Klenze, Leo von
Der Domplatz von Amalfi
Entstehungsjahr | 1859 |
---|---|
Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 84 x 114 cm |
Münchener-Nr. | 7603 |
Linz-Nr. | 3748 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Das Gemälde „Athen im Altertum“ schuf Leo von Klenze (1784 – 1864) im Jahre 1862.1 Klenze zählt zu den bedeutendsten klassizistischen Architekten. In besonderem Maße prägte er als Hofarchitekt Ludwigs I. durch seine Bauten die Residenzstadt München. Auf seinen Reisen nach Italien, Südfrankreich und Griechenland fertigte der enorm produktive Architekt auch zahlreiche Ölgemälde, Aquarelle und Zeichnungen. In diesem Gemälde zeigte den Domplatz von Amalfi mit dem mächtigen Bau des Doms im Zentrum. Im Vordergrund befindet sich Staffage vor einer steil ansteigenden Rampe.
Provenienz
1884 | Im Besitz von Leo von Klenzes’ Tochter Athenais Gräfin von Otting, geborene von Klenze (1828-1924) |
Vermutlich seit 1924 | Durch Erbgang im Besitz von Friedrich Karl Graf von Otting (1856-1935), Sohn von Athenais Gräfin von Otting |
1935 | Durch Erbgang im Besitz von Franz Leo Friedrich Graf von Otting und Fünfstätten (1904-1976), Sohn von Friedrich Karl Graf von Otting |
26. Mai 1944 | Von dort über die Kunsthandlung Julius Böhler, München, an den „Sonderauftrag Linz“ für RM 31.500 verkauft |
Die Recherchen der Treuhandverwaltung von Kulturgut beim Auswärtigen Amt (TVK) zur Provenienz des Gemäldes ergaben, dass der „Domplatz von Amalfi“ (1859) im Mai 1944 von der Kunsthandlung Böhler, München aus dem Besitz des Grafen Otting an die Sammlung „Sonderauftrag Linz“ verkauft worden ist.2 Am 25. April 1949 gab Julius Böhler im Central Collecting Point München (CCP) zu Protokoll, dass er das Gemälde am 26. Mai 1944 aus dem Besitz des Grafen Otting für 30.000 Reichsmark (+ 5% Vermittlungsgebühr) an die Sammlung „Sonderauftrag Linz“ weiterverkauft hat.:3
Die erneuten Recherchen ergaben folgendes:4 Eine Überprüfung des Nachlasses der Kunsthandlung Böhler.5 im Bayerischen Wirtschaftarchiv in München hat ergeben, dass Böhler das Gemälde zusammen mit einem weiteren Gemälde von Carl Theodor von Piloty im März 1944 Hermann Voss zur Aufnahme in die Sammlung „Sonderauftrag Linz“ angeboten hat. Er berichtete Voss, dass er „eben bei einem meiner Bekannten, einem Privatmann, zwei Bilder gesehen (habe):
4436 i) ein Frauenportrait etwa 85 x 65 cm, bezeichnet von Piloty Portrait einer Gräfin O., Halbprofil nach rechts (...) 4437 2) ein ca. 120 x 85 hohes grosses Architekturbild bezeichnet von Klenze, datiert 1869 (?). An einen grossen Bergabhang, der von einem Turmartigen Gebäude gekrönt und sonst bewaldet ist, lehnt sich ein grosses Monasterium mit Kirche im Vordergrund, das 2/3 der Bildfläche ausfüllt. Im Klosterhof vor einer riesigen Freitreppe steht mit einigen anderen Personen ein kirchl. Würdenträger, dem ein Architekt mit offenem Plan anscheinend den fertiggstellten Bau erläutert. Die Figuren sind etwa 6 cm hoch. In diesem riesigen Hof befinden sich noch einige Figuren.
Darüber blauer Himmel. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, könnte es das grosse Kloster in Amalfi sein. Ölbild.
Mein Bekannter meint, dass die Bilder unter Umständen zu haben sein würden, die Bilder seien dem Besitzer, einem Grafen O., taxiert worden, der Piloty zu 50 000 RM, der Klenze zu 30 000 RM.
Sollten Sie prinzipielles Interesse haben, so bin ich gerne bereit mich um die Sache zu kümmern, möglicherweise, d. h. wenn der Eigentümer tatsächlich verkaufen will, könnten auch Fotos angefertigt werden.“.6
Voss bekundete sein grundsätzliches Ankaufsinteresse beider Bilder mit Schreiben vom 23. März 1944.7 Schon am 28. März 1944 kündigte Böhler schließlich schriftlich die Übersendung beider Kunstwerke zur Ansicht nach Dresden an: „Ich habe mich sofort mit meinem Bekannten in Verbindung gesetzt, welcher beim Besitzer der Bilder, dem Grafen O. durchsetzte, dass ich dieselben für kurze Zeit anhand bekomme. Die Bilder sind sehr schön, von sehr guter Qualität und vor allem mit den Originalbezeichnungen, so dass ich sicher glaube, dass sie für Linz in Betracht kommen. (…) Was nun den Preis der Bilder anbelangt, so hat sich der Besitzer mit Hinsicht auf die gesteigerte Nachfrage eigentlich einen etwas höheren Betrag erhofft. Ich glaube aber mit ihm auf der Ihnen übermittelten Basis abschliessen zu können, wobei lediglich meinem Bekannten, als Vermittler, eine 5% Commission zu zahlen wäre, um welche sich also der Kaufpreis erhöht.“8 Mit der schriftlichen Empfangsbestätigung Böhlers „der uns durch die Dresdner Bank Filiale München freundlichst überwiesenen RM 73.500.-“9 Reichsmark für beide Bilder waren die Verkaufsverhandlungen abgeschlossen.
Ermittlungen zu dem auf der Property Card und auch von Böhler erwähnten Vorbesitzer des Gemäldes, dem Grafen Otting ergaben, dass es sich bei dieser Person, um den Enkelsohn von Leo von Klenzes’ Tochter Athenais, Franz Leo Friedrich Graf von Otting und Fünfstätten (1904-1976)10 handelt. Recherchen in der kunsthistorischen Literatur zu Leo von Klenze, insbesondere im Werkverzeichnis von Norbert Lieb und Florian Hufnagel aus dem Jahr 197911 ergaben darüber hinaus, dass sich das Gemälde 1884 im Besitz von Leo von Klenzes’ Tochter Athenais Gräfin von Otting, geborene von Klenze (1828-1924) befand. Diese heiratete 1851 den königlich bayerischen Kämmerer und Oberhofmeister des Prinzen Luitpold von Bayern, Maximilian Joseph Graf von Otting und Fünfstätten (1815-1901).12 Das Paar hatte zwei Kinder: Wilhelmine Gräfin von Otting (1852-1904) und Friedrich Karl Graf von Otting (1856-1935). Letzterer war mit Olga Gabriele M. Schenk von Stauffenberg (1866-1953) verheiratet und hatte mit dieser zwei Söhne: Maximilian Joseph Graf von Otting und Fünfstätten (1903-1951)13 und Franz Leo Friedrich Graf von Otting und Fünfstätten (1904-1976).14 Die Witwe von Letztgenanntem teilte auf Nachfrage mit, dass ihr Mann unter anderem die Gemälde „Der Domplatz von Amalfi“ und „Athen im Altertum (Rekonstruktion)/Ideale Ansicht der Stadt Athen in antiker Zeit“15 beide von Leo von Klenze, nach dem Tod seines Vaters im Jahre 1935 geerbt hatte.16 Ferner teilte sie mit, dass ihr Mann beide Gemälde um 1940 über den Münchener Kunsthandel verkauft hatte.17 Die Recherchen über die Grafen Otting und Fünfstätten ergaben keine nationalsozialistisch bedingte Zwangslage, die einen politischen oder rassisch bedingten Verkauf des Gemäldes in den 1940er Jahren annehmen ließen. Die Familie von Otting gehörte nachweislich nicht zu dem von den Nationalsozialisten verfolgten Personenkreis.18 Vielmehr bestätigt die Aussage der Witwe, dass ihr Mann das Gemälde aus finanziellen Gründen veräußert hat. Vor dem hier geschilderten Hintergrund kann ein NS-verfolgungsbedingter Verkauf des Gemäldes „Domplatz von Amalfi“ ausgeschlossen werden.
Stand: 2008
1 Für das Folgende vgl. Thieme/Becker 1999, Bd. 20, S. 478ff.
2 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 7603.
3 Bundesarchiv Koblenz, B 323/331, Kunsthändleraussagen, Julius Böhler, 25.04.1949. LF (Linz Film) XVa 13/69, XXVII/64/343. Aus dem Besitz des Grafen Otting erwarb die Sammlung „Sonderauftrag Linz“ zusammen mit dem Gemälde von Leo von Klenze, ein weiteres Gemälde von Piloty „Damenbildnis“ (61 x 75,5 cm). Vgl. hierzu: Rechnung von Böhler an „Sonderauftrag Linz“, Hermann Voss, 26.05.1944, Bundesarchiv Koblenz, B 323/130 sowie: Bundesarchiv Koblenz, B 323/331, Kunsthändleraussagen, Julius Böhler, 15.02.1951.
4 Die Recherchen wurden im Auftrag des BADV von Frau Dr. Vanessa Voigt, München, durchgeführt.
5 Zur Münchener Kunsthandlung Böhler siehe: Richard Winkler, „Händler, die ja nur ihrem Beruf nachgingen“. Die Münchener Kunsthandlung Julius Böhler und die Auflösung jüdischer Kunstsammlungen im „Dritten Reich“, in: Entehrt. Ausgeplündert. Arisiert. Entrechtung und Enteignung der Juden, Veröffentlichungen der Koordinierungsstelle für Kulturgutverluste, Bd. 3, Magdeburg 2005, S. 207-246.
6 Bayerisches Wirtschaftarchiv München (BWA), F 43, Nr. 354: Brief von Julius Böhler an Hermann Voss, Dresden vom 21.03.1944.
7 Bayerisches Wirtschaftarchiv München (BWA), F 43, Nr. 354: Brief von Hermann Voss an Julius Böhler vom 23.03.1944.
8 Bayerisches Wirtschaftarchiv München (BWA), F 43, Nr. 354: Brief von Julius Böhler an Hermann Voss, Dresden vom 28.03.1944.
9 Bayerisches Wirtschaftarchiv München (BWA), F 43, Nr. 354: Brief von Julius Böhler an Hermann Voss, Dresden vom 22.06.1944. Der Ankauf des Gemäldes „Domplatz von Amalfi“ durch Hermann Voss Mitte 1944 wird zusätzlich durch den Eintrag im Lagerbuch der Kunsthandlung Böhler bestätigt. Das Gemälde scheint hier auf S. 657 unter dem Datum 21.7.1944 mit der Lagernummer 44.37 und der Bezeichnung „Klenze“ auf. Als Empfänger ist „Prof. Voss für Museum Linz“ angegeben. Vermerkt sind darüber hinaus noch zwei Beträge: 20.000 Reichsmark und 29.850 Reichsmark. Mit einiger Sicherheit ist dies so zu interpretieren, dass bei Böhler 20.000 für den Einkauf und 29.850 für den Verkauf verbucht wurden. Frdl. Mitteilung vom BWA München vom 29.04.2008.
10 Vgl. hierzu: Meldeunterlagen, Stadtarchiv München. Eine Prüfung der Volkszählungsunterlagen von 1939 verlief negativ. Und auch in der NSDAP-Mitgliederkartei ist Franz Leo Friedrich Graf von Otting und Fünfstätten nicht vertreten. Mitteilung des Bundesarchivs Berlin vom 10.07.2008.
11 Vgl. Norbert Lieb / Florian Hufnagel, Leo von Klenze. Gemälde und Zeichnungen, München 1979, S. 133, G 67, Abb. Taf. XII; Ludwig Schreiner, Die Gemälde des 19. und 20. Jahrhunderts in der Niedersächsischen Landesgalerie Hannover, Textband, Hannover 1990, S. 187, Nr. 342; Friedrich von Boetticher, Malerwerke des 19. Jahrhunderts, Dresden 1895, S. 695; Hugo Marggraff, Katalog der vom Architekten- & Ingenieur-Vereine veranstalteten Ausstellung von Plänen und Bildern Leo von Klenze’s, München 1884, S. 25, Nr. 347; Oswald Herderer, Leo von Klenze, München 1964, S. 168, 415 f., Nr. 13; Leo von Klenze als Maler und Zeichner 1784-1864, Ausstellungskatalog Akademie der Schönen Künste, München 1977, S. 74, G 20; L. Schreiner, Architekturmalerei des 19. Jahrhunderts, in: Kulturring, Zeitschrift der Kulturvereine in Hannover, 43, Hannover 1968, S. 1; Georg Lengl, Leo von Klenze „baut“ am Dom von Amalfi, in: Zeitschrift des deutschen Vereins für Kunstwissenschaft, 1979, S. 68 ff., S. 71, Abb. 2
12 Vgl. hierzu: Meldekarte im Stadtarchiv München. Maximilian Joseph Graf von Otting und Fünfstätten war von 1840 bis 1849 mit Leo von Klenzes Tochter Sophie Marie Leodegilde Olympia verheiratet, die 1849 verstarb. Vgl. hierzu: Gothaisches Genealogisches Taschenbuch der Gräflichen Häuser, Teil 3, 110. Jg., 1937, S. 342.
13 Vgl. hierzu: Meldeunterlagen, Stadtarchiv München.
14 Vgl. hierzu: Meldeunterlagen, Stadtarchiv München.
15 Vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8688.
16 Mitteilung der Witwe, München vom 6. Juni 2008. Der Gräfin wurde eine Abbildung des Gemäldes vorgelegt, die sie sofort erkannte und bestätigen konnte, dass sich das Gemälde ehemals im Besitz ihres Mannes Franz Leo Friedrich Graf von Otting und Fünfstätten befand.
17 Mitteilung der Witwe, München vom 6. Juni 2008.
18 Mitteilung des Bundesarchivs Berlin vom 10.07.2008.