Preller der Ältere, Friedrich Johann Christian Ernst
Landschaft mit badenden Kentauren
Entstehungsjahr | 1873 |
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Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 94 x 122 cm |
Münchener-Nr. | 8800 |
Linz-Nr. | 2714/1091 |
Lost Art-ID | 220675 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Friedrich Preller wurde am 25. 4. 1804 in Eisenach geboren.1 Er erwarb seine erste künstlerische Ausbildung 1818/1819 unter Heinrich Meyer in Weimar. Preller kam durch seinen Freund und Förderer Johann Wolfgang von Goethe mit der klassizistischen Kunsttheorie in Berührung, die Nicolas Poussin, Claude Lorrain und Jacob van Ruisdael als Vorbilder empfahl. Von 1828 bis 1831 suchte er in Rom, beeinflusst von Joseph Anton Koch, die idealisierte Vorstellung von Landschaft mit den beim Studium der Natur gewonnenen Eindrücken zu verbinden. Ein Aufenthalt in Neapel 1830 gab Preller die Idee seiner Odyssee–Bilder. In Weimar wurde er 1832 Nachfolger Meyers als Leiter der Zeichenakademie. Ungeachtet neuer zukunftsweisender Tendenzen blieb für Preller das von Goethe geprägte klassizistische Kunstprogramm über die Jahrhundertmitte hinaus verbindlich. Er wollte der Schilderung der Naturerscheinungen Sinnbildhaftigkeit verleihen.
Preller starb am 23. 4. 1878 in Weimar.
Das hier interessierende Gemälde zeigt Folgendes:
aus der Tiefe einer weiten Tallandschaft ergießt sich über Felsen ein breiter Fluß, der sich im Vordergrund beckenartig weitet und die gesamte Bildbreite einnimmt. Bäume, Buschwerk, Schilf und Steine säumen den Flußlauf und überwölben ihn gleichsam, am rechten Bildrand steigt das Ufer steil an. Am Ufer und im Wasser tummeln sich weibliche und mit Bögen bewaffnete männliche Kentauren sowie menschliche Gestalten. Von links kommt eine Gruppe von der Jagd, im Mittelgrund sieht man im Zentrum des Bildes eine badende Kentaurenfamilie und rechts am Ufer nach der Jagd ruhende Kentauren neben erlegten Tieren. Der Horizont liegt etwa in der Bildmitte, die Bäume an beiden Ufern überwölben den Flusslauf und geben einen kleinen Ausblick in die offene Bildtiefe, eine sonnenbeschienene Ebene, die von einem in der Ferne verschwimmenden Gebirgszug begrenzt wird. Der Betrachter nimmt einen erhöhten Standpunkt ein, so dass eine Distanz zum Bildgeschehen besteht und kein Vordergrund existiert.
Provenienz
im Besitz von Dr. Carl Freiherrn von Dobeneck2 , Magdeburg (laut Kl. Kartei) | |
04.01.1943 | veräußert an die Galerie Almas, München für RM 15.000,- |
im Februar 1943 | von dort erworben für Sonderauftrag Linz für RM 25.000,-3 |
Die TVK München ermittelte, dass das vorliegende Gemälde über die Galerie Almas, München, im Februar 1943 erworben wurde und zuvor im Besitz derer von Dobeneck in Magdeburg war.4
Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: Alle Querverweise bestätigen nach umfassender Recherche im Bundesarchiv die vorliegenden Angaben, fördern jedoch keine neuen Erkenntnisse zutage.5 Der Einkaufspreis der Galerie Almas lag bei RM 15.000, der Verkaufspreis bei RM 25.000.6 Aufgenommen in Band XXV der Fotoalben Gemäldegalerie Linz als Gabe an Adolf Hitler, der am 3. 11. 1943 versandt wurde.7 Die Recherchen zur Galerie Maria Almas-Dietrich, München, ergaben, dass keine zur Provenienz des Gemäldes relevanten Akten in Münchener Archiven überliefert worden sind.8 Die Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München sind nicht überliefert.9 Akten der Reichskammer der bildenden Künste sind im Bestand der Reichskulturkammer und ihrer Einzelkammern im Bundesarchiv Berlin10 und im Zentralen Staatsarchiv nicht überliefert.Im Bundesarchiv Berlin sind keine personenbezogenen Unterlagen zu Maria Dietrich überliefert.11
Maria Dietrich wurde am 28. Juli 1892 in München geboren, ihr Vater war Jude. 1910 bekam sie ein uneheliches Kind von einem deutsch-amerikanischen Juden. 1921 heiratete sie Ali Almas-Diamant, einen türkischen Maler, und erhielt dadurch die türkische Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Scheidung 1937 nahm sie 1940 wieder ihre deutsche Staatsangehörigkeit an, behielt aber den Namen Almas für ihre Galerie. Sie handelte seit 1919 mit Kunst und meldete im November 1937 die Kunsthandlung Almas offiziell an. 1940 stieg ihr Einkommen mit der Besetzung Frankreichs auf eine halbe Million Reichsmark. Maria Dietrich erwarb vor allem ab 1940 Kunstwerke aus dem besetzten Frankreich und aus Österreich.12 Insgesamt verkaufte Frau Dietrich über 900 Werke an Hitler. Sie hatte engen Kontakt zu Heinrich Hoffmann, er ermöglichte ihr ab 1936 den Zugang zu Hitler und verkaufte mit ihr bis 1940 Bilder an Hitler. Später konnte sie selbstständig, ohne die Zustimmung von Hans Posse oder Hermann Voss Gemälde an Hitler einliefern. Sie hatte zahlreiche Kontakte zu Kunsthändlern und Versteigerungshäusern, unter anderem auch zum Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, das als Verkäufer für die Berliner Finanzbehörden agierte. Zu ihren Lieferanten in München gehörte unter anderem die Galerie Maria Gillhausen. Nachdem Hermann Voss die Leitung des Sonderauftrages Linz übernommen hatte, verkaufte sie weniger Bilder an Hitler13 1944 brannte ihr Geschäft in der Ottostraße nach Luftangriffen auf München aus, und 1945 wurde ihr Privathaus zerstört.14 Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Maria Dietrich die Kunstgalerie weiter, die später von ihrer Tochter übernommen wurde.15
Es läßt sich zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen, wer der Vorbesitzer von Dobeneck war. In jedem Fall muss es sich um ein Mitglied des alten vogtländischen Adelsgeschlechts aus dem gleichnamigen Stammhaus bei Oelsnitz handeln.16
Die kunsthistorischen Recherchen ergaben Folgendes: Nach jüngsten Erkenntnissen der Wissenschaftler im Germanischen Nationalmuseum Nürnberg entspricht das vorliegende Gemälde stilistisch den Werken Prellers d. Ä., ebenso die Form der Signatur. Das Oeuvre Prellers d. Ä. ist nicht durch den Maler selbst dokumentiert, aber kürzlich in einem Werkverzeichnis von Ina Weinrautner aufgearbeitet worden. Das vorliegende Gemälde lässt sich in der älteren Literatur nur bei Roquette nachweisen.17 Dieser erwähnt 1883 vier Gemälde aus der Zeit nach Prellers Italienreise von 1869, in denen Preller zu seinen mythologischen Themen zurückkehrte, darunter „Badenden Kentauren“, ein Motiv, das Preller bereits 1856 als bildwürdig erachtet hatte.18 Dabei dürfte es sich um das vorliegende Bild handeln, allerdings kann Roquette die Besitzverhältnisse nicht benennen und gibt nur „Berlin (?)“ an19 Ina Weinrautner konnte die Erwähnung bei Roquette mit einer im Zentralinstitut in München aufbewahrten Photographie gleichsetzen, die das vorliegende Gemälde wiedergibt. Weinrautner kann einen etwas kleineren Karton zum Gemälde in Antwerpen nachweisen, als Aufbewahrungsort des Gemäldes gibt sie „Verbleib unbekannt“ an und kann auch keine weiteren Angaben zur Provenienz machen.20
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Anhaltspunkte für weitere Recherchen liegen derzeit nicht vor.
Stand: 2011
1 Für Folgendes vgl. Le Blanc 3, 1857, S. 247; Müller, KL 3, 1864, S. 296; 4, 1870, S. 345; ADB 26, 1888, S. 553-561; Thieme/Becker 27, 1933, S. 376f.; DA 25, 1996, S. 550.
2 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8800. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern lauten Aussee 4020 und Linz 2714 / 1091.
3 BArch Koblenz, B 323/99/634 (sog. Kleine Kartei).
4 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8800. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern lauten Aussee 4020 und Linz 2714 / 1091.
5 BArch Koblenz, B 323/49/317; B 323/83/215; B 323/99/634 (sog. Kleine Kartei).
6 BArch Koblenz, B 323/99/634 (sog. Kleine Kartei).
7 Schwarz 2000, S. 64f., 162, 404 (Abb.) Nr. XXV/32.
8 Nach Recherchen des BADV zu mü 9458 besitzen folgende bayerischen Archive keine Akten zur Galerie Maria Almas-Dietrich: Staatsarchiv München, Stadtarchiv München, Bayrisches Hauptstaatsarchiv München und Wirtschaftsarchiv München.
9 Boberach, 1991.
10 BArch Berlin, R 56.
11 Mitteilung von Frau Katrin Hartisch/ Bundesarchiv Berlin. Vgl. E-Mail vom 12. 11. 2008.
12 Eichhorn 2003, S. 272.
13 Löhr 2005, S. 127f.
14 BArch Koblenz, B 323, 436.
15 Eichhorn 2003, S. 272.
16 Kneschke 2, 1860, S. 511f.
17 Die in den in Anm. 3 genannten Nachschlagewerken verzeichneten Erwähnungen Prellers haben sich als nicht relevant erwiesen. Das vorliegende Bild taucht auch nicht auf bei Boetticher II.1, 1898, S. 310-320. Vgl. Roquette 1883, S. 329f.
18 Weinrautner 1997, S. 384-386 Nr. 342.
19 Vgl. Roquette 1883, S. 329f.
20 Weinrautner 1997, S. 384-386 Nr. 342.