Navigation und Service

Graff, Anton

Kavalier in rotem Rock / Bildnis eines Kavaliers, mit Degen am Tisch sitzend

Entstehungsjahr keine
Technik Öl auf Leinwand
Maße 104,5 x 83,5 cm
Münchener-Nr. 9462
Linz-Nr. 165
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Der Bildnismaler, Miniaturist und Radierer Anton Graff wurde 1736 in Winterthur geboren. Er war der klassische Porträtist des deutschen 18. Jahrhunderts1 Seine Ausbildung absolvierte der Sohn eines Zinngießers vor allem in Augsburg. Nach seiner Bewerbung wurde er im Jahre 1766 an die Kunstakademie in Dresden berufen und erhielt ab 1789 eine Professorenstelle. Graff nahm nur gelegentlich Aufträge außerhalb von Dresden an. Neben den Porträts von Adligen fertigte er im Auftrag des Leipziger Buchhändlers Reich Porträts von bekannten Zeitgenossen, wie Friedrich Schiller, G.E. Lessing, Moses Mendelsohn an.2  Viele seiner Bildnisse wurden in Kupfer gestochen und sind auf diese Weise populär geworden. Er starb im Jahre 1813 in Dresden. Die auf dem unsignierten Gemälde dargestellte Person konnte bislang nicht identifiziert werden. Dargestellt ist ein vornehmer Herr im roten Anzug, auf einem Sessel sitzend, neben ihm liegt ein Degen.

Provenienz

Zeittafel
um 1920Sammlung Bankier Otto von Weissenberger
Februar 1937Kunsthändler Karl Haberstock
Dezember 1937Reichskanzlei

Die frühere Treuhandverwaltung für Kulturgut München hatte zur Provenienz des Gemäldes ermittelt, dass es sich seit ca. 1920 in der Sammlung des Dresdener Bankiers Otto von Weissenberger befand. Dessen Sammlung wurde im Jahre 1937 auf einer Auktion im Auktionshaus Rudolf Lepke (Inhaber H.C.Krüger) in Berlin versteigert. Gemäß einem Eintrag im Katalog zur Versteigerung der Kunstsammlung3 war die Verwertung des Kunstbesitzes Geheimrat W., Dresden, den Kunsthändlern Hans Carl Krüger und Karl Haberstock übertragen worden. Die zunächst in das Finanzamt Dresden gebrachten Kunstwerke wurden schon dort durch Karl Haberstock gesichtet. Laut dessen Geschäftsunterlagen hatte er im Oktober 1936 unmittelbar vom Finanzamt vierzehn Kunstwerke aus der Sammlung Weissenberger erworben. Darunter befand sich das hier in Rede stehenden Gemälde von Graff. Das in seinen Geschäftsunterlagen als „Junger Kavalier im roten Rock“ verzeichnete Gemälde hat Haberstock dann im Dezember 1937 an den Leiter der Reichskanzlei Bormann, verkauft.

Die Erben nach dem Bankier und Sammler Weissenberger machten in der Bundesrepublik Deutschland rückerstattungsrechtliche Ansprüche geltend, weil Otto von Weissenberger wegen seiner Mitgliedschaft in einer Freimaurerloge als ein politischer Gegner des Nationalsozialismus verfolgt worden sei und deshalb sein Vermögen verloren hätte. Herr Dr. Bohlmann, früher Leiter des Sekretariats des Bankgeschäfts Weissenberger, erklärte als Zeuge im Rückerstattungsverfahren der Erben nach Otto von Weissenberger, dass dieser als Jude verfolgt worden sei. Er selbst war gezwungen die „arische Abstammung“ von Weissenberger innerhalb eines gegen ihn gerichteten NSDAP-Parteiverfahrens zu beweisen. Weil die Zweifel an der Abstammung Weissenbergers aber erst nach dem Steuerstrafverfahren bei der NSDAP auftraten, galten sie im Rückerstattungsverfahren nicht als maßgeblich für die Beschlagnahmung der Vermögenswerte. Diese Rückgabe-Ansprüche wurden abgewiesen. Mit Beschluss des Obersten Rückerstattungsgerichts für Berlin, GZ: ORG/A/7075/7086 vom 30.11.1977 wurde der Überprüfungsantrag der Antragsteller gegen den ablehnenden Beschluss des Kammergerichts vom 02.12.1974 zurückgewiesen. Damit waren alle rückerstattungsrechtlichen Rechtsmittel, die zur Restitution der im Bundesbesitz befindlichen Gemälde aus der früheren Sammlung Weissenberger hätten führen können, zum damaligen Zeitpunkt ausgeschöpft.

Vom Amt zur Regelung offener Vermögensfragen Dresden, bei dem die Erben nach Otto von Weissenberger die Rückgabe der Kunstsammlung nach dem Vermögensgesetz beantragt hatten, wurde der Sachverhalt der Vermögensentziehung erneut untersucht. Der 1864 in Wien geborene Otto Weissenberger betrieb ein Bankhaus in Dresden und wurde später in den Adelsstand erhoben. Gegen ihn wurde im Jahre 1935 ein Steuer- und Devisenprüfungsverfahren eröffnet, in dessen Folge er am 28.08.1935 inhaftiert und des Volksverrats angeklagt wurde. Gegen Zahlung einer Kaution i.H.v. 200.000,- RM wurde er freigelassen und reiste nach Wien aus. Otto von Weissenberger hatte sich in einem Unterwerfungsverfahren zur Zahlung einer Steuerschuld in Höhe von 1.2 Mio RM verpflichtet. Sein Grundstück in Dresden und seine Kunstsammlung wurden beschlagnahmt und zugunsten des Fiskus versteigert. Das Bankhaus Weissenberger war dann am 16.06.1936 durch stille Liquidation aufgelöst worden. Otto von Weissenberger verlor sein Vermögen. Er verstarb am 12.02.1938 in Dresden.

Mit dem Beschluss des Amtes zur Regelung offener Vermögensfragen Dresden vom 25.11.2002 wurde der Antrag der Erben nach Otto von Weissenberger auf Rückgabe oder Entschädigung der Kunstsammlung nach dem Vermögensgesetz abgelehnt. Einem Widerspruch der Erben wurde nicht stattgegeben. Inzwischen erging im Januar 2007 in dieser Sache ein Urteil des Verwaltungsgerichts Dresden. Die geltend gemachten vermögensrechtlichen Ansprüche wurden damit rechtswirksam abgelehnt.
Die von den Erben nach Otto von Weissenberger parallel dazu im Jahre 2002 beantragte Restitution der im Bundesbesitz befindlichen Gemälde der früheren Sammlung Weissenberger auf der Grundlage der Washingtoner und der Berliner Erklärungen über die Restitution von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut wurde mit Hinweis auf die rückerstattungsrechtliche Rechtsprechung von der damals zuständigen Oberfinanzdirektion Berlin abgelehnt.

Stand: 2008

1 Thieme/Becker Künstlerlexikon Bd. 14, S. 481
2 Erhardt Berckenhagen „Anton Graff, Leben und Werk“, Dt. Verlag f. Kunstwissenschaft, Berlin 1967
3 Rudolph Lepke's Kunst-Auctions-Haus (Hg.): Kunstsammlung Geheimrat W., Dresden: Gemälde, Porzellan, Fayence, Steingut, Gläser, Teppiche, ostasiatische Kunst, 24.-26. Februar 1937, Katalog Nr. 2111, Berlin 1937.

Kontakt

Bei Fragen und Anregungen nutzen Sie bitte unser Kontaktformular

Zum Kontaktformular