Kaulbach, Friedrich August von
Damenbildnis (Kniestück)
Entstehungsjahr | 1894 |
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Technik | Öl auf Leinwand |
Maße | 138,0 x 109,0 cm |
Münchener-Nr. | 8991 |
Linz-Nr. | 2711 |
Lost Art-ID | 220743 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Friedrich August von Kaulbach (1850–1920), der einer weit verzweigten Malerfamilie entstammte, profilierte sich als Maler, Zeichner, Graphiker und Radierer vor allem in den Gattungen Porträt, Genre, Landschaften, Stillleben und Karikatur.[1] 1871 zog er nach München, ohne jedoch in die Akademie einzutreten, deren Direktor sein Onkel Wilhelm von Kaulbach (1805–1874) war. Nach zahlreichen Reisen u. a. nach Italien, wo er Rubens-Gemälde studierte, siedelte Kaulbach 1886 endgültig nach München, um als Akademiedirektor die Nachfolge Karl Theodor von Pilotys (1826–1886) anzutreten.
Nach der Übersiedlung nach München im Jahre 1871 bewegte sich der von der vornehmen Münchener Gesellschaft hochgeschätzte „Malerfürst“ im Kreise seiner Künstlerkollegen Wilhelm von Diez (1839–1907), Franz von Lenbach (1836–1904) und Hans Makart (1840–1884). Kaulbachs frühes Werk ist geprägt durch Genrebilder und Einzelfiguren in altdeutscher Renaissancetracht.[2] Ab den 1880er Jahren überwand er diese Richtung und malte fortan Figuren in zeitgenössischen Kostümen. Seine Porträts waren besonders begehrt, da er es vermochte, den momentanen Eindruck seiner Auftraggeber im Bildnis festzuhalten, wobei er sich ebenso wie Lenbach der Fotografie bediente.
Dieses 1894 entstandene Porträt zeigt eine Dame in orientalisch anmutender Tracht mit einem Turban, deren Blick en face melancholisch in sich gekehrt wirkt. Die im Kniestück dargestellte Frau hat ihren rechten Arm in der Hüfte angewinkelt. Ihre linke Hand stützt sie leicht auf einem Mauervorsprung ab.
Das Gemälde ist unten rechts signiert und datiert „F.A. Kaulbach1894“.
Im Werkverzeichnis des Künstlers ist das Werk unter der Kat. Nr. 505 gelistet.[3]
Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes Etikett mit blauem Rand „2711/1088“ (Linz-Nr.); „blaue Fettkreide „8991“ (Mü-Nr.); weißes Etikett „Galerie Maria Dietrich „Almas“, München 2, Ottostraße 9, Fernruf: 57898“, dort in schwarzer Tinte „F. A. v. Kaulbach Stehendes Damenbildnis“; weißes Etikett „Leipziger Kunstverein. 1397“.
[1] Für das Folgende vgl. Evelyn Lehmann, Elke Riemer, Die Kaulbachs. Eine Künstlerfamilie aus Arolsen, Bad Arolsen 1978 und Klaus Zimmermanns, Friedrich August von Kaulbach. 1850–1920. Monographie und Werkverzeichnis, München 1980.
[2] Für das Folgende vgl. Ulrich Thieme/Felix Becker, Allgemeines Lexikon der bildenden Künstler von der Antike bis zur Gegenwart, Bd. 20, Leipzig 1999, S. 20–22.
[3] Vgl. Zimmermanns 1980, Kat. Nr. 505. Die Provenienzangaben im WVZ stammen von der Property Card aus dem CCP München. Weitere Hinweise auf die Provenienz sind dort nicht angegeben.
Provenienz
(…) | |
O. J. | Leipziger Kunstverein |
Bis 06.11.1942 | Sammlung Hedwig Steffens (1879–1942), Hamburg |
Nach 06.11.1942–18.02.1943 | Antiquitätenhändlerin Paula Heuser, Hamburg |
18.02.1943 | Galerie Almas, München |
Februar 1943 | Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“) |
Ab Sommer 1943 | Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee |
11.10.1945 | Eingang in den Central Collecting Point München |
Seit 1949 | Bundesvermögen |
Erstmals nachgewiesen werden konnte das Porträt im Nachlass von Hedwig Steffens (1879 Stettin–1942 Hamburg).[1] Aus dem Nachlass der Hamburgerin Berta Friederike Hedwig Steffens, geborene Brauer, wurde das Gemälde zunächst an Paula Heuser in Hamburg verkauft. Die Kaufmannswitwe Hedwig Steffens war am 6. November 1942 verstorben.[2] Ihr bereits verstorbener Ehemann war der Kaufmann John Eduard Emil Steffens.
Im Staatsarchiv Hamburg ließen sich keine Anhaltspunkte nachweisen, dass die Eheleute Steffens nationalsozialistischen Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt waren. Die Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer Yad Vashem lieferte keine Ergebnisse zu Hedwig Steffens oder ihrem Ehemann John Eduard Emil Steffens.[3] Rückerstattungsverfahren von Hedwig Steffens konnten ebenfalls nicht ermittelt werden.
Laut Aussage der Hamburger Antiquitätenhändlerin Paula Heuser hatte die Verstorbene kurz nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit dem Aufbau ihrer Sammlung begonnen.[4] Der als Testamentsvollstrecker für den Nachlass Steffens fungierende Herr Nehls habe drei von vier Gemälden aus dem Nachlass an den Hamburger Antiquar Dr. Ernst Hauswedell (1901–1983) und sie selbst übergeben.[5] Da die Gemälde in ihrem Geschäft ausgestellt waren, erfolgte der Verkauf nach Aussage Paula Heusers über sie im März 1943. Diese Aussage ist nicht ganz schlüssig, denn in ihrem Schreiben an den CCP München im Jahre 1951 erwähnte sie neben März 1943, dass das hier interessierende Werk „durch Almas von P. Heuser Febr. 1943“ erworben worden sei. Klarheit gibt die Property Card des CCP München für das Porträt „Clairvoyant“ von Gabriel von Max (Mü-Nr. 10052), welches ebenfalls in dem Schreiben erwähnt wurde. Entsprechend dieser Property Card wurde das Gemälde von Max am 18. Februar 1943 von der Münchener Kunsthändlerin Almas-Dietrich von Paula Heuser erworben.[6] Almas-Dietrich veräußerte es noch im selben Monat für RM 8.000,- an den „Sonderauftrag Linz“. Dort wurde es mit der Linz-Nr. 2712 inventarisiert. Das Kaulbach-Porträt, welches sie für RM 11.000,- ebenfalls an den "Sonderauftrag Linz" verkaufte, erhielt die Linz-Nr. 2711. Demzufolge hat Almas-Dietrich die beiden Porträts zusammen mit einem weiteren Werk, welches sich jedoch nicht in Bundesbesitz befindet, erworben. Es ist daher zu vermuten, dass das Damenporträt von Kaulbach ebenso wie „Clairvoyant“ von Max zwischen November 1942 und Februar 1943 in den Besitz von Paula Heuser übergegangen war.
Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[7] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[8]
Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 12. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[9] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.
Ein Etikett auf der Rückseite verweist darauf, dass das Porträt sich zu einem unbekannten Zeitpunkt im Leipziger Kunstverein befunden hatte.
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[10]
Bearbeitungsstand: 2018
[1] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 8991. Bezeichnet wird das Porträt hier als „Damenbildnis (Kniestück)“. Weitere Angaben sind: Linz 2711, 8549 (Blaustift) (nicht identifiziert), Leipz. Kunstverein 1397 und 8416 (Blaustift) (nicht identifiziert).
[2] Für das Folgende vgl. Schreiben des Staatsarchivs Hamburg vom 05.07.2001.
[3] Vgl. Yad Vashem, Zentrale Datenbank der Namen der Holocaustopfer. URL: http://yvng.yadvashem.org/index.html?language=de [Abruf: 13.12.2017].
[4] Für das Folgende vgl. Schreiben von Heuser an den CCP München vom 29.01.1951.
[5] In Bundesbesitz befinden sich noch heute zwei Gemälde von dieser Liste (Mü-Nr. 8991 und Mü-Nr. 10052).
[6] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 10052.
[7] Vgl. BWA, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.
[8] Vgl. NARA, RG 260, 519, Box 445.
[9] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü.-Nr. 10052.
[10] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) LostArt Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 31.08.2018].