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Es (Jacob Fopsen van [Essen, Esch]) , Jacop Fopsen van

Stillleben mit Schinken

Entstehungsjahr 1627
Technik Öl auf Holz
Maße 75,0 cm x 106,0 cm
Münchener-Nr. 4066
Linz-Nr. 130
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der aus Antwerpen stammende Maler Jacop Fopsen van Es (Jacob Fopsen van [Essen, Esch]) (1596-1666) fertigte das Stillleben im Jahre 1627.1 Auf einem Tisch mit dunkelgrüner Decke und vor einem neutralen Hintergrund steht ein reiches Arrangement von Früchten, Weinlaub, Krebsen, Muscheln, ein aufgeschnittener Schinken und Silbergerät. Im 17. Jahrhundert gehörte van Es zu den bekannten Stilllebenmalern der Niederlande, der Gemälde in kräftigen leuchtenden Farben und von überraschend dekorativer Wirkung malte.
Das Stillleben entwickelte sich nach den noch frühen unselbständigen Anfängen im 15. und 16. Jahrhundert in der Folgezeit zu einer eigenen Gattung.2 Diese Verselbständigung reichte von den frühen Küchenstücken über die Früchte-, Musikalien- oder Jagdstillleben bis hin zu Prunk- und Vanitas-Darstellungen. Der hohen Nachfrage des Bürgertums wegen, entwickelte sich gerade Holland von 1630 bis 1650 zu einer wichtigen Produktionsstätte vielfältigster Stillleben.

Provenienz

Zeittafel
 Ehemals Schloss zu Wernigerode  
14.4.1934 Aus der Sammlung des Schlosses Wernigerode auf der Auktion bei Graupe versteigert4  
1935 Von dem Berliner Kunsthändler Schwersenz an die Galerie Paffrath, Düsseldorf5
3.2.1938 Erwerbung der Galerie Haberstock, Berlin, von Paffrath6  
4.3.1938 Verkauf durch die Galerie Haberstock an die Reichskanzlei für RM 13.5007  
Vor Juli 1938 Registriert für den „Sonderauftrag Linz“8  


Der Property Card konnte entnommen werden, dass das Gemälde 1935 von dem Berliner Schwersenz an die Düsseldorfer Galerie Paffrath verkauft wurde. Von dort gelangte es am 3. Februar 1938 in die Berliner Kunsthandlung Haberstock. Dieser verkaufte das Stillleben am 4. März desselben Jahres für RM 13.500 an die Reichskanzlei. Aufgrund der niedrigen Linzer Nummer muss das Werk bereits vor Juli 1938 für den „Sonderauftrag Linz“ inventarisiert worden sein.

Die nachfolgenden Recherchen bestätigten die Angaben der Treuhandverwaltung von Kulturgut und konnten teilweise ergänzt werden. Das Stillleben wurde am 14. April 1934 im Berliner Auktionshaus Graupe aus der Sammlung des Schlosses Wernigerode angeboten. Es ist davon auszugehen, dass Martin Schwersenz (1863-1943) die Arbeit auf dieser Auktion erworben hat. Über Schwersenz konnte erfahren werden, dass er ein Berliner Kunsthändler jüdischer Herkunft war.9 Er war in der so genannten Judenliste 8 der Reichskulturkammer verzeichnet.10 Aus dem Briefwechsel zwischen Hans Carl Krüger, Inhaber des Berliner Kunstauktionshauses Rudolph Lepke, und der Reichskammer der bildenden Künste geht hervor, dass Schwersenz Kommissionär beim Auktionshaus Lepke war.11 Mit dem erwähnten Schreiben vom 4. Februar 1936 teilte Krüger mit, welche Kommissionäre fortfallen. Von den vierzehn namentlich aufgeführten sind vier durchgestrichen, darunter auch Schwersenz. Fortan konnte er daher nicht mehr als Kommissionär oder Kunsthändler tätig sein, da er als ausgeschlossenes Mitglied der Reichskulturkammer einem Berufsverbot unterlag.
Laut Auskunft der Galerie Paffrath im Februar 1951 erwarb die Düsseldorfer Galerie das Stillleben von Schwersenz im Jahr 1935.12 Wie den Einkaufsbüchern der Galerie Haberstock zu entnehmen ist, kaufte der Galerist das betreffende Stillleben zusammen mit vier weiteren Gemälden am 3. Februar 1938 von der Galerie Paffrath für einen Gesamtpreis von RM 27.000. Bereits am 4. März 1938 veräußerte Haberstock das Stillleben zusammen mit vier Gemälden und einem Seidenteppich an die Reichskanzlei in Berlin. Der Verkaufspreis des Stilllebens betrug RM 13.500. Den Ein- und Weiterverkauf des Werkes von Jakob van Es gab Karl Haberstock am 27. September 1946 in München zu Protokoll.13

Schwersenz, der das Bild 1934 mit großer Sicherheit auf der Auktion bei Graupe aus dem Besitz des Schlosses Wernigerode erwarb, verkaufte es im darauf folgenden Jahr an die Galerie Paffrath. Da er zu diesem Zeitpunkt noch Mitglied der Reichskulturkammer war, konnte er daher trotz seiner jüdischen Herkunft einer kunsthändlerischen Tätigkeit nachgehen. Die kurzfristige Weiterveräußerung des Gemäldes legt nahe, dass es sich (noch) um eine Veräußerung im Rahmen eines ordnungsgemäßen üblichen Geschäftsverkehrs (Art. 16 REAO) handelte, obgleich Schwersenz zum Kreis der Kollektiv-Verfolgten zählte. Der weitere Weg des Kunstwerkes bis in den „Sonderauftrag Linz“ konnte anhand der Bücher von Haberstock eindeutig nachgewiesen werden.

Wann und von wem Herr Schwersenz das Gemälde erworben hat konnte trotz umfangreicher Literaturrecherchen nicht ermittelt werden.
Neben der noch offenen Frage nach dem Vorbesitzer bleibt unklar, ob es sich bei dem Gemälde um den Privatbesitz von M. Schwersenz handelte oder ob er das Gemälde im Rahmen seiner beruflichen Tätigkeit als Kunsthändler veräußerte, so dass ggf. eine Veräußerung im Rahmen eines ordnungsgemäßen üblichen Geschäftsverkehrs (Art. 16 REAO) vorliegen könnte. Derzeit sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, welche Anlass zu weiteren Nachforschungen geben oder zur Klärung der Provenienz beitragen könnten.

Stand: 2002

1 Zur Biographie von van Es vgl. Wurzbach 1906, S. 495.
2 Für das Folgende vgl. Mai 1990, S. 14-17.
3 Wenn nicht anders vermerkt vgl. für das Folgende die Angaben BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 4066. Weitere auf der Property Card vermerkte Inventarnummern sind Aussee 2803 und K 1192.
4 Auk.kat. Verschiedener Berliner Kunstbesitz. Gemälde niederländischer Meister, Möbel, Plastiken, Silber, Bronzen, Porzellane, einige hervorragende alte Knüpfteppiche z.T. aus der Sammlung Alfred Cassirer (verstr.), Berlin, durch Paul Graupe, Berlin, am 14.4.1934, Kat.Nr. 852a, Tf. 58.
5 Verkauf des Stilllebens durch Martin Schwersenz an die Galerie Paffrath. Vgl. BArch, B 323/78, Nr. 130. Sowie Auskunft Paffrath am 17.2.1951. Vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 4066.
6 Eintrag vom 3.2.1938 im Geschäftsbuch unter Einkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIV/40.
7 Eintrag vom 4.3.1938 im Geschäftsbuch unter Verkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIV/43.
8 Zur Inventarisierung vgl. die Aussage von Reger am 21.7.1951, in: BArch, B 323/332, Reger.
9 Schwersenz ist im Jüdischen Adreßbuch von 1929 unter der Adresse Berlin W 30, Luitpoldstraße 33 nachgewiesen. Vgl. Jüdisches Adressbuch 1929.
10 Auskunft Bundesarchiv Berlin an die OFD, Berlin, am 5.2.2001.
11 Schreiben von Hans Carl Krüger an die Reichskammer der bildenden Künste, Berlin, 4.2.1936.
12 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 4066.
13 Lists of paintings with information concerning their provenance given by Mr. Haberstock, München, 27.9.1946. Vgl. BArch, B 323/331.

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