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Kaulbach, Friedrich August von

Flora in einer Landschaft schwebend

Entstehungsjahr um 1882
Technik Öl auf Hartfaserplatte
Maße 103 x 56 cm
Münchener-Nr. 9179
Linz-Nr. 1688/935
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Friedrich August von Kaulbach (1850–1920) war ein deutscher Maler, Grafiker und Karikaturist.[1] Er entstammte einer weit verzweigten Malerfamilie und erhielt den ersten Unterricht beim Vater. Von 1868 bis 1870 besuchte von Kaulbach die Nürnberger Kunstschule, wo er unter Karl Raupp (1837–1918) sowie August von Kreling (1819–1876) studierte. Anschließend kehrte er in das Atelier des Vaters zurück und kopierte die Gemälde in der Dresdner Galerie. 1872 zog der Künstler nach München. Hier lernte er Lorenz Gedon (1844–1883), Wilhelm von Diez (1839–1907), Rudolf von Seitz (1842–1910) und Wilhelm Busch (1832–1908) kennen. Im Jahre 1873 reiste von Kaulbach mehrmals nach Italien. Aus einem Künstlerfaschingsfest gingen 1876 zwei Kostümbilder hervor, die ihm in München und auf der Pariser Weltausstellung von 1878 den ersten größeren Erfolg einbrachten. In den Jahren 1883 bis 1885 verbrachte von Kaulbach einige Monate in Paris. Seine Beschäftigung mit der zeitgenössischen französischen Porträtmalerei wurde in den seit 1883 entstandenen Gemälden sichtbar. Fortan gehörte von Kaulbach zu den gefragtesten Porträtisten in Deutschland, insbesondere für Damenbildnisse. Nach dem Tod von Carl Theodor von Piloty (1826–1886) im Jahre 1886, wurde von Kaulbach zum Direktor der Münchner Kunstakademie ernannt. Um sich vermehrt der eigenen Arbeit widmen zu können, reichte der Künstler jedoch bereits 1888 ein Entlassungsgesuch ein, dem 1891 stattgegeben wurde. Die letzten Lebensjahre verbrachte von Kaulbach größtenteils in Ohlstadt, wo er sich vorwiegend mit der Landschaftsmalerei beschäftigte und auch eine Serie von Radierungen schuf. Im Münchener Kunstleben nahm von Kaulbach eine besondere Stellung ein, die ihm, genau wie Lenbach, einen „Ehrensaal“ in den Kunstausstellungen im Glaspalast sicherte. Den Vorstellungen von Kunst im traditionellen Sinne kam von Kaulbach entgegen, indem er Bildformen und malerischen Duktus vergangener Kunstepochen aufgriff. Wie Lenbach verband er historische Bildformen mit genauer Detailwiedergabe, zum Teil unter tatsächlicher Verwendung von Fotografien. Zu seinen bevorzugten Gattungen gehörten Stillleben, Genreszenen sowie die Porträt- und Landschaftsmalerei.

Das Gemälde zeigt Flora, die Göttin der Blüte, in einer dicht bewachsenen Landschaft. Im Vordergrund befindet sich ein Weiher mit blühendem Busch. Dahinter erscheint die Göttin in wehendem Gewand mit einer Blumengirlande in ihren Händen.

Das Werk ist unten rechts signiert „F. Aug. Kaulbach“, jedoch nicht datiert. Eine Entstehungszeit um 1882 wird angenommen.[2] 

Das Kunstwerk ist im Werkverzeichnis von Zimmermanns (1980) enthalten.[3]

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „1688/935“ (Linz-Nr.); in blauer Fettkreide „9179“ (Mü-Nr.), „Meyerheim 924 [unleserlich]“ (nicht identifiziert); in Schwarz „Kii2“ (Kremsmünster), „674“ (nicht identifiziert).

[1] Für das Folgende vgl. Klaus Zimmermanns, Kaulbach, Friedrich August Ritter von, in: Neue Deutsche Biographie 11 (1977), S. 354–356. URL: www.deutsche-biographie.de/pnd118560743.html#ndbcontent [Abruf: 08.04.2019].

[2] Vgl. Klaus Zimmermanns, Friedrich August von Kaulbach 1850–1920. Monographie und Werkverzeichnis, München 1980, S. 271, Nr. 637.

[3] Vgl. ebd., S. 271, Nr. 637.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Seit 1884Eduard Ludwig Behrens sen. (1824–1895), Hamburg
1925–mindestens 23.03.1935Franziska Behrens (1856–1951), Hamburg, erworben durch Erbgang / Nachlass Eduard L. Behrens jun., verwaltet von Norddeutsche Kreditbank, Hamburg
(…) 
Spätestens Mai 1941Galerie Almas, München
Mai 1941Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
15.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2009Bundesvermögen
2009Restitution

Das Gemälde von Kaulbach befand sich seit 1884 im Eigentum des Bankiers Eduard Ludwig Behrens sen. (1824–1895).[1] Behrens war Inhaber des seit 1806 in Hamburg ansässigen Bankhauses L. Behrens & Söhne. Er besaß eine umfangreiche Kunstsammlung. Dem ältesten Sohn Eduard Ludwig Behrens jun. (1853–1925) vererbte der Vater seine Gemälde, der nächstältere Sohn Theodor Ernst Behrens (1857–1921) bekam die fast 200 Stücke umfassende Porzellansammlung vermacht.[2] Gemeinsam mit seinem Bruder betrieb Eduard L. Behrens jun., der als Belgischer Generalkonsul in Hamburg tätig war, das Bankhaus bis zur „Arisierung“ 1938 weiter.                                                                                                                     Die Forschung ergab, dass sich das Gemälde von Kaulbach noch 1935 im von der Norddeutschen Kreditbank, Filiale Hamburg, verwalteten Nachlass von Eduard L. Behrens jun. befand. Franziska Behrens (1856–1951), geborene Gorrissen, die Witwe von Eduard L. Behrens jun., galt nach den Nürnberger Rassegesetzen als „Mischling ersten Grades“ und zählte damit zum Kreis der von den Nationalsozialisten Verfolgten. Auch die Kinder George Eduard (1881–1956) und Elisabeth Emma (Ella) (1883–1950) unterlagen den gegen Juden gerichteten Verfolgungsmaßnahmen des NS-Regimes. Ihnen gelang die Emigration ins Ausland.

Mit Schreiben vom 23. März 1935 teilte George Behrens dem Oberinspektor der Hamburger Kunsthalle, Dr. A.R.C. Wawrozeck (?–?), mit, dass Bilder aus dem Nachlass Behrens zum Verkauf stünden, darunter auch „Flora“ von F.A. von Kaulbach.[3] Als Ansprechpartner für die weitere Abwicklung wird der Kunsthistoriker Prof. Hermann Uhde-Bernays (1873–1965) genannt. Ob, wann und an wen eine Veräußerung anschließend stattfand, konnte bislang nicht nachvollzogen werden. Zum 1. April 1935 wurden Werke der Kunstsammlung Behrens auf Grundlage der Reichsverordnung zum „Schutz national wertvollen Kunstbesitzes" vom 11. Dezember 1919 in das Verzeichnis national wertvoller Kunstwerke aufgenommen.[4] Das Gemälde von Kaulbach war von dieser Eintragung nicht betroffen.

Über die Münchner Kunsthändlerin Maria Almas-Dietrich (1892–1971) gelangte das Gemälde im Mai 1941 schließlich an den „Sonderauftrag Linz“ und erhielt dort die Linz-Nr. 1688/935.[5] Wann und von wem sie das Gemälde zuvor erworben hatte, ließ sich bislang nicht ermitteln.

Almas-Dietrich, geborene Dietrich, betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[6] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[7]

Die Nummer K 112 auf der Property Card sowie die Aufschrift „Kii2“ auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[8] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[9] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[10]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[11] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Wegen des nicht mehr vollständig aufzuklärenden Rechtsgeschäftes wurde auf der Grundlage und nach Maßgabe der Erklärungen der Bundesregierung, der Länder und der kommunalen Spitzenverbände vom 9. Dezember 1999 sowie der Washingtoner Konferenz über Vermögenswerte aus der Zeit des Holocausts vom 3.Dezember 1998 eine faire und gerechte Lösung in Form einer vergleichsweisen Einigung gefunden und das Gemälde an die Erbengemeinschaft zurückgegeben.

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Ulrich Luckhardt, Eduard L. Behrens und Theodor E. Behrens. Sammeln moderner Kunst in zwei Generationen, in: Ulrich Luckhardt/Uwe M. Schneede (Hgg.), Private Schätze. Über das Sammeln von Kunst in Hamburg bis 1933, Hamburger Kunsthalle 2001, S. 36. Im Katalog der Sammlung Eduard L. Behrens zu Hamburg ist das Gemälde unter der Positionsnummer 18 unter dem Titel „Flora“ mit Abbildung enthalten. Vgl. Emil Heilbut, Die Sammlung Eduard L. Behrens zu Hamburg, München 1891.

[2] Für das Folgende vgl. Luckhardt 2001, S. 36.

[3] Für das Folgende vgl. Hamburger Kunsthalle, Archiv, Schreiben George Behrens an Dr. A.R.C. Wawrozeck, Hamburg, 23.03.1935, als Kopie im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[4] Vgl. Eintrag in der Akte im Archiv der Kunstverwaltung des Bundes.

[5] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9179. 

[6] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[7] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[8] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9179.

[9] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[10] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[11] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9179. 

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