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Peithner von Lichtenfels, Eduard (Kopie oder Fälschung)

Dorfstraße

Entstehungsjahr 1909
Technik Öl auf Pappe
Maße 33,5 cm x 42,5 cm
Münchener-Nr. 9353
Linz-Nr. 660/554
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Eduard Peithner von Lichtenfels (1833–1913) war ein österreichischer Künstler.[1] Er studierte zunächst Landschaftsmalerei an der Wiener Akademie der Künste bei Thomas Ender (1793–1875) sowie Franz Steinfeld (1787–1868) und bildete sich um 1857/1858 in Düsseldorf weiter. Im Jahre 1868 wurde er Mitglied der Wiener Akademie, an der er von 1872 bis 1902 Professor für Landschaftsmalerei war. Nach seiner Pensionierung war er in Nürnberg und Berlin tätig.

Das Gemälde zeigt eine Dorfansicht. Von der Bildmitte führt eine unbefestigte Dorfstraße nach hinten rechts. Auf der Straße sind zwei Personen, links davon Hühner sowie drei Personen bei der Baumernte dargestellt. Hinter dem Baum befindet sich ein Haus mit rauchendem Schornstein. Am rechten Bildrand ist eine Bogenbrücke zu sehen, im Hintergrund ein Gebirge unter bewölktem Himmel.

Das Werk ist signiert sowie datiert „Ed. Lichtenfels / 1909“.

Trotz der Signatur handelt es sich bei dem Gemälde wohl nicht um ein Original des Künstlers, sondern eine Kopie oder Fälschung. Als Vorlage könnte eine größere Version desselben Motivs aus dem Jahre 1902 gedient haben.[2]

Ein Werkverzeichnis des Künstlers konnte nicht ermittelt werden.

Folgende Hinweise können der Rückseite entnommen werden: in blauer Fettkreide „9353“ (Mü-Nr.); weißes, blau umrandetes Etikett mit perforiertem Rand „660/554“ (Linz-Nr.); Fragment eines weißen Etiketts „Fernsprecher: Am[…]6. 4112“ (nicht identifiziert); in Schwarz, zweimal „K62i“ (Kremsmünster); Stempel „Eigentum der Bundesrepublik Deutschland“ (Provenienzmerkmal, nach 1945); auf dem Rahmen, Fragment eines weißen Etiketts „Auktions-Haus / (Alleininhaber) / Wien. I, Dorotheum / K[…]“ (Dorotheum, Wien).

[1] Für das Folgende vgl. R. Schmidt, Eduard Peithner von Lichtenfels, in: Österreichisches Biographisches Lexikon (ÖBL) 1815–1950, Bd. 7, 1978, S. 392f. URL: www.biographien.ac.at/oebl/oebl_P/Peithner-Lichtenfels_Eduard_1833_1913.xml [Abruf: 03.07.2020].

[2] Eduard Peithner von Lichtenfels, Dorfstraße mit Bäuerin und Hühnern vorn und einer Bogenbrücke im Hintergrund (1902), Öl auf Leinwand, 55,5 x 80,0 cm, signiert. Vgl. Artnet, Artists, Eduard Peithner Ritter von Lichtenfels, Dorfstrasse mit Bäuerin und Hühnern vorn und einer Bogenbrücke im Hintergrund (1902), Sale Date: September 23, 1992. URL: www.artnet.com/artists/eduard-peithner-ritter-von-lichtenfels/dorfstrasse-mit-bauerin-und-huhnern-vorn-und-v_0eUxVkOGIxnbiMJ0u3Kw2 [Abruf: 22.07.2020].

Provenienz

Zeittafel
(…) 
29.02./01.03.1928Angeboten auf Auktion bei C. J. Wawra, Wien
(…) 
O. J.Kunsthandlung Gerstenberger, Chemnitz
Bis Frühjahr 1939Galerie Almas, München
Ab Frühjahr 1939Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
Ab Mai 1941Eingang in das Kloster Kremsmünster
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
15.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
Seit 1949Bundesvermögen

Das Gemälde stand im Jahre 1928 bei dem Wiener Auktionshaus C. J. Wawra zum Verkauf.[1] Im zugehörigen Auktionskatalog ist es unter der Losnummer 179 verzeichnet und abgebildet. Angaben zur Werkprovenienz sind nicht enthalten. Laut Katalogtitel stammten die angebotenen Kunstobjekten „aus dem Nachlass Eugen Artin, ferner aus aristokratischem und Wiener Privatbesitz“. Inwiefern das Gemälde im Rahmen der Auktion einen Käufer fand, ist nicht bekannt.

Zu einem unbekannten Zeitpunkt wurde das Gemälde von der Galerie Almas in München durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nummer 660/554.[2] Die Höhe der Linz-Nummer weist auf einen Ankauf im Frühjahr 1939 hin.[3] Laut eigner Aussage vom 14. August 1951 hatte Maria Almas-Dietrich (1892–1971), geborene Dietrich, das Gemälde zuvor von der Kunsthandlung Gerstenberger in Chemnitz angekauft.[4] Diese wurde im Jahre 1902 als Tochterfirma der Chemnitzer Papiergroßhandlung Gerstenberger von Hans Stickel (?–?) gegründet.[5] Ihr Schwerpunkt lag zunächst auf niederländischen Werken des 17. und 18. Jahrhunderts. Ab den 1930er Jahren verlagerte sich dieser zunehmend auf die Kunst des 19. Jahrhunderts. Die Galerie war aktiv an den Veräußerungen der als „entartet“ diffamierten Kunstwerke der Städtischen Kunstsammlungen Chemnitz beteiligt. Im Jahre 1944 wurden die Galerieräume zerstört, die Geschäfte jedoch 1950 unter dem Namen Kunstausstellung Großhennig wieder aufgenommen.

Almas-Dietrich betrieb nach eigenen Angaben seit 1918 eine Kunsthandlung in München.[6] Im Jahre 1921 heiratete sie den türkischen Staatsbürger Ali Almàs-Diamant und trat zum Judentum über. Seit 1926 lebten sie jedoch in Trennung, 1937 erfolgte die Scheidung. Der Name „Almas“ blieb jedoch für die Galerie erhalten. Nach eigenen Angaben lernte Almas-Dietrich im Jahre 1936 Heinrich Hoffmann (1885–1957), den Fotografen Adolf Hitlers, kennen und erhielt über diesen erste Aufträge, Kunst für Hitler zu erwerben. Fortan entwickelte sie sich zu den aktivsten Vermittlern von Kunst an die Nationalsozialisten. Zwischen 1936 und 1944 verkaufte Almas-Dietrich über eintausend Kunstwerke an Hitler und zählt damit zu den Kunsthändlern mit der größten Anzahl an Hitler verkauften Kunstwerken. Am 15. Januar 1940 wurde sie aufgrund einer eidesstattlichen Erklärung, dass sie keine Jüdin sei, im Deutschen Reich eingebürgert. Nach der Zerstörung ihrer Galerie bei einem Luftangriff am 20. April 1944 wurde der Betrieb in die eigene Villa an der Gustav-Freytag-Str. 5 im Herzogpark verlagert. Die amerikanische Besatzungsbehörde vernahm Maria Almas-Dietrich nach 1945 mehrfach zu ihren Geschäften. Dabei wurden auch Unterlagen wie Geschäftsbücher beschlagnahmt und durch die Division MFA&A ausgewertet.[7]

Die Nummer K62i auf der Property Card sowie auf der Rückseite des Werkes weist auf dessen Lagerung im Depot Kremsmünster hin.[8] Das beschlagnahmte Stift Kremsmünster in Österreich war das erste Auslagerungsdepot des „Sonderauftrag Linz“. Ab Mai 1941 wurden hier Kunst- und Kulturgüter untergebracht, die für das „Führermuseum“ erworben wurden.[9] Aus Sorge vor Luftangriffen, wurde das Depot bereits 1943 aufgelöst und dort gelagerte Objekte zunächst in Depots in Hohenfurt sowie Thürntal umgelagert.[10]

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[11] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt nach dem bisherigen Kenntnisstand die Provenienz ungeklärt.[12]

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Für das Folgende vgl. Auk.kat. Versteigerung von Ölgemälden moderner und alter Meister, Aquarellen, Miniaturen, Porzellan, Silber- und Bronzegegenständen, Möbeln, Teppichen und Waffen. Aus dem Nachlass Eugen Artin, ferner aus aristokratischem und Wiener Privatbesitz, C. J. Wawra, Wien, 29.02./01.03.1928, S. 22, Los 179, Abb. o. S.

[2] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9353.

[3] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004 (unpubliziert), S. 14.

[4] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9353.

[5] Für das Folgende vgl. Staatliche Museen zu Berlin, Preußischer Kulturbesitz, Die Galerie des 20. Jahrhunderts in West-Berlin. Ein Provenienzforschungsprojekt, Galerie Wilhelm Grosshennig, Chemnitz/Düsseldorf. URL: www.galerie20.smb.museum/kunsthandel/K25.html [Abruf: 06.07.2020].

[6] Vgl. Bayerisches Wirtschaftsarchiv München, K1, XVA, 10c, 264, Akt Fall 33.

[7] Vgl. National Archives, Washington, DC, RG 260, 519, Box 445.

[8] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

[9] Vgl. Kathrin Iselt, „Sonderbeauftragter des Führers“. Der Kunsthistoriker und Museumsmann Hermann Voss (1884–1969), Köln 2010, S. 217.

[10] Vgl. Hanns Christian Löhr, Das Braune Haus der Kunst. Hitler und der „Sonderauftrag Linz“. Kunstbeschaffung im Nationalsozialismus, Berlin 2016, S. 54.

[11] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, Property Card des CCP München, Mü-Nr. 9353.

[12] Überprüft wurden folgende Verlustdatenbanken und digitalisierte Archivunterlagen zum verfolgungsbedingten Entzug von Kulturgütern im Nationalsozialismus sowie historische Auktionskataloge: (1) Lost Art-Datenbank, Deutschland (www.lostart.de) (2) The Central Registry of Information on Looted Cultural Property 1933–1945, Object Database, Großbritannien (www.lootedart.com) (3) Cultural Plunder by the Einsatzstab Reichsleiter Rosenberg, Database of Art Objects at the Jeu de Paume (www.errproject.org) (4) Répértoire des biens spoliés, Frankreich (www.culture.gouv.fr/documentation/mnr/MnR-rbs.htm) (5) The Getty Research Institute, German Sales Catalogs, 1930–1945, USA (http://piprod.getty.edu/starweb/pi/servlet.starweb?path=pi/pi.web) (6) Universität Heidelberg, Auktionskataloge – digital, Deutschland (http://artsales.uni-hd.de) (7) Galerie Heinemann online, Deutschland (http://heinemann.gnm.de/de/recherche.html) (8) Lootedart, Polen (http://lootedart.gov.pl/en) (9) NARA, Holocaust-Era Assets, USA (www.fold3.com) [Abruf: 06.07.2020].

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