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Böcklin, Arnold

Die schlafende Diana von zwei Faunen belauscht

Entstehungsjahr 1877
Technik Tempera auf Leinwand
Maße 77 x 108 cm
Münchener-Nr. 8652
Linz-Nr. 589/500
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der aus Basel stammende Maler und Bildhauer Arnold Böcklin (1827–1901) studierte von 1845 bis 1847 an der Kunstakademie Düsseldorf bei dem Landschaftsmaler Johann Wilhelm Schirmer (1807–1863).[1] Im Frühjahr 1850 ging Böcklin nach Rom, wo er mit Unterbrechungen bis 1857 lebte. Dort begann er sich der Landschaftsmalerei, insbesondere Darstellungen der römischen Campagna, und mythologischen Szenen zu widmen. Es folgten Aufträge für die Ausgestaltung von Sälen, 1858 in der Villa des Konsuls Karl Wedekind (1809–1881) in Hannover, 1868 im Haus des Unternehmers und Politikers Karl Sarasin (1815–1886) in Basel. Von 1860 bis 1862 lehrte Böcklin als Professor an der Großherzoglich-Sächsischen Kunstschule in Weimar. 1871 schuf Böcklin sechs karikaturistische Masken für die Gartenfassade der Kunsthalle Basel. Während seines Aufenthalts in München (1871–1874) entstanden Werke wie „Kentaurenkampf“ oder „Pietà“. In dieser produktiven Phase experimentierte Böcklin umfassend mit neuen Maltechniken. Nach dem Bruch mit seinem Malerkollegen Franz von Lenbach (1836–1904) zog er nach Florenz (1874–1885). Neben einem ausgeprägten Interesse für Literatur und seiner musikalischen Begabung, beschäftigte er sich mit technischen Fragestellungen. Im Sommer 1882 und 1883 unternahm Böcklin bei Florenz, im Herbst 1883 auch in Berlin Versuche mit Flugmaschinen. Während seiner Züricher Jahre (1885–1892) entstanden vor allem Neufassungen früherer Bildthemen, insbesondere mythologische Szenen. Gesundheitliche Probleme machten 1892 eine erneute Übersiedlung nach Italien notwendig. Sein Spätwerk ist zunehmend in kühlerem Kolorit ausgeführt. Die Darstellungen sind von Melancholie und düsterer, gespensterhafter Stimmung geprägt. Böcklin gilt neben Ferdinand Hodler (1853–1918), Max Klinger (1857–1920) und Franz von Stuck (1863–1928) als einer der Hauptvertreter des deutschen Symbolismus.

Das Gemälde zeigt eine mythologische Szene. Die Jagdgöttin Diana wird im Schlaf von zwei hinter ihr auf einem Felsen sitzenden Faunen beobachtet. Sie ist mit einem goldgelben durchsichtigen Kleid bekleidet, ihre rechte Brust ist entblößt. Neben ihr liegt ein Köcher mit mehreren Pfeilen. Im Bildhintergrund weitere Felsen mit Bäumen zu erkennen. Der Himmel ist großflächig bewölkt.

Das Werk ist unten rechts signiert und datiert „A. Boecklin p. 1877“. 

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Andree (1977) enthalten.[2]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: „Linz 589/500“ (Linz-Nr.); „4605 (Bleistift)“ (nicht identifiziert).[3] 

[1] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker (Hgg.), Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 4, Leipzig 1999, S. 178–184.

[2] Vgl. Rolf Andree, Arnold Böcklin. Die Gemälde, Basel/München 1977, S. 396, Nr. 314.

[3] Laut Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8652. Diese Angaben konnten am Original nicht überprüft werden. 

Provenienz

Zeittafel
(...) 
Ab 1894Eduard Ludwig Behrens sen. (1824–1895), Hamburg, erworben von Verlagsanstalt für Kunst und Wissenschaft, vorm. Bruckmann, München
1925–mindestens April 1935Franziska Behrens (1856–1951), Hamburg, erworben durch Erbgang / Nachlass Eduard L. Behrens jun., verwaltet von Norddeutsche Kreditbank, Hamburg
Vor Februar 1939Galerie Almas, München
1939Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
10.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2009Bundesvermögen
2009Restitution

Das Gemälde von Böcklin wurde 1894 von dem Bankier Eduard Ludwig Behrens sen. (1824–1895) erworben.[1] Behrens war Inhaber des seit 1806 in Hamburg ansässigen Bankhauses L. Behrens & Söhne. Er besaß eine umfangreiche Kunstsammlung.[2] Dem ältesten Sohn Eduard Ludwig Behrens jun. (1853–1925) vererbte der Vater seine Gemälde, der nächstältere Sohn Theodor Ernst Behrens (1857–1921) bekam die fast 200 Stücke umfassende Porzellansammlung vermacht.[3] Gemeinsam mit seinem Bruder betrieb Eduard L. Behrens jun., der als Belgischer Generalkonsul in Hamburg tätig war, das Bankhaus bis zur „Arisierung“ 1938 weiter.

1927 wurde das Gemälde bei einer Ausstellung zum 100. Geburtstag von Arnold Böcklin in der Berliner Nationalgalerie gezeigt.[4] Der dazugehörige Katalog nennt Franziska Behrens (1856–1951), geborene Gorrissen, die Witwe von Eduard L. Behrens jun. als dessen Eigentümerin. Die Forschung ergab, dass sich das Gemälde von Böcklin noch 1935 im von der Norddeutschen Kreditbank, Filiale Hamburg, verwalteten Nachlass von Eduard L. Behrens jun. befand. Franziska Behrens galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Mischling ersten Grades“ und zählte damit zum Kreis der von den Nationalsozialisten Verfolgten. Auch die Kinder George Eduard (1881–1956) und Elisabeth Emma (Ella) (1883–1950) unterlagen den gegen Juden gerichteten Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes. Ihnen gelang die Emigration ins Ausland.

Zum 1. April 1935 wurden Werke der Kunstsammlung Behrens, darunter auch das hier behandelte Böcklin-Gemälde, auf Grundlage der Reichsverordnung zum „Schutz national wertvollen Kunstbesitzes" vom 11. Dezember 1919 in das Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke aufgenommen.[5] Ein Verkauf dieser eingetragenen Werke war folglich nur noch im Inland möglich. Mit Schreiben vom 25. März 1939 wurde dem Reichs- und Preuss. Minister des Innern in Bezug auf die Eintragung 1935 mitgeteilt, dass das Gemälde „Diana“ von Böcklin aus dem Nachlass Behrens an die Münchener Galerie Almas verkauft worden sei.[6] Über die Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) wiederum gelangte es anschließend an den „Sonderauftrag Linz“ und erhielt dort die Linz-Nr. 589/500.[7] Die Höhe der Nummer weist auf einen Erwerb vor Ende Februar 1939.[8] Laut einer Aussage von Almas-Dietrich vom 12. März 1949 hatte sie es zuvor „aus deutschem Besitz“ erworben.[9]

Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[10] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[11]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 10. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[12] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein NS-verfolgungsbedingter Entzug an diesem Kulturgut und die Rechtsnachfolge des ursprünglichen Eigentümers wurden ermittelt. Die Restitution ist durch Unterzeichnung der Rückgabevereinbarung erfolgt.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Staatlichen Museen zu Berlin – Preußischer Kulturbesitz, Zentralarchiv, I/NG 680–718, George Eduard Behrens an Nationalgalerie Berlin, Hamburg, 03.11.1927.

[2] Vgl. Emil Heilbut, Die Sammlung Eduard L. Behrens zu Hamburg, München 1891. Im Nachtrag von 1895 ist das Gemälde unter dem Titel „Diana“ mit Abbildung enthalten.

[3] Für das Folgende vgl. Ulrich Luckhardt, Eduard L. Behrens und Theodor E. Behrens. Sammeln moderner Kunst in zwei Generationen, in: Ulrich Luckhardt/Uwe M. Schneede (Hgg.), Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Hamburger Kunsthalle 2001, S. 36.

[4] Für das Folgende vgl. Ausst.kat. Gemälde und Zeichnungen von Arnold Böcklin. Ausgestellt zur Feier seines 100. Geburtstages, Nationalgalerie, Berlin, 16.10.1927–05.02.1928.

[5] Vgl. Eintrag in der Akte im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[6] Vgl. Hamburger Kunsthalle, Archiv, U 251, Schreiben Gesamtverwalter des Ed. L. Behrens Gesamtguts an Reichsminister des Innern [Abschrift], Hamburg, 25.03.1939, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[7] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8652. 

[8] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004, S. 14 (unpubliziert).

[9] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8652. 

[10] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[11] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[12] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8652. 

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