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Dorner, Johann Jakob der Jüngere

Wasserfall mit Hütte und Holzfällerschuppen im Gebirge

Entstehungsjahr ohne Jahr
Technik Öl auf Holz
Maße 40 cm x 33 cm
Münchener-Nr. 9307
Linz-Nr. 633 / 532
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

In der Datenbank „Sammlung des Sonderauftrages Linz“ wird das Bild geführt als: „Wasserfall im Gebirge“.

Johann Jakob Dorner d. J. wurde 1775 als Sohn des Malers Johann Jakob Dorner in München geboren.1 Seine Ausbildung erhielt er bei seinem Vater, künstlerische Betätigung lässt sich von frühester Kindheit an belegen. Ebenfalls früh bediente sich Dorner auch graphischer Techniken; er gehört zu den ersten Nutzern der noch neuen Lithographie-Technik. 1803 wurde er Restaurator an der Galerie im Münchner Hofgarten und 1808 schließlich Galerieinspektor. Dorner war seit 1820 Mitglied der Berliner Akademie, Mitglied der Münchner Akademie, deren Ehrenmitglied er 1824 wurde, und ebenfalls 1820 Ehrenmitglied der Wiener Akademie.2 Schwere Einschnitte in seiner Laufbahn bildeten eine schwere Augenerkrankung 1818, die operativ jedoch behoben werden konnte, und ein Schlaganfall 1843. Dennoch war er bis 1849 künstlerisch tätig. Dorner verstarb 1852 in München, sein Nachlass wurde am 23. Mai 1853 ebenda versteigert.
Dorners thematische Spezialisierung lag auf dramatischen und romantischen Landschaftsdarstellungen und –phantasien vorwiegend der süddeutschen und alpinen Regionen. Den Motivschatz dazu erarbeitete er sich auf ausgedehnten Reisen durch Deutschland, Österreich und die Schweiz. Dorner kam aber auch nach Paris und 1827 sowie 1842/43 nach Dietramszell. Künstlerische Vorbilder waren in jüngeren Jahren Claude Lorrain, später vor allem Niederländer wie Jacob van Ruisdael und Adriaen van Everdingen. Dorner zählt zu den Pionieren der Landschaftsmalerei, die die Landschaft ihrer eigenen Region entdeckt und bildwürdig gemacht haben.

Das hier interresierende Gemälde zeigt folgendes: durch ein steiles zerklüftetes Gebirgstal rauscht dem Betrachter ein Bergbach entgegen und bildet am unteren Bildrand ein kleines Becken. Rechts greifen im verschatteten Vordergrund abgebrochene Äste aus, und auf einer in das Tal ragenden Erdscholle ragt ein Baum auf und beschließt die Komposition. Ein fragiler Steg überspannt den Bach im Mittelgrund, etwas weiter oben an einer Biegung des Baches steht eine einfache Hütte, ein Sonnenstrahl lässt das Wasser davor hell aufleuchten. Hinter der von Sträuchern und Bäumen flankierten Hütte staffeln sich Hügel- und Bergzüge bis in diesige Ferne.

Provenienz

Zeittafel
vormals im Besitz von Frau Maria Gillhausen,München 23, Kunsthandlung 
vermutlich 1939 von der Galerie Almas, München an den "Sonderauftrag Linz" weiterveräußert3

Die TVK München ermittelte, dass das vorliegende Gemälde von Maria Gillhausen, München, an die Galerie Almas, München, verkauft wurde, die es ihrerseits an den „Sonderauftrag Linz“ veräußerte; auf der Rückseite ist eine eigenhändige Widmung an Oberforstrat Schilcher vermerkt.4

Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: Alle Querverweise bestätigen nach umfassender Recherche im Bundesarchiv die vorliegenden Angaben, fördern jedoch keine neuen Erkenntnisse zutage.5
Die Recherchen zur Galerie Maria Almas-Dietrich ergaben, dass sich keine zur Provenienz des Gemäldes relevanten Akten in Münchener Archiven erhalten haben.6 Die Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München sind nicht überliefert.7 Akten der Reichskammer der bildenden Künste sind im Bestand der Reichskulturkammer und ihrer Einzelkammern im Bundesarchiv Berlin und im Zentralen Staatsarchiv nicht überliefert.8 Im Bundesarchiv Berlin sind keine personenbezogenen Unterlagen zu Maria Dietrich überliefert.9

Maria Dietrich wurde am 28. Juli 1892 in München geboren, ihr Vater war Jude. 1910 bekam sie ein uneheliches Kind von einem deutsch-amerikanischen Juden. 1921 heiratete sie Ali Almas-Diamant, einen türkischen Maler, und erhielt dadurch die türkische Staatsangehörigkeit. Nach ihrer Scheidung 1937 nahm sie 1940 wieder ihre deutsche Staatsangehörigkeit an, behielt aber den Namen Almas für ihre Galerie. Sie handelte seit 1919 mit Kunst und meldete im November 1937 die Kunsthandlung Almas offiziell an. 1940 stieg ihr Einkommen mit der Besetzung Frankreichs auf eine halbe Million Reichsmark. Maria Dietrich erwarb vor allem ab 1940 Kunstwerke aus dem besetzten Frankreich und aus Österreich.10
Insgesamt verkaufte Frau Dietrich über 900 Werke an Hitler. Sie hatte engen Kontakt zu Heinrich Hoffmann, er ermöglichte ihr ab 1936 den Zugang zu Hitler und verkaufte mit ihr bis 1940 Bilder an Hitler. Später konnte sie selbstständig, ohne die Zustimmung von Hans Posse oder Hermann Voss Gemälde an Hitler einliefern. Sie hatte zahlreiche Kontakte zu Kunsthändlern und Versteigerungshäusern, unter anderem auch zum Auktionshaus Hans W. Lange, Berlin, das als Verkäufer für die Berliner Finanzbehörden agierte. Zu ihren Lieferanten in München gehörte unter anderem die Galerie Maria Gillhausen. Nachdem Hermann Voss die Leitung des Sonderauftrages Linz übernommen hatte, verkaufte sie weniger Bilder an Hitler.11
1944 brannte ihr Geschäft in der Ottostraße nach Luftangriffen auf München aus, und 1945 wurde ihr Privathaus zerstört.12 Nach dem Zweiten Weltkrieg führte Maria Dietrich die Kunstgalerie weiter, die später von ihrer Tochter übernommen wurde.13

Geschäftsunterlagen der Kunsthandlung Gillhausen sind nach Recherchen im Stadtarchiv München, im Wirtschaftsarchiv München und im Bundesarchiv Berlin nicht überliefert.14 Die Unterlagen der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste für München sind nicht überliefert.15

Maria Gillhausen, am 20. 9. 1898 in Mühlheim an der Mosel geboren, lebte seit den 20er Jahren in München.16 Seit 1931 handelte sie mit Antiquitäten und Kunstgegenständen, zeitweilig in geschäftlichem Austausch mit der Galerie Gasparri. Im Mai 1941 eröffnete Maria Gillhausen in der Münchner Leopoldstraße 38 a/1 ihre erste Kunsthandlung mit dem Namen „Maria Gillhausen“. Die amerikanischen Untersuchungsoffiziere der Art Looting Investigation stuften Maria Gillhausen als Händlerin und Vermittlerin ein, die sich im Auftrag der deutschen Regierung aktiv an der Inbesitznahme von Kunstgegenständen aus Frankreich, vor allem in Paris beteiligte. Der Jahresumsatz ihrer Antiquitätenhandlung lag 1940 bei einer Million Reichsmark. Die Kunsthändlerin unterbreitete vor allem der Bayrischen Staatsgemäldesammlung zahlreiche Angebote. Weitere geschäftliche Kontakte unterhielt sie zu Hermann Görings akkreditiertem Einkäufer Walter Bornheim. Die Händlerin vermittelte deutsche Meister des 19. Jahrhunderts, verkaufte französische Kunstwerke aber auch ein Aquarell von Franz Marc an die Sammlung Sprengel im Jahre 1941.
Am 6. Februar 1942 beantragte die Reichskammer der bildenden Künste eine politische Beurteilung zur Aufnahme Maria Gillhausens in die Reichskammer der bildenden Künste, die positiv bewertet wurde: “Die Angefragte … ist sehr günstig für die Partei gesinnt und ist stets opferfreudig bei Sammlungen…“.17
Insgesamt verkaufte Maria Gillhausen über die Galerie Almas-Dietrich 16 Gemälde und 2 Gemälde über Gerdy Troost an den Sonderauftrag Linz.18

Aus der Linz-Nr. erschließt sich ein Ankauf im Jahr 1939, vermutlich in der ersten Jahreshälfte. Ab Juli 1938 begann die Gesamtregistrierung der bisher eingelagerten Bilder im Keller des „Führerbaus“ in München in der Arcisstrasse durch den Architekten Hans Reger, später wurden die Gemälde für das geplante Linz-Museum bestimmt. Die Nummerierung bis zur ersten Registrierung lief bis zur Linz-Nummer 360/380. Die weitere Registrierung lief bis 1939/40 nicht streng chronologisch, da mehrfach vor 1937 und 1938 angekaufte Bilder zu Ausstellungszwecken oder als Wandschmuck weggeben wurden und erst nach ihrer Rückkehr die Registrier-Nummer erhielten.19

Die kunsthistorischen Recherchen ergaben Folgendes: Dorner hat sein Oeuvre nicht selbst dokumentiert. Wolfgang Hauke hat 1969 ein Werkverzeichnis veröffentlicht, das vorliegende Gemälde lässt sich allerdings weder in der älteren Literatur noch bei Hauke nachweisen.20 Die Widmung an Oberforstrat Schilcher dürfte sich auf Matthias Egidius von Schilcher (1764-1826) beziehen lassen. Matthias Schilcher, Sohn des kurfürstilch-bayerischen Forstmeisters Simon Schilcher (1732-1791), wurde königlich-bayerischer Oberforstrat, erwarb 1803 die Güter des profanierten Klosters Dietramszell und wurde wegen seiner Verdienste um die bayerische Forstwirtschaft 1814 geadelt.21 Von Schilcher besaß eine große Sammlung von Gemälden Dorners, dem er, vermittelt durch Dorners Schwester Maria Anna, verwandtschaftlich verbunden war.22

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz des og. Gemäldes derzeit ungeklärt.

Stand: 2011

1 Für Folgendes vgl. Müller o. J. (1845), S. 124; Müller, KL 1, 1857, S. 483f.; Nagler, Monogr. 2, 1860, S. 441f. Nr. 1149; 3, 1863, S. 869-871 Nr. 2162, 880 Nr. 2189; Seubert 1, 1878, S. 396; Thieme/Becker 9, 1913, S. 482-484; Müller/Singer 1, 1921, S. 356; Nagler, Künstlerlex. 4, 1924, S. 55-57; Münchner Maler 1, 1981, S. 251f.; DBE 2, 1995, S. 599; Bénézit 4, 1999, S. 691; AKL 29, 2001, S. 94f.
2 Wagner 1967, S. 436.
3 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 9307. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern lauten Aussee 4527 und K 612.
4 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 9307. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern lauten Aussee 4527 und K 612.
5 BArch Koblenz, B 323/46/34; B 323/79/134.
6 Nach Recherchen des BADV zu mü 9458 besitzen folgende bayerische Archive keine Akten zur Galerie Maria Almas-Dietrich: Staatsarchiv München, Stadtarchiv München, Bayrisches Hauptstaatsarchiv München und Wirtschaftsarchiv München.
7 Boberach, 1991.
8 BArch Berlin, R 56.
9 Mitteilung des Bundesarchiv Berlin. Vgl. E-Mail vom 12. 11. 2008.
10 Eichhorn 2003, S. 272.
11 Löhr 2005, S. 127f.
12 BArch Koblenz, B 323, 436.
13 Eichhorn 2003, S. 272.
14 Nach freundlicher Mitteilung des Bayrischen Wirtschaftsarchiv. Vgl. E-Mail vom 6. 11. 2008, des Stadtarchivs München. Vgl. E-Mail vom 9. 11. 2008.
15 Boberach, 1991.
16 Für Folgendes: Voigt 2007, S. 183.
17 Beurteilungsbogen der NSDAP, Gauleitung München, Oberbayern, im Auftrag der Reichskammer der bildenden Künste, Berlin, betr. Kunsthändlerin Maria Gillhausen, 13. 2. 1942. Vgl. BA Berlin, ehemals BDC Berlin, R-11, 2401007607.
18 Vgl. Datenbank „Sammlung des Sonderauftrages Linz“ http://www.dhm.de/datenbank/linzdb/ (unter Provenienz «Gillhausen»).
19 Aussage von Herrn Hans Reger zur Registrierung der Kunstobjekte für den „Sonderauftrag Linz“ vom 21. 7. 1951. Vgl. BArch Koblenz, B 323/332.
20 Vgl. Parthey 1, 1863, S. 347f., Höhn 1909, S. 214-272; Hauke 1969. Die in den in Anm. 2 genannten Nachschlagewerken und in der Bibliographie zur Bayerischen Kunst, vgl. Wichmann, Bibl. 4, 1973, verzeichneten Erwähnungen Dorners haben sich als nicht relevant erwiesen.
21 Vgl. Kneschke 8, 1868, S. 161; Dietz 1994, S. 13, 15; zu den verwandtschaftlichen Beziehungen zwischen den Familien von Schilcher und Dorner vgl. Roth 1970, S. 144f.
22 Noch 1920 befanden sich viele Werke Dorners im Besitz der von Schilcher in Dietramszell, vgl. AK München 1920, S. 20f.

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