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Brueghel (Bruegel) der Ältere, Pieter (Reproduktion)

Der Kindermord zu Bethlehem (Der Bethlehemitische Kindermord)

Entstehungsjahr 1627
Technik Öl auf Eichenholz
Maße 72,3 x 104 cm
Münchener-Nr. 8873
Linz-Nr. 2937
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Im Zentrum des Gemäldes steht eine geharnischte Gruppe von Soldaten zu Pferd, die von Bauern umringt wird. Erregt laufen Frauen mit ihren Kindern davon, um sie vor dem Zugriff der Soldaten zu schützen. Für einige Kleinkinder kommt jedoch jede Hilfe zu spät: Soldaten haben sie bereits ergriffen, um sie zu töten. Die tumultartige Szene wird durch Frauen, die flehend die Hände heben oder fliehen, diskutierende Männer und gewalttätige Soldaten bevölkert. Schauplatz ist ein winterliches Dorf, das aus einigen Häusern besteht, in die die Soldaten versuchen einzudringen.

Provenienz

Zeittafel
6.1.1943 Aus fränkischem Adelsbesitz (Freiherr von Guttenberg) wurden die drei Gemälde Linz 2935 (Oberfränkischer Meister, Mü-Nr. 4669), Linz 2936 (Katzheimer, Mü-Nr. 4355) und Linz 2937 (Brueghel, Mü-Nr. 8873) für RM 375.000 über August Mayer-Stoeber, München, für den "Sonderauftrag Linz" erworben1  

Zum Gemälde „Der Kindermord zu Bethlehem“ gibt es verschiedene Versionen. Es wird dabei in eine „Große Version“ unterschieden, von der es 14 Darstellungen gibt, und eine „Kleine Version“, von der rund 30 Gemälde bekannt sind.2 Das Thema war um 1600 außerordentlich beliebt und befand sich aller Wahrscheinlichkeit nach zu jener Zeit auf dem Höhepunkt der Produktion.3 Das Gemälde in Bundesbesitz geht auf eine zweite Kompositionsidee des neutestamentarischen Themas „Kindermord zu Bethlehem“ zurück, wobei ein Großteil der Gemälde nur durch kunsthistorische Überlieferung bekannt ist.4 Im Vergleich zur „Großen Version“ zeichnen sich die Gemälde der „Kleinen Version“ durch ein reduziertes Bildformat aus: In der Regel sind die Gemälde zwischen 72 und 75 cm hoch und zwischen 100 und 106 cm breit. Im Werkverzeichnis sind drei sehr ähnliche Gemälde abgebildet, die wiederum sehr große Ähnlichkeiten zu dem in Bundesbesitz aufweisen. Im Einzelnen handelt es sich um ein Gemälde, welches sich im Koninklijk Museum voor Schone Kunsten in Antwerpen (Kat.Nr. 302, Abb. Ft. 242) befindet, ein Bild, das im Musées Royaux des Beaux-Arts de Belgique in Brüssel (Kat.Nr. 303, Abb. Ft. 239) aufbewahrt wird und um ein weiteres, welches 1998 bei Christie’s (Kat.Nr. 304, Abb. Ft. 238) versteigert wurde.5 Das in Bundesbesitz befindliche Gemälde wird nicht im Werkverzeichnis erwähnt. Die beiden Bilder der Katalognummern 302 und 303 kommen dem hier in Rede stehenden Werk am nächsten, sowohl was die Maße – 73 bzw. 74 cm x 104 bzw. 106 cm – als auch was das Material – Holz – betrifft. Die beiden Gemälde werden trotz des überlieferten Datums „1564“ von der Forschung auf nach 1616 datiert.6 Das Gemälde in Bundesbesitz ist dagegen unten rechts neben der Signatur mit der Jahreszahl "1627" bezeichnet.7

Die TVK München ermittelte, dass drei Tafeln aus dem Besitz des Freiherrn von Guttenberg, einem alten fränkischen Adelsgeschlecht, am 6. Januar 1943 für das Deutsche Reich erworben wurden. Dabei handelt es sich um „Die Pflugscharprobe der hl. Kunigunde“ (Mü-Nr. 4355 ) von Wolfgang Katzenheimer, „Die Weissagung der Tiburtinischen Sibylle an Kaiser Augustus“ (Mü-Nr. 4669) vom Oberfränkischen Meister und „Der Kindermord zu Bethlehem“ (Mü-Nr. 8873) von Pieter Brueghel d.Ä. Als Vermittler fungierte der Münchener Kunsthändler August Mayer-Stoeber.8

Der im Bundesarchiv Koblenz erhaltene Schriftverkehr illustriert diesen Vorgang anschaulich. Der Generaldirektor der Bayrischen Staatsgemäldesammlungen, Buchner, verfasste ein Gutachten zu den drei Tafeln, die sich seit Anfang Januar 1943 zur Ansicht in den Direktionsräumen der Alten Pinakothek in München befanden.9 Dem Schreiben ist zu entnehmen, dass die Bildtafeln aus altem fränkischen Adelsbesitz (Freiherr von Guttenberg) von Herrn Mayer-Stoeber aus München dem Direktor für das geplante Linzer Museum, Hans Posse, zum Kauf angeboten wurden. Buchner befürwortete den Kauf der Tafeln für das Museum und äußerte sich abschließend, dass eine Reduktion der Preise bei Freiherrn von Guttenberg nicht zu erreichen gewesen war, da der Besitzer nicht aus wirtschaftlicher Not zum Verkauf gezwungen wurde. Buchner schlug vor, die drei Arbeiten für die Pauschalsumme von RM 375.000 zu erwerben. Er begründete die hohe Summe damit, weil die Werke seit Jahrhunderten in Adelsbesitz waren und sich daher nie im Handel befunden hatten. Buchner hatte offensichtlich bereits mündlich mit Posse über den Preis gesprochen, denn die Rechnung vom 6. Januar 1943 wies bereits den von ihm vorgeschlagenen Gesamtbetrag auf.10

Die Recherchen über Freiherrn von Guttenberg ergaben keine nationalsozialistisch bedingte Zwangslage, die einen politischen oder rassisch bedingten Verkauf annehmen ließen.

Die Provenienz ist geklärt. Ein früherer NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust an diesem Kunstwerk kann ausgeschlossen werden.

Stand: 2011

1 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8873. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Inventarnummer ist Aussee 4093. Vgl. auch Mü-Nr. 4669 und Mü-Nr. 4355.
2 Ertz 1988/2000, Bd. 1, S. 321, 328.
3 Für das Folgende vgl. ebd., S. 325f. und 338.
4 Für das Folgende vgl. ebd., S. 328.
5 Ebd., S. 353 f.
6 Ebd.
7 Vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8873.
8 Ebd.
9 Gutachten Buchner vom 8.1.1943. Vgl. BArch, B323/102, LF II/10/38.
10 Rechnung von August Mayer, München, an Lammer, München, 6.1.1943. Vgl. BArch, B323/102, LF II/9/37.

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