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Thoma, Hans

Im Hühnerhof (Zwei kleine Mädchen, Hühner fütternd)

Entstehungsjahr 1873
Technik Öl auf Holz
Maße 30,7 x 41,8 cm
Münchener-Nr. 8929
Linz-Nr. 742/597
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Hans Thoma (1839–1924) findet nach kurzer Lehrzeit als Lithograph, Anstreicher und Uhrenschildmacher 1859 Aufnahme an der großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe, wo er unter anderem bei Johann Wilhelm Schirmer ausgebildet wird.1 Nach dem Wechsel 1867 an die Düsseldorfer Akademie, wo er Otto Scholderer kennenlernt, unternimmt er mit diesem im folgenden Jahr eine Reise nach Paris. Dort wird das Oeuvre von Gustave Courbet zum entscheidenden Erlebnis für Thoma. Seine nun entstehenden Werke, die er im Kunstverein Karlsruhe zeigt, stoßen jedoch auf so scharfe Kritik, dass er den Entschluss fasst, 1870 nach München umzusiedeln, wo er die nächsten Jahre wirkt. Auch hier findet seine Arbeit ein geteiltes Echo, besonders die älteren Maler lehnen seine Kunst teils heftig ab.2 Ihm geistesverwandte Maler, mit denen er in München verkehrt, sind u. a. Victor Müller, Wilhelm Leibl, Arnold Böcklin und Wilhelm Trübner. Es vergeht allerdings noch mehr als ein Jahrzehnt bis Thoma 1890 endlich einen großen Erfolg in München erzielt.3 Als Sechzigjähriger wird er schließlich vom Großherzog Friedrich I. von Baden zum Direktor der Galerie und Professor der Kunstschule nach Karlsruhe berufen. Im Jahre 1909, also noch zu seinen Lebzeiten, wird für Thoma ein Museum in der Karlsruher Kunsthalle eröffnet.

Das Gemälde „Im Hühnerhof“ aus dem Jahre 1873 entsteht in München. Während jener Jahre malt Thoma immer wieder die Umgebung Münchens, die er schlicht und ohne jegliche Heroisierung wiedergibt. Seine Landschaftsbilder zeigen eine unberührte Natur, in der Mensch und Landschaft im Einklang miteinander leben. Dies ist auch im vorliegenden Werk der Fall, in dem zwei Mädchen einträchtig nebeneinander sitzen und zahlreiche Hühner und deren Küken füttern.

Provenienz

Zeittafel
Mindestens seit 1909 Frau Dr. Otto Eiser, Frankfurt am Main4  
 Kunsthandlung Gerstenberger, Chemnitz 
 Von dort von Galerie Almas-Dietrich erworben (Aussage Almas 16.3.1949) 
Vermutlich 1939 Weiterverkauf an den „Sonderauftrag Linz“

Die TVK München ermittelte, dass sich das Gemälde im Besitz der Ehefrau von Herrn Dr. Otto Eiser aus Frankfurt am Main befand.5 Zu einem nicht bekannten Zeitpunkt gelangte das Werk in die Kunsthandlung Gerstenberger in Chemnitz. Von dort erwarb es die Galeristin Maria Almas-Dietrich, die es an den „Sonderauftrag Linz“ weiterverkaufte. Die Linzer Nummer lässt darauf schließen, dass dies vermutlich im Jahr 1939 geschah.6

Die erneuten Recherchen bestätigten die Erkenntnisse der TVK.7 In der umfangreichen Literatur zu Hans Thoma konnte das Bild im bislang einzigen Werkverzeichnis von Henry Thode aus dem Jahre 1909 nachgewiesen werden.8 Als Besitzer wird dort die bereits von der TVK genannte Frau Dr. Otto Eiser, Frankfurt a.M., angegeben. Der Arzt Dr. Otto Eiser und seine Frau Sophie waren mit Thoma befreundet.9 Laut Werkverzeichnis besaß das Ehepaar zahlreiche Werke des Künstlers.10 Darüber hinaus fertigte Thoma auch Porträts seiner Gönner an.11 Über das Ehepaar Eiser konnte nichts Näheres ermittelt werden, außer dass es wie beispielsweise Jakob Weiller (vgl. Mü-Nr. 8994) zum Kreis der Frankfurter Sammler gehörte, die Arbeiten von Thoma erwarben.

Über die Kunsthandlung Gerstenberger war in Erfahrung zu bringen, dass diese seit 1928 bestand und 1945 ausgebombt wurde. Die Galerie bestand zwar bis 1951 weiter, Unterlagen über den Geschäftsverkehr sind jedoch nicht überliefert. Eine Anfrage beim Stadtarchiv in Chemnitz erbrachte, dass die Inhaber während der Zeit des Nationalsozialismus nicht verfolgt worden sind. Im Gegenteil, laut Handreichung des Bundesbeauftragten für Kultur und Medien zur Umsetzung der Washingtoner und Berliner Erklärung war die Galerie in den Handel mit NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgütern involviert.12

Es konnte nicht geklärt werden,unter welchen Umständen das Gemälde „Im Hühnerhof“ von der Galerie Gerstenberger erworben wurde.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle bekannten Quellen ausgeschöpft sind. Ein NS-verfolgungsbedingter Vermögensverlust kann nicht ausgeschlossen werden.

Stand: 2006

1 Für das Folgende vgl. Hans Thoma 1961, unpag.
2 Für das Folgende vgl. Dirrigl 2001, S. 21-25.
3 Hans Thoma 1961, unpag.
4 BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8929. Eine weitere auf der Inventarkarte vermerkte Nummer lautet Aussee 4149.
5 Für das Folgende vgl. ebd.
6 Zur Inventarisierung vgl. die Aussage von Reger am 21.7.1951, in: BArch, B 323/332, Reger.
7 Aussage von Maria Almas-Dietrich im CCP München am 16.3.1949. Vgl. BArch, B323/331, Almas-Dietrich.
8 Thode 1909, S. 60.
9 Eiser wird von Thode erwähnt. Vgl. Thode 1909, S. 61f.
10 So beispielsweise die Gemälde „Muschelstillleben“ von 1873 und „Im Wiesengrund“ von 1876, in: Thode 1909, S. 52 und 63.
11 Genannt sei das “Bildnis von Frau Sophie Eiser” von 1873, in: Thode 1909, S. 59.
12 Handreichung zur Umsetzung der Erklärung der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom Dezember 1999 zur Auffindung und zur Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturgutes, insbesondere aus jüdischem Besitz, Berlin 2000, S. 34.

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