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Trübner, Heinrich Wilhelm

Kloster Frauenchiemsee (Klostergebäude auf Frauen-Chiemsee)

Entstehungsjahr 1891
Technik Öl auf Leinwand
Maße 62,5 x 77 cm
Münchener-Nr. 8582
Linz-Nr. 295
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der in Heidelberg geborene Prof. Wilhelm Trübner (1851–1917) studierte an der Kunstschule in Karlsruhe und war an der Akademie in München zunächst Schüler von Prof. Alexander von Wagner (1838–1904) und lernte später bei Prof. Wilhelm von Dietz (1839–1907).[1] Er gehörte dem Künstlerkreis um den Maler Wilhelm Leibl (1844–1900) an. 1895 zog Trübner nach Frankfurt am Main, wo er einen Lehrauftrag am Städelschen Institut erhielt und ein privates Schüleratelier begründete. 1898 wurde ihm der Professorentitel verliehen. Sein Œuvre ist stilistisch dem Realismus, Naturalismus und im Spätwerk dem Impressionismus zuzuordnen.

Hinter einer leicht ansteigenden Wiese, die einen Großteil der Bildfläche einnimmt,  liegen auf der Höhe die weitläufigen Gebäude des Klosters Frauenwörth auf der Fraueninsel, neben der Herreninsel die zweitgrößte Insel im Chiemsee.

Das Werk ist signiert „W. Trübner“, jedoch nicht datiert. Eine Entstehung im Jahre 1891 wird angenommen.[2]   

Laut Property Card befinden sich folgende Merkmale auf dem Werk[3]: „Linz 295“, „St.K.J 152“, „Hermes, Frankfurt a.M.“

[1] Für Folgendes vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Ge-genwart, Bd. 33, Leipzig 1999, S. 447-450.

[2] Vgl. Sammlungskatalog, Galerie. Martin und Florence Flersheim, 1910/1911, S. 42, Nr. 58, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. 

[3] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8582. 

Provenienz

Zeittafel
1900–1935Martin Flersheim (1856–1935), Frankfurt am Main, erworben über Kunsthandlung Hermes & Co., Frankfurt am Main
1935–1938Florence Flersheim (1864–1950), Frankfurt am Main, erworben durch Erbgang
1938Galerie Karl Haberstock
1938Galerie Almas, München
1938Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
10.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2010Bundesvermögen
2010Restitution

Das Gemälde war einst Teil der Sammlung von Martin Flersheim (1856–1935), Frankfurt am Main. Er erwarb es 1900 bei der Kunsthandlung Hermes &Co. in Frankfurt am Main vom Künstler selbst.[1] Im Jahre 1924 gab Flersheim das Werk als Leihgabe in die Ausstellung „Deutsche Malerei in den letzten 50 Jahren“ in der Neuen Staatsgalerie München.[2]

Das Ehepaar Flersheim besaß eine umfangreiche Kunstsammlung sowie Bibliothek, die nach dem Tod ihres Ehemannes im Jahre 1935 in das alleinige Eigentum von Florence Flersheim (1864–1950), geborene Livingston, überging.[3] Da sie nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten als Jüdin verfolgt wurde, verließ Florence Flersheim spätestens im Juni 1938 das Deutsche Reich und emigrierte über die Niederlande in die USA. Im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Auswanderung wurden Teile ihrer Kunstsammlung als national wertvolles Kulturgut deklariert und durften folglich nicht ausgeführt werden. [4] Die restlichen Kunstwerke gelangten als Umzugsgut nach Amsterdam, wo sie nach dem Einmarsch der deutschen Truppen auf Veranlassung des Reichsleiters Rosenberg im Juli 1944 beschlagnahmt wurden.[5] Um 1938 verließ das Gemälde „Kloster Frauenchiemsee“ unter unbekannten Umständen die Sammlung Flersheim.

Der „Sonderauftrag Linz“ erwarb das Werk zu einem ebenfalls unklaren Zeitpunkt über die Galerie Almas, München.[6] Es erhielt dort die Linz-Nr. 295. Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor Juli 1938 hin.[7] Laut einer Aussage von Maria Almas-Dietrich (1892–1971) vom 9. März 1949 hatte sie es zuvor „aus deutschem Besitz“ erworben.[8]

Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[9] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[10]

In einer Befragung Karl Haberstocks (1878–1956) im Jahre 1947 oder 1948 gab er an, das Gemälde früher einmal besessen zu haben.[11] Dies konnte jedoch nicht im Haberstock-Archiv nachgewiesen werden.[12]  Karl Haberstock war ein deutscher Kunsthändler, der 1878 in Augsburg in eine Landwirtschaftsfamilie geboren wurde und eine Lehre als Bankkaufmann absolvierte. Nach dem Tod  seines Vaters im Jahre 1900 begann er für den Lebensunterhalt seiner Familie den Handel mit Gemälden, die sein Vater zu Lebzeiten gesammelt hatte. 1905 eröffnete er eine eigene Galerie in Würzburg, kurz darauf in Neuenahr. Ab 1907 war Haberstock in Berlin tätig. Nach mehreren Standortwechseln bezog er 1939 Geschäftsräume in der Kurfürstenstraße von wo er außerordentlich erfolgreich mit Kunst handelte.

Zum Programm der Kunsthandlung gehörten zunächst deutsche Künstler des 19. Jahrhunderts.[13] Mit der Verlagerung seines Schwerpunktes hin zu deutschen Altmeistern des 15. und 16. Jahrhunderts,  holländischen und flämischen Künstlern des 17. und französischen sowie italienischen des 16. bis 18. Jahrhunderts suchte Haberstock Kontakt zu Persönlichkeiten wie Wilhelm von Bode (1845-1929), Gustav Glück (1871-1952), Otto von Falke (1862-1942) und Hans Posse (1879 bis 1942).[14]

Im Jahre 1938 wurde Haberstock zum Mitglied der „Kommission zur Verwertung der Produkte entarteter Kunst“ berufen. Aufgrund seines weit verzweigten Netzwerkes und der Kontakte zur Führungsriege der Nationalsozialisten gehörte er zwischen 1939 und 1943[15] zu den wichtigsten Kunsthändlern für das geplante „Führermuseum“ in Linz.[16] Nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges wurde er zunächst interniert und im Verfahren im Jahr 1949 als Mitläufer und später als Entlasteter eingestuft.[17]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 10. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht. Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Am 16. Dezember 1957 meldeten die Erben nach Florence Flersheim Schadenersatzansprüche nach dem Bundesrückerstattungsgesetz (BRüG) wegen der Entziehung der Kunstsammlung und anderer Wertgegenstände durch das Deutsche Reich an. Hinsichtlich der entzogenen Gegenstände bezog sich der Rechtsanwalt der Antragsteller auf die im vorausgegangenen Rückerstattungsverfahren vorgelegten Unterlagen. Dazu zählte der Katalog der Sammlung Flersheim aus den Jahren 1910/1911. Dem Antrag der Erben wurde in vollem Umfang stattgegeben. Für das fragliche Gemälde von Trübner ist auf diese Weise Schadenersatz geleistet worden.

Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt. Im Gegenzug wurde die früher gezahlte Schadenersatzleistung anteilig zurückgezahlt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Sammlungskatalog, Galerie. Martin und Florence Flersheim, 1910/1911, S. 41f., Nr. 58, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. Auf der CCP-Card wird als weitere Vorprovenienz „früher Wiesbaden, Frau Albert“ angegeben. Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8582. Hier handelt es sich vermutlich um eine Angabe zu einer weiteren Fassung des Motives, das sich heute im Wallraf-Richartz-Museum in Köln (Inv. Nr. WRM 2375) befindet. Vgl. Deutsche Dokumentationszentrum für Kunstgeschichte - Bildarchiv Foto Marburg, Philipps-Universität Marburg, URL: www.bildindex.de/document/obj05010795 [Abruf: 17.04.2020].

[2] Vgl. Ausst.kat. Deutsche Malerei in den letzten 50 Jahren. Ausstellung von Meisterwerken aus öffentlichem und privatem Besitz, Neue Staatsgalerie München, 1924 und Carl Georg Heise, „Deutsche Malerei in den letzten fünfzig Jahren“. Die Münchner Ausstellung,  in: Kunst und Künstler, Jg. XXIII, Heft 1, Oktober 1924, S. 6, Abb. 

[3] Für das Folgende vgl. Deutsches Zentrum Kulturgutverluste, Lost Art-Datenbank, Meldung/Suche, Martin und Florence Flersheim. URL: www.lostart.de/Webs/DE/Datenbank/MeldungVerlust.html?cms_param=menu%3Dinfo%26INST_ID%3D11537#id52146 [Abruf: 08.04.2020].

[4] Vgl. Städelsches Kunstinstitut und Städtische Galerie, Archiv, Akte 731, Ergänzung zur Liste der national wertvollen Kunstwerke Hessens, [1938], hier unter dem Titel „Kloster am Chiemsee“ und Schreiben Städtische Galerie Frankfurt a.M. an Polizeipräsidenten, Frankfurt a.M., 12.05.1938, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[5] Vgl. Eidesstattliche Versicherung von Frederick G. Flersheim, dem Sohn von Martin und Florence Flersheim, vom 28.06.1953 als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[6] Für Folgendes vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8582. 

[7] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14.

[8] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8582. 

[9] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[10] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.

[11] Vgl. BArch Koblenz, B323/331, List of paintings with information concerning their provenance given by Mr. Haberstock, ca. 1947/1948, Nr. 6, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes. Auch auf der CCP-Card ist „Berlin, Galerie Haberstock (457-B-99 Liste Haberstock ca. 1947/1948 Nr. 6)“ als Vorprovenienz verzeichnet. Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8582.

[12] Das Haberstock-Archiv, welches in den Kunstsammlungen und Museen Augsburg aufbewahrt wird, wurde von Horst Keßler wissenschaftlich ausgewertet. Das o.g. Gemälde ist dort nicht verzeichnet. Vgl. Horst Keßler, Karl Haberstock. Umstrittener Kunsthändler und Mäzen. München/Berlin 2008.

[13] Vgl. Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Karl Haberstock. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/H/Haberstock,%20Karl.html?nn=5148&cms_lv2=95378&cms_lv3=9332 [Abruf: 20.06.2019].

[14] Vgl. Horst Keßler, Karl Haberstocks Kunsthandel bis 1944, seine Rolle im Dritten Reich und die Augsburger Stiftung, S. 17–40, in: ders., Karl Haberstock. Umstrittener Kunsthändler und Mäzen. München, Berlin 2008, hier S. 17ff ; Vgl. Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Karl Haberstock. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/H/Haberstock,%20Karl.html [Abruf: 03.06.2019].

[15] Vgl. Lost Art-Datenbank, Modul „Provenienzrecherche“, NS-Raubkunst, Dienststellen und Verantwortliche des systematischen und organisierten NS-Kulturgutraubes, Karl Haberstock. URL: www.lostart.de/Content/051_ProvenienzRaubkunst/DE/Verantwortliche/H/Haberstock,%20Karl.html [Abruf: 03.06.2019].

[16] Vgl. Christof Trepesch, Karl Haberstock und die Kunstsammlungen und Museen Augsburg, S. 9–15, in: Keßler 2008, hier S. 9ff.

[17] Ebd.

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