-1935) vgl. auch Vloten 2001, H.3, S. 41-58.
6 Vgl. Sammlungsverzeichnis der Galerie Martin und Florence Flersheim, Nr. 47, undatiert, in: Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Frankfurt, Rückerstattungssache AZ Wik 5910.
7 Kunst für alle, 19. Jg., Oktober 1903, S. 8-40, hier: S. 22.
8 Bierbaum 1908, Abb. 70, S. 65.
9 Ostini 1909, Abb. 40, S. XIV
10 Voss 1973, Kat.Nr. 11/85: Kämpfende Faune (1889); Kat.Nr. 170/2: Spielende Faune (1897); Kat.Nr. 184/100: Kämpfende Faune (1898).
11 Kunstausstellung München 1929, Kat.Nr. 2673.
12 Liste zur Abschätzung von Kunstgegenständen – Eigentum von Frau Fl. Flersheim, geb. Livingstone, Frankfurt a.M., Mendelsohnstr. 78, durch das Kunsthaus Hahn, Frankfurt a.M., am 6.7.1938. Vgl. die Abschrift in den Akten der Wiedergutmachungskammer beim Landgericht Frankfurt, Rückerstattungssache AZ Wik 5910.
13 Telefonische Auskunft des Städels am 7.8.2002.
14 Schreiben des Museums Villa Stuck, an die OFD Berlin, München, 8.9.2003.
15 Zur Inventarisierung vgl. die Aussage von Reger am 21.7.1951, in: BArch, B 323/332, Reger.
16 Inventar archivalischer Quellen des NS-Staates 1991.