Navigation und Service

Stevens, Alfred

Felsentor bei Étretat am stürmischen Meer

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Leinwand
Maße 102 cm x 82 cm
Münchener-Nr. 50066
Linz-Nr. 3905
Lost Art-ID 220194
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Künstler des Werkes ist der belgische Maler Alfred Stevens (1823–1906).[1]

Das Gemälde zeigt das Felsentor bei Étretat in der Normandie. Die linke Bildhälfte nimmt das Felsentor (Viertelbogen) ein, dahinter ragt ein spitzer Felsen aus dem stürmischen Meer. Der Himmel ist wolkenbehangen.

Als weitere Werktitel sind „Felsentor am Meer“[2] und „Felsentor an stürmischem Meer“[3] überliefert.

Das Werk ist unten links signiert „A. Stevens“, jedoch nicht datiert.

Das Werk weist folgende Beschriftungen und Merkmale auf[4]:

auf Zierrahmen: verso, oben links in Weiß: „85“ (nicht identifiziert); verso, oben schwarzer Stempel: „Stadt Kiel MUSEUM 89/1967“ (Leihnehmer, nach 1945); verso, oben rechts in Blau: „50066“ (Mü-Nr.); verso, rechts in Weiß: „3736“ (nicht identifiziert); verso, unten links in Gelb: „D.K.1“ (nicht identifiziert);

auf Keilrahmen: verso, oben links und mittig in Gelb: „3905“ (Linz-Nr.); verso, oben links schwarzer Stempel: „Stadt Kiel MUSEUM 89/1967“ (Leihnehmer, nach 1945); verso, oben rechts in Blau: „50066“ (Mü-Nr.); verso, unten links, weißer Aufkleber mit blauer Umrandung: „3905“ (Linz-Nr.);

auf Leinwand: verso, unten links schwarzer Stempel: „Mons. DEFORGE ET CARPENTIER / COULEURS FINES / ET TOILES A PEINDRE / 6 Rue Halevy 6 / PARIS / Atelier Rue Lengendre 62 Batignolles“ (Künstlerbedarf).

 

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden.

[1] Für weitere Information zum Künstler siehe Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 32, Leipzig 1999, S. 25f.

[2] Bundesarchiv (BArch), Koblenz, B 323/134, Bl. 42. Brief von Hermann Voss an Hildebrand Gurlitt, o. O., 3.10.1944.

[3] National Archives and Records Administration (NARA), College Park, Maryland, M1944, Record Group 239, Roll 0095, Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historical Monuments in War Areas (The Roberts Commission), 1943-1946, URL: www.fold3.com/image/270236226 [Abruf: 18.02.2021]. Brief von Hermann Voss an Hans Heinrich Lammers, Dresden, 4.10.1944.

[4] Nach Auskunft von Dr. Sandra Scherreiks, Kieler Stadt- und Schifffahrtsmuseum, Kiel, 21.6.2011.

Provenienz

Chronologie der Provenienz
(…)Ungeklärt
Bis 17. November 1943Evtl. Theo Hermsen (1905-1944), Paris, Erwerbsweg ungeklärt
17. November 1943 (?) –3. Oktober 1944Dr. Hildebrand Gurlitt (1895–1956), Hamburg/Dresden, Ankauf
3. Oktober 1944–1945Deutsches Reich („Sonderauftrag Linz“), Ankauf
1945–10. April 1952Vermutlich ehemalige NSDAP-Parteizentrale, München, Einlagerung
Seit 10. April 1952Bundesrepublik Deutschland, zunächst in treuhänderischer Verwahrung, 1969 Übernahme aus ehemaligem Reichsvermögen

Das Gemälde wurde unter dem Titel „Felsentor am Meer“ am 3. Oktober 1944 durch das Deutsche Reich für Adolf Hitlers (1889–1945) „Sonderauftrag Linz“ erworben[1] und unter der Linz-Nummer 3905 erfasst[2]. Zusammen mit dem Gemälde von Cornelis v. Haarlem, „Taufe Christi“, verkaufte es der deutsche Kunsthändler Dr. Hildebrand Gurlitt (1895–1956) für die Summe von 55.000,- RM an den „Sonderauftrag Linz“.[3]

Hildebrand Gurlitt gehörte ab 1938 neben Ferdinand Möller (1882–1956), Bernhard A. Boehmer (1892–1945) und Karl Buchholz (1901–1992) zu jenen Händlern, die vom NS-Regime offiziell mit der „Verwertung“ der im Rahmen der Beschlagnahmeaktion „Entartete Kunst“ aus deutschen Museen entfernten Kunstwerken beauftragt waren.[4] Im Laufe des Zweiten Weltkriegs, vor allem ab 1943 entwickelte er sich zu einem Haupteinkäufer für Hitlers „Sonderauftrag Linz“ unter der Leitung von Prof. Dr. Hermann Voss (1884–1969), dem damaligen „Sonderbeauftragten des Führers“ für die Kunstsammlung des geplanten „Führermuseums“ in Linz und Direktor der Gemäldegalerie Dresden. In den Jahren 1942 bis 1945 vermittelte Gurlitt den Ankauf zahlreicher Kunstwerke aus besetzten Gebieten, insbesondere aus Frankreich. 

Die Gemälde von Stevens und Cornelis v. Haarlem wurden dem „Sonderauftrag Linz“ anstelle von „Schule Ruysdael, Landschaft“ und „J. B. Mallet, Zwei Damen“ geliefert.[5] So teilte Voss dem Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Dr. Hans Heinrich Lammers (1879–1962), in einem Schreiben vom 4. Oktober 1944 mit: „Der Kunsthändler Dr. H. Gurlitt, Hamburg, von dem für den Sonderauftrag Linz eine grosse Anzahl von Kunstwerken aus dem besetzten Westgebieten erworben worden sind, war in einigen Fällen nicht in der Lage, Gemälde, die in Paris aufgrund mir vorgelegter Fotografien gekauft werden sollten und aus technischen Gründen vorher bezahlt werden mussten, tatsächlich zu liefern. Er hat in diesen Fällen anstelle der in Aussicht gestellten Bilder mit meinem Einverständnis andere geliefert, deren Wert dem der ursprünglich angebotenen voll entspricht.“                                                         

Es ist nicht bekannt, zu welchem Zeitpunkt vor Oktober 1944 und unter welchen Umständen das Gemälde „Felsentor bei Etretat“ an Hildebrand Gurlitt gelangte. Im Geschäftsbuch des Kunstkabinett Gurlitt ist für den 17. November 1943[?] vermerkt, dass Gurlitt ein Werk von Stevens mit dem Motiv „das Meer“ von Theo Hermsen (1905–1944) erwarb.[6] Möglicherweise handelt es sich hierbei um das Gemälde, welches Gurlitt 1944 an den „Sonderauftrag Linz“ verkaufte. Da sich das Motiv der Marinedarstellungen jedoch häufiger im Oeuvre von Stevens findet, kann nach derzeitigem Kenntnisstand eine Werkidentität nicht eindeutig nachvollzogen werden. 

Theo Hermsen, der aus Den Haag stammte, zog 1939 nach Paris und war dort als Kunsthändler im neunten Bezirk (Rue de la Grange-Batelière) in der Nähe des Auktionshauses Hôtel Drouot tätig.[7] Insbesondere deutsche Käufer zählten zu seinen Kunden. Er gilt als einer der wichtigsten Geschäftspartner von Hildebrand Gurlitt in Frankreich. Als Agent für Hermann Voss erwarb Hermsen Kunstwerke für den „Sonderauftrag Linz" und sorgte insbesondere für die Ausfuhr von einer Vielzahl von Kunstwerken (1942–1944). Ein Nachlass des Kunsthändlers hat sich nach bisherigem Kenntnisstand nicht erhalten.

Zu welchem Zeitpunkt vor dem 17. November 1943 und unter welchen Umständen das Gemälde an Theo Hermsen gelangte, ist bislang nicht bekannt. Die neuere Forschung kommt allerdings zu dem Schluss, dass Hermsen in vielen Fällen nur pro forma als Verkäufer auftrat, damit Gurlitt Devisen und Ausfuhrgenehimgung beantragen konnte.[8] Denn viele Kunsthändler in Frankreich wollten bei Verkausabschlüssen nicht namentlich in Erscheinung treten und keine Rechnungen ausstellen. Daher lässt sich auch in dem vorliegenden Fall nicht sicher sagen, ob das Gemälde tatsächlich von Hermsen kam.

Mit hunderten Kunstobjekten wurde das Gemälde „Felsentor bei Étretat am stürmischen Meer“ spätestens ab Februar 1945 im Depot des sogenannten „Führerbaus“ in München (Zelle Nr. 4) eingelagert.[9] Vermutlich befand es sich dort bis zum 10. April 1952.[10] Anschließend erfolgte die förmliche treuhänderische Übergabe an die bundesdeutsche Treuhandverwaltung.[11]

Über die angegebenen Quellen hinaus wurde die einschlägige Literatur zum Künstler[12] ausgewertet sowie Datenbanken zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus und historische Auktionskataloge überprüft.[13] Hieraus ergaben sich keine weiteren Hinweise zum Objekt.

Die Provenienz des Werkes ist nach bisherigem Kenntnisstand für den Zeitraum 1933 bis 1944 ungeklärt. Das Werk ist als Fundmeldung in der Lost Art-Datenbank des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste registriert.[14]

  

Forschungsstand: 2022

letzte Aktualisierung des Datensatzes: 23.09.2022

[1] Vgl. BArch, Koblenz, B 323/134, Bl. 42. Brief von Hermann Voss an Hildebrand Gurlitt, o. O., 3.10.1944.

[2] Vgl. Kunstverwaltung des Bundes (KVdB), Berlin, Mü.-Karteikarten, heutiger Restbestand CCP (Deutschland), Mü-Nr. 50066 [Anlage 4]. Das Gemälde „Taufe Christi“ von Cornelis v. Haarlem verbrannte am 13.2.1945 in Dresden. Siehe Deutsches Historisches Museum, Berlin, Datenbank zum "Central Collecting Point München", Eintrag zu Gerrit Cornelis van Haarlem, Taufe Christi, „Verlust - am 13.2.1945 in Dresden verbrannt“.

[3] BArch, Koblenz, B 323/134, Bl. 42. Brief von Hermann Voss an Hildebrand Gurlitt, o.O., 3.10.1944.

[4] Für das Folgende vgl. Vanessa-Maria Voigt, Kunsthändler und Sammler der Moderne im Nationalsozialismus. Die Sammlung Sprengel 1934 bis 1945, Berlin 2007, S. 130–155.

[5] Für das Folgende NARA, College Park, Maryland, M1944, Record Group 239, Roll 0095, Records of the American Commission for the Protection and Salvage of Artistic and Historical Monuments in War Areas (The Roberts Commission), 1943-1946, URL: www.fold3.com/image/270236226 [Abruf: 18.02.2021]. Brief von Hermann Voss an Hans Heinrich Lammers, Dresden, 4.10.1944.

[6] BArch, Koblenz, N 1826/159, Bl. 350. Kunstkabinett Gurlitt, "Ein- und Verkaufsbuch 1937-", 17.11.1943.

[7] Für das Folgende vgl. Britta Olényi von Husen/Marcus Leifeld, Das Kölner Wallraf-Richartz-Museum an der westlichen Grenze des Deutschen Reiches und der Kunsthändler Hildebrand Gurlitt, S. 4f., URL: www.kulturgutverluste.de/Content/01_Stiftung/DE/Veranstaltungsnachlese/2017/Vortrag-Olenyi-von-Husen-Leifeld.pdf?__blob=publicationFile&v=2 [Abruf: 29.04.2022].

[8] Für das Folgende vgl. Johannes Gramlich, Hildebrand Gurlitt auf dem französischen Kunstmarkt: Handel und Bürokratie, in: Andrea Baresel-Brand/Nadine Bahrmann/Gilbert Lupfer, Kunstfund Gurlitt. Wege der Forschung, Provenire. Schriftenreihe des Deutschen Zentrum Kulturgutverluste, Berlin/Boston 2020, S. 48-62.

[9] NARA, College Park, Maryland, M1946, Record Group 260, Roll 0141, Records Concerning the Central Collecting Points ("Ardelia Hall Collection") : Munich Central Collecting Point, 1945-1951, URL: www.fold3.com/image/284006721 [Abruf: 18.08.2022]. Liste „Zelle Nr. 4“, 1.2.1945.

[10] Vgl. KVdB, Berlin, Mü.-Karteikarten, heutiger Restbestand CCP (Deutschland), Mü-Nr. 50066.

[11] Vgl. Johannes Gramlich, Begehrt, beschwiegen, belastend. Die Kunst der NS-Elite, die Alliierten und die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Wien/Köln/Weimar 2021, S. 141.

[12] Ohne Treffer: Charles Lemmonier, Alfred Stevens et son oeuvre, Bruxelles 1906; François Bocher, Alfred Stevens, Paris 1930; Kenneth Romney Towndrow, Alfred Stevens. Architectural sculptor, painter and designer, London 1939. Peter Mitchell, Alfred Emile Léopold Stevens. 1823–1906, London 1973; Alfred Stevens, in: Dictionnaire biographique illustré des artistes en Belgique depuis 1830, Brüssel 1995, S. 356; Christiane Lefebvre, Alfred Stevens 1823–1906, Paris 2006; John House, Alfred Stevens. Brussels and Amsterdam, in: Burlington Magazine, 151.2009, 1278, S. 636f.

[13] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 29.07./18.08.2022].

[14] Vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, Fundmeldungen, Lost Art-ID: 220194. URL: www.lostart.de/de/Fund/220194 [Abruf: 26.08.2022].

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular