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Schwind, Moritz von

Die Heilige Cäcilie an der Orgel

Entstehungsjahr um 1830
Technik Aquarellmalerei auf Papier
Maße 29,5 x 19,2 cm
Münchener-Nr. 9518
Linz-Nr. 784
Herkunft Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen

Beschreibung

Moritz von Schwind (1804–1871) bildete sich nach einem zweijährigen Besuch der Wiener Kunstakademie seit 1823 autodidaktisch weiter.[1] Durch die Begegnung mit Musik- und Literaturfreunden begann er mit der Lektüre von Sagen und Balladen und besuchte Lieder- und Klavierabende im Hause seiner Freunde. Insbesondere die Freundschaft zu Franz Schubert und dessen Künstlerfreunden den „Schubertianern“, Dichtern, Musikern, Malern und Wissenschaftlern, hatte eine nachhaltige Wirkung auf sein Œuvre. Während einer Reise 1827 nach München, lernte Schwind den Maler Peter von Cornelius (1783–1867) kennen, dessen Arbeiten ihn sehr beeindruckten. Nach der Übersiedlung des Künstlers nach München, wurde sein Malstil zunehmend von Cornelius beeinflusst. Gleichzeitig versuchte er sich jedoch gegenüber seinem Lehrer abzugrenzen und wandte sich zunehmend dem Romantischen zu. Es folgten zahlreiche Reisen innerhalb Deutschlands, nach Italien und Österreich. Schwind, dessen Bekanntheitsgrad wuchs, erhielt nun zahlreiche Aufträge, darunter Historien-, Märchen- und Sagendarstellungen, die er auch als Fresken ausführte. Nach einer Professur für Historienmalerei in Frankfurt folgte er im Jahre 1847 dem Ruf an die Münchener Akademie. In seinem gesamten Schaffen kam dem Aspekt des Musikalischen eine besondere Bedeutung zu.

Das Aquarell zeigt die Heilige Cäcilie in einem bodenlangen Gewand nach links an einer Orgel sitzend. Das linke Bein der Heiligen Cäcilie ist angewinkelt, der Fuß auf einem Treppenabsatz hochgestellt. Ihre Hände liegen auf den Tasten der Orgel, die durch den linken Bildrand angeschnitten ist. Der Blick der Heiligen Cäcilie ist nach unten auf die Orgeltastatur gerichtet, ihr Haar am Hinterkopf zusammengebunden. Im Hintergrund ist eine antikisierende Architektur mit floralen Elementen zu erkennen. Die Heilige Cäcilie gilt als die Patronin der Kirchenmusik.[2] Zu ihren Attributen gehören unter anderem Musikinstrumente wir Orgel oder Geige.

Das Werk ist weder signiert, noch datiert. Eine Entstehung um 1830 wird angenommen.[3]

Ein Werkverzeichnis der Ölgemälde des Künstlers konnte nicht ermittelt werden.

Die Rückseite weist keine Provenienzhinweise auf.[4]

[1] Für das Folgende vgl. Siegmar Holsten, Moritz von Schwind. Meister der Spätromantik, Ostfildern-Ruit 1997, S. 9–24.

[2] Für das Folgende vgl. Ökumenisches Heiligenlexikon, Cäcilia von Rom. URL: www.heiligenlexikon.de/BiographienC/Caecilia.html [Abruf: 20.04.2020].

[3] Von der Hand des Künstlers existieren zwei ähnliche Versionen des Aquarells, die beide auf das Jahr 1830 datiert sind. Vgl. Otto Weigmann (Hg.), Schwind. Des Meisters Werke in 1265 Abbildungen, Stuttgart/Leipzig 1906, S. 65, links: Die Heilige Cäcilie, 1830, Bleistiftzeichnung, 30,0 x 41,0 cm, Karlsruhe, Familie von Ravenstein; rechts: Die Heilige Cäcilie, 1830, Federzeichnung, 22,5 x 17,0 cm, Hamburg, A. Otto Meyer.

[4] Laut Auskunft des ehemaligen Leihnehmers vom 21.10.2002.

Provenienz

Zeittafel
(…) 
Bis mindestens 1938Elisabeth Leutzendorff (1885–1944), Graz
Ab 1943Reichsvermögen („Sonderauftrag Linz“)
(…) 
Ab Sommer 1943Eingang in das Bergwerk Alt-Aussee
15.10.1945Eingang in den Central Collecting Point München
1949–2003Bundesvermögen
2003Restitution

Das Aquarell war mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit einst Teil der Sammlung von Elisabeth Leutzendorff (1885–1944), geborene Diller, Graz. Laut Aussage ihres Sohnes erwarb sie das Werk durch Erbgang, entweder von der eigenen Familie oder aus dem Eigentum der Familie ihres verstorbenen Ehemannes Adalbert Leutzendorff (1871–1926).[1] Dessen Vater, Adalbert von Lanna (1836–1909), besaß eine umfangreiche Kunstsammlung, die um 1900 zu den ältesten und reichsten Kollektionen im deutschsprachigen Raum zählte.[2] Von herausragender Bedeutung war dabei der kunstgewerbliche Sammlungskomplex. Dem schlossen sich die Sammlungsbestände mit Kupferstichen, Handzeichnungen, Plaketten und eine große Bibliothek an. Lanna beauftragte noch zu Lebzeiten Julius Leisching (1865–1933) mit der Inventarisierung seiner kunstgewerblichen Sammlung, die er dem Prager Kunstgewerbemuseum vermachte. Der geplante zweite Band über die Bestände seines Hauses wurde offenbar durch den Tod Lannas im Jahre 1909 nicht mehr realisiert. Intensive Recherchen in Deutschland sowie unter Zuhilfenahme der deutschen Auslandsvertretung in Prag konnten keine weiteren Hinweise auf dieses beabsichtigte Inventar erbringen.[3] In den Jahren 1909 bis 1911 fanden mehrere Versteigerungen der Sammlung Lanna statt, der erste Teil noch zu dessen Lebzeiten.[4] Das gesuchte Schwind-Aquarell konnte in keinem der Auktionskataloge der Versteigerungshäuser Rudolph Lepke, Berlin, und Gilhofer & Ranschburg, Wien, nachgewiesen werden. Somit kann mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden, dass das Kunstwerk versteigert worden ist, vorausgesetzt, es befand sich überhaupt im Besitz von Lanna.

Nach dem „Anschluss“ Österreichs im März 1938 wurde Elisabeth Leutzendorff aufgrund ihrer Mitgliedschaft in der Landesleitung der „Vaterländischen Front“ (VF) Steiermark festgenommen und inhaftiert. Die VF war am 20. Mai 1933 als sogenannte überparteiliche politische Organisation des Ständestaat-Regimes in Österreich gegründet worden.[5] Nach der Auflösung des Parlaments und aller Parteien im Jahre 1933 wurde sie zum alleinigen Träger der politischen Willensbildung und Kernorganisation des autoritären Ständestaatsystems. Die VF sprach sich ausdrücklich gegen einen „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich aus und wurde noch im März 1938 mitsamt all ihrer Unterorganisationen von den Nationalsozialisten aufgelöst. Mitglieder der VF wurden im Folgenden verhaftet, insbesondere Angehörige der Leitungsebene.[6] In den Unterlagen der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark erscheint Elisabeth Leutzendorff als politische Gefangene.[7] Als solche war sie vom 28. März bis zum 12. April 1938 in Haft[8] und wurde nach der „Volksabstimmung“ vom 10. April 1938 mit Gauverweisung entlassen.[9] Elisabeth Leutzendorff gab daraufhin ihre Wohnung in Graz auf und zog nach Wien.

Laut Zeugenaussagen von Verwandten und Bekannten von Elisbaeth Leutzendorff und deren Rechtsnachfolgern fand der Verlust des Aquarells vermutlich zeitnah bzw. während ihrer Inhaftierung im März 1938 statt.[10] Das Werk befand sich demnach noch bis mindestens zum Jahre 1938 im Eigentum von Elisabeth Leutzendorff und hing wohl im Vorzimmer ihrer Grazer Wohnung am Burgring 18.[11] Die verschiedenen Zeugenaussagen konnten mittels umfangreicher Archivanfragen bekräftigt werden. So teilte das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (DÖW) in Wien mit, dass bei politisch Verfolgten, im Gegensatz zu rassisch Verfolgten, zwar kein allgemeiner Vermögensentzug stattfand.[12] Jedoch schloss dies die Plünderung von Wohnungen, deren Bewohner verhaftet worden waren, durch Gestapo-, SS-, NSDAP- oder SA-Angehörigen nicht aus, sodass partielle Vermögensverluste zu verzeichnen waren. Insbesondere betraf dies die Zeit unmittelbar nach dem „Anschluss“ Österreichs an das Deutsche Reich. Obwohl die Plünderung der Wohnung von Elisabeth Leutzendorff nicht eindeutig nachgewiesen werden konnte, ist die Wahrscheinlichkeit hierfür jedoch als hoch einzuschätzen.

Das Aquarell wurde zu einem unbekannten Zeitpunkt durch das Deutsche Reich für den „Sonderauftrag Linz“ erworben und erhielt die Linz-Nr. 784. Die Höhe der Linz-Nummer weist auf einen Erwerb im Jahre 1939 hin.[13] Eine im Jahr 1943 erschienene Reproduktion des Werkes in der nationalsozialistischen Zeitschrift „Kunst dem Volk“ mit dem Zusatz „Neuerwerbung des Führers für die Galerie in Linz“ spricht hingegen für den Erwerb in diesem Jahr.[14] Zeitpunkt und Umstand der Erwerbung konnten abschließend nicht festgestellt werden.

Um das Werk vor Kriegseinwirkungen zu schützen, erfolgte ab 1943 die Einlagerung in das Salzbergwerk Alt-Aussee in der Steiermark. Nach Sicherstellung durch US-Soldaten wurde es am 15. Oktober 1945 in den Central Collecting Point in München verbracht.[15] Am 1. Dezember 1948 übergab die amerikanische Militärregierung das Kunstwerk mit allen ebenfalls  bis dahin nicht bereits restituierten Kunstgegenständen in die Treuhänderschaft des Bayerischen Ministerpräsidenten, Hans Ehard (1887–1980). Mit Gründung der Bundesrepublik Deutschland wurde das Werk 1949 gemäß Artikel 134 Grundgesetz Bundesvermögen.

Trotz umfangreicher Recherchen konnte das frühere Eigentum der Elisabeth Leutzendorff an dem Aquarell nicht eindeutig belegt werden. Eine Vielzahl von Anhaltspunkten verweist jedoch auf ihre Eigentümerstellung bis März 1938. Auf der Grundlage und nach Maßgabe der Nr. 4 der „Washingtoner Erklärung" (1998) sowie der Ziffer II der „Gemeinsamen Erklärung" (1999) wurde eine faire und gerechte Lösung gefunden und das Werk an die legitimierten Rechtsnachfolger nach Frau Leutzendorff 2003 zurückgegeben. 

Bearbeitungsstand: 2020

[1] Vgl. Schreiben der Rechtsnachfolger nach Elisabeth Leutzendorff an die OFD, Berlin vom 15.07.2001.

[2] Für das Folgende vgl. Julius Leisching, Sammlung Lanna, Prag, Teil 1, Leipzig 1909.

[3] Vgl. Schreiben des Auswärtigen Amtes, Berlin an das BMF, Bonn vom 03.06.2003.

[4] Ohne Treffer: Auk.kat. Sammlung des Freiherrn Adalbert von Lanna Prag. 1. Teil, Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 09.–16.11.1909; Auk.kat. Sammlung Baron Lanna, Prag. Aquarelle und Handzeichnungen österreichischer Meister und Porträtminiaturen des 18. und 19. Jahrhunderts englischer, französischer, deutscher und österreichischer Meister aus dem Nachlasse des verstorbenen Herrn Adalbert Freiherrn von Lanna, Prag, Gilhofer & Ranschburg, Wien, 25.–27.10.1910; Auk.kat. Sammlung des verstr. Freiherrn Adalbert von Lanna Prag, 2. Teil, Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 21.– 28.03.1911; Auk.kat. Sammlung des verstr. Freiherrn Adalbert von Lanna Prag, 3. Teil, Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 16.–19.05.1911; Auk.kat. Sammlung Lanna Prag, 4. Teil, Rudolph Lepke’s Kunst-Auctions-Haus, Berlin, 22.05.1911 und folgende Tage;  Auk.kat. Austriaca – Viennensia. Darunter die einschlägigen Bestände aus der Sammlung Baron Lanna-Prag. Österreichische Graphiker des 16.–19. Jahrhunderts, Wiener Strassen- und Volksszenen, Aquarelle und Handzeichnungen aus Wiener Privatbesitz, Gilhofer & Ranschburg, Wien, 13.02.1911 und folgende Tage; Auk.kat. Sammlung Freiherr v. Lanna-Prag. Manuskripte und Bücher, Gilhofer & Ranschburg, Wien, 03./04.04.1911; Auk.kat. Ölgemälde, Aquarelle und Handzeichnungen aus einer bekannten Wiener Privatsammlung, Gilhofer & Ranschburg, Wien, 28.04.1911.

[5] Für das Folgende vgl. Karl-Franzens-Universität Graz, Institut für Soziologie, Archiv für die Geschichte der Soziologie in Österreich, Vaterländische Front, Wörterbuch. URL: http://agso.uni-graz.at/marienthal/woerterbuch/vaterlaendische_front.htm [Abruf: 20.04.2020].

[6] Vgl. Auskunft des DÖW, Wien vom 15.01.2003.

[7] Vgl. Schreiben der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Steiermark, Graz an die OFD, Berlin vom 12.03.2003 inklusive Kopien aus dem „Polizeihäftlingsstand“ vom 28.03.1938.

[8] Vgl. Schreiben der Bundespolizeidirektion, Graz an die OFD, Berlin vom 13.02.2003 inklusive Kopie des „Haftbuches“ aus dem Jahre 1938.

[9] Für das Folgende vgl. Schreiben der Rechtsnachfolger nach Elisabeth Leutzendorff an die OFD, Berlin vom 15.07.2001.

[10] Vgl. Auskunft einer Bekannten von Elisabeth Leutzendorff vom 16.03.2002 und des Sohnes von Elisabeth Leutzendorff vom 28.11.2002.

[11] Vgl. Aussage eines Bekannten von Elisabeth Leutzendorff vom 09.11.2001.

[12] Vgl. Auskunft der Stiftung Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes, Wien vom 15.01.2003.

[13] Vgl. Klaus Beetz, Die Erwerbungen Adolf Hitlers bis zum Führererlass vom 26. Juni 1939 für den Aufbau des Neuen Museums Linz, Berlin 2004 (unpubliziert), S. 14.

[14] Vgl. Heinrich Hoffmann (Hg.), Kunst dem Volk. Monatsschrift für bildende und darstellende Kunst, Architektur und Kunsthandwerk, Jg. 14, Folge 12, Dezember 1943, S. 14, mit Farbabb.

[15] Vgl. Bundesrepublik Deutschland, Kunstverwaltung des Bundes, zugehörige Property Card des CCP München.

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