Diez, Albrecht Christoph Wilhelm von
"Durch’s Wasser" auch „Frau mit zwei Kindern und Kühen, einen Bach durchschreitend" auch „Frau mit zwei Kindern und Kühen in der Schwemme“
Entstehungsjahr | 1904 |
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Technik | Öl auf Holz |
Maße | 25 cm x 18,5 cm |
Münchener-Nr. | 9573 |
Linz-Nr. | 2905 |
Herkunft | Kulturgüter aus ehem. Reichsvermögen |
Beschreibung
Wilhelm Diez wurde 1839 in Bayreuth geboren.1 Ebendort erhielt er zwischen 1851 und 1853 ersten Zeichenunterricht an der Gewerbeschule, von 1853 bis 1855 studierte er am Polytechnikum in München und 1855 schließlich war er für kurze Zeit an der Münchner Akademie der Bildenden Künste bei Karl Theodor von Piloty. Erste Erfolge sicherte sich Diez als Zeichner und im graphischen Medium, so illustrierte er seit 1858 die „Fliegenden Blätter“, war von 1862 bis 1875 Mitarbeiter der „Münchener Bilderbogen“ und schuf in der Folge die Illustrationen für zahlreiche Veröffentlichungen militär- und kostümgeschichtlicher wie auch literarischer Art.2 Besonders einflussreich war Diez seit 1870 auch als Akademielehrer und dann vor allem seit 1872 als Professor mit schulbildendem Charakter. Zur sog. Diez-Schule und zu Diez Schülern gehören so namhafte Künstler wie Adolf Hölzl, Gotthard Kuehl, Fritz Mackensen, Max Slevogt und Wilhelm Trübner. Ehrungen blieben nicht aus, so wurde ihm 1883 auf der Münchner Internationalen Ausstellung die Goldmedaille zuerkannt, 1888 wurde Diez zum Ehrenmitglied der Wiener Akademie der Bildenden Künste ernannt 3 , 1893 wurde er geadelt, 1903 wurde ihm der Bayerische Verdienstorden vom Hl. Michael II. Klasse und 1907 der deutsche „Pour le mérite“ verliehen. Diez verstarb 1907 in München.
Diez widmete sich vor allem der Genremalerei sowie militärischen Sujets, der Porträtmalerei, aber auch Tier- insbesondere Pferdestudien, Landschaften und religiösen Themen. Künstlerische Anregungen bot ihm das Studium der altdeutschen und der niederländischen Malerei. Besonderen Wert legte Diez auf coloristische Mittel und künstlerische Präzision.
Im Zentrum der hochrechteckigen Komposition ist eine junge barfüßige Frau in Rückenansicht groß ins Bild gesetzt, die ein flaches Gewässer nach rechts durchwatet, sich in der Bewegung zugleich nach links umwendet und zurückblickt. Mit ihrer Linken rafft sie ihren Rock, in ihrem rechten Arm hängt ein halbnackter kleiner Junge. Links neben ihr steht ihr zugewendet ein kleines Mädchen, das sich voll darauf konzentriert, mit beiden Händen seinen Rock ebenfalls hoch zu halten. Die gesamte Bildbreite dahinter füllt eine dunkle Kuh aus, die mit gesenktem Kopf ebenfalls das Wasser von links nach rechts durchschreitet. Eine weitere Kuh am gegenüberliegenden Ufer wendet der Gruppe ihren aufmerksamen Blick zu. Im Vordergrund links ragt ein winziger Holzsteg diagonal in das Bild.
Das kleinformatige Bild ist monumental inszeniert und belebt durch die Verschränkung von diagonalen und bildparallelen Bildelementen und Bewegungsrichtungen. Der Farbauftrag ist frei und hat im Blau der Kleidung der Frau einen starken Akzent.
Provenienz
vormals Dr. He., Berlin | |
14.06./15.06.1938 | auf der Versteigerung bei H. W. Lange, Berlin von Kunsthandel C. F. Ernst Schmidt, Landgrafenstraße 1/II., Berlin W 62 erworben |
am 19.04.1943 | von dort für den "Sonderauftrag Linz" (Titel: Durch’s Wasser) für RM 8.500,- erworben4 |
Die TVK München ermittelte, dass das vorliegende Gemälde durch die Kunsthandlung C. F. Ernst Schmidt, Berlin, auf einer Versteigerung der Kunsthandlung Hans W. Lange, Berlin, am 14./15. 6. 1938 erworben und am 19. 4. 1943 an den Sonderauftrag Linz für RM 8.500 verkauft wurde.5
Die erneuten Recherchen ergaben Folgendes: Alle Querverweise bestätigen nach umfassender Recherche im Bundesarchiv die vorliegenden Angaben, fördern jedoch kaum neue Erkenntnisse zutage.6 Das Bild wird in der Rechnung an Dr. Voss vom 19. 4. 1943 unter dem Titel „Durchs Wasser“ aufgeführt, womit sich neue Perspektiven für die Provenienzrecherche ergeben.7 Das Bild wurde kurz darauf mit dem „Vierzehnten Transport von Dresden nach München am 3. Juni 1943“ in den Führerbau verbracht.8
Das Gemälde ist in Band XXVI der Fotoalben Gemäldegalerie Linz als Gabe an Adolf Hitler aufgenommen, das am 3. November 1943 versandt wurde.9
Der Zuschlagspreis des bei Lange zur Auktion eingelieferten Bildes ist nicht nachgewiesen, der Schätzpreis betrug laut erhaltener Liste RM 1.500.10 Die Provenienz lässt sich nicht weiter konkretisieren, als die im Katalog gemachte verkürzte Pflichtangabe: Dr. He…11 Der Eigentümer muss in jedem Fall eine Gemäldesammlung besessen haben, da er allein zu derselben Auktion vier hochwertige niederländische Bilder (Jacob van Ruisdael, Salomon Ruisdael, Johannes Lingelbach, Abraham Willaerts) eingeliefert hat.12 Dr. Walther Bernt, der langjährige Mitarbeiter des Auktionshauses Lange, machte im Jahre 1951 Angaben allgemein zu den Provenienzen der bei Lange versteigerten Werke: Er selber habe darüber in der Regel nichts gewusst, die von Lange gemachten Angaben seien Pflichtangaben gewesen und daher grundsätzlich glaubwürdig.13
Der Berliner Auktionator Hans W. Lange „arisierte“ das von Paul Graupe bis 1937 betriebene Auktionshaus und agierte als Verkäufer für die Berliner Finanzbehörden. Er kaufte unter anderem von französischen Kunsthändlern 1944 zahlreiche Gemälde auf, um sie an den „Sonderauftrag Linz“ weiter zu veräußern.14
Im Landesarchiv Berlin befinden sich im Bestand der Landesleitung der Reichskammer der bildenden Künste Unterlagen zu Auktionen vom 4.-6.Oktober 1937, (8.) November 1937 und 6./7.Dezmber 1937 von der Kunsthandlung Hans W. Lange mit Angaben zu Einlieferern und den zu versteigernden Objekten.15 Zur Auktion Langes am 1938, 14./15. 6.1938 liegen keine Unterlagen vor.
Die Kunsthandlung C. F. Ernst Schmidt16 , Landgrafenstraße 1, Berlin W 624 stand in engem Kontakt mit dem „Sonderauftrag Linz“. Schmidt gehörte zu den von Voss bevorzugten Kunsthändlern für seine im Rahmen des „Sonderauftrag Linz“ getätigten Ankäufe. Insgesamt lieferte er 56 Gemälde zur Linzer Sammlung ein.17 Schmidt tätigte Einkäufe in Wien, unter anderem am Dorotheum und in Paris. Schmidt hatte Geschäftsräume in Berlin und ab 1944 auch zeitweise in Wien (Grandhotel, Zimmer 407).18 Galeriebestände mit Einkaufs- und Verkaufsbüchern sind nicht überliefert.
Diez umfangreiches Werk ist weder durch den Künstler selbst dokumentiert noch durch die kunsthistorische Forschung aufgearbeitet worden.19 Das vorliegende Gemälde lässt sich allerdings im Katalog der 1907 in der Münchner Galerie Heinemann gezeigten Gedächtnisausstellung nachweisen und befand sich damals offenbar im Nachlass. 20
Vor dem hier geschilderten Hintergrund bleibt die Provenienz ungeklärt, zumal alle Quellen ausgeschöpft sind. Anhaltspunkte für weitere Recherchen liegen derzeit nicht vor.
Stand: 2011
1 Für Folgendes vgl. Müller, KL 4, 1870, S. 104; Seubert 1, 1878, S. 383; Holland 1909, S. 103-107; Thieme/Becker 9, 1913, S. 282f.; Müller/Singer 1, 1921, S. 346; 5, 1921, S. 72; 6, 1922, S. 70; NDB 3, 1957, S. 711f.; Sitzmann 1957, S. 99f.; Münchner Maler 1, 1981, S. 229-233; DBE 2, 1995, S. 544; Bénézit 4, 1999, S. 583; AKL 27, 2000, S. 348f.
2 Als Illustrator taucht Diez in allen einschlägigen Handbüchern auf: LKJL 4, 1984, S. 150; LGB 2, 1989, S. 312; Osterwalder, 1800-1914, 2, 1989, S. 313; Ries 1992, S. 484.
3 Wagner 1967, S. 444.
4 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 9573. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern sind Aussee 4793 und Linz 2905
5 Für das Folgende vgl. BADV Berlin, Property Card, mü 9573. Weitere auf der Karteikarte vermerkte Nummern sind Aussee 4793 und Linz 2905.
6 BArch Koblenz B 323/49/504; B 323/83/400; B 323/1202/3 (von Dr. Wiedemann, Dresden, geführtes handschriftliches Verzeichnis der Linz-Ankäufe).
7 BArch Koblenz B 323/142/42/723 [LF XXIa/149/723] (Rechnung Kunsthandel Schmidt an Dr. Voss vom 19. 4. 1943); B323/583/65 (Abschrift der Rechnung).
8 BArch Koblenz B 323/166/43/3/634 [LF XXXV/43/3/634].
9 Schwarz 2000, S. 64f., 167, 417 (Abb.) Nr. XXVI/25.
10 Im Exemplar des Auktionskatalogs in der Kunstbibliothek, Berlin, liegt die Liste mit den Schätzpreisen ein.
11 uk.kat. Berlin, Lange 1938, 14./15. 6, S. 19 Nr. 55, Taf. 20.
Möglicherweise handelt es sich um Dr. Wolfgang Heiligendorff, der auch über Lange zwei Gemälde von Salomon Ruisdaels, ein Gemälde von Abraham Willaerts und ein Gemälde von Johann Lingelbach anbot. Im Werkverzeichnis von Stechow zu Salomon Ruisdael, 1970 konnte ein Dr. He... aus Berlin - an anderer Stelle Dr. Heiligendorff genannt, nachwiesen werden. Dr. W. Heiligendorff war Prähistoriker und lebte 1938 nach den Angaben im Berliner Adressbuch im Dahlemer Weg. In der SD Denkschrift über Vorgeschichte 1939
(BArch BA R 58 / 9002, Bl. 346) ist ein Dr. Heiligendorf als Mitarbeiter beim Landesamt für Vorgeschichte Berlin, und NSDAP Mitglied aufgeführt.
12 Auk.kat. Berlin, Lange 1938, 14./15. 6, S. 12 Nr. 19, S. 15 Nr. 35, S. 15f. Nr. 37, S. 17 Nr. 45.
13 BArch Koblenz B 323/332.
14 Feliciano 1998, S. 118f.
15 LAB, A Rep 243-04,Nr. 02.13. Auktionen vom 4.-6. 10. 1937, (8.) 11. 1937, 6./7. 12. 1937.
16 Für Folgendes vgl. Ergebnisbericht zur Provenienzforschung des Museums Wiesbaden zum Gemälde Sacra Conversazione Inv. Nr. M 611, Stand: 15. 09. 2010, vgl. : http://www.lostart.de.
17 Vgl. Datenbank „Sammlung des Sonderauftrages Linz“ http://www.dhm.de/datenbank/linzdb/ (unter Provenienz «Schmidt»).
18 Vgl. Ergebnisbericht zur Provenienzforschung des Museums Wiesbaden zum Gemälde Sacra Conversazione Inv. Nr. M 611, Stand: 15. 09. 2010, BArch Berlin, Bl. 50: http://www.lostart.de.
19 Die in den in Anm. 2 genannten Nachschlagewerken und in der Bibliographie zur Bayerischen Kunst, vgl. Wichmann, Bibl. 4, 1973, verzeichneten überaus zahlreichen Erwähnungen von Diez haben sich als nicht relevant erwiesen. Das vorliegende Bild wird ebenso wenig erwähnt bei: Kamm 1991.
20 AK München 1907, S. 28-30 Nr. 313: „Durchs Wasser“, Kollektion Wilhelm von Dietz, Privatbesitz. Zumindest inhaltlich scheint das 1902 entstandene Bild „Durch die Furt“ verwandt gewesen zu sein, das in derselben Ausstellung unter Nr. 312 erscheint.