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van Gherwen, Reynier

Knabe mit Federhut

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Holz
Maße 81 x 59,5 cm
Münchener-Nr. 5575
Linz-Nr. Keine
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Das Gemälde wurde früher Ferdinand Bol zugeschrieben, heute jedoch gilt es als Arbeit des Reynier van Gherwen.

Ferdinand Bol war ein niederländischer Maler und Radierer, der von 1616 bis 1680 gelebt hat. Er war Schüler im Atelier von Rembrandt und entwickelte sich zu einem der bevorzugten Porträtmaler seiner Zeit. Neuere kunsthistorische Untersuchungen1 führten allerdings zu einer Änderung der Zuschreibung des in Rede stehenden Gemäldes, bei dem lediglich noch Spuren einer Signatur oben rechts im Bild erkennbar sind.2 Der Maler Reynier van Gherwen war ein weniger bekannter Schüler Rembrandts, der in der Stadt Leiden geboren wurde und um 1661/1662 verstorben war.3 Bei dem Gemälde handelt es sich um eine Arbeit in Öl auf Eichenholz mit den Maßen von 81 cm x 59,5 cm. Es konnte bislang nicht ermittelt werden, um wen es sich bei dem dargestellten Jüngling handelt, der einen Spazierstock trägt.

Provenienz

Die Treuhandverwaltung Kulturgut München hatte in ihren Unterlagen zur Provenienz des Gemäldes, vermerkt, dass es früher in der Sammlung Binder (Berlin) gewesen sein soll und am 10.04.1935 als Geschenk von einem Herrn Dr. Quandt an Hermann Göring, aus Anlass von dessen Hochzeit mit Emmy Sonnemann, überreicht worden war. Als Quellenangabe ist die Vorkriegskartei von Görings Kunstsammlung genannt. Tatsächlich ist das Gemälde im Inventarverzeichnis der Kunstsammlung Görings aus dem Jahre 1940 verzeichnet. Der damalige Wert des Gemäldes wurde mit 7.000, - RM angegeben. Bevor das Gemälde in die Sammlung Görings gelangte, wurde es am 28.03.1935 laut Versteigerungskatalog von Rudolf Lepkes Auktionshaus als ein Werk Ferdinand Bols zum Kauf angeboten. Das Kunstwerk wurde als „Bildnis eines Jünglings mit Federbarett“ beschrieben, das um 1640-1645 entstanden sei. Es ist im Katalog abgebildet.4
Der Einlieferer des Gemäldes ist nicht verzeichnet. Über den Central Collecting Point und die Treuhandverwaltung Kulturgut gelangte das Kunstwerk in Bundesbesitz. Eine kürzlich durchgeführte Untersuchung der Rückseite des Gemäldes hat ergeben, dass sich zwei Wachssiegel in roter Farbe mit Wappenaufdruck darauf befinden. Vermutlich war es früher im Eigentum des Adelshauses, aus dem der dargestellte Jüngling in vornehmer Bekleidung stand. Ferner trägt die Rückseite des Bildes Reste eines stark zerstörten Etiketts der Kunsthandlung „Agnews & Sons, London“, sowie eine Vielzahl von Ziffern, zu denen auch die Münchener - Nummer zählt, die jedoch keine neuen Erkenntnisse bezüglich der Provenienz des Kunstwerkes liefern. Laut einem Bestandsverzeichnis der Holländischen Gemälde in der Sammlung des Herzog- Anton – Ulrich - Museums befand sich das in Rede stehende Gemälde als ein Werk Rembrandts in der Sammlung von Martin Hackschar, dann in der Sammlung Otto Held, die am 05.12.1929 und nochmals am 26.09.1930 bei Cassierer & Helbing in Berlin versteigert wurde. In der am 16.März 1935 in Rudolph Lepke’s Auktionshaus in Berlin durchgeführten Versteigerung alter und neuer Meister wurde das Gemälde neben anderen Kunstwerken im Auftrag einer Bank angeboten. Es erscheint im Auktionskatalog unter der lfd. Nr. 6 und ist dort auf Tafel 4 abgebildet. Es ist zu vermuten, dass es von Dr. Quandt auf dieser Auktion für Göring erworben hatte.

Mit Schreiben vom 19.10.2006 haben die Erben nach Frau Anna Löwenberg, verw. Braunschweig, geb. Rothschild um die Prüfung des Rechtsgeschäfts von 16.03. 1935 auf einen Zusammenhang mit der NS-Verfolgung der Genannten gebeten. Die Eheleute Anna und Paul Braunschweig waren laut Auskunft des Hamburger Staatsarchivs von 1924 bis 1933 unter der Anschrift Hamburg, Godeffroystr. 11 gemeldet. Sie waren zumindest keine eingetragenen Mitglieder der jüdischen Gemeinde zu Hamburg. Paul Braunschweig wurde 1884 geboren und ist im Jahre 1933 in Hamburg freiwillig aus dem Leben geschieden. Nähere Umstände oder Hintergründe sind hier, trotz der Überlieferung seines Abschiedsbriefes, nicht bekannt geworden. Anna Braunschweig wurde am 05.03.1894 in Aachen geboren und ist im Jahre 1956 in London verstorben.
Es konnte nicht nachgewiesen werden, dass die Witwe Frau Anna Braunschweig, geb. Rothschild zu irgendeinem Zeitpunkt Eigentümerin des Gemäldes war und den Auftrag zur Versteigerung erteilte. Nach Angaben der Antrag stellenden Erben war sie im Jahre 1935 aus Ostpreußen mit ihren drei Töchtern nach Berlin übersiedelt. Frau Braunschweig zählte nach den Nürnberger Rassegesetzen zum Personenkreis der Kollektivverfolgten. Wegen der Verfolgung durch das NS-Regime war sie gezwungen im Jahre 1938 zunächst nach Amsterdam und später nach Großbritannien zu emigrieren. Sie war dann in zweiter Ehe mit Herrn Theodor Löwenberg verheiratet, der ebenfalls zum Personenkreis der Kollektivverfolgten zählte. Laut den Verfahrensakten nach Bundesrückerstattungsgesetz war ihr zweiter Ehemann, Herr Theodor Löwenberg, Alleinerbe nach Anna Löwenberg. Laut den überlieferten Akten der Bundesfinanzverwaltung zu den Verfahren nach der REAO und dem Bundesrückerstattungsgesetz hatte Frau Anna Löwenberg, verwitwete Braunschweig, Schadenersatzansprüche für den verfolgungsbedingt erlittenen Vermögensverlust an drei Gemälden, die 1938 von der Zollfahndung beschlagnahmt wurden, erfolgreich geltend gemacht. Aus der Verwertung von Wertpapieren hatte sie Reichsfluchtsteuer und diskriminierende Sonderabgaben entrichten müssen. Hierfür bestanden Ansprüche nach dem Entschädigungsgesetz. Entzogene Wertpapiere, Schmuck und Silber waren an die Deutsche Bank in Berlin abgeliefert worden.

Anhaltspunkte eines verfolgungsbedingten Vermögensverlustes an dem in Rede stehenden Gemälde im heutigen Bundesbesitz liegen keine vor.

Stand: 2007

1 Rüdiger Klessmann, Die holländischen Gemälde, Herzog Anton Ulrich –Museum Braunschweig 1983
2 ebenda, Museum
3 Albert Blanckert, F. Bol, Rembrandts pupil, Groningen 1982 DAVACO Publishers
4 R. Lepkes Kunstauktionshaus-Katalog, Nachlass Braunschweig, Nachlass H. u.a. Privatbesitz i.A. einer Treuhandgesellschaft und einer Großbank, Berlin am 28.03.1935

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