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Ravesteyn, Dirk de Quade van

Die drei Grazien als Allegorie (Die drei Grazien)

Entstehungsjahr um 1600
Technik Öl auf Leinwand
Maße 198 cm x 125,5 cm
Münchener-Nr. 7490
Linz-Nr. 3618
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Maler Dirk de Quade van Ravesteyn (geb. 1565 – 1570; tätig 1589 – 99 und 1602 – 08 in Prag, nach 1619) erscheint 1589 im Verzeichnis der am Hofe Rudolfs II regelmäßig besoldeten Künstler und Handwerker unter dem Namen des Kammermalers Dietrich Raffensteiner.1 Sein Weg führte ihn zuvor von den Niederlanden nach Fontainebleau und weiter nach Florenz, Siena und Rom und schließlich nach Prag. In Siena freskierte er im Palazzo Chigi alla Postierla Themen aus dem Leben des Scipio und wurde wenig später am Prager Hof angestellt. Seine Nennung in den Gehaltslisten setzt von 1599 – 1602 aus. Von 1602 bis 1608 ist Ravesteyn wieder am kaiserlichen Hof tätig, ob er dann in die Niederlande zurückkehrte oder verstarb ist nicht bekannt. 1619 taucht sein Name noch einmal unter den Gläubigern Rudolf II auf, allerdings könnten auch seine Erben die ausstehenden Ansprüche geltend gemacht haben.

Zum vorliegenden Gemälde sind drei Fassungen vorhanden, denen dasselbe Schema zugrunde liegt.2  Das Drei Grazien – Thema gehört zu den Lieblingssyjets im Oeuvre Ravesteyns. Die Gemälde sind an der Wende des 16. zum 17. Jahrhundert gemalt und gehen zeitlich dem bekannten Bild Ravesteynys der Prager Allegorie auf die Regierung Rudolf II, datiert 1603, voraus. Das Bild stellt vermutlich dessen inhaltliche Vorstufe dar. Ravesteyn hat nicht an das klassische antike Schema der Drei Grazien- Abbildungen angeknüpft, die Darstellung der Figuren Caritas, Pulchritudo und Amor. Die Attribute der über den Grazien schwebenden Putten erinnern an die Bindung dieser Frauen an die Jahreszeiten. Die Kränze auf den Köpfen der Grazien deuten noch weitere Möglichkeiten der Interpretation an. Die linke Frau mit einem Blumenkranz könnte die Thaleia genannte Grazie sein, „die Blühende“. Die mittlere Gestalt schmückt eine Ährenkrone, erinnert also an Ceres, Abundantia. Die rechte Frau hat einen Olivenzweig in den Haaren, sie symbolisiert wahrscheinlich den Frieden. Es ist die Verherrlichung des Aufblühens, Wohlstandes und Friedens, die seit Menschengedenken Voraussetzung guter Regierung sind.

Provenienz

Zeittafel
1944Kunsthandel Hermann Voigt, Wien3
8.5. 1944über Kunsthandlung Kurt Köster, Hamburg  und Dr. Jantzen, Bremen , für RM 170. 000 an „Sonderauftrag Linz“4

Die TVK München ermittelte, dass das Gemälde von dem Kunsthändler Hermann Voigt, Wien über den Kunsthändler Kurt Köster, Hamburg für RM 170.000 erworben wurde.

Das Gemälde wurde 1987 dem Künstler Dirk de Quade von Ravesteyn zugeschrieben. Bei Erwerb des Gemäldes für den „Sonderauftrag Linz“ wurde es Zacharias Heintz zugeschrieben.5

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: Die Angaben konnten durch Recherchen im Bundesarchiv Koblenz bestätigt und durch weitere Archivrecherchen ergänzt werden.Aufgrund der Recherchen stellt sich der Erwerb des Gemäldes wie folgt dar. Das Gemälde wurde am 8. Mai 1944 durch die Vermittlung des Hamburger Kunsthändlers Kurt Köster und des Bremer Rechtsanwalts Dr. Johannes G. Jantzen bei der Kunsthandels – Kommandit – Gesellschaft Hermann Voigt, in Wien für RM 170.000 vom „Sonderauftrag Linz“ erworben.6 Kurt Köster traf am 30.3.1944 mit dem Sonderbeauftragten für Linz die Vereinbarung, das Gemälde die 3 Grazien von Heintze über Hermann Voigt in Wien zu erwerben. Er sollten auch Gemälde von Rotari, Rottenhammer und Rahl erworben werden7 Das Gemälde wurde im Juli 1944 in das Institut für Denkmalpflege Wien für den Sonderauftrag Linz eingeliefert und am 5. Juli 1944  über das Denkmalamt Wien nach „München /Führerbau“ versandt.8 In den Unterlagen finden sich keine Angaben zur Herkunft des Gemäldes. In der Fotodatenbank des Bundesdenkmalamtes befindet sich ein Foto des Gemäldes mit dem Hinweis auf das Linzer Museum und das Einlieferungsjahr 1944.9

Zur Kunsthandlung Hermann Voigt, IX Wien, Währingerstraße 17, Kunsthandlung u. K. G konnte nach Anfrage im Bundesdenkmalamt Wien keine firmenbezogenen Unterlagen recherchiert werden.10 In den Aktenbeständen des Bundesdenkmalamtes wird er in Zusammenhang mit der Bergung von privatem Kunstgut von Gemälden, Plastiken, Möbel und Service am 5. 8.1944 genannt und im Mai 1943 verkaufte er an die Gemäldegalerie des Kunsthistorischen Museums Wien für RM 22.000 ein Gemälde des Malers Louis le Nain, Bauernfamilie.11

Hermann Voigt, Mitglied der Reichskammer der bildenden Künste, Fachgruppe Kunstverleger und Händler“, hat nach bisherigen Recherchen spätestens ab Oktober 1943 Kunstgegenstände an den „Sonderauftrag Linz“ verkauft und im Auftrag des Sonderbeauftragten Linz Kunstobjekte erworben, so im Oktober 1943 für die Albertina aus dem Züricher Kunsthandel und im März 1944 Kunstgegenständen aus ungarischem Privatbesitz.12

Personenbezogenen Überlieferungen des ehemaligen Berliner Document Centers im Bundesarchiv Berlin konnten nicht nachgewiesen werden.13

Recherchen zum Vorbesitzer des Gemäldes blieben erfolglos.

Der Rechtsanwalt Dr. Johannes G. Jantzen (geboren am 22.09.1887 in Shanghai, gestorben am 19.09.1972 in Bremen)14 war Vertreter der Alten Deutsche Kunst GmbH /Bremen und der Bremer Werkschau GmbH. Im September 1943 verkaufte Jantzen, der zu diesem Zeitpunkt in Wien lebte, an den „Sonderauftrag Linz“, zwei Altartafeln des Meisters der Ilsung - Madonna. Jantzen war an den Gewinnen der Galerie für alte Kunst mit einem Drittel beteiligt. Er hat spätestens ab 1941 zahlreiche Kunstwerke an Wiener Museen und an das Linzer Kunstmuseum verkauft. Oftmals agierte er als Vermittler für den Hamburger Kunsthändler Kurt Köster.15

Der Hamburger Kunsthändler Kurt Köster, Hamburg 36, Alsterstrasse 1 war von spätestens 1943 bis 1944 als Kunsthändler und Vermittler für den „Sonderauftrag Linz“ tätig. Er verkaufte unter anderem beschlagnahmte Werke aus Frankreich aus der Pariser Sammlung Thiebault – Sisson über die Einlieferer Almas und Henrici an den „Sonderauftrag Linz“ und trat als Vermittler und Verkäufer von Kunstwerken aus Österreich gemeinsam mit Dr. Johannes Jantzen und dem Wiener Kunsthändler Voigt auf. Er verkaufte und vermittelte ca. 20 Kunstwerke an den „Sonderauftrag Linz“.

Köster wurde im Juli 1943 ausgebombt und hatte seinen Wohnsitz vorübergehend in Wien, Hotel Krantz, Neumarkt.16

Die kunsthistorischen Recherchen zu Dirk de Quade van Ravesteyn ergaben keine neuen Ergebnisse zur Provenienz des Bildes.17 Nicole Dacos schreibt Ravesteyn 14 Gemälde zu, die er am Hofe Kaiser Rudolfs II malte und in den Inventaren der rudolfinischen Schatzkammer und im Verzeichnis der an Daniel Briers verkauften Bestandteile der Schatzkammer nicht aufgeführt werden.18

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle bekannten Quellen ausgeschöpft sind. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust kann nicht ausgeschlossen werden. 

Stand: 2009

1 Für Folgendes: Schreiner, in: Held, 1998, S. 49.
2 Für Folgendes: Fu?iková, in: Prag um 1600, 1988, Bd. 1, S. 254, Kat. Nr. 139, Abb. 139, Farbtafel 37.
3 BArch Koblenz, B 323/153, LF XXVII,S. 76, Nr. 415; BA Koblenz, B 323/137, LF XIX, S. 67, Nr. 364.
4 BArch Koblenz, B 323/137, LF XIX S. 57, Nr. 305; BA Koblenz, B 323/137, LF XIX, S. 57, Nr. 303.
5 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 7490.
6 BArch Koblenz, B 323/153, LF XXVII, S.76,Nr.  415, Rechnung Hermann Voigt, Wien, 5. 5. 1944. Vgl. BA Koblenz, B 323/153, LF XXVII, S.77, Nr. 416, Schreiben des Sonderbeauftragten Linz, gez. Oertel zur Rechnungslegung vom 17.4.1944, Erwähnung von Dr. Jantzen, Vgl. BA Koblenz, B 323/137, LF XIX, S. 85, Nr. 463.
7 BArch Koblenz, B 323/137, LF XIX,S. 67, Nr. 364.
8 Bundesdenkmalamt Wien, Archiv, Restitutionsmaterialien, K 10.1, M 3, S. 26: Liste der zwischen dem 15. Juni und 15. August eingelieferten Käufe für den Sonderauftrag Linz. Nach freundlicher Information von Alexandra Caruso/ Bundesdenkmalamt Wien. S. 6.:Transportliste von Bildern des Sonderauftrag Linz nach München (Führerbau) vom 5. Juli 1944. Nach freundlicher Information von Alexandra Caruso/ Bundesdenkmalamt Wien.
9 E-Mail Bundesdenkmalamt vom 15.12.2008.
10 Nach Information des Bundesdenkmalamts Wien befinden sich im Bestand des Bundesdenkmalamtes Wien keine Unterlagen, auch eine Handelsregisterakte im Handelgericht konnte nicht nachgewiesen werden. Vgl. E-Mail vom 11.11.2008.
11 Vgl. E-Mail Bundesdenkmalamt Wien vom 4.11.2008.
12 BArch Koblenz, B 323/142, XXIa, S. 226, 1138. S. 226, Nr. 1137.
13 Brief Bundesarchiv Berlin vom 12.11.2008.
14 Nach Information der Archiv Böttcherstraße GmbH, vgl. E-Mail vom 23.1.2009.
15 Stamm, Rainer, Geschäfte laut Auftrag. Die Bremer Verbindung: Neues zu Hitlers Linz Museum, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 1.9.2004, Nr. 203, S. 31 nach BADV Berlin, Provenienzdokumentation zu Mü-Nr. 11780. Nach Information des Bundesdenkmalamtes Wien befindet sich im Archiv des Denkmalamtes eine Personenmappe zu Jantzen die zurzeit nicht aufzufinden ist. Vgl. E-Mail vom 4.11.2008 und 11.11.2008. Im Archiv des Bundesdenkmalamtes Wien befindet sich eine Personenmappe zu Dr. Johannes Jantzen. Vgl. E-Mail von Alexandra Caruso/ Bundesdenkmalamt Wien vom 11.11.2008.
16 BArch Koblenz, B 323/137,S. 66, Nr. 362. Löhr, 2005, S. 142. Brief von Kurt Köster an Dr. Reimer, 30. Juli 1943. Vgl. BArch Koblenz, B 323/154, LF XXVIIa, S. 77, Nr. 424.
17 Thieme Becker, 1934, Bd. 28, S. 52, Da Costa Kaufmann, 1985, S. 262; Jahrbuch der Kunsthistorischen Sammlung, 1976, 25/2, S. XX-LI.
18 Dacos, in: Kämmerer, 1992, S. 292 – 307.

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