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Rubens, Peter Paul

Der wunderbare Fischzug

Entstehungsjahr um 1610
Technik Öl auf Eichenholz
Maße 39 x 48 cm
Münchener-Nr. 4135
Linz-Nr. 73
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

„Der wunderbare Fischzug Petri“ von Peter Paul Rubens (1577-1640) zeigt den Moment aus dem Lukas-Evangelium des Neuen Testaments, in dem die Fischer von ihrer erneuten Fahrt mit reicher Fischbeute zurückkehren.1 Nachdem sie in der Nacht von ihrem vergeblichen Fischfang zurückgekommen und von Jesus aufgefordert waren, noch einmal in See zu stechen, kehren sie nun mit übervollen Netzen heim. Rubens stellt in dieser energiegeladenen Skizze virtuos die Kraftanstrengung in den muskulösen Körpern der Fischer dar, die sich mühen, das voll beladene Boot an Land zu ziehen.

Provenienz

Zeittafel
Spätestens seit 1921 Camillo Castiglioni, Wien2  
Spätestens seit 1933 Wiener Privatbesitz3  
12. Mai 1936-19. Juni 1938 Galerie Haberstock, Berlin4 (angekauft von der Neuen Galerie G.m.b.H, Wien, für £ 1.750,-) 
19. Juni 1938 Haberstock tauschte das Werk gegen Gauguins „Reiter am Strand von Tahiti“ ein, das in Reichsbesitz war
Reichsbesitz, Adolf Hitler, Berlin5
Inventarisiert für den „Sonderauftrag Linz“, Linz-Nr. 73 
28. Juni 1938 Von da durch Vermittlung von Haberstock für RM 24.000 an Reichskanzlei  

Die kunsthistorischen Recherchen ergaben, dass in der Literatur nur eine Ölskizze zum „Wunderbaren Fischzug“ von Rubens verzeichnet ist. Von der Arbeit fertigte bereits sein Zeitgenosse Pieter Soutman eine Radierung an. Danach wurde sie 1830 im Werkverzeichnis von John Smith und später von M. Rooses 1888 beschrieben.6 1921 publizierte Rudolf Oldenbourgh das hier interessierende Werk, der es zum damaligen Zeitpunkt bereits im Besitz des Wiener Sammlers Camillo Castiglioni erwähnte.7

Die Property Card verzeichnet Castiglioni ohne konkrete Zeitangabe als ersten Besitzer.8 Entsprechend den dortigen Notizen gelangte die Skizze 1933 in Wiener Privatbesitz.9 Vor 1937 habe dann die Berliner Galerie Haberstock das Bild aus London im Tausch erworben. Am 28. Juni 1938 vermittelte es Haberstock für RM 24.000 an die Reichskanzlei.

Diese Angaben konnten jedoch nicht vollständig bestätigt werden. In der kunsthistorischen Literatur kann die Ölskizze spätestens seit 1921 im Besitz des Wiener Sammlers Camillo Castiglioni nachgewiesen werden.10 In den nächsten Jahren wird die Bibelszene weiterhin mehrfach in der genannten Sammlung erwähnt.11 Bis wann die Skizze in der Sammlung blieb, ist nicht bekannt. Von Ludwig Burchard ist aus einer nicht datierten Anmerkung zum Aufsatz von Gustav Glück, der 1923 erschien12 , nur zu erfahren, dass sie in einen ungenannten Wiener Privatbesitz überging.13 Da bekannt ist, dass die Sammlung Camillo Castiglioni in den Jahren 1925 bis 1930 in mehreren Auktionen aufgelöst wurde, wäre es möglich, dass sich die Anmerkung von Burchard auf diese Zeitspanne bezieht. Obwohl zahlreiche Auktionskataloge der Sammlung Castiglioni eingesehen werden konnten, war die Skizze jedoch in keinem enthalten.14

Wie das Werk aus Wiener Privatbesitz in die Galerie Haberstock gelangte, konnte nicht in Erfahrung gebracht werden. Nachzuweisen ist die Arbeit bei Haberstock seit dem 12. Mai 1936.15 Entsprechend der Eintragung im Geschäftsbuch erwarb der Galerist die Ölskizze „Der wunderbare Fischzug Petri“ von der Neuen Galerie G.m.b.H, Wien, für £ 1.750. Aus den Unterlagen geht zweifelsfrei hervor, dass Haberstock das Geld an die Neue Galerie am besagten Tag überwiesen hat.16 Zwei Jahre später, am 19. Juni 1938, tauschte Haberstock dann das Werk gegen Paul Gauguins Gemälde „Reiter am Strand von Tahiti“ ein.17 In den Geschäftsbüchern befindet sich neben dem Vermerk zum Tausch die Summe von RM 24.660.18 Der Galerist notierte diesen Betrag für die beiden Gemälde sowohl auf der An- wie Verkaufsseite. Erklären lässt sich diese Summe damit, dass beide Objekte denselben finanziellen Wert besaßen. Somit fand also im ursprünglichen Sinne ein echter Tausch statt, ohne jegliche Zuzahlung von einer der beiden Seiten. Das Bild von Gauguin stammte ursprünglich aus dem Wallraf-Richartz-Museum, Köln, und war seit der Aktion „Entartete Kunst“ in Reichsbesitz gelangt.19 Durch dieses Tauschgeschäft gelangte nun der „Fischzug“ aus der Galerie Haberstock in den Besitz von Adolf Hitler.

Die Angaben auf der Property Card der TVK München, die besagen, dass die Ölskizze vor 1937 aus London von der Galerie Haberstock im Tausch erworben wurde, konnten im Haberstock-Archiv nur insofern bestätigt werden, dass sich das Bild tatsächlich 1936 in London befand, vermutlich bei Asscher & Welker.20 Allerdings kann zweifelsfrei nachgewiesen werden, dass die Überweisung für die Arbeit nach Wien, und nicht nach London, erfolgte.21 Eine ebenfalls dort verzeichnete Eintragung zur Provenienz des Bildes, „Haberstock-Inventarbuch 1938/30“, konnte im Haberstock-Archiv geklärt werden. Demnach wurde das Gemälde „Reiter am Strand“ von Gauguin, das der Galerist am 19. Juni 1938 erwarb, am 30. Juni 1938 an die Londoner Galerie Wildenstein & Co. weiterverkauft.22 Diese Notiz ist für die hier betreffende Arbeit von Rubens also nur von marginalem Interesse.

Da die Erwerbung der Gemäldeskizze durch Haberstock von der Wiener „Neuen Galerie“ am 12. Mai 1936 erfolgte, also vor dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich, gibt es keine Anhaltspunkte für einen verfolgungsbedingten Erwerb, als der Galerist das Werk am 19. Juni 1938 weiter an die Reichskanzlei verkaufte.

Stand: 2003

1 Neues Testament, Lukas 5, 1-11.
2 Oldenbourg 1921, S. 31, m. Abb. Für das Folgende vgl. auch BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 4135. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummer ist Aussee 2872.
3 Burchard 1933, Bd. I, Kreuzaufrichtungsaltar, S. 382, Anm. h.
4 Eintrag vom 12.5.1936 im Geschäftsbuch von Haberstock unter Einkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIII/92.
5 Eintrag vom 19.6.1938 im Geschäftsbuch von Haberstock unter Einkauf und Verkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIV/48, 49.
6 Smith 1830, Bd. II, S. 291 und Rooses 1888, Bd. II, S. 29.
7 Oldenbourg 1921, S. 31.
8 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 4135.
9 Diese Angabe bezieht sich vermutlich auf eine Anmerkung Burchards, die 1933 in einem von Glück herausgegebenen Sammelband erschien. Vgl. Burchard 1933, Bd. I, Kreuzaufrichtungsaltar, S. 382, Anm. h. Burchard schrieb seine Anmerkung zum Aufsatz Rubens’ Kreuzaufrichtungsaltar von Gustav Glück, der 1923 erschien. Vgl. Glück 1923. Burchard notierte im 1933 erschienenen Sammelband von Glück, dass die Skizze in Wiener Privatbesitz übergegangen sei. Wann er dies geschrieben hat, geht jedoch nicht in der Publikation hervor. Die Notiz auf der Property Card, dies sei 1933 geschehen, bezieht sich irrtümlich auf das Erscheinungsjahr des genannten Sammelbandes von Glück, nicht jedoch auf den tatsächlichen Besitzerwechsel des Kunstwerkes.
10 Oldenbourg 1921, S. 31, m. Abb.
11 Als Teil der Sammlung Castiglioni wurde die Skizze erwähnt von Gustav Glück. Vgl. Glück 1923, S. 175 sowie Burchard 1927, S. 3, Nr. 29, o. Abb.
12 Glück 1923.
13 Da der Aufsatz von Burchard im Sammelband von Glück undatiert ist, kann der Zeitpunkt des Verkaufs nur insofern eingegrenzt werden, dass er vor 1933 stattgefunden haben muss. Vgl. Burchard 1933, Bd. I, Kreuzaufrichtungsaltar, S. 382, Anm. h.
14 In den Jahren 1925 und 1926 wurden umfangreiche Bestände an Gemälden, Skulpturen, Teppichen, Kunstgewerbe etc. beim Auktionshaus Frederic Muller & Co. in Amsterdam versteigert. Vgl. Auk.kat. Collections Camillo Castiglioni de Vienne. I. Catalogue des Tableaux, Sculptures, Meubles, Orfèvreries, Bijoux, Tapisseries, Tapis etc., Versteigerung am 17.-20.11.1925; Auk.kat. Collections Camillo Castiglioni de Vienne. II. Catalogue des Bronzes antiques et de la Renaissance, Versteigerung am 18.11.1925; Collections Camillo Castiglioni de Vienne. III. Tableaux, Sculptures, Meubles, Orfèvreries, Bijoux Antiquities etc., Versteigerung am 13.-15.7.1926; Auk.kat. Supplément au catalogue de la vente Castiglioni III. Tapisseries, Étoffes, meubles etc., Versteigerung am 14.-15.7.1926. 1930 erfolgte eine weitere Auktion der Bestände der Sammlung, weil Camillo Castiglioni sein Wiener Palais aufgab und nach Italien umzog. Vgl. Auk.kat. Die Sammlung C. Castiglioni, Wien. Gemälde, Möbel, Keramik, Textilien, Versteigerung bei Ball und Graupe, Berlin, 28.-29.11.1930.
15 Eintrag vom 12.5.1936 im Geschäftsbuch unter Einkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIII/92.
16 Eintrag vom 12.5.1936 im Geschäftsbuch unter Soll. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIX/14.
17 Eintrag vom 19.6.1938 im Geschäftsbuch unter Einkauf und Verkauf. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIV/48, 49.
18 Vgl. Eintrag vom 19.6.1938 im Geschäftsbuch unter Einkauf und Verkauf. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIV/48, 49.
19 Laut der Eintragung in der Bildakte zu Gauguins „Reiter am Strand“ wurde das Gemälde am 12.2.1937 aus dem Wallraf-Richartz-Museum beschlagnahmt. Hinweis vom Museum am 5.3.2003.
20 Maschinenschriftliche Notiz ohne Unterschrift, ohne Adressaten, undat. Vgl. Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HF/VII/12,2. Bei diesem Brieffragment handelt es sich mit großer Wahrscheinlichkeit um einen Brief der Wiener Galerie an Haberstock, die ihrerseits die Ölskizze von der Londoner Galerie Asscher und Welcker erworben hatte, um sie an Haberstock weiterzuverkaufen.
21 Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, HA/XXIX/14.
22 Städtische Kunstsammlungen Augsburg, Haberstock-Archiv, Warenkontrollbuch 1938, S. 30, Nr. 123.

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