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Thoma, Hans

Der Frühling (Landschaft mit Kindern und Schafherde, auch Goßfelden)

Entstehungsjahr 1894
Technik Öl auf Leinwand
Maße 100 x 132 cm
Münchener-Nr. 8994
Linz-Nr. 2820
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Hans Thoma (1839–1924) findet nach kurzer Lehrzeit als Lithograph, Anstreicher und Uhrenschildmacher 1859 Aufnahme an der großherzoglichen Kunstschule in Karlsruhe, wo er unter anderem bei Johann Wilhelm Schirmer ausgebildet wird.1 Nach dem Wechsel 1867 an die Düsseldorfer Akademie, wo er Otto Scholderer kennenlernt, unternimmt er mit diesem im folgenden Jahr eine Reise nach Paris. Dort wird das Oeuvre von Gustave Courbet zum entscheidenden Erlebnis für Thoma. Seine nun entstehenden Werke, die er im Kunstverein Karlsruhe zeigt, stoßen jedoch auf so scharfe Kritik, dass er den Entschluss fasst, 1870 nach München umzusiedeln, wo er die nächsten Jahre wirkt. Auch hier findet seine Arbeit ein geteiltes Echo, besonders die älteren Maler lehnen seine Kunst teils heftig ab.2 Ihm geistesverwandte Maler, mit denen er in München verkehrt, sind u. a. Victor Müller, Wilhelm Leibl, Arnold Böcklin und Wilhelm Trübner. Es vergeht allerdings noch mehr als ein Jahrzehnt bis Thoma 1890 endlich einen großen Erfolg in München erzielt.3 Als Sechzigjähriger wird er schließlich vom Großherzog Friedrich I. von Baden zum Direktor der Galerie und Professor der Kunstschule nach Karlsruhe berufen. Im Jahre 1909, also noch zu seinen Lebzeiten, wird für Thoma ein Museum in der Karlsruher Kunsthalle eröffnet.

Das Gemälde „Der Frühling“ aus dem Jahre 1894 malt Thoma während seiner Zeit in Frankfurt, wo er von 1876 bis 1899 lebt.4 Während dieser Zeit entstehen Bilder mit neuen allegorischen und symbolischen Sujets. Thoma bevölkert seine Landschaften mit heidnischen und christlichen Figuren sowie tanzenden Putten und musizierenden Engeln. An sein großes Vorbild Böcklin, dessen Bilder eine mystische Welt mit Naturgeistern, Sagengestalten und Fabelwesen darstellen, reicht Thoma zwar nicht heran, als Landschaftsmaler leistet er jedoch Bedeutendes. Da der Künstler die Sommermonate während seiner Frankfurter Jahre in Oberursel verbrachte, ist anzunehmen, dass dieses Bild dort entstanden ist. Dargestellt ist eine idyllische Landschaft, in der zwei Knaben musizieren, denen ein Kind und eine junge Frau zuhören. Im Hintergrund arbeitet eine Frau. Die frühlingshafte Szene zeigt eine Blumenwiese mit Bäumen und weidenden Schafen, links davon ist ein Flusslauf mit Segelboot. 

Provenienz

Zeittafel
Spätestens seit 1909 Jakob/Jacob Hermann Weiller, Frankfurt am Main5  
16./17.4.1943 Bei Auktionshaus H.W. Lange, Berlin, von der Galerie Almas-Dietrich, München, für RM 130.000 erworben 
 Weiterverkauf an den „Sonderauftrag Linz“

Die TVK München ermittelte, dass sich das Gemälde zu einem nicht näher bestimmten Zeitpunkt im Besitz von Herrn Jakob Weiller aus Frankfurt am Main befand.6 Auf der Versteigerung des Auktionshauses H.W. Lange, Berlin, vom 16. und 17. April 1943 wurde es von der Galerie Almas-Dietrich, München für RM 130.000 erworben. Die Galeristin verkaufte das Gemälde anschließend an den „Sonderauftrag Linz“.

Die erneuten Recherchen bestätigten die Erkenntnisse der TVK.7 Aus einer Aufstellung der Galerie Almas-Dietrich geht hervor, dass auf der Auktion von H.W. Lange vom 16. und 17. April 1943 eine größere Anzahl von Gemälden erworben wurde, darunter auch das Werk „Frühling“ von Hans Thoma.8 Unter der Katalognummer 231a ist im Auktionskatalog als Einlieferer des Bildes lediglich „Berlin“ angegeben.9 Dies könnte ein Hinweis auf den Verkauf durch eine staatliche Behörde sein.

In der umfangreichen Literatur zu Hans Thoma konnte das Bild im bislang einzigen Werkverzeichnis von Henry Thode aus dem Jahre 1909 nachgewiesen werden.10 Als Besitzer wird dort der bereits von der TVK genannte Jakob Weiller, Frankfurt a.M., angegeben. Weiller gehörte ebenso wie das Ehepaar Otto und Sophie Eiser (vgl. Mü-Nr. 8929) zum Kreis der Frankfurter Sammler, die Arbeiten von Thoma erwarben.

Die Anfrage beim Stadtarchiv in Frankfurt am Main zu Jakob/Jacob Weiller ergab, dass es sich um den Bankier Jakob/Jacob Hermann Weiller handelt. Er wurde am 23. Dezember 1842 in Frankfurt am Main geboren wurde und verstarb dort am 13. September 1911.11 Verheiratet war er mit Rosa Weiller, geb. Goldschmidt (geb. 16. Mai 1852 Bad Homburg, gestr. 16. Dezember 1929 in Frankfurt am Main). Der bereits 1975 verstorbene Enkel des Sammlers sagte aus, dass der Großvater seine Sammlung aus wirtschaftlichen Gründen im Jahre 1930 versteigern musste. Die Versteigerung derselben erfolgte am 21.Oktober 1930 durch das Auktionshaus Hugo Helbing in Frankfurt am Main.12

In der Einleitung des Auktionskatalogs wies Georg Swarzenski, der auch für das „Städelsche Kunstinstitut“ Veröffentlichungen herausgab, auf die Bedeutung der eingelieferten Kunstsammlung hin. Er bedauerte ausdrücklich deren Auflösung, weil sie den Ruf Frankfurts auf dem Gebiete der Kunst mitbestimmt habe. Er erwähnte ferner, dass Rosa Weiller zu den engagiertesten Sammlerinnen in ganz Deutschland gezählt habe, weshalb die Sammlung Weiller seit Jahrzehnten über Frankfurt hinaus bekannt gewesen sei. Anlass für die Auflösung der Sammlung könnten neben den vom Enkel erwähnten wirtschaftlichen Gründen auch Erbschaftsauseinandersetzungen gewesen sein, da die Sammlerin im Vorjahr verstorben war. Das Gemälde „Frühling“ war jedoch nicht in der Auktion vertreten. Es ist anzunehmen, dass das Werk freihändisch verkauft wurde.

Zur Familiegeschichte konnte das Stadtarchiv Frankfurt noch mitteilen, dass das Ehepaar Weiller zwei Söhne hatte. Der Sohn Emil Jacob Weiler starb 1931. Er hinterließ einen Sohn. Dieser wurde aufgrund seiner „nichtarischen Abstammung“ auf Grundlage des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 bereits wenige Monate später aus dem Staatsdienst entlassen.13 Später emigrierte er mit seiner Mutter nach New York. Wann der zweite Sohn verstarb, konnte nicht ermittelt werden. Er hatte ebenfalls einen Sohn, der aber bereits im Alter von elf Jahren verstarb.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle bekannten Quellen ausgeschöpft sind. Wegen der großen zeitlichen Lücke bei der Herkunftsangabe (1930 bis 1943) kann ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust jedoch nicht ausgeschlossen werden.

Stand: 2006

1 Für das Folgende vgl. Hans Thoma 1961, unpag.
2 Für das Folgende vgl. Dirrigl 2001, S. 21-25.
3 Hans Thoma 1961, unpag.
4 Dirrigl 2001, S. 76f.
5 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, Mü-Nr. 8994. Eine weitere auf der Inventarkarte vermerkte Nummer lautet Aussee 4214.
6 Für das Folgende vgl. ebd.
7 Aussage von Maria Almas-Dietrich im CCP München am 16.3.1949. Vgl. BArch, B323/331, Almas-Dietrich.
8 Aufstellung der Galerie Maria Dietrich [sic], ohne Ort und Datum. Vgl. BArch, B323/76, LF XVIa/51a/170.
9 Auk.kat. Verschiedener deutscher Kunstbesitz, Gemälde alter und neuerer Meister, Möbel, Tapisserien, Golddosen, durch Lange, am 16./17.4.1943.
10 Thode 1909, S. 380.
11 Für das Folgende vgl. das Schreiben vom Stadtarchiv Frankfurt am Main an die OFD Berlin vom 4.2.2002.
12 Für das Folgende vgl. Auk.kat. Nachlass Frau Jacob H. Weiller, Frankfurt am Main. Plastik des Mittelalters und der Renaissance, alte und moderne Gemälde, Handzeichnungen, Keramik, Wachs, Miniaturen, Silber, Möbel, Kronleuchter, Stoffe, Teppiche, durch Hugo Helbing, Frankfurt am Main, am 21.10.1930.
13 Schreiben des Landesgerichtspräsidenten, Frankfurt am Main, am 19.8.1933. Vgl. Regierungspräsidium Darmstadt, Entschädigungsakte Hermann Weiller.

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