Gertner der Jüngere, Georg
Bildnis der Clara Behaim (Brustbild einer Frau mit Hut und Halskette; Clara Behaim, geb. Tucher; Bildnis einer Behaimin)
Entstehungsjahr | ohne Jahr |
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Technik | Öl auf Holz |
Maße | 35 x 33,5 cm |
Münchener-Nr. | 5020 |
Linz-Nr. | 562 |
Lost Art-ID | 565976 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Das Gemälde zeigt eine Frau nach halblinks gerichtet. Links ist Ausblick durch ein Fenster auf baumbestandene Landschaft, rechts mit Häusern und einer Burg dargestellt.
Zum Werk Peter Gertners gibt es nicht sehr viel Literatur. Das hier zu untersuchende Gemälde ist in Zusammenhang mit Studien zu Kleidungen mehrfach erwähnt und abgebildet worden. Angaben zur Herkunft wurden dabei nicht gemacht.1
Provenienz
1906 | Freiherrliche von Behaimsche Familie |
1927 | Kunsthandlung Julius Böhler, München (??) |
1929 | A.S. Drey, München (??) |
Vor 1938 | Paul Graupe oder H.W. Lange, Berlin Maria Almas-Dietrich, München |
Ankauf durch die Reichskanzlei |
Die TVK München ermittelte, dass die Galerie Almas, München, das Gemälde vom Auktionshaus Lange, Berlin, erwarb und an die Reichskanzlei weiterverkaufte (Aussage Almas vom 14.8.1951).
Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes:
Liselotte Fudickar erwähnt in ihrer Dissertation „Die Bildniskunst der Nürnberger Barthel Beham und Peter Gertner“ aus dem Jahr 1942 die Bildnisse von Clara Behaim und ihres Ehemannes Friedrich in der Kunsthandlung Julius Böhler München 1927 als eindeutig identifiziert.2 Fudickar bemerkte bereits damals, dass der untere Bildteil bei dem Porträt Clara Behaims mit Händen fehlte. Bei Fudickar findet sich auch die Information, dass beide Gemälde 1906 in der Historischen Ausstellung der Stadt Nürnberg aus Behaimschen Familienbesitz ausgestellt worden waren.3
In den Unterlagen der Kunsthandlung Julius Böhler München findet sich im Lagerbuch für 1927 ein Gemälde Gertners „Männerporträt“. Es wurde im August 1927 an A.C. Barnes in Philadelphia verkauft. Es handelte sich um ein Kommissionsgeschäft.4
Heute ist es Bestandteil der Barnes Foundation (BF830).5 Dieses Gemälde hat also nichts mit den Gegenstücken zu tun.
Nach 1929 trennten sich die Wege der beiden Porträts. Auf der Rückseite des Clara-Bildnisses ist vermerkt „10. Agosto 1929“, dieses Datum konnte nicht näher geklärt werden. Das Portrait Friedrich Behaims befand sich 1929 im Besitz der Münchner Kunsthandlung A.S. Drey und wurde im Juli 1940 über Goudstikker Amsterdam an Hermann Göring verkauft (RM 314).6
Möglicherweise war auch das Porträt Clara Behaims Eigentum der Kunsthandlung A.S. Drey in München.
Nach Aussage von Maria Almas gegenüber der Treuhandverwaltung hatte sie das Gemälde vom Auktionshaus Lange in Berlin erworben.7
Die Bestände der Kunsthandlung Drey wurden auf der Auktion bei Paul Graupe vom 17. bis 18. Juni 1936 versteigert. Es handelte sich um einen Räumungsverkauf, da die Kunsthandlung Drey „arisiert“ wurde. Weder das Porträt Claras noch Friedrichs wurde auf der Graupe-Auktion angeboten.8 Dennoch ist eine Verbindung zu Drey/Graupe denkbar, denn Maria Almas erwarb das Porträt Clara Behaims von H.W. Lange, dem Nachfolger („Ariseur“) Paul Graupes. Möglicherweise war diese Aussage aber auch falsch und Maria Almas erhielt das Gemälde bei der „Arisierung“ der Kunsthandlung Drey bzw. Kunsthandlung „Alte Kunst“ (Walter Bornheim) München direkt.
Maria Almas, geborene Dietrich, geboren am 28. Juni 1892 in München, betrieb nach ihren Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.9 Almas-Dietrich gehörte zu den aktivsten Personen im Kunsthandel, die für die Nationalsozialisten tätig waren. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm sie nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA ausgewertet.10 Diese Unterlagen scheinen in der Zwischenzeit verloren zu sein.
Aufgrund der niedrigen Linznummer ist zu vermuten, dass das Gemälde vor 1938 von der Reichskanzlei erworben wurde. Unterlagen dazu ließen sich nicht ermitteln.
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust lässt sich bei diesem Gemälde daher nicht ausschließen.
Stand: 2010
1 Jutta Zander-Seidel, Textiler Hausrat, 1990; Wallraf-Richartz-Jahrbuch, 39/1977.
2 Liselotte Fudickar: Die Bildniskunst der Nürnberger Barthel Beham und Peter Gertner, 1942, S. 77 ff, Nr. 67.
3 Katalog der Historischen Ausstellung der Stadt Nürnberg, 1906, Nr. 205 und 206, S. 79.
4 BWA Bestand Kunsthaus Julius Böhler, Lagerbuch August 1927.
5 Mitteilung der Barnes Foundation vom 1. Juli 2010 an Facts & Files.
6 Nancy Yeide: Beyond the Dreams of Avarice: The Hermann Goering Collection, 2009, A322, S. 272.
7 Aussage Almas BAK B 323, Nr. 331.
8 Paul Graupe 27.-18.06.1936 Berlin Aus dem Besitz der Firma A. S. Drey, München Auktion 151.
9 BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.
10 NARA, RG 260, 519, Box 445.