Navigation und Service

Unbekannt, Zentralasien

Teppich aus Usbekistan

Entstehungsjahr um 1900
Technik geknüpft
Maße 143,0 x 121,0 cm
Münchener-Nr. 44908
Linz-Nr. keine
Lost Art-ID 220010
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Bei dem hier in Rede stehenden Teppich handelt es sich um einen turkmenischen Wollteppich, wie sie vom Stamm der Tekke gefertigt wurden. Sie wurden allgemein als Vorhang oder Gebetsteppich genutzt. Erkennbar an seinem typischen geometrischem Muster in Blau, Beige und Gelborange auf rotem Grund in Kreuzform (türkisch: Hatschli oder Hatschlu) hat dieser feingeknüpfte Teppich seinen Ursprung sehr wahrscheinlich in Khiva (Usbekistan). Datiert wird er um 1900, u.a. wegen der Verwendung des synthetischen Gelborange, das erst ab 1880 hergestellt wurde.[1] An dem Teppich befinden es keinerlei weitere Merkmale, die auf dessen Vorbesitzer hinweisen.

[1] Die historische Einschätzung des Teppichs wurde von einer Textilrestauratorin im Museum für Islamische Kunst, SMB, bestätigt und ergänzt. Email vom 11.01. 2019 an die Kunstverwaltung des Bundes.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Sommer 1942Von der Dienststelle Westen im Rahmen der Möbelaktion in Paris beschlagnahmt und ins Lager Pantin verbracht (P18)
14.11. 1942Vom ERR im Jeu de Paume erfasst und inventarisiert (P18, nachinventarisiert am 21.07.1943 als MA-T 59)
24./25.11.1942Für Hermann Göring (1893–1946) nach Carinhall, Schorfheide bei Berlin, abtransportiert
10.09.1947Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Der Teppich wurde laut Property Card am 10. September 1947 im CCP München – aus Berchtesgaden kommend - unter der Mü-Nr. 44908/ B’gaden 2608 inventarisiert. Er befand sich nachweislich in der Kunstsammlung von Hermann Göring, wie ein historisches Foto belegt.[1] Im Juni 1949 wurde der Teppich dann vom US-amerikanischen Kunstschutz treuhänderisch an den Bayerischen Ministerpräsidenten übergeben. Bei einer Befragung im Jahre 1952 sagte die Witwe von Göring aus, dass der Teppich ihr persönlich nicht gehöre, weshalb sie auch keinen Herausgabeanspruch geltend mache.[2]

Auf der im Münchener Central Collecting Point am 10. September 1947 erstellten Property Card fand sich als Vermutung ein Hinweis auf die Signatur MA-T 59.[3] Die Signatur MA wurde vom ERR (Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg) für Kunstobjekte vergeben, die im Rahmen der (anonymisierten) Möbelaktion während der deutschen Besatzung Frankreichs meist aus jüdischem Eigentum geraubt und inventarisiert wurden. Für den als MA-T 59 inventarisierten Teppich hat sich die entsprechende Inventarkarte erhalten: Der Teppich wurde am 21. Juli 1943 in Paris nachinventarisiert als  MA-T 59.[4] Auch die alte Signatur P18 ist auf der Inventarkarte verzeichnet und die Beschreibung: Herkunftsland „Hatschli“, „Gebetteppich, Wolle, bordeauxrot mit beige-dunkelblauer Musterung/AGL/Dr. V.Ing.Tom.“.[5] Auf der Rückseite der ERR-Karte befindet sich der Hinweis auf die Sammlung Hermann Görings: „Sammlung H.G. 25.11.1942“. Die gleiche Beschreibung befindet sich auf der Inventarliste des ERR, „M-Aktion – Teppiche unbekannter Herkunft“ vom 14. November 1942.[6] Die „Sicherstellung“ der Teppiche war entsprechend dieser Inventarliste bereits im Sommer 1942 durch die Dienststelle Westen (Meerkamp) durch Dr. Tomforde erfolgt. Ihr Lagerort war das Lager Pantin im Nordosten von Paris. Erst im Herbst 1942 wurden die Teppiche in die Zentralstelle des ERR, dem Musée du Jeu de Paume, überstellt und neu inventarisiert. Neben der identischen Beschreibung des Hatschli-Gebetteppichs findet sich hier auch handschriftlich der Vermerk auf den Transport vom 25. November 1942 für die „Slg. H.G.“ nach Carinhall.[7]

Hermann Göring (1893-1946) gehörte als Reichsmarschall (RM) zu den führenden deutschen nationalsozialistischen Politikern und besaß eine umfangreiche Kunstsammlung zweifelhafter Provenienz. Die noch verfügbaren Unterlagen zu den Kunsttransporten seiner in Frankreich geraubten Kulturgüter listen zum einen den Teppich P18 auf der Transportliste vom 24. November 1942.[8] Zum anderen wird er auf der ausführlichen Inhaltsliste für die in Paris von Göring ausgewählten Objekte vom 25. November 1942 als Nachtrag an zweiter Position unter den Teppichen erwähnt: „Hatschli-Gebetteppich, bordeauxrot mit beige-dunkelblauer Musterung. – 120 x 145 cm. (P18)“.[9] „Hatschli“ bedeutet auf Türkisch Kreuz und verweist auf das besondere Muster dieser Gruppe von Gebetsteppichen.

Die am 25. November 1942 für Hermann Göring aus Paris in sein Landschloss Carinhall gelieferten Teppiche wurden noch vor Weihnachten am 22. Dezember 1942 gereinigt.[10]

Die geprüften Quellen[11] weisen folglich einen Entzug in Frankreich nach. Es konnte bislang jedoch nicht geklärt werden, aus welcher französischen Sammlung der Teppich vom ERR beschlagnahmt wurde.

 

Bearbeitungsstand: 2019

Aktualisierung des Datensatzes: 2023

[1] Ein historisches Foto des Teppichs aus der Sammlung Göring befindet sich im Archiv des französischen Außenministeriums MAEE unter der Signatur 209 SUP-973, Nr. RA 154, A 109. Die Fotografie zeigt auf der Vorderseite die Nr. 312.

[2] Liste der von Edda und Emmy Göring beanspruchten Kunstobjekte, TVK/ OFD Akten L61, Aktenordner 167.

[3] Vgl. BVA-Archiv, zugehörige Property Card des CCP München Nr. Mü44908.

[4] Für das Folgende vgl. ERR Inventarkarte https://www.fold3.com/image/306286031

[5] Für das Folgende vgl. ERR Inventarkarte https://www.fold3.com/image/306286042, sowie die Rückseite der ERR-Karte https://www.fold3.com/image/3062860342 [Abruf: 08.10.2018]. Die Abkürzung „Dr.v.Ing.Tom.“ steht für Dr. Tomforde.

[6] Für das Folgende vgl. „Inventar-Liste: M-Aktion – Teppiche (Sign.P) v.14.11.42, S.2, im BArchiv Koblenz, B 323_298b.

[7] Vgl. BArch Koblenz, B323/298b.

[8] Vgl. Seite 3 zur Transportliste H.G. vom 24.11.42, Paket Nr. 64: https://www.fold 3.com/image/271037825 [Abruf: 08.10.2018].

[9] Vgl. ebd. Seite 7.

[10] Vgl. die Rechnung Quantmeyer & Eicke Nr. 00675 vom 22.121942 ausgestellt für Frl. Limbacher/Stabsamt d. Reichsmarschall: https://www.fold3.com/image/271037703, [Abruf: 08.10.2018].

[11] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (6) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (7) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 08.12.2018].

 

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular