Waldmüller, Ferdinand Georg
Bildnis eines Kartographen und seiner Frau
Entstehungsjahr | 1824 |
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Technik | Öl auf Eichenholz |
Maße | 41 x 32,5 cm |
Münchener-Nr. | 9536 |
Linz-Nr. | 2306 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Ferdinand Waldmüller, der das „Bildnis des Kartographen und seiner Frau“ 1824 malte, gehörte zu den bedeutendsten Malern des österreichischen Biedermeiers.1 Kein anderer österreichischer Maler berichtete in seinen Bildwelten so umfassend und überzeugend vom wirklichen Leben wie Waldmüller. Er verstand es, die Persönlichkeit der Menschen zum Ausdruck zu bringen, ganz gleich, ob es sich um Personen des Hochadels oder um Bürgerliche handelte. Bevorzugt stellte er jedoch die einfachen Menschen in ihren engen Wohnungen in den Vorstadthäusern dar, die allein oder im Kreise ihrer Familie gezeigt wurden. Er berichtete ebenso von der harten Arbeit der Menschen wie vom heiteren Spiel der Kinder oder von der versunkenen Andacht beim Gebet.
Waldmüller zeigt in diesem Doppelporträt einen Kartographen, der an seinem mit Landkarten bedeckten Schreibtisch sitzt. Neben ihm steht seine Gemahlin, die ihm liebevoll die Hand auf die Schulter gelegt hat.2 Er nimmt sich jedoch keine Zeit, zu ihr aufzublicken, sondern schaut tief in Gedanken an ihr vorbei. Die Gemahlin hat sich zum Spaziergang sonntäglich fein gemacht und stellt ihm vorher noch einen Blumenstrauß in sein Arbeitszimmer. Im vom Künstler gewählten Motiv treffen zwei Welten aufeinander: das unermüdliche wissenschaftliche Wirken des Ehemanns – versinnbildlicht durch die Karten und Bücher – und die Demut und Religiosität der Ehefrau, symbolisiert durch ihre Haltung und das Kreuz an der Goldkette. Der Wohlstand des Ehepaars drückt sich durch kostbare niederländische Gemälde im Hintergrund und die modische Kleidung der Frau aus.
Provenienz
23.11.1921 | Versteigerung beim Auktionshaus Leo Schildhof, Wien, Kat. Nr. 63 m. Abb. (bei Grimschitz ist die Versteigerung „Schidlof“ bezeichnet)3 |
21.1.1927 | Kunsthandlung Neumann & Salzer, Wien (Foto von dem Gemälde wurde an diesem Tag angefertigt)4 |
Jan. 1942 | Durch Klienten des RA Dr. Manfred Hummer, Wien, dem Gauleiter Oberdonau angeboten |
März 1942 | Durch Vermittlung der Galerie St. Lucas, Wien, vom „Sonderauftrag Linz“ für RM 15.000 erworben |
Die TVK München ermittelte folgende Provenienzangaben5 : Am 23. November 1921 wurde das Gemälde „Bildnis eines Kartographen und seiner Frau [Prof. Josef Jüttner]“ in der Wiener Kunsthandlung Leo Schildhof versteigert. Im Jahre 1932 kam es aus Budapest an das Dorotheum in Wien und gelangte von dort um 1935 in den Wiener Kunsthandel. Im Januar 1942 wurde es durch einen Klienten von RA Hummer, Wien, angeboten. Im März desselben Jahres erwarb es die Galerie St. Lucas, Wien, für RM 15.000 für den „Sonderauftrag Linz“.
Die neuerlichen Recherchen brachten Aufklärung in die – wie sich zeigte – verworrene Provenienzgeschichte des Gemäldes „Bildnis eines Kartographen und seiner Frau“. Das Doppelporträt lässt sich erstmals 1921 im Katalog des Kunstauktionshauses Leo Schildhof, Wien, nachweisen.6 Es ist dort unter dem Titel „Porträt eines Ehepaares“ verzeichnet. Diese Angabe kann ist auch den beiden Werkverzeichnissen zum Oeuvre von Ferdinand Waldmüller von Bruno Grimschitz und Rupert Feuchtmüller zu entnehmen.7 Im Waldmüller-Archiv findet sich die handschriftliche Notiz von Grimschitz unter der Rubrik Besitzer: „Neumann u. Salzer, Stallburgg. 2“ sowie mit Bleistift „Frau Dr. Pataky“.8 Ein Foto von dem Bildnis trägt einen rückseitig angebrachten Stempel der Kunsthandlung Neumann & Salzer mit dem Datum der Aufnahme vom 21. Januar 1927. Grimschitz war 1938 kommissarischer Leiter der Österreichischen Galerie in Wien. Anfang 1942 wurde das Gemälde durch den Wiener Rechtsanwalt Dr. Manfred Hummer im Auftrag eines Klienten dem Gauleiter Oberdonau angeboten, der sich daraufhin an Dr. Hans Posse vom „Sonderauftrag Linz“ wandte.9 Aus einem unbezeichneten Gutachten geht hervor, dass das Gemälde von Waldmüller, das hier als „Architekt u. Frau“ bezeichnet wurde, aus Privatbesitz stammt und bisher in der Öffentlichkeit unbekannt war.10 Aus demselben Entstehungsjahr wie das in Rede stehende Gemälde gibt es noch ein weiteres, sehr ähnliches Doppelporträt von Waldmüller. In den Maßen und in der Haltung nahezu identisch zeigt es das Ehepaar „Professor Jüttner und seine Frau“, das durch zahlreiche Abbildungen in Katalogen bekannt ist. Trotz der großen Übereinstimmungen hält der Gutachter den „Architekten und Frau“ für das wesentlich gelungenere Porträt. Zudem sei das Gemälde auch insofern interessant, da im Hintergrund des Paares eine „Allegorie des Glaubens“ von Vermeer hängt. Das Werk aus dem einstigen Besitz des porträtierten Architekten wurde nach dem Ende des Ersten Weltkrieges nach New York verkauft, wo es sich in einer öffentlichen Galerie befand. Der Gutachter, bei dem es sich vermutlich um Dr. Robert Herzig von der Galerie St. Lucas handelt, bot das Gemälde für RM 15.000 an. Am 7. März 1942 erwarb Posse das Doppelporträt für diesen Preis unter Vermittlung der Galerie St. Lucas.11 Bezeichnet wurde es nun jedoch als „Bildnis eines Landmessers und seiner Frau“. Am 19. März 1942 traf es zusammen mit einem Bild von Eduard Grützner in der Gemäldegalerie Dresden ein und wurde für den „Sonderauftrag Linz“ inventarisiert.12
Die Verwechslung der beiden Porträts „Bildnis eines Kartographen und seiner Frau“ mit dem genannten von „Professor Jüttner und seiner Frau“ durch die TVK München beruhte auf einer irrtümlichen Zuordnung. Das Wiener Bundesdenkmalamt (BDA) hatte 1948 vom CCP München die Auskunft erhalten, dass das „Bildnis eines Kartographen mit seiner Frau“ durch die Galerie St. Lucas für den „Sonderauftrag Linz“ erworben worden war.13 Auf der Karteikarte des BDA ist ebenfalls vermerkt, dass die Galerie St. Lucas am 10. Dezember 1948 mitgeteilt hatte, das Bild zusammen mit einem weiteren vom Dorotheum erworben zu haben. Daraufhin wandte sich das Bundesdenkmalamt an das Dorotheum. Von dort wurde am 7. Januar 1949 mitgeteilt, dass das „Bildnis des Astronomen Littrow (?) und seiner Gattin“, Waldmüller, 1824, Öl, Holz, 40 x 32 cm, aus dem Eigenbesitz des Dorotheums stamme, welches das Bild 1942 in Budapest erworben hatte.14 Dieser Titel konnte nicht im Werkverzeichnis gefunden werden. Es ist daher anzunehmen, dass die Bezeichnung des Dargestellten falsch ist und es sich hier um das „Bildnis Prof. Jüttner und seine Frau“ handelte. Offenbar sind von der TVK die Titel „Kartograph“ und „Prof. Jüttner“ und die unterschiedlichen Provenienzen miteinander vermengt worden. Auch spätere Forscher vermischten die Angaben der beiden Werke. Laut Grimschitz hat sich das Gemälde „Prof. Jüttner“ früher in der Sammlung G. und H. Eissler befunden.15 Feuchtmüller gibt an, dass es dann vom „Sonderauftrag Linz“ erworben wurde. Während die Zuordnung Sammlung Eissler richtig ist, gelangte aber nicht das „Bildnis Prof. Jüttner“ in den „Sonderauftrag Linz“, sondern der „Kartograph“.
Durch den umfangreich erhaltenen Schriftverkehr im Bundesarchiv Koblenz, der zudem eine detaillierte Beschreibung des „Kartographen“ enthält, konnte eindeutig geklärt werden, dass der hier interessierende „Kartograph“ aus Wiener Privatbesitz durch Vermittlung der Galerie St. Lucas in den „Sonderauftrag Linz“ gelangte.
Das Bundesamt für Äußere Restitution teilte mit, dass es keine Hinweise auf Restitution besitzt. Eine Rückgabe des Gemäldes ist von Seiten der Republik Österreich nicht beantragt worden. Anhaltspunkte für einen NS-verfolgungsbedingten Zwangsverkauf sind bisher nicht bekannt.
Stand: 2011
1 Zum Schaffen des Künstlers vgl. Feuchtmüller 1996, hier vor allem S. 415 f.
2 Für das Folgende vgl. Westhoff-Krummacher 1995, S. 64.
3 Grimschitz 1957, WVNr. 129.
4 BADV Berlin, Property Card, mü 9536.
5 Ebd.
6 Auk.kat. Leo Schildhof, Wien, am 23.11.1921, Kat.Nr. 63, m. Abb.
7 Feuchtmüller 1996, WVNr. 136 und Grimschitz 1957, WVNr. 129.
8 Waldmüller-Archiv im Belvedere, Wien.
9 Der Kulturbeauftragte des Gauleiters Oberdonau an Posse, Linz, 19.1.1942. Vgl. BArch, B323/117, LF IXb/198/725.
10 Portrait „Architekt und Frau“, ohne Anrede, ohne Datum. Vgl. BArch, B323/117, LF IXb/199/728.
11 Brief von Posse an Lammers, Reichsminister und Chef der Reichskanzlei, Dresden, 7.3.1942. Vgl. BArch, B323/100, LF I/111/717. Zum Preis vgl. Rechnung von Herzig, Galerie St. Lucas, an Posse, Wien, 3.3.1942. Vgl. BArch, B323/138, LF XIXa/75/422.
12 Nachricht von Posses Vertreter an die Galerie St. Lucas, Wien, Dresden, 20.3.1942. Vgl. BArch, B323/138, LF XIXa/71/407.
13 BDA, Wien, Mappe Dorotheum, Kartei 33/2.
14 Dorotheum, Wien, an das Bundesdenkmalamt, Wien, 7.1.1949. Vgl. BArch, B323/331, Dorotheum, Wien.
15 Grimschitz 1956, WVNr. 130.